Frankreich und Großbritannien, die zwei ältesten Nationen Europas, zelebrierten in der Nachkriegszeit eine „entente cordiale“ geprägt von abwechselnder Konfrontation und Kooperation, die in Europa seines Gleichen sucht. Gerade auch auf dem Politikfeld der Europapolitik kam und kommt es statt Zusammenarbeit mehr zu Mißverständnissen, Konflikten oder offener Konfrontation. Historisch betrachtet ist die Beziehung charakterisiert durch eine geschichtlichen Rivalität, die sich vor allem im 19. Jahrhundert und in den Anfängen dieses Jahrhunderts an zahlreichen Kontinental- und Kolonialkriegen festmachen läßt. Doch nach dem zweiten Weltkrieg lassen sich eine Reihe von Gemeinsamkeiten feststellen: Frankreich und das Vereinigte Königreich waren nach 1945 beide frühere Großmächte, die mit ihrem Niedergang zu kämpfen hatten und gleichermaßen eine neue Rolle in der internationalen Ordnung finden müssen. In der Weltordnung wurden die zwei Nationen beide durch die Sowjetunion und die USA als neue Weltmächte ersetzt. Beide erhalten einen permanenten Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und fühlen sich als formale Siegermächte des zweiten Weltkrieg verantwortlich für die neuen Herausforderungen und für den Wiederaufbau Europas. Trotz dieser Reihe von Gemeinsamkeiten, die gleiche Ziele konstatieren läßt, bringen diese keinen gemeinsamen Politikstil oder Kooperation her vor, denn der französisch-britische Bilateralismus der Nachkriegszeit scheint weiterhin geprägt zu sein von abwechselnder Rivalität, Mißverständnissen und zeitweiliger Kooperation auf den unterschiedlichsten Konfliktfeldern und in der unterschiedlichsten Intensität. Gerade auch in der Europapolitik läßt sich dieser charakteristische Bilateralismus zwischen Großbritannien und Frankreich seit den Anfängen der europäischen Gemeinschaft immer wieder feststellen. In dieser Arbeit soll nun anhand der Europapolitik der beiden Länder am Beispiel der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ) und der Entwicklung der zweiten Säule der europäischen Union, der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), untersucht werden, ob dieser charakteristische Bilateralismus auch im Zuge der fortgeschrittenen europäischen Integration die Beziehung zwischen den beiden Ländern prägt und wie er sich begründen läßt. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Konzeptionen in der Europapolitik
- Französische Vorstellungen und Strategien
- Britische Vorstellungen und Konzepte
- Nie endende Mißverständnisse?
- Frankreich und Großbritannien im Rahmen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ)
- Allgemeine Betrachtung der EPZ
- Die französische Strategie innerhalb der EPZ
- Die britischen Handlungsstrategien im Rahmen der EPZ
- Konflikt oder Kooperation?
- Frankreich und Großbritannien im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP)
- Institutionelle Darstellung der GASP
- Französische Politik im Rahmen der GASP
- Britische Konzeptionen innerhalb der GASP
- Zusammenarbeit oder ständige Konflikte?
- Erklärungsansätze für den französisch-britischen Bilateralismus in der Europapolitik
- Erklärung des Bilateralismus in der EPZ anhand der Regimetheorie
- Zur Theorie der Regimebildung
- Erklärung des französisch-britischen Bilateralismus in der EPZ
- Erklärung des französich-britischen Bilateralismus in der GASP anhand der Fusionstheorie
- Die theoretische Grundlage der Fusionstheorie
- Erklärung des französisch-britischen Bilateralismus in der GASP
- Erklärung des Bilateralismus in der EPZ anhand der Regimetheorie
- Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht den französisch-britischen Bilateralismus in der Europapolitik und analysiert, ob und wie dieser sich im Kontext der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ) und der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) zeigt. Dabei werden die Verhaltensweisen Frankreichs und Großbritanniens in Bezug auf die Europapolitik verglichen und mithilfe der Regime- und Fusionstheorie erklärt.
- Die Entwicklung des französisch-britischen Bilateralismus in der Europapolitik
- Die Rolle von Frankreich und Großbritannien in der EPZ und der GASP
- Die Anwendung der Regimetheorie und der Fusionstheorie zur Erklärung des Bilateralismus
- Die Herausforderungen für die Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Großbritannien in der europäischen Integration
- Die Auswirkungen des Bilateralismus auf die europäische Integration
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Forschungsfrage und den Forschungsstand zum französisch-britischen Bilateralismus in der Europapolitik vor. Kapitel 2 beleuchtet die europäischen Vorstellungen und Strategien Frankreichs und Großbritanniens. Es werden die historischen und gegenwärtigen Beziehungen zwischen den beiden Ländern in Bezug auf die europäische Integration untersucht. Kapitel 3 und 4 analysieren die Rollen von Frankreich und Großbritannien im Rahmen der EPZ und der GASP. Es werden die jeweiligen Strategien der beiden Länder in den jeweiligen Politikbereichen dargestellt und die Herausforderungen für die Zusammenarbeit beleuchtet. Kapitel 5 wendet die Regimetheorie und die Fusionstheorie an, um den französisch-britischen Bilateralismus in der EPZ und der GASP zu erklären. Es werden die theoretischen Grundlagen der beiden Theorien vorgestellt und die Ergebnisse der Anwendung auf den Fall Frankreich und Großbritannien diskutiert.
Schlüsselwörter
Französisch-britischer Bilateralismus, Europapolitik, Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ), Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), Regimetheorie, Fusionstheorie, europäische Integration, Nationalstaat, Supranationalismus, Frankreich, Großbritannien.
- Quote paper
- Bettina Dettendorfer (Author), 1999, Konflikt oder Kongruenz - Der französisch-britische Bilateralismus in der Europapolitik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/58342