Der Leitgedanke der Prädestination des Föderalismus als einzige Russland angemessene Methode zur Stärkung der demokratischen Eigenschaft des politischen Systems und der damit verbundenen Durchsetzung sowohl marktwirtschaftlicher wie auch gesamtgesellschaftlicher Transformation in den Provinzen war gleich zu Beginn der neunziger Jahre an in Erscheinung getreten. Das geflügelte Wort Thomas Jeffersons „Föderalismus ist die territoriale Form der Demokratie“ stiess in Russland auf grossen Anklang und wurde zu einer Transformationsprämisse erhoben. Die Frage, ob Föderalismus in Perioden grosser gesellschaftlicher Umwälzungen überhaupt anwendbar ist, wird vonMichael Benjamin (1995)thematisiert. Er bezieht sich dabei auf die Vermutung vonU. Preuss, „das ein Föderalismus vielleicht nur auf der Grundlage einer Gesellschaft funktioniert, die bereits hinreichend sozial-ökonomisch homogen ist...“Benjamin bewertet jedoch die zwei AlternativstrategienZerfall der FöderationoderErrichtung unitaristischer Strukturenin ihren Ergebnissen als erfahrungsgemäss unbefriedigend. Er plädiert darum für die Suche nach Föderalismusmodellen, die trotz heterogener Lebensverhältnisse eine Chance für den Umgang mit ausgeprägten sozialen Cleavages bieten. Föderative Strukturen können den Rahmen, den Handlungsspielraum und die Regeln festlegen, innerhalb derer von einer antagonistischen zu einer kooperativen Spielstruktur übergegangen werden kann. Ob sich der in Russland abzeichnende föderative Aufbau dazu eignet, ist die zentrale Fragestellung der vorliegenden Seminararbeit, der wir uns durch eine Analyse der Entstehung der föderalen Struktur, der Probleme die diese beinhaltet und deren Umgestaltung durch die Reformen nähern wollen. Ausgehend von föderalismustheoretischen Ansätzen und der in der Verfassung festgelegten föderalen Grundsätzen, versuchen wir das Zusammenspiel der politischen Institutionen auf den verschiedenen vertikalen Ebenen des russischen politischen Systems darzulegen und auf die Legitimität staatlicher Interventionskompetenzen und die Einbindung der lokalen und regionalen Organe in die vertikale Politikverflechtung im Sinne des „interorganizational policy-making process“ zu bewerten. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Föderalismus
- Prinzipien des Föderalismus
- Föderalismus als Gewaltenteilung
- Problem der Politikverflechtung
- Föderalismus und Systemtransformation
- Die Rolle der Gerichte in föderalen Staaten
- Die lokale Ebene
- Die Jelzin-Ära: Vom Totalitarismus zum Nachtwächterstaat
- Föderationsverträge
- Verfassungsdiskussion
- Republiken
- Regionen
- Verfassung
- Kompetenzabgrenzungs-verträge
- KAV mit den Republiken
- KAV mit den Regionen
- Deutung der KAV
- Grenzen der KAV
- Die Lokale Selbstverwaltung in Russland
- Hauptzüge des Jelzin'schen Föderalismus; Fazit
- Putins Staatskonzeption: Revolution oder Restauration?
- Putins föderale Reformen
- Einführung von sieben Föderationskreisen
- Reform des Föderationsrats
- Das Institut des föderalen Einschreitens in den Regionen
- Reform der örtlichen Selbstverwaltung
- Harmonisierung der Gesetzgebung
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Seminararbeit analysiert die föderale Transformation Russlands von 1989 bis 2003, ausgehend von der Jelzin-Ära bis hin zu den Reformen unter Putin. Ziel ist es, die Entwicklung des föderalen Aufbaus, die damit verbundenen Probleme und die Auswirkungen der durchgeführten Reformen zu untersuchen. Die Arbeit befasst sich mit staatsrechtlichen und demokratietheoretischen Fragen im Kontext der Legitimität politischer Herrschaft und der Effizienz politischer Institutionen.
- Entwicklung des russischen Föderalismus unter Jelzin und Putin
- Analyse der Prinzipien und Herausforderungen des Föderalismus in Transformationsgesellschaften
- Bewertung der staatlichen Interventionskompetenzen und der Rolle lokaler und regionaler Organe
- Untersuchung der Auswirkungen der föderalen Reformen auf die Machtverteilung
- Beurteilung der Vereinbarkeit von Rezentralisierung und Demokratisierung
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung stellt die zentrale Forschungsfrage nach der Eignung des föderativen Aufbaus Russlands zur Bewältigung gesellschaftlicher Umwälzungen. Sie skizziert den Ansatz der Arbeit, der föderalismustheoretische Ansätze mit der Analyse der Entstehung, der Probleme und der Umgestaltung der föderalen Struktur verbindet. Die Arbeit fokussiert auf das Zusammenspiel politischer Institutionen auf verschiedenen Ebenen und bewertet die Legitimität staatlicher Interventionen. Der Fokus liegt auf dem Zusammenspiel der Institutionen auf den drei Ebenen (Bundesebene, regionale Ebene, lokale Ebene) und lässt akteurzentrierte Perspektiven außer Acht.
Föderalismus: Dieses Kapitel erläutert die Prinzipien des Föderalismus, differenziert zwischen verschiedenen Föderalismusformen und diskutiert demokratietheoretische Aspekte. Es beschreibt den Föderalismus als Kompromiss zwischen Einheitsstaat und Staatenbund, wobei die staatliche Souveränität zwischen Bund und Regionen geteilt wird. Es werden verschiedene Arten der Föderalisierung anhand ethnischer oder administrativer Einheiten unterschieden, sowie die Bedeutung von Dezentralisierung und Autonomie für die Effizienz und Legitimität des Systems beleuchtet. Schließlich werden Kriterien für ein föderalistisches System definiert.
Die Jelzin-Ära: Vom Totalitarismus zum Nachtwächterstaat: Dieses Kapitel beschreibt die Entwicklung der föderativen Beziehungen während der Jelzin-Ära. Es analysiert die Föderationsverträge, die Verfassungsdiskussion, die Verfassung selbst und die Kompetenzabgrenzungs-verträge (KAV) mit Republiken und Regionen. Es zeigt die Herausforderungen auf, die sich aus der ungesteuerten föderalen Transition ergaben, inklusive der Unterwanderung zentralstaatlicher Kapazitäten und dem asymmetrischen Charakter der föderalen Einheiten. Der Fokus liegt auf den Mechanismen, welche die Einflussmöglichkeiten des Zentrums erschöpften und zu einer reaktiven Ad-hoc Politik führten.
Putins Staatskonzeption: Revolution oder Restauration?: Dieses Kapitel (zusammen mit Kapitel 5) skizziert die Neugestaltung des föderativen Aufbaus unter Putin. Es betont Putins Amtsantritt aus einer Position der Stärke und sein Ziel, die staatliche Steuerungskapazität zu stärken, einen einheitlichen Rechtsraum zu etablieren und die Macht regionaler Machthaber einzuschränken. Es wird angedeutet, dass die Reformen aus demokratietheoretischer und verfassungsrechtlicher Sicht unterschiedlich bewertet werden.
Putins föderale Reformen: Dieses Kapitel detailliert die von Putin eingeleiteten Reformen des föderalen Aufbaus, einschließlich der Einführung von sieben Föderationskreisen, der Reform des Föderationsrats, der Reform der örtlichen Selbstverwaltung und der Harmonisierung der Gesetzgebung. Es zeigt den Versuch einer Stärkung der Machtvertikale und die damit verbundenen Herausforderungen und Diskussionen. Es wird die spezielle Auslegung des föderal-theoretischen Konzepts in Bezug auf die lokale Selbstverwaltung beleuchtet.
Schlüsselwörter
Föderalismus, Russland, Transformation, Jelzin, Putin, Dezentralisierung, Rezentralisierung, Gewaltenteilung, Kompetenzabgrenzung, regionale Autonomie, Verfassung, Demokratie, Staatliche Steuerungskapazität, Lokale Selbstverwaltung.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Seminararbeit: Russlands Föderale Transformation (1989-2003)
Was ist der Gegenstand dieser Seminararbeit?
Die Seminararbeit analysiert die föderale Transformation Russlands von 1989 bis 2003, beginnend mit der Jelzin-Ära bis hin zu den Reformen unter Putin. Der Fokus liegt auf der Entwicklung des föderalen Aufbaus, den damit verbundenen Problemen und den Auswirkungen der durchgeführten Reformen. Staatsrechtliche und demokratietheoretische Fragen im Kontext der Legitimität politischer Herrschaft und der Effizienz politischer Institutionen werden behandelt.
Welche Themenschwerpunkte werden behandelt?
Die Arbeit untersucht die Entwicklung des russischen Föderalismus unter Jelzin und Putin, analysiert die Prinzipien und Herausforderungen des Föderalismus in Transformationsgesellschaften, bewertet die staatlichen Interventionskompetenzen und die Rolle lokaler und regionaler Organe, untersucht die Auswirkungen der föderalen Reformen auf die Machtverteilung und beurteilt die Vereinbarkeit von Rezentralisierung und Demokratisierung.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit und worum geht es in ihnen?
Die Arbeit gliedert sich in mehrere Kapitel: Die Einleitung stellt die Forschungsfrage und den Ansatz der Arbeit vor. Das Kapitel Föderalismus erläutert die Prinzipien des Föderalismus und verschiedene Föderalismusformen. Die Jelzin-Ära: Vom Totalitarismus zum Nachtwächterstaat beschreibt die Entwicklung der föderativen Beziehungen während Jelzins Amtszeit, inklusive Föderationsverträge, Verfassung und Kompetenzabgrenzungs-Verträge. Putins Staatskonzeption: Revolution oder Restauration? und Putins föderale Reformen skizzieren und detaillieren die Neugestaltung des föderativen Aufbaus unter Putin mit Reformen wie der Einführung von Föderationskreisen und der Reform des Föderationsrats. Abschließend gibt es ein Fazit.
Welche Methoden werden angewendet?
Die Arbeit verbindet föderalismustheoretische Ansätze mit der Analyse der Entstehung, der Probleme und der Umgestaltung der föderalen Struktur. Sie fokussiert auf das Zusammenspiel politischer Institutionen auf verschiedenen Ebenen (Bundesebene, regionale Ebene, lokale Ebene) und bewertet die Legitimität staatlicher Interventionen. Akteurzentrierte Perspektiven werden jedoch außer Acht gelassen.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Föderalismus, Russland, Transformation, Jelzin, Putin, Dezentralisierung, Rezentralisierung, Gewaltenteilung, Kompetenzabgrenzung, regionale Autonomie, Verfassung, Demokratie, staatliche Steuerungskapazität, lokale Selbstverwaltung.
Welche zentrale Forschungsfrage wird gestellt?
Die zentrale Forschungsfrage lautet: Wie geeignet ist der föderative Aufbau Russlands zur Bewältigung gesellschaftlicher Umwälzungen?
Welche Zeitspanne wird betrachtet?
Die Arbeit betrachtet die Zeitspanne von 1989 bis 2003.
Welche Schlussfolgerung wird gezogen (ohne den Inhalt des Fazits vorwegzunehmen)?
Die Arbeit untersucht die Entwicklung des russischen Föderalismus unter zwei Präsidenten und analysiert die Auswirkungen der Reformen auf Machtverteilung und die Vereinbarkeit von Rezentralisierung und Demokratisierung. Die genauen Schlussfolgerungen finden sich im Fazit der Arbeit.
- Quote paper
- Master Angela Mattli (Author), Matthias Rysler (Author), 2004, Vom Föderalismus über den Nachtwächterstaat zum Bonapartismus - Föderale Transformation in Russland 1989-2003, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/58320