Das kulturelle Ereignis und Erlebnis macht nach Ansicht von KulturpolitikerInnen mit der Welt des Kreativen umfassende Bildung erst möglich. In der Kultur findet sich jederzeit das reflexive Moment der Bildung, wobei ein Berührungsbereich von Kultur und Bildung entsteht, der oft ausgeblendet wird. Es gibt eine enge Verbindung zwischen Kultur und Bildung mit dem Bezugspunkt im Individuum. In dieser Arbeit soll untersucht werden, welchen Stellenwert Bildung im Rahmen von Kulturpolitik einnimmt. Dazu sollen zunächst einmal die Begriffe Bildung und Kulturpolitik definiert und so voneinander abgegrenzt werden. Ein erster Schwerpunkt dieser Arbeit beschäftigt sich damit, die bildungsrelevanten Merkmale der sogenannten Neuen Kulturpolitik der 60er und 70er Jahre herauszuarbeiten. Darüber hinaus liegt ein weiteres Gewicht auf dem Feld der kulturellen Bildung, so sie als Teilwissenschaft der Erziehungswissenschaft verstanden wird. Unter diesem Gesichtspunkt sollen Aspekte, konzeptionelle Bereiche und Zielfunktionen der kulturellen Bildung betrachtet werden. Einen dritten thematischen Schwerpunkt stellt die Kulturpolitik der neunziger Jahre dar, das Kulturmanagement. Die Definition des Begriffes, die Ziele des Kulturmanagements und seine Instrumente sollen aufzeigen, inwieweit in einer Kulturpolitik, die als Management verstanden wird, Bildung möglich ist.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Definitorische Abgrenzung
2.1 Bildung
2.2 Kulturpolitik
3 Neue Kulturpolitik
3.1 Soziokultur/Alltagskultur
3.2 Demokratisierung/“Kultur für alle“
4 Kulturelle Bildung
4.1 Aspekte der kulturellen Bildung
4.1.1 Sozialer Aspekt
4.1.2 Kreativer Aspekt
4.1.3 Kommunikativer Aspekt
4.2 Konzeptionelle Bereiche der kulturellen Bildung
4.2.1 Freizeit-kulturelle Bildung
4.2.2 Musisch-kulturelle Bildung
4.2.3 Sozio-kulturelle Bildung
4.3 Zielfunktionen der kulturellen Bildung
4.3.1 Emanzipatorische Funktion
4.3.2 Kompensatorische Funktion
4.3.3 Heilpädagogische Funktion
5 Kulturmanagement
5.1 Definition
5.2 Funktionen und Ziele
5.3 Instrumente der Finanzierung
6 Zukunft der Bildung im Rahmen von Kulturpolitik
7 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Das kulturelle Ereignis und Erlebnis macht nach Ansicht von KulturpolitikerInnen mit der Welt des Kreativen umfassende Bildung erst möglich. In der Kultur findet sich jederzeit das reflexive Moment der Bildung, wobei ein Berührungsbereich von Kultur und Bildung entsteht, der oft ausgeblendet wird[1]. Es gibt eine enge Verbindung zwischen Kultur und Bildung mit dem Bezugspunkt im Individuum.[2]
In dieser Arbeit soll untersucht werden, welchen Stellenwert Bildung im Rahmen von Kulturpolitik einnimmt. Dazu sollen zunächst einmal die Begriffe Bildung und Kulturpolitik definiert und so voneinander abgegrenzt werden. Ein erster Schwerpunkt dieser Arbeit beschäftigt sich damit, die bildungsrelevanten Merkmale der sogenannten Neuen Kulturpolitik der 60er und 70er Jahre herauszuarbeiten. Darüber hinaus liegt ein weiteres Gewicht auf dem Feld der kulturellen Bildung, so sie als Teilwissenschaft der Erziehungswissenschaft verstanden wird. Unter diesem Gesichtspunkt sollen Aspekte, konzeptionelle Bereiche und Zielfunktionen der kulturellen Bildung betrachtet werden. Einen dritten thematischen Schwerpunkt stellt die Kulturpolitik der neunziger Jahre dar, das Kulturmanagement. Die Definition des Begriffes, die Ziele des Kulturmanagements und seine Instrumente sollen aufzeigen, inwieweit in einer Kulturpolitik, die als Management verstanden wird, Bildung möglich ist.
2 Definitionen
2.1 Bildung
Bildung wird als das „Verhältnis des Einzelnen zur Kultur“[3] begriffen. Dieses Verhältnis wird von der äußeren Umwelt veranlaßt und geschieht durch die Aufnahme von Eindrücken oder Momenten. Erdberg, ein Berliner Erwachsenenpädagoge und starker Verfechter der deutschen Volksbildungsbewegung, geht davon aus, daß nur dann von Bildung gesprochen werden kann, wenn eine innere Vertiefung der äußeren Eindrücke erfolgt. Bildung kann als das „Intensitätsverhältnis“[4] zur Kultur verstanden werden, wo das Individuum in eine Wechselwirkung mit der Kultur und mit seiner Umwelt tritt und nicht nur als Subjekt agiert, das Eindrücke aufnimmt, sondern in diesem Intensitätsverhältnis gleichermaßen zum Objekt wird. Die „Auseinandersetzung“[5] mit der Kultur steht also im Vordergrund.
Bildung ist an sich kein statisches Moment sonder ein „(...) Prozeß (..), der das ganze Leben begleitet“[6]. Bildung sollte Mannigfaltigkeit ermöglichen und somit allen zugänglich und strukturell herstellbar sein, um diese Vielfältigkeit zu garantieren. Im Vordergrund der Bildung stehen nicht Anpassung, sondern die Freiheit der Kräfte und die Stärke des Individuums. Die strukturelle Ermöglichung von Bildung zu gewährleisten, ist nun auch Aufgabe der Kulturpolitik.
2.2 Kulturpolitik
Kulturpolitik wird im klassischen Sinne grundsätzlich als „die Bemühungen vor allem des Staates, aber auch anderer gesellschaftl. Kräfte um die (...) Kultur“[7] definiert. Sie vollzieht sich im offenen Raum und schafft eine bestimmte Ordnung, in der Rahmenbedingungen vorgegeben werden, die der Entfaltung und „Bildung geistiger und künstlerischer Fähigkeiten des Menschen dienen“[8].
Kulturpolitik bemüht sich günstige Voraussetzungen für kulturelle Angebote vor allem durch die Bereitstellung sachlicher Mittel zu gewährleisten. Sie stellt sich prinzipiell als die unterschiedliche Teilhabe von gesellschaftlichen Gruppen an der Kultur dar, weil die staatliche Kulturpolitik nicht staatstragend ist, sondern der kulturellen Verpflichtung unterliegt, den Pluralismus der verschiedenen Kräfte in den Vordergrund zu stellen. So begreift sich die staatliche Kulturpolitik der Nachkriegszeit als „Daseinsfürsorge“[9].
Die Gestaltung der Kulturpolitik, die somit auch in öffentlicher Verantwortung liegt, muß ermöglichen, daß ein Intensitätsverhältnis zur Kultur eingegangen werden kann und daß das Neue im Raum eine Möglichkeit zur Entfaltung findet.
So kann man also erkennen, daß die Kulturpolitik den Rahmen stellt, in dem die Bildung der geistigen und künstlerischen Kräfte erst möglich wird. Inwieweit sich nun bildungsrelevante Merkmale in der Kulturpolitik feststellen lassen, soll im Kommenden erörtert werden.
3 Neue Kulturpolitik- die Grundsätze
3.1 Soziokultur/Alltagskultur
In der Kulturpolitik der sechziger und siebziger Jahre wurde erstmals nicht der affirmative Charakter, sondern der alltägliche Charakter in den Vordergrund gestellt[10]. Die Betonung des alltäglichen, alternativen Charakters der Kultur soll eine Gegenüberstellung zu dem „Schönen und Wahren“ und den durch das Bildungsbürgertum der Jahrhundertwende geprägten kulturellen Tugenden darstellen.[11] Mit der alternativ alltäglichen Kultur wird versucht, die Trennung zwischen der „reinen Welt des Geistes und den Niederungen der Realität zu überwinden“[12], das bedeutet, die Trennung zwischen Kunst und Alltag soll aufgegeben werden.
Nicht das Festhalten an Traditionen und Ritualen ist bedeutsam, sondern die Kreativität und das Ermöglichen der Vielfältigkeit von Wahrnehmungsweisen. Soziokultur durch das Alltägliche entsteht; das elitäre Kulturverständnis des ausgegangenen 19. Jahrhunderts, das bis in die Nachkriegszeit Legitimität besaß, soll durchbrochen und Kulturwertigkeit, die vor allem durch ungleichen Bildungszugang entstand, abgeschafft werden.
Darüber hinaus soll Soziokultur Kunst und Kultur auch als „Kommunikationsmedium“[13] begreifen, das die vielfältigen Einzelinteressen und daraus resultierende Interessenskonflikte der Gesellschaft auf der kommunikativen Ebene zusammenführt. Dabei soll die Kultur weniger die Inhalte, als „kommunikative Strukturen“[14] bereitstellen.
3.2 Demokratisierung/ „Kultur für alle“
Mit der Forderung nach einer „Kultur für alle“ soll die Kultur und der Bildungszugang innerhalb der Kultur nicht schichtgebunden sein, sondern allen zugänglich. Das partizipative Moment der Kultur kommt im Wunsch nach einer allgemeinen Teilhabe zum Ausdruck. Kultur hat somit zum einen die Aufgabe der Demokratisierung[15][16]. Da Kultur kein Privileg der Wohlhabenden mehr sein darf, muß Kulturpolitik die gleichen Zugangsmöglichkeiten für alle Menschen schaffen. Hermann Glaser spricht in diesem Sinne auch von einem „Bürgerrecht Kultur“[17].
Um diese Demokratisierungsaufgabe wahrnehmen zu können, bedarf es einer Erweiterung der kulturellen Infrastruktur, so daß neben der sozialen auch keine geographische Diskriminierung statt finden kann. Zum einen bedeutet dies, daß innerhalb der Neuen Kulturpolitik Kultur nicht mehr nur an bestimmte traditionelle Institutionen, beispielsweise das Theater, gebunden sein kann, sondern sich soziokulturell und bürgernah vollzieht. Zum anderen führt diese Erkenntnis zu neuen kulturellen Institutionen, die nach dem Prinzip der kleinräumigen Einheiten entstehen und konzipiert sind. So keimen in sehr vielen Städten sogenannte „Kulturläden“[18] auf, die den Trend der Regionalisierung widerspiegeln und die Funktion erfüllen, die Alltagskultur an die Individuen heranzutragen. Schlagworte wie Regionalität, Lokalität und Urbanität prägen die Kulturläden genauso wie die offizielle Losung, in diesen den Lebens- und Emotionsbezug herzustellen.
Die Schaffung neuer Formen der kulturellen Auseinandersetzung kommt somit der von Hilmar Hoffmann konstatierten „Emanzipationsaufgabe“[19] der Kulturpolitik nach, denn diese neuen Formen, das Intensitätsverhältnis zur Kultur einzugehen, sind Orte kulturellen Lernens, in denen dem Individuum die eigene Entfaltung ermöglicht werden soll. Kultur bekommt somit einen bildungspolitischen Charakter, wobei das Individuum in einem emanzipatorischen Prozeß in die Gesellschaft integriert werden soll.
Zusammenfassend kann man erkennen, daß sich die Neue Kulturpolitik nicht nur auf soziokulturelle und kommunikative Strukturen und Aspekte erweitert hat, sondern sich in der kulturpolitischen Konzeption mit der demokratischen Forderung nach einer „Kultur für alle“ und der emanzipatorischen Aufgabe, die sie zu erfüllen sucht, bildungspolitische Grundforderungen wieder erkennen lassen.
4 Kulturelle Bildung
Angesichts der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung, der globalen Problemlagen und der Auflösung der menschlichen Ordnung des bisherigen Lebens, geriet in den achtziger Jahren Bildung im Rahmen von Kulturpolitik als kulturelle Bildung immer stärker in Diskussionen in den Vordergrund. Nach Kim Ki-Hong[20] ist kulturelle Bildung die Nahtstelle, wo individuelle und kollektive Kräfte aufeinandertreffen und zusammenwirken, in dem sie nicht nur zu einer sinnvollen Freizeitgestaltung, sondern auch zur Problembewältigung in der Arbeits- und Lebenswelt dient. Er teilt kulturbezogene Bildungsarbeit in drei Bereiche auf: In die kulturelle Bildung als Teilwissenschaft der Erziehungswissenschaft, in die Kulturpolitik als Mittel der kulturellen Orientierung und in die Kulturarbeit als handlungsorientierte Praxis. Diese Arbeit beschränkt sich darauf, die Leitgedanken der kulturellen Bildung in ihren Aspekten, Konzeptionsbereichen und Zielfunktionen darzustellen.
4.1 Aspekte der kulturellen Bildung
4.1.1 Sozialer Aspekt
In ihrem Wirkungsfeld unterscheidet die kulturelle Bildung drei Aspekte, darunter den sozialen Aspekt. Zunächst ist festzuhalten, daß die Persönlichkeitsentfaltung eines Individuums stark durch die soziale und kulturelle Lebenswelt bestimmt ist. Das heißt, es gibt „untrennbare Wechselwirkungen“[21] zwischen Kultur und Gesellschaft mit dem Bezugspunkt im Individuum. Die Kultur wirkt somit in den Lebensbereich des Einzelnen, aber zugleich auch in die Gesellschaft zurück. Die kulturelle Bildung ist in diesem Sinne ein notwendiges Element eines „integrierten Gesamtbildungsprozess“[22].
Das Individuum trägt jedes für sich die Verantwortung sich der Auseinandersetzung durch die Verhältnisse zu stellen und dabei in der Auseinandersetzung nicht stehen zu bleiben. Hier läßt sich das bildungstheoretische Moment des lebenslangen Prozeß der inneren Vertiefung der äußeren Eindrücke erkennen.
Der soziale Aspekt besteht nun darin, daß aus diesem Komplex der Zusammenhang zwischen dem individuellen Bildungsprozeß und der gesellschaftlichen Entwicklung in dem Sinne hergestellt werden kann, daß sich „brauchbare Einsichten“[23], wie zum Beispiel kritisches Bewußtsein, in die Gesellschaft transformieren. Ein weiteres Element, das dem sozialen Aspekt zugeordnet werden kann, ist die soziale Identität. Denn innerhalb dieser Wechselwirkung zwischen Kultur und Gesellschaft mit dem individuellen Bezugspunkt kann sich die soziale Identität des Einzelnen innerhalb der Gesellschaft herausbilden.
Somit kann auch als ein Teilziel der kulturellen Bildung hinsichtlich des sozialen Aspekts das Entwickeln eigener, individueller Ideen im Zusammenhang mit Anderen erkannt werden. Ein weiteres Ziel liegt darin, natürlich auch die unterschiedlichen Wertvorstellungen und Normensysteme, der in der Gesellschaft wirkenden Individuen, wenn nicht nachzuvollziehen, dann zumindest zu akzeptieren und berücksichtigen.
4.1.2 Kreativer Aspekt
Neben dem sozialen Aspekt läßt sich auch ein kreativer erkennen. Die heutige Welt ist geprägt von einem Wandel der Gesellschaft, der Kultur und somit des menschlichen Lebens, der nie schneller und im stärkeren Maße sich vollzog als jetzt. Die immer komplexer werdende Welt stellt Individuum und Gesellschaft vor immer neue Herausforderungen, die nicht nur innerhalb kultureller Konzeptionen, die bisher stark traditionell waren, eine Bewältigung erfordern. Diese Herausforderungen sind nun aber nicht von der Kreativität des Einzelnen zu trennen. Mit Kreativität können zum einen Lösungsansätze für globale Problemlagen gefunden werden, aber auch innerhalb der Klärung von Alltagsproblemen kann sie zudem eine bedeutende Rolle spielen. Um die Entfaltung der individuellen Kreativität zu gewährleisten, muß die Kulturpolitik die Mannigfaltigkeit in den verfügbaren Strukturen ermöglichen und aufrechthalten, denn Anpassung ist nicht das Ziel.
Kreatives Handeln bedeutet auf der einen Seite immer „Eigenintuition und -dynamik des Menschen“[24] entwickeln, aber auch die schöpferischen Kräfte in der Selbstentfaltung zu bilden. Somit kann als ein Teilziel[25] des kommunikativen Aspekts zum einen die Förderung des eigenkreativen Handelns angesehen werden. Eine weitere Zielvorstellung liegt darin, den Einzelnen zur eigenständigen Auseinandersetzung mit der Welt anzuregen und ihm oder ihr zu ermöglichen, sinnhaftes Tun durch kreatives Denken zu erfahren.
4.1.3 Kommunikativer Aspekt
Der kommunikative Aspekt der kulturellen Bildung läßt sich daran erkennen, daß menschliche Bildung schon von jeher durch Kommunikation begriffen wird. Die Entfaltung der Persönlichkeit und die als Bildung definierte intensive Auseinandersetzung mit der Kultur und der Umwelt vollzieht sich nur über kommunikative Strukturen. Die Kommunikation ist also das Medium der Auseinandersetzung, wobei sich Bildung auch als Bildung an anderen Persönlichkeiten versteht. Dabei ist es wichtig, das Fremde des Anderen zu akzeptieren, also nicht nur sich selbst, sondern auch den Anderen anzuerkennen. Dies beinhaltet eine Grundidee verschiedenster Bildungstheorien.
Ki-Hong geht davon aus, daß sich in der Kommunikation die „kulturelle Mündigkeit“[26] vollzieht, die er selbst als Menschenbildung bezeichnet. Kulturelle Mündigkeit bedeutet für ihn über eine gewisse Selbstbestimmung zu verfügen und zu intentionalem Handeln fähig zu sein. Somit sind die Entwicklung einer Kommunikationsbereitschaft sowie die Erfahrung eigener Begabungen im Bereich der kommunikativen Ausdrucksweise primäre Ziele der kulturellen Bildung hinsichtlich des kommunikativen Aspekts.
4.2 Konzeptionelle Bereiche der kulturellen Bildung
4.2.1 Freizeit-kulturelle Bildung
Ein typisches Merkmal der Moderne ist ein immer größeres Streben nach mehr Freizeit (Freizeit als Lebenszeit), so daß sich ein Wandel von einer Arbeits- zur Freizeitgesellschaft zu vollziehen scheint. Die freizeit-kulturelle Bildung nimmt nun ihren Ausgangspunkt an der neuen Zeitstruktur (Arbeitszeitverkürzungen, zunehmende Freizeit..) und umfaßt als aktives Handlungsfeld alle bildungsrelevanten Freizeit- und Kultureinrichtungen, die didaktisch freizeit-kulturelle Bildungsinhalte vermitteln wollen. Mit der Freizeit entsteht eine neue Art der Bildung, die dadurch gekennzeichnet ist, daß sie im umfassenden Sinne eine Selbstverwirklichung über Selbsterfahrung, Kreativität und Erlebnis ermöglichen will. Im Vordergrund steht dabei, die Differenzen in Orten, Formen und Organisationsstilen zu ermöglichen, also den Differenzgedanken zu berücksichtigen.
Formal will sie in dem immensen Freizeitangebot aber auch „Orientierungshilfe“[27] sein, da es auf Grund des sozialen Wandels und dem Wegfall sozialer Kontrollen im Freizeitbereich nicht selten zu einer Orientierungslosigkeit kommt. Es gibt sehr viele Angebote, die man in der Freizeit wahrnehmen kann, aber kaum einer vermittelt, was und wie es tatsächlich getan werden soll. Die freizeit-kulturelle Bildung wird in der engen Verbindung zwischen Freizeit, Kultur und Bildung für die künftige gesellschaftliche Entwicklung als „Katalysator“[28] angesehen.
4.2.2 Musisch-kulturelle Bildung
Der Bereich der musisch-kulturellen Bildung ist noch ein sehr junger Konzeptionsbereich der kulturellen Bildung. Auch wenn in der Weimarer Zeit die musische Bildung schon als integratives Element der allgemeinen Bildung gehandhabt wurde, so stellte erst der Bildungsplan der Bund-Länder-Kommision von 1977 die Bedeutung der musisch-kulturellen Bildung fest. Diese ist aber umstritten, vor allem weil der Begriff „musisch“ nicht genau festgelegt ist. Die musisch-kulturelle Bildung ist nach Ki-Hong dann relevant, wenn der Begriff „musisch“ diejenigen Tätigkeiten umfaßt, die nach Pöggeler „ mit ästhetisch relevanten Gestalten, sowie mit Spiel zu tun haben“[29]. Sie hilft zur Herausbildung einer Harmonie zwischen Geist und Leib, also einer Persönlichkeitsbildung und - entfaltung, die zu einer differenzierten Wahrnehmung und Beurteilung der Umwelt führen soll. Ästhetik ist individuell und läßt sich auch im Alltag erkennen. Dieses differenzierte Wahrnehmen und Denken beeinflußt nach Ansicht Ki-Hongs wiederum das Handeln als „aktive Teilnahme in Verantwortungsbewußtsein an der Gesellschaft“[30].
4.2.3 Sozio-kulturelle Bildung
Die sozio-kulturelle Bildung hat erst seit den siebziger Jahren an Bedeutung zugenommen, obwohl sie nur teilweise inhaltlich ausgedeutet werden konnte. Man versteht darunter die Einbeziehung aller alltäglichen Lebensweisen und -milieus in die Darstellungsaspekte kulturellen Lebens und versucht die gesellschaftliche und soziale Verflechtung kultureller Angebote zu verdeutlichen. Dieser Begriff sprengt das herkömmliche Bildungsdenken durch den Einbezug des Alltags.
Dadurch, daß sich die kulturelle Tätigkeit an der alltäglichen Lebenswelt orientiert, wirkt sich die sozio-kulturelle Bildung natürlich auf viele verschiedene Lebensbereiche aus. Sie soll somit als „Medium“[31] für gesellschaftliches Verständnis den Zugang zu Kunst und Kultur erleichtern und durch den Einbezug der alltäglichen Lebenswelt ermöglichen, daß Kunst- und Kulturformen in die Gesellschaft zurückwirken und daß die künstlerische Selbsttätigkeit, sowie die ästhetisch, soziale und kommunikative Entfaltung vorangetrieben werden. Denn auch die gesellschaftlichen Problemlagen und Herausforderungen benötigen eine neue Form gesellschaftlichen Lernens, die durch die Soziokultur bestimmt werden soll.
4.3 Zielfunktionen der kulturellen Bildung
4.3.1 Emanzipatorische Funktion
In den Konzeptionsbereichen der kulturellen Bildung lassen sich drei Zielfunktionen erkennen, die in einen bildungstheoretischen Zusammenhang gebracht werden können, da sie Vorstellungen aus der allgemeinen Bildungsdiskussion widerspiegeln.
Die emanzipatorische Funktion läßt sich daraus ableiten, daß mit der kulturellen Bildung versucht wird, eine „Mündigkeit des Subjekts“ hervorzurufen, die einer Persönlichkeitsbildung entspricht, wobei das Bildungsziel einem Befreiungsprozeß gleichkommt. Dazu muß sie an Bedürfnissen und Interessen der Einzelnen anknüpfen, wobei sie sich nur vollziehen kann, wenn sie ihre Ziele aus der soziokulturellen Wirklichkeit gewinnt. Bildung wird in diesem Sinne als „Entfaltungsprozeß“[32] vorhandener Kräfte und Potenzen verstanden, die das Individuum zu einem „harmonischen Ganzen“[33] in der Kollektivität formen soll. Die Aufgabe der kulturellen Bildung ist somit nicht nur die Förderung für den schöneren kulturellen Genuß im Alltagsleben, sondern auch die Anregung zur kritischen (Selbst)Reflexion und Herausbildung von Widerspruchsfähigkeit zum gesellschaftlichen Problembewußtsein als emanzipatorisches Moment. Sie soll für gesellschaftliche Problemsituationen sensibel machen, die individuelle Erlebnisfähigkeit steigern und Kritikbewußtsein schaffen.
[...]
[1] Glaser, Hermann, Behagen und Unbehagen in der Kulturpolitik, Regensburg, 1992, S. 7
[2] Vgl, Ki-Hong, Kim, Theorie und Praxis der kulturellen Bildung im Verhältnis von Erwachsenenbildung und Kulturpolitik S.40ff
[3] Erdberg, Robert von, Die Grundbegriffe der Volksbildung, in: Volksbildungsarchiv 2, Berlin 1911, S. 363
[4] ebenda, S. 366
[5] Becker, Hellmut, Widersprüche aushalten- Aufgaben der Bildung unserer Zeit, München, 1992, S. 23
[6] ebenda, S. 23
[7] Sofsky, Günther, Stichwort „Kulturpolitik“ in: Herzog, R. u.a. (Hg.) Evangelisches Staatslexikon, Stuttgart, 1987, S. 1934
[8] ebenda, S. 1934
[9] ebenda, S. 1938
[10] Glas Hermann, Stahl, Karl Heinz, Bürgerrecht Kultur, Frankfurt am Main, 1983, S. 18
[11] ebenda, S. 18ff
[12] ebenda, S. 34
[13] ebenda, S. 35
[14] Heinrichs Werner, Kulturpolitik und Kulturfinanzierung, München 1997, S. 37
[15] vgl. Hoffmann Hilmar, Kultur für alle, Frankfurt am Main, 1979
[16] ebenda, S. 19
[17] Glaser Hermann, Stahl, Karl Heinz, a.a.O., S. 35
[18] Glaser, Hermann, a.a.O., S.22ff
[19] Hoffmann Hilmar, a.a.O., S.38
[20] vgl. Ki-Hong, Kim, a.a.O. S., 52ff
[21] ebenda, S. 54
[22] ebenda, S. 54
[23] ebenda, S. 55
[24] ebenda, S. 58
[25] ebenda, S. 60
[26] ebenda, S. 61
[27] ebenda, S. 66
[28] ebenda, S. 68
[29] ebenda, S. 73
[30] ebenda, S. 76
[31] ebenda, S. 70
[32] ebenda, S. 79
[33] ebenda, S. 79
- Arbeit zitieren
- Bettina Dettendorfer (Autor:in), 1999, Bildung im Rahmen von Kulturpolitik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/58343
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