"Gleichberechtigt aber anders..." Grenzen weiblicher Integration und Partizipation in der Kommunistischen Partei der Schweiz 1921-1927


Seminararbeit, 2005

26 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Frauenbild im Kommunismus: Gleichberechtigt aber anders...
2.1. Die marxistische Emanzipationstheorie: August Bebel und Clara Zetkin
2.2. Geschlechtsidentität und Kommunismus

3. Frauenemanzipation in der schweizerischen Arbeiterbewegung
3.1. Theoretische Werke
3.2. Frauenemanzipation und ArbeiterInnenmilieu

4. Entwicklung der KPS vom Gründungsparteitag bis zum „Bolschewisierungsstatut“ von 1927.
4.1.Die Gründung der KPS
4.2. Struktureller Aufbau der KPS
4.3.Die Bolschewisierungsphase 1924-1927

5. Die Eingliederung der Frau in die KPS
5.1.Rekrutierung und Mobilisierung
5.2 Grenzen weiblicher Durchsetzungsfähigkeit und Partizipation in der KPS

6. Die Frauenpolitik der KPS
6.1.Allgemeine Postulate der KPS zur Frauenemanzipation in der Schweiz
6.2. Frauenstimmrecht
6.3.Schwangerschaftsabbruch
6.4.Wandel der Frauenpolitik

7. Konklusion
7.1.Soziokulturelle Faktoren
7.2.Parteistrukturelle Faktoren

8. Bibliographie

Der Mann ist der Herr im Haus. So stehts

schon in der Bibel notiert,

So steht es bis heute auch bei uns im Gesetz.

Der Zustand ist approbiert.

Die Frau sei dem Manne untertan.

Sie ist nur eine Frau. Er ist ein Mann.

Der Spiessbürger stützt sich auf dieses sein Recht

Es gibt ihm den inneren Halt.

Am Arbeitsplatz zeig er vielleicht sich als Knecht

Und katzbuckelt vor der Gewalt;

Zuhause jedoch- da stellt er den Mann.

Da ist er Herrscher! Da ist er Tyrann.

Ein klassenbewusster Arbeitermann

Der ist seiner Frau- Kamerad;

Der fängt das Herrschertheater nicht an;

Sie gehn ja den gleichen Pfad!

Sie stossen den Karren gemeinsam voran

Verbunden in Arbeit und Kampf; Frau und Mann.

(Auszüge aus: „Der Herr im Haus“ von

Lisel Bruggmann, 1925)[1]

1. Einleitung

Im internationalen Vergleich sind geschlechtsspezifische Publikationen über die Schweizer ArbeiterInnenbewegung relativ selten. Biographien, die als Zeichen der Anerkennung fungieren, waren lange Zeit nur den grossen Männern gewidmet. Durch den Impuls der Frauenbewegung und dem neu erwachten Interesse für die Geschichte der Arbeiterorganisation als Teil der „neuen Linke“, wurden auch in der Schweiz in den 1970/80er zahlreiche Arbeiten über die Position der Frau in der Arbeiterbewegung veröffentlicht.[2] Nach Brigitte Studer (1997) handeln aber die meisten Publikationen von Frauen, die sich in der organisierten Arbeiterbewegung engagiert haben. Grund dafür liegt in der erschwerten Zugänglichkeit von historischem Forschungsmaterial über nicht-organisierte Frauen und somit über die Arbeiterinnenkultur selbst[3]. Mit der vorliegenden Proseminararbeit über die politische und soziale Stellung der Frau in der Kommunistischen Partei der Schweiz der Jahre 1920-1927 schliesse ich mich den traditionellen Arbeiten über Frauen in der organisierten Bewegung an und zwar aus der von Studer (1997) geschilderten Problematik. Doch auch in der organisierten Arbeiterbewegung sind verhältnismässig wenig Frauen in bedeutenden Positionen vorzufinden. Obwohl die marxistischen Emanzipationstheorien von August Bebel und Clara Zetkin, denen sich alle sozialistischen und kommunistischen Parteien der Zweiten Kommunistischen Internationalen (KI) verpflichtet haben, die vollständige Gleichstellung der Frauen und die Wichtigkeit ihres aktiven politischen Engagement propagierten, sah die Praxis oft ganz anders aus. Nach parteiinternen Angaben betrug der Frauenanteil des gesamten Mitgliedbestandes 1921 15.4% und im Jahre 1927 12.5%, doch ab 1927 war keine einzige Frau mehr in der obersten Führung der KPS vertreten[4].

Der Enthüllung dieses auf den ersten Blick erstaunlich anmutenden Phänomens möchte ich in der vorliegenden Proseminararbeit mit folgender Fragestellung näher kommen: Welche parteistrukturellen und soziokulturellen Faktoren bremsten in den Jahren 1921-1927 ein aktives politisches Engagement und den Vorstoss von Frauen in der KPS? Ich habe bewusst diese Periode gewählt, da 1927 einerseits die Arbeit und Integration der Frau als Sache der Gesamtpartei erklärt und in den Statuten festgeschrieben wurde, andereseits, wie oben bereits erwähnt, der Frauenanteil schrumpfte und keine Frau in der engeren Führung vertreten war. Ausserdem lancierte die KPS während dieser Periode ihre einzigen frauenpolitischen Kampagnen:1922 für einen straffreien Schwangerschaftsabbruch und 1927 für die Einführung des Frauenstimmrechts.

Im ersten Kapitel geht es um die theoretische Auseinandersetzung mit den marxistischen Emanzipationstheorien von August Bebel und Clara Zetkin und die Geschlechtsidentität innerhalb der kommunistischen Bewegung.

Das zweite Kapitel liefert einen kurzen Überblick über die Frauenemanzipation in der schweizerischen Arbeiterbewegung. Es geht dabei um die vorherrschenden theoretischen Werke und ihre Rezeption im ArbeiterInnenmilieu selbst.

Das dritte Kapitel umfasst die Gründung der KPS, ihr struktureller Aufbau, ihre Entwicklung bis 1927 und insbesondere die zunehmende Zentralisierung unter dem Einfluss von Moskau.

Das vierte Kapitel stellt die Eingliederung der Frau in die KPS dar. Dabei wird auf Rekrutierungs-und Mobilisierungstrategien und ihre tatsächliche Umsetzung eingegangen. Ein weitere wichtiger Punkt bildet die Aufzeichnung der Grenzen und Schwierigkeiten weiblicher Durchsetzungsfähigkeit und Partizipation innerhalb der KPS. Dabei wird sowohl auf soziokulturelle wie auch organisationstechnische Hindernisse eingegangen.

Das fünfte Kapitel zeigt die Frauenpolitik der KPS auf. Es darin insbesondere um die Stellung der Frauenanliegen innerhalb der politischen Agenda. Dabei wird besonders auf das Engagement für Frauenstimmrecht und Schwangerschaftsabbruch eingegangen. Im letzten Punkt geht es um den Wandel der Frauenpolitik und der Marginalisierung von Frauenanliegen durch die zunehmende „Stalinisierung“ der Partei.

2. Frauenbild im Kommunismus: Gleichberechtigt aber anders...

2.1. Die marxistische Emanzipationstheorie: August Bebel und Clara Zetkin

Als die wichtigsten ExponentInnen der marxistischen Frauenemanzipationstheorie gelten Friedrich Engels, August Bebel und Clara Zetkin, paradoxerweise aber nicht Karl Marx selbst, der die Frauenfrage kaum zur Kenntnis nahm. In gewisser Weise tritt dies auch auf Engels zu, obgleich sein Werk über den Ursprung der Familie sich als einziges unter den klassischen Schriften des Marxismus mit der Stellung der Frau in der Gesellschaft befasst.[5]Erst August Bebel und Clara Zetkin haben sich intensiver mit der Frauenfrage befasst. Bebel hat mit seinem 1879 erschienenen Buch „Die Frau und der Sozialismus“,einer eingehenden, historischen Analyse der Stellung der Frau von der Urgeschichte bis zur bürgerlichen Familie, die Haltung der SozialistInnen nachhaltig geprägt. Er kritisierte die zu seiner Zeit herrschenden sozialen und sexuellen Eheverhältnisse, untersucht Prostitution, geht auf die Frauenarbeit ein und entwickelte Modelle für die Zukunft im Sozialismus.

„Die Frau der neuen Gesellschaft ist sozial und ökonomisch vollkommen unabhängig, sie ist in keinem Schein von Herrschaft und Ausbeutung mehr unterworfen, sie steht dem Mann als Freie, Gleiche gegenüber und ist Herrin ihrer Geschicke. Ihre Erziehung ist der des Mannes gleich, mit Ausnahme der Abweichungen, welche die Verschiedenheit des Geschlechts und ihre geschlechtliche Funktion bedingen;...sie wählt für ihre Tätigkeit diejenigen Gebiete, die ihren Wünschen, Neigungen und Anlagen entsprechen und ist unter gleichen Bedingungen wie der Mann tätig (...)In der Liebeswahl ist sie gleich dem Mann frei und ungehindert. Sie freit oder lässt sich freien und schliesst den Bund aus keiner anderen Rücksicht als ihre Neigung. (...) Die Befriedigung des Geschlechtstriebs ist ebenso jedes einzelnen persönliche Sache wie die Befriedigung jedes anderen Naturtriebs.“[6]

Bebel behandelt in seinem Werk auch auf die Umwandlung des häuslichen Lebens. Die Frau wird dabei aufgefordert, unter Herbeiziehung technischen Fortschritts und kommunitaristischem Gedankenguts den Haushalt soweit zu rationalisieren, dass ihrer Eingliederung und Entfaltung in der produktiven Gesellschaft nichts mehr im Wege steht.

„Die Technik der grossen Küchen hat schon gegenwärtig eine Vollkommenheit erreicht, welche die aufs beste ausgerichtete Familienküche nicht kennt.(...) Die Privatküche ist für Millionen Frauen eine der anstrengendsten, zeitraubendsten und verschwenderischsten Einrichtungen...namentlich wenn, wie bei den allermeisten Familien, die Mittel die knappsten sind. Die Beseitigung der Privatküche wird für ungezählte Frauen eine Erlösung sein.(...) Wie in der Küche[die zur Zentralnahrungsbereitungsanstalt wird (Anm.A.M.)],so wird die Revolution im gesamten häuslichen Leben sich vollziehen und zahllose Arbeiten erübrigen, die heute noch ausgeführt werden müssen.(...) Die Zentralwaschanstalten und Zentraltrockeneinrichtungen übernehmen die Reinigung und das Trocken der Wäsche; die Zentralreinigungsanstalten die Reinigung der Kleider und Teppiche.“[7]

Diese Modelle lieferten das theoretische Grundgerüst der sozialistischen Frauenemanzipation und Bebels Buch nahm schon wenige Jahre nach seinem Erscheinen für die Frauenfrage die selbe autoritative Position ein wie das „Kapital“ von Marx für die Fragen der allgemeinen Ökonomie[8]. So progressiv Bebels Ansichten bezüglich der ökonomischen und sexuellen Unterdrückung der Frau für die damalige Zeit auch waren, konnte er sich dennoch nicht vollumfänglich von den Vorurteilen bezüglich dem Charakter und traditionellem Rollenverhältnis zwischen Frau und Mann lösen.

Andererseits ist die Frau von Natur aus impulsiver als der Mann, sie reflektiert weniger als dieser, ist selbstloser, naiver, daher ist sie von grösserer Leidenschaft beherrscht, die sich in der wahrhaft heroischen Aufopferung, mit der sie für ihr Kind eintritt oder für Angehörige sorgt...In der Furie dagegen findet diese Leidenschaft ihren hässlichen Ausdruck.“[9]

Diese und andere Passagen haben wohl eher zur Zementierung anstatt zur Überwindung des geschlechtsspezifischen Rollenverhaltens beigetragen.

Für Bebel war die Frauenfrage Teil der sozialen Frage, da beide, Frau und Arbeiter unterdrückt werden. Daher wird auch die Notwendigkeit einer Allianz zwischen Frauen und Arbeiterbewegung abgeleitet. Er sprach sich aber auch, um dem weiblichen Anliegen mehr Gewicht zu verleihen für eine Teilallianz zwischen der proletarischen und der bürgerlichen Frau aus:

“Immerhin haben die feindlichen Schwestern weit mehr als die im Klassenkampf gespaltene Männerwelt Berührungspunkte, in denen sie, getrennt marschierend, aber vereint schlagend, den Kampf führen können.“[10]

In dieser Frage setzte sich Clara Zetkin, die neben Bebel den Sozialismus in der Frauenfrage am meisten geprägt hat, von diesem deutlich ab. In ihrer Argumentation übernimmt sie zwar die Ansichten Engels und Bebel, betrachtet aber den Befreiungskampf der Frauen nie aus dem Blickwinkel des Geschlechts, sondern hat ihn der Bewegung des gesamten Proletariats untergeordnet. Eine Allianz zwischen bürgerlichen und proletarischen Frauen lehnte sie entschieden ab.[11]Dieses Dogma ist auch Zetkins wichtigster Beitrag zur Frauenfrage. Sie gilt als die Vollenderin der sozialistischen Frauenemanzipationsbewegung.

2.2. Geschlechtsidentität und Kommunismus

Im November 1920 gab das Exekutivkomitee der KI die „Richtlinien für die kommunistische Frauenbewegung“ heraus. Diese waren sehr stark von Clara Zetkin beeinflusst und proklamierten die volle Gleichheit von Frau und Mann, die Anerkennung der Mutterschaft als soziale Funktion und gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Es wurde auch hervorgehoben, dass es so etwas wie diespezifisch weiblicheFrage nicht gibt, da die proletarischen und die weiblichen Interessen gleichgesetzt werden. Da der Kommunismus aber nur mit der Beteiligung der Frauen siegen kann, verlangte die KI von ihren Mitgliedern, dass sie Frauen an der aktiven Teilnahme in allen Lebensbereichen vollständig unterstützten und sie auf allen Ebenen des Klassenkampfes integrieren.[12]

[...]


[1] Bruggmann,, Ich wünsche euch des Weltenalls Erbeben, S.103

[2] Studer, Genre, travail et histoire ouvrière, S.70

[3] Vgl. Studer, Genre, travail et histoire ouvrière , S.71

[4] Vgl. Stettler, Peter, Die Kommunistische Partei der Schweiz, S.111 und Faltblatt, S.120

[5]Evans, Richard J., Sozialdemokratie und Frauemanzipation im deutschen Kaiserreich, S. 33, zitiert nach Frei, Rote Patriachen, S.20

[6]Bebel, Die Frau und der Sozialismus, S.337

[7]Bebel, Die Frau und der Sozialismus, S.333-335

[8]Frei, Rote Patriarchen, S.21

[9]Bebel, Die Frau und der Sozialismus, S.180

[10]Bebel, Die Frau und der Sozialismus, S.29

[11]Vgl. Frei, Rote Patriarchen, S.22

[12] Vgl. Weitz, The Heroic Man and the Ever-Changing Woman, S. 311

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
"Gleichberechtigt aber anders..." Grenzen weiblicher Integration und Partizipation in der Kommunistischen Partei der Schweiz 1921-1927
Hochschule
Université de Fribourg - Universität Freiburg (Schweiz)  (Departement für Zeitgeschichte)
Veranstaltung
Proseminar: Geburt und frühe Kindheit in historischen Perspektiven
Note
1
Autor
Jahr
2005
Seiten
26
Katalognummer
V58279
ISBN (eBook)
9783638525213
ISBN (Buch)
9783638665902
Dateigröße
566 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gleichberechtigt, Grenzen, Integration, Partizipation, Kommunistischen, Partei, Schweiz, Proseminar, Geburt, Kindheit, Perspektiven
Arbeit zitieren
Master Angela Mattli (Autor:in), 2005, "Gleichberechtigt aber anders..." Grenzen weiblicher Integration und Partizipation in der Kommunistischen Partei der Schweiz 1921-1927, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/58279

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