Multiperspektivität und Kontroversität im Geschichtsunterricht - Das Beispiel Bombenkrieg im 2.Weltkrieg


Examination Thesis, 2005

150 Pages, Grade: 2,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1. Einleitung

2. Definition der Begriffe Multiperspektivität und
Kontroversität
2.1 Multiperspektivität
2.2 Kontroversität

3. Der Bombenkrieg im Zweiten Weltkrieg in fach-
wissenschaftlicher Darstellung
3.1 Die Anfänge der Luftstreitmächte
3.2 Die Waffen
3.3 Die chronologische Abfolge des Luftkrieges (mit dem Schwerpunkt Europa)

4. Schulbuchanalyse: Die Darstellung des Themas „Bombenkrieg im Zweiten Weltkrieg“ in Schul- büchern
4.1 Lehrplanuntersuchung
4.2 Aktuelle Schulwerke seit 1990
4.3 Schulwerke vor 1990
4.4 Schulbuch der DDR
4.5 Ergebnis

5. Die Multiperspektivität im Geschichtsunterricht
anhand des Beispiels Bombenkrieg im Zweiten Welt-
krieg
5.1 Einleitung in das Thema
5.2 Quellengattungen
5.2.1 Zeitzeugenberichte/Augenzeugenberichte
als Quelle
5.2.1.1 Berichte der Zivilbevölkerung
5.2.1.2 Berichte von Armeeangehörigen
5.2.1.3 Didaktische Erläuterungen zur Zeitzeugen-
befragung
5.2.2 Flugblätter und Flugschriften
5.2.3 Fotografien
5.2.4 Filmdokumente
5.2.5 Literatur und Kunst
5.2.6 Flugblätter, Flugschriften, Fotografien und
Kunst des Bombenkrieges; Beispiele

6. Kontroversität im Geschichtsunterricht – Das
Beispiel Bombenkrieg im Zweiten Weltkrieg
6.1 Das Werk „Der Brand“
6.1.1 Vorstellung des Buches „Der Brand“
6.1.2 Interview mit dem Autor von „Der Brand“
6.1.3 Stimmen zum Buch und Rezensionen
6.1.3.1 Stimmen zum Buch
6.1.3.2 Rezensionen zu Friedrichs „Der Brand“
6.1.4 Ein Volk von Opfern? Die neue Debatte um
den Bombenkrieg 1940-45
6.2 Kontroversität im Geschichtsunterricht

7. Fazit

Anhang

Literaturverzeichnis

Vorwort

Die vorliegende wissenschaftliche Hausarbeit berichtet über „Multiperspektivität“ und „Kontroversität“ im Geschichtsunterricht. Die Bedeutungen der Begriffe werden im ersten Kapitel (Punkt 2) durch eine allgemeine Definition erläutert.

Da die Arbeit den Titel „Multiperspektivität und Kontroversität im Geschichtsunterricht – Das Beispiel Bombenkrieg im Zweiten Weltkrieg“ trägt, werde ich nach der allgemeinen Definition der beiden „Schlagwörter“ den Zusatztitel der Arbeit aus fachwissenschaftlicher Sicht beleuchten. Inhalte sind in diesem Kapitel die Anfänge der Luftstreitmächte, die Waffen und die chronologische Abfolge der Ereignisse des Luftkrieges.

Anschließend werde ich eine Untersuchung aktueller und vergangener Schulwerke durchführen. Das Augenmerk richtet sich auf die Darstellung des Bombenkrieges, die Frage- oder Aufgabenstellungen und auf die zuvor definierten Begriffe. Wird das Thema „Luftkrieg“ multiperspektivisch oder kontrovers im Schulbuch behandelt? Dieser Fragestellung gilt es in diesem Kapitel meiner Arbeit nachzugehen.

Unter Punkt fünf werde ich einige Quellengattungen vorstellen, die sich aus verschiedenen Sichtweisen von Schülern bearbeiten lassen. Hierbei kommen Text-, Bild- und Filmquellen zum Tragen. Die Überprüfung hinsichtlich der Anwendbarkeit der einzelnen Medien und Quellen im Unterricht folgt im Anschluss an das jeweilige Unterkapitel. Die meisten von mir verwendeten Bildmaterialien kann man nach der Vorstellung der Quellen betrachten.

Im sechsten und letzten Abschnitt befasse ich mich mit dem Thema Kontroversität. Das umstrittene Buch der „Bombenkrieg-Kontroverse“ ist Hauptbestandteil des abschließenden Kapitels. Verschiedene Historikermeinungen hierzu sollen gehört und konträre Positionen verglichen werden.

Mir geht es in dieser Arbeit darum, Möglichkeiten aufzuzeigen, unterschiedliche Ansichten von den unterschiedlichsten Menschen zu einem bestimmten Thema mit Schülern zu erarbeiten.

Es stellen sich demnach folgende Fragen: „Wie wurde mit dem Thema „Bombenkrieg“ in der Schule bis heute umgegangen? Welche Möglichkeiten habe ich als zukünftiger Lehrer, didaktisch wichtige Begriffe wie „Multiperspektivität“ und „Kontroversität“ im Unterricht einzubauen? Worin besteht hierbei die Lernerfahrung der Schüler?

Diese Fragen versuche ich mit meiner wissenschaftlichen Hausarbeit zu beantworten und das Thema näher zu ergründen.

Eine eigens durchgeführte Zeitzeugenbefragung und gesammeltes Text- und Foto-material befinden sich im Anhang meiner wissenschaftlichen Arbeit für das erste Staatsexamen.

1.Einleitung

Zeugenaussage Nr.1 bei der Polizeistation Gießen Nord:

Der grüne Kleinwagen fuhr auf der Ludwigstraße und bog, ohne zu blinken, in die Liebigstraße ein. Dabei kollidierte er mit dem silbernen Kombi, der gerade am Ausparken war. Der grüne Kleinwagen hatte mindestens eine Geschwindigkeit von 40-50 km/h, war also viel zu schnell.

Zeugenaussage Nr.2 bei der Polizeistation Gießen Nord:

Als der beigefarbene Geländewagen gerade auf Parkplatzsuche war, steuerte er unvermittelt und ohne Zeichen auf die Mitte der Straße zurück. Der hellblaue Kleinwagen, der in die Liebigstraße einbog, muss von dem Manöver irritiert gewesen sein und berührte den Geländewagen leicht. Der Kleinwagen fuhr mit Schrittgeschwindigkeit, hatte also keine Schuld an dem Unfall.

Diese Zeugenaussagen, die frei erfunden sind, beschreiben den gleichen Unfall. Es ist eindeutig festzustellen, dass die beiden Aussagen sich inhaltlich gravierend voneinander unterscheiden. Man könnte annehmen, dass einer der Zeugen vorsätzlich lügt. Doch dieses Phänomen tritt in den meisten Fällen jedweder Zeugenaussagen auf. Der Grund hierfür liegt in den unterschiedlichen Sichtweisen der Menschen, die einen Vorgang erzählen. Also ist die Perspektive der Auslöser für verschiedene Beobachtungen, sei es im Straßenverkehr, im alltäglichen Leben und auch in der Schule. Beide Augenzeugen sind der festen Überzeugung, die Richtigkeit der Ereignisse dargestellt zu haben, wodurch konträre Positionen entstehen. Im Folgenden will ich nun dieses Phänomen anhand des Themas „Bombenkrieg im Zweiten Weltkrieg“ erläutern und ausarbeiten. Die Hauptbegriffe dieser Arbeit, „Multiperspektivität“ und „Kontroversität“, machen die zentrale Funktion dieser wissenschaftlichen Hausarbeit aus.

2. Definition der Begriffe Multiperspektivität und Kontroversität

2.1 Multiperspektivität

Wenn man eine Definition für den Begriff Multiperspektivität sucht, findet man diese trefflich formuliert in dem „Lexikon für den Geschichtsunterricht“ von Gerold Niemetz[1]. Hierbei greift er die Werke von Klaus Bergmann, Hans Forster und Reinhart Koselleck auf, um den Begriff Multiperspektivität näher zu erläutern. Diese drei schreiben hierzu Folgendes:

„Multiperspektivität (MP).

Didaktische Kategorie, die von einem bestimmten G.verständnis ausgeht. Dabei gibt es die G. nicht, diese entsteht als Historie vielmehr im Spannungsfeld von geschichtlichem Ereignis und sich damit auseinandersetzendem Menschen. Erkenntnisinteresse und Intention, (freiwillige und notgedrungene) Auswahl der Quellen und Methode ihrer Erschließung sowie unumgängliche Interpretation bewirken Perspektivität, die von beanspruchter Objektivität bis hin zu gewollter Parteilichkeit reichen kann. G. ist damit nur perspektivisch erfaßbar, wobei ihre Interpretation in der Wirkungsgeschichte eines Vorgangs selber wieder zu G. und für die Nachwelt damit zu einem Teil dieses Vorgangs wird. Perspektivität umfaßt dabei Sichtweisen verschiedenster Art, z.B. von Personen unterschiedlicher Intension, sozialer Herkunft, ideologischer Ausrichtung.

Legitimiert sich heute das U.-fach G. aus seinem Beitrag zur politischen Bildung, so ist die Berücksichtigung von MP unerläßlich. Die Auflösung einer Vorstellung von der Eindeutigkeit der „Wahrheit“ geschichtlicher Vorgänge zugunsten einer weitgehend durch menschliche Sichtweisen übermittelten historischen Geschehens erzeugt ein G.bild, das über die kritische Distanz zur G. zu einer differenzierten historischen Standortbestimmung, über die Erkenntnis der eigenen perspektivischen Befangenheit des Urteilens zur Ausbildung von Toleranz führt, das in der darin sichtbar werdenden Wertepluralität der Lebenswirklichkeit des heutigen S. entspricht und das vorschneller und eingleisiger Urteilsbildung entgegenwirkt.“[2]

In dieser Definition wird Multiperspektivität als Kategorie der Geschichtsdidaktik angesehen, die sich über die verschiedenen Perspektiven der Objektivität bis hin zur Parteilichkeit über die Geschichte ein Bild macht. Unterschiedliche Intensionen, soziale Herkunft und verschiedene Ideologien führen im Endergebnis zu Multiperspektivität. Aber gerade diese Deutung von verschiedenen Sichtweisen soll die Schüler dazu auffordern, Toleranz zu entwickeln und ihr politisches Interesse und Verstehen zu schulen.

Dieser Lexikonbeitrag stammt aus dem Jahre 1984, als es nur relativ wenig Literatur zu dem Thema Perspektivität und vor allem Multiperspektivität gab. Im Jahr 2000 brachte Klaus Bergmann ein Werk mit dem Titel „Multiperspektivität – Geschichte selber denken“ heraus, in dem er sich ausschließlich dem Thema der verschiedenen Sichtweisen annimmt. Klaus Bergmann erläutert zum Anfang seines Buches, dass Perspektivität ein „Grundsachverhalt menschlicher Wahrnehmung und menschlichen Denkens ist, der unhintergehbar“[3] sei.

Bergmann zitiert daraufhin den Aufklärungshistoriker Johann Martin Chladenius[4], der einen so genannten „Sehepunkt“ definiert, an dem sich die verschiedenen Wahrnehmungen und Erfahrungen im Leben eines Menschen orientieren: „Der Sehepunkt ist der innerliche und äußerliche Zustand eines Zuschauers, in so ferne daraus eine gewisse und besondere Art, die vorkommenden Dinge anzuschauen und zu betrachten, flüsset.“[5]

Eine weitere, sehr interessante Erklärung zu dem Begriff Multiperspektivität, bzw. Sehepunkt liefert Chladenius in folgender Textstelle: „Dargegen aber irren die sehr, die verlangt haben, dass ein Geschichtsschreiber sich wie ein Mensch ohne Religion, ohne Vaterland, ohne Familie anstellen soll; und haben nicht bedacht, dass sie unmögliche Dinge fordern.“[6]

Weiterhin schreibt er als Definition des Begriffs Multiperspektivität: „Multiperspektivität heißt, sowohl auf der Ebene der Erfahrung und der Wahrnehmung durch die Zeitgenossen wie auch auf der Ebene der Deutung durch Nachgeborene als auch auf der Ebene der durch Erinnerung angeleiteten Orientierung in der Gegenwart und Zukunft viele unterschiedliche Sichtweisen zu beobachten, zu beachten und zu reflektieren.“[7] Hierbei stützt sich Bergmann auf die eben genannten, von Chladenius definierten, Sehepunkte. Es kommt also, wie jetzt schon in einigen Beispielen wichtiger Historiker oder Geschichtsdidaktiker erwähnt, auf die Perspektive des eigenen erlebten Ereignisses, auf die Epoche, in der man gelebt hat, auf die soziale Herkunft, auf die ideologischen Ziele die man verfolgt und auf die eigenen Wahrnehmungen und Erfahrungen an, wie man Geschichte erlebt oder beschreibt.

In den vorangegangenen Zitaten wurde auch der Begriff der Perspektivität angebracht, der wichtig für das Verständnis der Multiperspektivität zu sein scheint. Interessant zu lesen ist auch die Definition für den Begriff der Perspektivität. Im Lexikon für den Geschichtsunterricht wird der Ausdruck der Perspektive, auch Ethnozentrik genannt, als „Widerspruch“ zur Multiperspektivi-

tät gesehen:

Eigene Normen und Werturteile werden als „natürlicher“ Maßstab angesehen, Fremde erscheinen als „Barbaren“ oder erhalten abfällige Namen („Boches“, „Amis“, „Knoblauchfresser“). Geprägt wird ein derartiges Stereotyp durch Bedrohungsvorstellungen, Feindbilder, die ggf. politischen Eliten im eigenen Lande zur innergesellschaftlichen Stabilisierung dienen oder die einfach geschichtliche Tradition haben. Dahinter steht aber auch die Erfahrung, daß die eigene Kultur anscheinend die eigenen Bedürfnisse am ehesten befriedigen

kann.“[8]

Anschließend wird jedoch darauf hingewiesen, dass die eurozentrische – und auch die globale - Perspektive heutzutage in den Vordergrund gerückt sei. Diese Sichtweise soll laut Lexikonartikel auch im Geschichtsunterricht angewendet werden.[9]

Der Geschichtsdidaktiker Peter Schulz-Hageleit verweist in seinem Buch auch auf die Wichtigkeit der Multiperspektivität, wie sie Klaus Bergmann vertritt: „Entsprechendes gilt für die Geschichtsdidaktik, die zum Beispiel ohne Bergmanns Plädoyer für Demokratisierung und Multiperspektivität immer noch nationalstaatliche Einseitigkeit predigen würde.“[10]

Der hier genannte Verweis auf Klaus Bergmann zeigt, wie wichtig auch anderen Geschichtsdidaktikern die Entwicklung der multiperspektiven Sichtweise ist. Diese wird, wie man bei Schulz–Hageleit lesen kann, mit der Demokratisierung in einem „Atemzug“ geäußert, was die Wichtigkeit dieses Begriffs für die allgemeine Gesellschaft, aber auch für den Geschichtsunterricht unterstreicht. In dem „Erstlingswerk“ von Bergmann, mit dem Titel „Personalisierung im Geschichtsunterricht-Erziehung zur Demokratie?“, wird der Ausdruck der Multiperspektivität 1977 erstmals dargestellt.

Des Weiteren erfährt der Leser des Bergmann`schen Werkes, wie Bodo von Borries im Jahr 1983 den Begriff der Multiperspektivität durch „Zeugnisse der Beteiligten und Betroffenen“ und den Begriff der Kontroversität durch „die Ebene der Deutung durch spätere Betrachter“ erläutert. 1999, so schreibt Bergmann, plädiert Bodo von Borries dafür, für die Ebene der Orientierung zusätzlich den Ausdruck der „Pluralität“ einzuführen. Diese Begriffsdefinitionen übernimmt Klaus Bergmann in „Multiperspektivität – Geschichte selber denken“ weitgehend. Multiperspektivität erklärt sich demnach aus der „Ebene der zeitgleich zu einem historischen Prozess Lebenden“, Kontroversität aus der „Ebene der aus einer späteren Zeit heraus Betrachtenden und Deutenden“ und Pluralität aus der „Ebene der sich heute Orientierenden“.[11]

2.2 Kontroversität

An dieser Stelle bin ich an dem zweiten wichtigen Begriff meiner Arbeit angekommen, den ich nun versuche genauer darzustellen: „Kontroversität.“

Wenn ich schreibe, dass ich versuche den Begriff der Kontroversität zu definieren bzw. darzustellen, ist dies wirklich ein Versuch, da es keinen Eintrag beispielsweise im Lexikon für den Geschichtsunterricht gibt, der den Ausdruck genau definiert. In dem Online–Nachschlagewerk des Brockhaus findet man unter dem Begriff Kontroversität keinen gesonderten Eintrag, aber unter dem Ausdruck kontrovers kann man Nachfolgendes lesen: „ kontrovers [ lateinisch ], (einander) entgegengesetzt; strittig; umstritten.“[12] Kontroverse wird folgendermaßen beschrieben: Kontroverse die, Streit(frage), Meinungsverschiedenheit.“[13] Prof. Bergmann zeigt Perspektivität, Multiperspektivität und eben auch die Kontroversität als Kategorien der Geschichtstheorie auf. „Jede „Historik“ wird bestätigen, dass die Beteiligten und Betroffenen Zeugnisse hinterlassen haben, die man nur erschließen kann, wenn man sich der Perspektivität ihrer Ausdrucksformen bewusst ist; und jede Historik wird bestätigen, dass die Sinnbildungen der Historikerinnen und Historiker, die aus den vielen inkongruenten Zeugnissen der Beteiligten und Betroffenen geschaffen worden sind, ihrerseits perspektivisch sind und zu Kontroversen unter den Kolleginnen und Kollegen führen.“[14]

Dies bedeutet, dass Perspektivität und insbesondere Multiperspektivität zu kontroversen Ansichten, nicht nur unter Historikerinnen und Historikern, führen kann. Jedoch ist dies meiner Ansicht nach nicht negativ zu verstehen. Ganz im Gegenteil. Kontroverse Meinungen sind ,gerade für den Geschichtsunterricht, ein belebendes und erfrischendes Kriterium. In jeder alltäglichen Lebenslage sind Kontroversen vorprogrammiert. Ob es nur ein „Streitgespräch“ über einen Film, ein Auto, ein Urlaubsziel oder Ähnliches ist, all diese Ansätze unterschiedlicher Auffassungen sind wichtig für die Toleranzausbildung der Menschen einerseits und andererseits die Fähigkeit, andere Meinungen annehmen zu können. So ist es auch zu verstehen, dass Bergmann weiter zu diesem Aspekt der kontroversen Ansichten schreibt: „Kontroversität ist in der Geschichtswissenschaft als einer Deutungswissenschaft nicht die Ausnahme, sondern die Regel und gipfelt gelegentlich auch in Kontroversen, die in der weiteren Öffentlichkeit wahrgenommen werden.“[15] Die öffentliche Austragung von Historiker-Unstimmigkeiten wird auch in dem Werk „Die zankende Zunft“ von Klaus Große Kracht trefflich beschrieben: „Öffentliche, in den Massenmedien ausgetragene Kontroversen um die Deutung der Geschichte bleiben daher meist Kontroversen unter Experten und Spezialisten, die gleichwohl – und das unterscheidet sie von den Fachkontroversen im engeren Sinne – auf großer Bühne ausgetragen werden.“[16] Des Weiteren schreibt Große Kracht, dass erst durch das rege Interesse der Massenmedien an historischen Debatten die breitere Öffentlichkeit aufmerksam wird und deshalb eine gewisse Neugierde für Kontroversen innerhalb der „Zunft“ geweckt wurde. Er nennt in diesem Zusammenhang das Jahr 1964, als sich der Beginn des Ersten Weltkriegs zum fünfzigsten Mal jährte. Hier wurden, laut Kracht das erste Mal die Massenmedien erreicht, „und der Streit der Experten untereinander begann sich in einen Streit um die Gunst des Publikums zu verwandeln (2.Kapitel).“[17] Er führt aber auch an, dass es ohne Einflüsse von außen, genauso zu kontroversen Meinungen kommen kann und nennt hierbei die sogenannte „Fischer-Kontroverse“[18] als Beispiel für eine inner-wissenschaftliche Diskussion. Jedoch wurde entgegengesetzt dazu, der „Historikerstreit“[19] laut Kracht durch eine „Intervention von außen“, nämlich einen Artikel in der Wochenzeitung „Die Zeit“, geschrieben vom Sozialphilosophen Jürgen Habermas, initiiert. Kontroversität bedeutet also in Verwendung für die Geschichtswissenschaft, dass eine Meinungsverschiedenheit, ein Streitgespräch oder ein konträrer Ansatz zu einem bestimmten historischen Thema vorliegt. Hierbei treffen verschiedene Historikermeinungen aufeinander, die versuchen durch schlüssige Argumentationen ihre Sichtweise der Historik nachzuweisen. Auch Zeitzeugen, die bei Kracht als „natürlicher Feind“ des Historikers gesehen werden, kommen zu Wort, um ihren Sehepunkt, wie es Bergmann formulierte, in die Geschichte miteinfließen zu lassen. Wobei der Begriff des natürlichen Feindes so gemeint ist, dass der Zeitzeuge die erforschte Geschichte durch das eigens Erlebte in Frage stellen kann.

Um die Deutung der Definition der Kontroversität abzuschließen, möchte ich noch ein Zitat aus dem Buch mit dem Titel „Historikerkontroversen“ anbringen:

„Nicht jede Kritik, nicht jede scharfe Rezension, nicht jede Meinungsdifferenz und auch nicht jede Revision einer älteren Ansicht sollte freilich als „Kontroverse“ – als „Historikerkontroverse“ – bezeichnet werden. Genausowenig sollte man darunter persönliche Rivalitäten oder gar Feindschaften verstehen, wenngleich persönliche Momente bei Kontroversen durchaus eine Rolle spielen können. Ebenso wäre es falsch, in jedem politischen Skandal den Anlaß zu einer Historikerkontroverse zu sehen.“[20]

3. Der Bombenkrieg im Zweiten Weltkrieg in fach-wissenschaftlicher Darstellung

3.1 Die Anfänge der Luftstreitmächte

Bereits gegen Ende des Ersten Weltkrieges wurden die ersten Bomberverbände

innerhalb der britischen Armee aufgebaut. Achtzehn Jahre nach der Erfindung der Fliegerei wurde dieses neue und faszinierende Fortbewegungsmittel für militärische Zwecke gebraucht oder missbraucht, je nachdem, wie man dazu steht! Anfangs durch Luftschiffe und Zeppeline, später durch bombenbeladene Flugzeuge, sogenannte Bomber. Auch in Deutschland wurden während des Ersten Weltkrieges schon Bomberflotten aufgestellt, die im Jahre 1918 erste Angriffe auf die, sonst immer unverwundbare, britische Insel flogen. Als Vergeltung griffen die neu errichteten britischen Fliegerverbände Deutschland an. Ähnliches wiederholte sich im Zweiten Weltkrieg mit einer großen Ausnahme:

„Als der Erste Weltkrieg zu Ende gegangen war, hatten beide kriegführenden Parteien Luftangriffe nur auf militärische Ziele als erlaubt anerkannt und auch nur dann, wenn diese militärischen Ziele im Kriegsgebiet lagen.“[21]

3.2 Die Waffen

Wichtigster Bestandteil eines Bombenkrieges sind die Waffen. Zum einen die Flugzeuge selbst, zum anderen die Bombenlast, die mitgeführt wird. Außerdem zählt hierzu auch die Fliegerabwehr in dem sich verteidigenden Land. Diese Aspekte will ich kurz unter dem Begriff „Die Waffen“ darstellen.

Ich werde allerdings nur die wichtigsten und bekanntesten deutschen, amerikanischen und britischen Flugzeuge, die am Krieg beteiligt waren, auflisten.

Deutsche Jagdflugzeuge:

Focke Wulf Fw. 190 „Würger“, Focke Wulf Ta 154 „Moskito“, Heinkel He 162 „Volksjäger, Salamander“, Heinkel He 219 „Uhu“, Messerschmidt Me 109, 110, 63, 209, 210,262 und 410

Deutsche Bomber:

Arado Ar 234 „Blitz“, Dornier Do 17 „Fliegender Bleistift“, Focke Wulf Fw 200 „Condor“, Heinkel He 117 „Greif, Reichsfeuerzeug“, Henschel Hs 129 „Fliegender Dosenöffner“, Junkers Ju 85-89, „Stuka, Panzerknacker“, Junker Ju 188, 268, 287-290, 388, 390 und 488

Amerikanische Jagdflieger:

P 38 „Lightning“, P 51 „Mustang“, P61 „Black Widow“, P 63 „Kingcobra“

Bomber:

A 20 Boston auch “Havoc”, A 24 Banshee, A 26 Invader, A36 A Apache, B 17 “Flying Fortress”, B 24 Liberator, B 29 Superfortress, SB2U Vindicator

Großbritannien, Jagdflugzeuge:

Defiant, Firefly, Fury, Hurricane, Mosquito, Spitfire, Typhoon, Whirlwind

Bomber:

Barracuda, Battle, Blenheim, Beaufighter, Halifax, Hampden, Lancaster, Manchester, Mosquito, Stirling, Wellington, Whitley

Die Bomben:

Fliegerbombe:

Eine Fliegerbombe ist eine Bombe, die aus einem Flugzeug, einem sogenannten Bomber abgeworfen wird und beim Aufprall oder in geringer Höhe über dem Boden explodiert. Ungesteuerte Bomben sind, aus großer Höhe abgeworfen, eine sehr ungenaue Waffe, weshalb meist große Flächen mit Bomben belegt werden müssen, damit auch das eigentliche Ziel getroffen wird. Heute übliche Bomben steuern sich meistens selbst ins Ziel, sind aber wegen möglicher Fehlfunktionen und der in Mitleidenschaft gezogenen Umgebung des Ziels bei weiten Teilen der Bevölkerung umstritten.

Man unterscheidet Fliegerbomben nach ihrer Wirkung im Ziel:

Brandbombe – Soll vor allem Feuer entfachen, bei großflächiger Anwendung einen sich selbst verstärkenden Feuersturm.

Es kann zwischen Stabbrandbomben mit geringen Gewichten von mehreren Kilogramm (meist auf Magnesiumbasis) und großen Brandbomben mit bis zu mehreren hundert Kilogramm, die meist Flüssigkeiten als Brandmittel enthalten, unterschieden werden. Brandmittel sind zum Beispiel weißer Phosphor[22], Zirkonium/Uran/Magnesium/Aluminium, Thermit (Eisenoxidpulver und Aluminiumpulver) und Napalm (Polystyrol-Verdicker, Benzol, Benzin).

Im Bombenkrieg des Zweiten Weltkriegs wurden auch sogenannte Phosphorkanister als Brandbeschleuniger eingesetzt, die ein Gemisch aus Leichtbenzin und flüssigem Rohkautschuk enthielten, dem ein kleiner Anteil Phosphorlösung zugesetzt war. Diese Gemisch verhielt sich ähnlich wie reiner Weißer Phosphor. Das Gemisch kann als Vorläufer des Napalms betrachtet werden.

Sprengbombe – Soll Bauwerke oder Fahrzeuge zerlegen oder unbrauchbar machen.

Sprengbomben können ein Gewicht von 2500 kg und noch mehr aufweisen. Sie explodieren am Boden durch Aufschlag-, Zeit-, oder Säurezünder. Im Krieg wurden noch spezielle Panzer- und Bunkerbomben entwickelt, die eine höhere Durchschlagskraft hatten.

Splitterbombe – Explodiert in der Luft und soll möglichst viele Menschen treffen.

Einsatzweise

Sprengbomben wurden während eines Bombardements normalerweise vor dem Einsatz der Brandbomben abgeworfen. Sie sollten die Dächer der Häuser durch ihre Detonation zur Wirkungsverstärkung der später fallenden Brandbomben abdecken und vor allem die Zugangswege zum Abwurfgebiet verwüsten.

Im Laufe des Krieges wurde klar, dass gerade Nachtangriffe nicht die gewünschte Zerstörung brachten, da alle Angriffe sogenannte Präzisionsangriffe waren. Man entschied sich auf Seiten aller Kriegsteilnehmer für Flächenbombardements des jeweiligen Zielgebietes. Dabei gab es die, im „Golf Krieg“ und „Irak Krieg“ ebenso entstandenen, „Kollateralschäden“. Das von den Briten und Amerikanern, und genauso von den Deutschen aufgegriffene „Strategic Bombing“[23] zielte nicht mehr nur auf militärische- oder wirtschaftliche Ziele, sondern auf Wohn-siedlungen und Ballungsgebiete ziviler Einrichtungen.

Die Flak

Unter einer Flugabwehrkanone (kurz FlaK) versteht man eine im Ersten Weltkrieg entwickelte Waffengattung, vor allem Kanonen und Geschütze, die gegen Flugzeuge eingesetzt wurden. Ihre Kampfkraft und Genauigkeit wurde über die Jahre, gerade im Zweiten Weltkrieg, enorm verbessert. Außer der Flak gab es in der Fliegerabwehr große Scheinwerfer oder „Fluter“. Auch Radarsysteme zur Aufspürung feindlicher Flieger wurden im Zweiten Weltkrieg schon soweit entwickelt, dass sie brauchbare Verwendung fanden.

Zum Ende des Krieges entwickelten deutsche Waffenbauer und Ingenieure die sogenannten V1 und V2 (Vergeltungswaffe 1 und 2)[24]. Der Marschflugkörper V1 und die Boden-Boden Rakete V2 wurden ab 1944 von Deutschland als neue Wunderwaffen gegen England eingesetzt. Diese Waffen steuerten mittels eines Trägheitsnavigationssystems ein großräumiges Ziel, wie etwa London, an. Durch die Verluste in der Zivilbevölkerung Englands verbreiteten diese Waffen zwar einen enormen Schrecken, trugen aber wenig zum Kriegsverlauf bei. Gegen Ende des Krieges wurde die ferngelenkte X-4 Luft-Luft Rakete entwickelt und ebenso die Messerschmidt Me 262, ein Jäger mit einem Düsenantrieb. Diese Waffen kamen aber entweder zu spät oder gar nicht mehr für das Deutsche Reich in den Einsatz.

3.3 Die chronologische Abfolge des Luftkrieges (mit dem Schwerpunkt Europa)

Anfangen muss ich bei der zeitlichen Reihenfolge schon vor dem Zweiten Weltkrieg, als die deutsche „Legion Condor“ im Jahr 1937 die spanische Stadt Guernica bombardierte. Zur Unterstützung im spanischen Bürgerkrieg angefordert war es aber auch als eine Testphase der Entwicklung deutscher Bomber für einen eventuell bevorstehenden Krieg verstanden worden. Die deutsche Luftwaffe hatte in Guernica die Möglichkeit ihren Stand der Technik zu überprüfen.[25]

1939

Seit Kriegsbeginn leistete die Luftwaffe ihren Beitrag für das Deutsche Reich unter Hitler. Am 1.9. 1939, bei dem Überfall auf Polen, flogen deutsche Bomber bereits erste Angriffe auf polnische Ziele. Als am 3.9. Großbritannien und Frankreich dem Deutschen Reich Kriegserklärungen aussprachen, warfen britische Maschinen die ersten Flugblätter über dem Rheinland und dem Ruhrgebiet ab. Deutsche Bomberverbände flogen am 24. und 25. September schwere Angriffe auf Warschau und zwangen damit die polnischen Truppen unter General Juliusz Rómmel am 27.9. zur Kapitulation. Bei diesen ersten Einsätzen der Luftstreitmächte wurden ca. 1200 Bomber eingesetzt.

Am 28. November im gleichen Jahr kann man im Auswertungsbericht der Deutschen Luftwaffe über den Einsatz der Brandbombe B 1 Fe folgendes lesen:

„Ihre hervorragende Wirkung auf großstädtische Wohnblocks stet nach dem großen Erfolg von Warschau außer jedem Zweifel (...) Abwurf in großen Mengen, um gleichzeitig möglichst viele Brandherde zu erzeugen. Dazu überlagernd in wellenden Störangriffen Spreng – bzw. Splitterbomben (...), um Bevölkerung in Schutzräumen zu halten, sodaß einzelne Brandherde sich ausdehnen und eine Brandkatastrophe entsteht.“[26]

Der erste deutsche Flieger, der von den Briten abgeschossen wurde, war übrigens eine Me 109. Am 20.9. schoss Sergeant F. Letchford, Heckschütze in der Battle K 9243 der 88. Staffel der BAASF (British Advanced Air Striking Force), diese ab.

Am 18.12. 1939 flog die britische Royal Air Force einen Tagesangriff auf Wilhelmshaven. Von zwölf eingesetzten Maschinen kamen nur sieben nach England zurück. Auch bis zum Anfang des Zweiten Weltkriegs war es verboten Bomben über Landgebieten abzuwerfen.

1940

Am 15.2.1940 erklärte Ministerpräsident Chamberlain im britischen Unterhaus: „Welchen Weg die anderen auch gehen mögen, die britische Regierung wird niemals zu hinterhältigen Angriffen auf Frauen und andere Zivilpersonen zum Zwecke reinen Terrors Zuflucht nehmen.“

Während der Angriffe deutscher Piloten auf Scapa Flow am 16.3.1940 kamen erstmals auch Zivilisten zu schaden. Eine sofort einberufene Sitzung des Kriegskabinetts stellte aufgrund dieser Tatsache „eindeutig eine Eskalation des Luftkrieges“[27] fest. In einer Weisung an das Bomber Command stand, dass es nun die geübte Zurückhaltung aufgeben solle. Ende März 1940 geschah dies dann auch auf der deutschen Insel Sylt.

Von dort an wurden nicht nur bedächtig ausgewählte militärische Ziele unter Beschuss genommen. Die Deutschen folgten am 14.5. mit einem Luftangriff auf Rotterdam, bei dem rund 900 Todesopfer zu beklagen waren.

15./16.5. Das Bomber Command eröffnete seine strategische Bombenkriegs-

führung gegen das Deutsche Reich. Am 26.5. begannen die Luftkämpfe um die Region um Dünkirchen. Anfang Juni flogen 640 Bomber und 460 Jagdflugzeuge der Luftwaffe Angriffe auf Paris und bombardierten militärische und industrielle Ziele außerhalb der Stadt. Immer wieder war es zwischendurch britischen und französischen Bombern gelungen auf deutschem Boden, vor allem im Ruhrgebiet, Zerstörungen an Straßen, Nachrichtenanlagen und Bahnstrecken zu hinterlassen.

Auch Berlin wurde vereinzelt schon von alliierten Kampfflugzeugen angeflogen. Nachdem am 10.Juni 1940 auch Italien mit England und Frankreich in einem Kriegsverhältnis stand, flogen am 17.6. Wellington Bomber der 99.Staffel von Salon (bei Marseille) aus Angriffe auf Genua. Zivilisten fielen den Bomben auch hier zum Opfer. Durch den Waffenstillstand mit Frankreich am 16.6.mit dem Deutschen Reich, das jetzt die gesamten Kanal– und Atlantikküste kontrollierte, wurden neue Perspektiven im Luftkrieg gegen England aufgetan. 1.August 1940: Führerweisung Nr.17, in welcher der „verschärfte Luft– und Seekrieg gegen England“ freigegeben wurde. Die Luftschlacht über England begann.

Eastchurch wurde von 55 deutschen Bombern beschossen. Anfängliche Angriffe galten Flugplätzen oder Hafenstädten wie etwa Dover. Görings Unternehmen „Adlertag“ brachte aber Ende August/Anfang September die Luftwaffenbomber auch über die englische Hauptstadt und andere große britische Städte, wie Coventry oder Sheffield. Dort hinterließen sie ein Bild des Schreckens. Vergeltungsangriffe wurden von britischer Seite gegen die Reichshauptstadt geflogen, doch die Ausmaße der deutschen Zerstörung vom 7./8.9. in London wurden nicht erreicht. 625 Maschinen flogen Racheangriffe gegen London. Mindestens 448 Menschen starben. Nach schweren Verlusten flog die deutsche Luftwaffe fast ausschließlich nur noch Nachtangriffe auf englische Städte. Etwa 2000 Menschen starben in den ersten Monaten der Luftangriffe auf London, und zwar Zivilisten. Zwischen dem 6. und 19. September 1940 haben Flugzeuge der deutschen Luftwaffe auf London insgesamt 5180 Tonnen Spreng– und 690 Tonnen Brandbomben abgeworfen.

Von Oktober bis Ende des Jahres 1940 verloren über 15 000 Menschen in englischen Städten bei deutschen Angriffen ihr Leben. An die 20 000 englische Zivilisten wurden schwer verletzt. Die südlichen Inselstädte waren nahezu komplett zerstört. So waren zum Beispiel in Sheffield Mitte Dezember weit über 75 000 Häuser zerstört. Als Vergeltung für Coventry, einer der schlimmsten Bombardierungen einer Stadt, griffen 140 des Bomber Command in einer dreitägigen Serie Mannheim an und hinterließen desolate Gebäude und Straßen. Auch hier kamen Menschen zu schaden, 34 werden getötet.

Als weitere Reaktion auf die Angriffe englischer Städte wurde das britische Bomber Command angewiesen nur noch Ziele in der Nähe von Bevölkerungszentren anzugreifen, um die Moral der Zivilbevölkerung zu schwächen

1941

Allein in den Monaten Februar bis Mai 1941 verloren durch deutsche Flieger etwa

18 000 Menschen in England ihr Leben. Diese Zahlen erhöhten sich von Monat zu Monat noch, bis sich dann später die Zahlen der Opfer in deutschen Städten wiederfanden. In der Nacht zum 9.5. 1941 flogen die Engländer die bis dahin schwersten Luftangriffe auf Deutschland. Sie nahmen Bremen und Hamburg unter Beschuss. Zwischen dem 1.8.1940 und dem 31.3.1941 waren bei deutschen Luftangriffen rund 37 840 Tonnen Sprengbomben und 2 950 840 Brand-schüttkästen abgeworfen worden. Über London waren es ca. 20 000 Tonnen, gefolgt von Liverpool (2 400 t), Birmingham (2 000 t), Southampton (1200 t), Bristol (1 000 t) und Coventry (900 t). Am 10./11.5. des Jahres 1941 flog die deutsche Luftwaffe den letzten großen Angriff auf London. Hierbei griffen 500 deutsche Maschinen die englische Hauptstadt an. Die Angriffe deutscher Bomber und Jäger wurden bis zum Jahresende 1941 verhältnismäßig weniger zerstörerisch als in den Monaten zuvor, da ab 1941 das „Unternehmen Barbarossa“ (der Ostfeldzug) begann und alle Kräfte gen Osten abgezogen werden. Am 7.12.1941 flogen japanische Bomber einen Luftangriff auf den US-amerikanischen Kriegshafen Pearl Harbour. Vier Tage später folgten die Kriegserklärungen an die USA von Deutschland und Italien. Nun war also auch die USA im Kriegsgeschehen aktiv involviert.

1942

Anfang des Jahres 1942 wurden Lübeck und Rostock von englischen Bombereinheiten schwer getroffen. Die Vergeltungsangriffe hierfür trafen Exeter und später die Hafenstadt Bath. Die deutschen flogen zwar unterbesetzt, das heißt mit wenigen Flugzeugen, die Auswirkungen waren trotzdem fatal, da man nach mehrmonatiger „Abstinenz“ nicht mit so schweren Angriffen in England gerechnet hatte. Schon am 22.Februar desselben Jahres erfolgte auf einer Sitzung des britischen Verteidigungsausschusses die Genehmigung von Flächenangriffen („Area Bombing“) auf Wohn– und Geschäftsviertel deutscher Großstädte.

Einen Tag später übernahm, der unter dem Namen „Bomber Harris“ bekannt gewordene Marshal Arthur Travers Harris den Befehl über das britische Bomber Command. Die Folgen des „Area Bombings“ waren schon in Lübeck zu sehen gewesen. Später, ab März 1942, auch in Essen, der sogenannten „Waffenschmiede des Reiches“. Am 3./4.5. wurde Hamburg Ziel der britischen Bomben mit mindestens 77 Toten. Köln wurde als erste Stadt am 30./31.5. Opfer eines „1000-Bomber-Angriffs“. Die Altstadt wird schwer beschädigt und etwa 450 Menschen finden in den Trümmern den Tod. Im Sommer des Jahres 1942 griffen britische Luftverbände die Städte Duisburg, Saarbrücken und Düsseldorf an, wobei in allen Städten erhebliche Sachschäden zu verzeichnen waren. Die Zahl der Todesopfer lag bei 550 in den genannten Städten zusammen.

1943

Das nächste einschneidende Ereignis fand im Januar des Jahres 1943 statt. Vom 14.-26.1. wurde auf der britisch-amerikanischen Konferenz in Casablanca beschlossen, ab sofort kombinierte Bomberoffensiven gegen das Deutsche Reich und seine Verbündeten zu starten. Zu Anfang der gemeinsamen Offensiven wurden die noch unerfahrenen amerikanischen Bomberpiloten von britischen Bombern und Jägern geleitet. Ebenso wurde die Absprache getroffen, dass die Tagangriffe von den Briten und die Nachtangriffe von den USA geflogen werden sollten.

Am 15.2. wurden nach längerer Vorbereitungsphase die ersten jugendlichen Luftwaffenhelfer, auch besser bekannt als Flakhelfer, im Deutschen Reich eingezogen und unter dem Befehl der Wehrmacht geführt.

Joseph Goebbels erklärte in seiner berühmten Rede im Berliner Sportpalast am 18. Februar den „Totalen Krieg“.

Auch die Amerikaner flogen zum ersten Mal Angriffe auf das deutsche Hinterland. Ziel der US-Bomben waren die Bahnanlagen in Hamm. Diese wurden von 19 viermotorigen B-17 Festungen überflogen und aus der Luft angegriffen.

Zwischen März und Juli 1943 folgte die vom britischen Bomber Command initiiere „Battle of the Ruhr“. Hierbei wurden Flächenangriffe auf zahlreiche Städte im Rheinland und im Ruhrgebiet geflogen, bei denen etwa 15 000 Menschen auf deutscher Seite und über 6 000 Mitglieder britischer Bombercrews ums Leben kamen. Ziel war unter anderem auch die schon erwähnte „Waffenschmiede“ des Deutschen Reiches, nämlich die Stadt Essen. In den dort ansässigen Krupp-Werken wurden Teile für Panzer, Kriegsschiffe und Flugzeuge sowie Geschütze und Artilleriemunition gefertigt. Die Alliierten gingen dazu über auch die Versorgung des Deutschen Reiches zu unterbrechen, indem sie zum einen Staudämme, wie etwa die Möhne – oder die Eder-Talsperre, bombardierten und zum anderen die Verkehrswege verstärkt zerstörten, um den Nachschub an militärischen Materialien und Soldaten einzudämmen. Am 23./24.5 desselben Jahres flogen britische Bomber den bis dahin schwersten Angriff auf eine deutsche Stadt. Es handelte sich um Dortmund. Ende des Monats Mai wurde Wuppertal zur Zielscheibe der englischen Luftflotte. Die Zahl der Todesopfer war mit über 5 200 Menschen beträchtlich hoch. Eine Nacht im sogenannten „Feuersturm“ erlebte die Hansestadt Hamburg mit der Operation „Gomorrha“ , in der britische und amerikanische Bomberverbände verheerende Angriffe auf die Stadt flogen, zwischen dem 24./25.7. und dem 3.8. 1943. Rund 40 000 Menschen fanden in den Feuerstürmen den Tod. Ca. 900 000 Menschen wurden obdachlos. Vereinzelte kleinere Bombardements fanden bis zum Ende des Jahres 1943 auf deutschem Boden statt. Erst um Januar, nach längerer Vorbereitungsphase, begann Göring das Unternehmen „Steinbock“. Dabei handelte es sich um eine fünfmonatige Angriffsserie auf englische Städte, vor allem London, als Vergeltung für Hamburg. Die Angriffe, auch als „Little Blitz“ bezeichnet, wurden von den Engländern als Fortführung der Angriffe von 1940/41 gesehen.

Erster Angriff auf das vor Norwegen liegende Schlachtschiff „Tirpitz“. Es wird aber erst nach mehreren Angriffen im November `44 schwerst getroffen und zerstört.

1944

Die Amerikaner griffen erneut die Bahnanlagen von Hamm an, die zu dem größten Rangierbahnhof Europas gehörten. Etwa 1 500 Tonnen Sprengstoff trafen nicht nur die Infrastruktur der Bahn, sondern auch Zivilisten.

Am 6.6. begann in der Normandie die Operation „Overload“, bei der die Westalliierten gegen das Deutsche Reich stürmten. Eine Woche danach startete vom Flakregiment 155 die erste sogenannte V1 (Vergeltungswaffe 1) gegen London.[28]

Von über 22 000 Flugbomben, die bis Ende März 1945 in Richtung England abgeschossen wurden, erreichten etwa 5 500 englischen Boden.

Das geschwächte Deutsche Reich brachte am 8.9. zum ersten Mal die zweite Vergeltungswaffe, die V2, von Den Haag aus zum Einsatz. Es erreichten insgesamt 3 000 der Fernraketen A 4 die englische Metropole London. Nochmal wurden nahezu 2 500 Menschen durch diese neue Waffe umgebracht. Ende 1944 zeigten die alliierten Luftangriffe ihre ersten Wirkungen auf das Deutsche Reich. Die meisten wirtschaftlichen Grundlagen und das Alltagsleben der Bevölkerung waren zerstört. Doch die deutsche Moral war immer noch nicht gebrochen, deswegen startete die deutsche Offensive mit dem Namen „Wacht am Rhein“, um die Rückeroberung des belgischen Nachschubhafens Antwerpen durchzusetzen. Dieses Unternehmen wurde jedoch durch den massiven Einsatz der alliierten Luftstreitkräfte gestoppt.

1945

Der letzte Großeinsatz der deutschen Luftwaffe galt am 1.1. des Jahres 1945 Flugplätzen in Frankreich und Belgien. Hierbei wurden zwar über 430 gegnerische Maschinen zerstört, die Verluste von 270 deutschen Bombern waren jedoch auch mehr als deutlich.

Der gegen Ende des Jahres begonnene Angriff alliierter Flieger gegen Städte im Osten des Deutschen Reiches wurden im Januar und Februar 1945 fortgesetzt. Dresden wurde infolge Flächen– und Brandbombardements am 13./14. – 15. Februar völlig zerstört. Die Zahl der Opfer ist bis heute umstritten. Sie schwankt in der Fachliteratur zwischen 35 000 und 600 000 Todesopfern. Die barocke Altstadt, die einst als sicher vor Bombenangriffen galt, wurde noch bis zum April von alliierten Bombern heim gesucht.[29] Im März setzte sich die Flächenbombardierung von deutschen Städten fort. So wurde unter anderem auch Pforzheim von schweren Angriffen getroffen und nahezu komplett zerstört.

Unter dem Begriff „Ruhrabriegelungs-Programm“ wurden fortlaufend den gesamten März 1945 die Ruhrgebiete mit Bomben beworfen. Auch kleinere und strategisch unwichtigere Städte fielen der Bombenlast zum Opfer. In diesem Zeitraum fanden etwa 10 000 Menschen den Tod.

Mit einem Angriff von 298 B-29 „Superfortresses“ am 9./10.3. auf Tokio begann die 9. Bombardment Group der USAAF massive Brandbombenangriffe auf die Wohnviertel in japanischen Städten. In der japanischen Hauptstadt entstanden riesige Flächenbrände, mindestens 83 000 Menschen fanden den Tod. In den folgenden drei Wochen warfen die Amerikaner über 9 300 Tonnen Brandbomben (vor allem das Benzingemisch Napalm) auf Tokio, Osaka, Kobe und Nagoja ab, die Hunderttausende Tote unter der Bevölkerung forderten.

Auch auf das Deutsche Reich verstärkten sich erneut die Angriffe, als mit der „Operation Bugle“ mehr als 2 000 Maschinen der USA schwere Zerstörung im Umkreis des Ruhrgebietes hinterließen. Nachdem im April 1945 die Ostfront zusammenbrach, gelangten die Sowjets bis vor Berlin. Bis zur Kapitulation der Stadt flogen sowjetische Schlacht- und Kampfflieger pausenlose Luftangriffe. Nach dem Selbstmord Hitlers unterzeichneten Generalfeldmarschall Keitel (Heer), Generaladmiral v. Friedeburg (Marine) und Generaloberst Stumpff (Luftwaffe) am 8. Mai in Karlshorst bei Potsdam die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht vor den vier alliierten Siegermächten.

Am 1./2.8. griffen 800 US Bomber mit etwa 6 260 Tonnen Napalm– und Phosphorbrandbomben die japanischen Städte Nagaoka, Toyama und Mito sowie die Mitsubishi Treibstoffindustrie in Kawasaki an. Über 80 000 Menschen starben dabei. In den Vormittagsstunden des 6. August 1945 warf die Besatzung der B-29 „Enola Gay“ eine Atombombe („Little Boy“; 13 Kilotonnen, Kernsprengstoff aus Uran 235) auf die japanische Hafenstadt Hiroshima. Die Druckwelle und die Hitze zerstörten im Umkreis von fünf Kilometern nahezu alle Gebäude, Häuser und Gegenstände. Über 90 000 Menschen wurden getötet und weit über 37 000 verletzt. Noch Jahrzehnte nach dem Bombenabwurf starben Menschen an den Folgen.

Am 8.8. erklärte die Sowjetunion den Krieg an das Königreich Japan und bombardierte mit Napalm-Brandbomben die Industriestadt Yawata. Am 16.8. erteilte der japanische Kaiser Hirohito den Befehl zum Einstellen der Kampfhandlungen. Am 2.9. war der Zweite Weltkrieg, mit der Unterzeichnung der bedingungslosen Kapitulation Japans, beendet.[30]

4. Schulbuchanalyse: Die Umsetzung des Themas „Bombenkrieg im Zweiten Weltkrieg“ in Schulbüchern

4.1 Lehrplanuntersuchung

In diesem Kapitel werde ich eine Untersuchung von einerseits aktuellen und andererseits auch nicht mehr gebräuchlichen Schulbüchern bezüglich des Themas „Bombenkrieg im Zweiten Weltkrieg“ durchführen. Besonders wichtig ist für mich die Überprüfung auf multiperspektivische – und kontroverse Aspekte dieses Themas. Werden Multiperspektivität und Kontroversität in Schulbüchern umgesetzt? Sind diese Begriffe ein Bestandteil des Lehrplans? Wenn diese Begriffe in Büchern verwendet werden, wie geschieht dies? In welchem Umfang wird der Bombenkrieg überhaupt behandelt? Diesen Fragestellungen will ich in diesem Abschnitt meiner Abschlussarbeit nachgehen.

Zuvor gilt es jedoch, den Lehrplan auf diese zentralen Begriffe hin zu untersuchen. Da ich Geschichte und Mathematik für das an Lehramt auf Haupt – und Realschulen studiere, werde ich mich auch nur auf die hessischen Rahmenlehrpläne der Hauptschule der Klasse 9 und der Realschule der Klassenstufe 10 beschränken.

Wichtig für die Untersuchung der Lehrpläne sind die grundlegenden Aufgaben und Ziele des Faches Geschichte und die verbindlichen Unterrichtsinhalte.

Dahingehend erläutere ich zuerst den Rahmenplan der Hauptschulen in Hessen.

Der Hauptgedanke, der hinter dem Geschichtsunterricht stehen soll, ist laut dem Lehrplan die politische Bildung der Schüler, um damit „demokratische, mündige, informierte und politisch handlungsfähige Bürger“[31] zu erziehen. Der Inhalt des Geschichtsunterrichtes „muss sich mit solchen Fragen, Situationen und Entwicklungen beschäftigen, die für die Orientierung in Gegenwart und absehbarer Zukunft von besonderer Bedeutung sind.“[32] Als weitere Schlagworte tauchen die Begriffe „historisches Bewusstsein“, „historisches Denken“ und „historisches Wissen“ auf, die im Laufe der Klassenstufen den Schülern vermittelt werden sollen. Gegenwärtige Probleme sollen mit in die Überlegungen des Unterrichtsverlaufs eingearbeitet werden. „Erfahrungen aus der Lebenswelt der Lernenden“[33] fungieren laut Lehrplan als Vergleich zu historischen Erfahrungen und Erkenntnissen. Verstehen und Erklären sind als didaktisch-methodische Grundlagen aufzufassen. „Verstehen ist die Methode den Sinnzusammenhang menschlichen Handelns zu ermitteln.“[34] „Historisches Verstehen versucht, aus den Äußerungen und Überresten menschlichen Handelns die zugrunde liegenden Motive, Absichten, Wertvorstellungen und Zukunftsentwürfe zu erschließen-und zwar nicht nur großer Persönlichkeiten, sondern auch und gerade „durchschnittlicher“ Personen. (...) Dies erfordert den Wechsel der Perspektive als didaktische Grundsatzentscheidung und die Verwendung schriftlicher Zeugnisse in allen Jahrgangsstufen, durch die Mitlebende der jeweiligen Zeit selbst zu Wort kommen.“[35] Dieser Verweis findet sich auch in den verbindlichen Unterrichtsinhalten für die Klasse 9 der Hauptschule wieder. „Vernichtung der Bevölkerung“ und der „totale Krieg“ werden in diesem Zusammenhang genannt. Über die Methode der Zeitzeugenbefragung soll dies im Unterricht selbst geschehen. Zudem wird die Auswertung von Bild– und Filmmaterial empfohlen. Das Curriculum der Klasse 10 für die Realschule sieht im Prinzip die gleichen Grundgedanken für die Ausbildung zu politisch mündigen Schülern/Bürgern vor. Ebenso sind die verbindlichen Unterrichtsinhalte genauso gewichtet wie die der Hauptschule. Diese sollen nur noch intensiver behandelt werden, da für Realschüler in der Regel ein ganzes Jahr mehr zur Verfügung steht. Hinzu kommt, das „Leiden der Zivilbevölkerung“[36] gesondert zu betrachten und zu beurteilen. Neben dieser multiperspektivischen Methode soll auch im Realschulzweig die Befragung von Zeitzeugen als eine von vielen Arbeitsmethoden fest im Unterricht verankert werden.

Diese Aufgaben und Ziele sollen dem Schüler über den Themenkomplex des Dritten Reiches vermittelt werden. Ob und wie dies schon in der Gestaltung von Schulbüchern, einem der wichtigsten Schulmittel gelingt stelle ich in dem folgenden Abschnitt dar. Die Begriffe Multiperspektivität und Kontroversität tauchen nicht explizit im Curriculum auf, werden aber wie erläutert, durch Aufgaben und Ziele des Faches Geschichte angedeutet.

4.2 Aktuelle Schulwerke seit 1990

Das erste Schulbuch, das ich vorstellen möchte, ist „Anno 4“[37], erschienen im Westermann Verlag. Auf 30 Seiten wird der Zweite Weltkrieg und seine Folgen geschildert. Davon ist ein extra Kapitel „Die Luftschlacht um England“. Dieses Kapitel wird durch die Regierungserklärung von Winston Churchill vom 13. Mai 1940 eingeleitet, in der Churchill als Ziel seiner Politik den Sieg gegen die Tyrannei propagiert. Ein kurzer Absatz klärt die Verhältnisse der Luftangriffe auf englische Städte wie London oder Coventry und untermalt dies mit zwei Fotos. Zum einen sieht man die zerstörte Stadt Coventry nach einem deutschen Luftangriff und zum anderen Londoner Kinder in einem Splittergraben. Unter dem Oberthema „Die Kriegswende“ wird zwölf Seiten später „Der Bombenkrieg gegen Deutschland“ dargestellt. Was bei diesem Artikel auf einen Blick erkennbar ist, ist das Leid, das durch das Foto einer überlebenden Frau, gestützt durch zwei Männer in den Trümmern, zum Ausdruck gebracht wird. Dieses Foto findet sich in den meisten Schulbüchern wieder. Hinzu kommt das Foto der Leichenverbrennung auf dem Altmarkt von Dresden nach den verheerenden Luftangriffen der angloamerikanischen Luftstreitkräfte. Ein Augenzeugenbericht über den Luftangriff auf Hamburg vom 27./28. Juli 1943 unterstreicht das Leid und den Schrecken, den die deutsche Bevölkerung durchlebte. Geschickt aufgearbeitet wird zuerst die englische Bevölkerung gezeigt, wie sie von den Deutschen „ausgebombt“ wurde, um dann die Gegenseite, also die deutschen „Opfer“, darzustellen. Hier ist durchaus an eine multiperspektive Haltung gedacht worden. Auch eine gewisse Kontroverse, obwohl sie nicht zum Ausdruck kommt, ist hierbei spürbar.

Ein weiteres aktuelles Schulbuch, im Gebrauch der Schulen und Schüle das ich untersucht habe, ist „Geschichte und Geschehen A4“.[38] Die Zeitspanne des Dritten Reichs beziffert sich insgesamt auf 49 Seiten. Davon sind auch etliche speziell zum Zweiten Weltkrieg abgefasst, jedoch nur eine halbe Seite zu dem Thema Bombenkrieg. Zu sehen bekommen die Schüler ein bekanntes Foto. Eine Frau, die aus den Trümmern einer zerbombten deutschen Stadt laufend, von zwei Männern gestützt wird. Erschreckend wirkt dieses Bild durch die Zerstörung im Hintergrund. Jedoch gibt es hierzu keine weiteren Informationen. In 23 Zeilen wird der Bombenkrieg abgehandelt, dies geschieht aus neutraler Sicht mit der „Anzettelung“ der Luftangriffe durch die Deutschen auf Guernica. Die Zerstörung deutscher Städte wird als Vergeltungsaktion der Alliierten mit dem Beispiel Dresden geschildert. „Allein in Dresden starben in einer Februarnacht mehr als 200.000 Menschen bei einem britischen Bombenangriff, der bis heute umstritten ist – notwendige Kriegsmaßnahme oder Kriegsverbrechen?“ Dieser letzte Satz des Zitats lässt einen Hauch von Kontroversität in der Beurteilung des Bombenkrieges spüren.

Wer den Begriff der Multiperspektivität sucht, der sucht vergeblich. Man muss jedoch auch darauf achten, für welche Schulstufen, Altersklassen und Zwecke das Schulbuch genau so verfasst wurde. Es geht mir nicht darum, Schulbücher zu „zerpflücken“, ich will aber schon kritisch beäugen, welchen Stellenwert der für den Krieg durchaus entscheidende Einsatz der Luftstreitmächte besitzt. Es ist logisch, dass der Schwerpunkt des Themenkomplexes des Dritten Reichs nicht auf dem Bombenkrieg liegen kann. Gerade durch die neuerliche Debatte um Zweck und Sinn der Bombardierung beispielsweise Dresdens ist es aber meiner Meinung nach schon sinnvoll, diesen Aspekt zu berücksichtigen. Zeitzeugen sind in Schulbüchern eine wichtige Stütze für die Berücksichtigung multiperspektiver Sichtweisen. In „Geschichte und Geschehen“ sind diese jedoch auch nicht abgedruckt. Was man anstatt dessen findet, ist ein Gedicht von Bertolt Brecht aus dem Jahr 1949, das die Zerstörung deutscher Städte beinhaltet.[39] In diesem Schulwerk werden zudem keine Fragestellungen zu Luftangriffen formuliert, die die Schüler beantworten sollen.

In dem Vorgängermodell von 1996, das nur eine erweiterte Auflage des Schulwerkes von 1987 ist, wird der Bombenkrieg folgendermaßen beschrieben:

Ein Zeitzeuge erzählt seine Erlebnisse in Hiroshima zu dem Zeitpunkt des Abwurfes der ersten Atombombe. Zu dem Bombenkrieg über Europa erfährt man in diesem Schulbuch jedoch nichts. Eine Aufgabe richtet sich an die Schüler, in der es um die Luftangriffe des Zweiten Weltkrieges geht:

„Die Bombardierung der Städte sollte den Kriegswillen der Bevölkerung brechen. Fragen Sie Zeitzeugen, wie die Angriffe auf sie gewirkt haben.“

[...]


[1] Niemetz, Gerold, Lexikon für den Geschichtsunterricht, Freiburg 1984

[2] ebda. S.123

[3] Bergmann, Klaus, Multiperspektivität - Geschichte selber denken, S.11

[4] Chladenius, Johann Martin, Allgemeine Geschichtswissenschaft, S.100

[5] Bergmann, Multiperspektivität, S. 12

[6] Chladenius, Geschichtswissenschaft, S.151

[7] Bergmann, Multiperspektivität, S.12

[8] Niemetz, Lexikon für den Geschichtsunterricht

[9] Man beachte das Erstellungsjahr des Lexikons: 1984. Das heutige Verständnis für eine Globalisierung ist im Jahr 2005 ein ganz anderes, viel weiter fortgeschritteneres, als es 1984 denkbar war.

[10] Schulz-Hageleit, Peter, Grundzüge geschichtlichen und geschichtsdidaktischen Denkens,Ffm 2002, S.78

[11] Bergmann, Multiperspektivität, S.30

[12] http://www.brockhaus.de/

[13] http://www.brockhaus.de/

[14] Bergmann, Multiperspektivität, S.40

[15] ebda., S.42

[16] Große Kracht, Klaus, Die zankende Zunft-Historische Kontroversen in Deutschland nach 1945,Göttingen 2005, S.10

[17] ebda., S.17

[18] Im Oktober 1961 veröffentlichte der Hamburger Historiker Fritz Fischer sein Buch "Griff nach der Weltmacht" mit der These: "Da Deutschland den österreichisch-serbischen Krieg gewollt und gedeckt hat und, im Vertrauen auf die deutsche militärische Überlegenheit, es im Juli 1914 bewußt auf einen Konflikt mit Rußland und Frankreich ankommen ließ, trägt die deutsche Reichsführung den entscheidenden Teil der historischen Verantwortung für den Ausbruch des allgemeinen Krieges." Er sprach damit gegen die vorherrschende Meinung, das Reich sei - wie die anderen Staaten auch - in den Krieg hineingeschlittert. Eine hitzige Debatte begann, die bis heute zwar abgekühlt, aber noch nicht beendet ist. Zu den wichtigsten Kontrahenten Fischers gehörten die Historiker Egmont Zechlin, Karl-Dietrich Erdmann und Andreas Hillgruber. Auch sie erkannten, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, die initiierende Verantwortung des Deutschen Reiches am Ersten Weltkrieg an, gingen aber davon aus, dass die Reichsleitung unter dem Reichskanzler Bethmann Hollweg aus einem Gefühl der Defensive die politische Offensive suchte. Bis heute bewegt sich die Historiographie zwischen den Positionen Fischers und denen seiner Kontrahenten. Es bleibt jedoch die nachhaltige Leistung Fritz Fischers, der apologetischen Geschichtsschreibung ein Ende bereitet zu haben, denn kein Historiker ist heute noch bereit, einen bedeutenden Anteil des Deutschen Reiches an dem Kriegsausbruch zu leugnen. Die "Fischer-Kontroverse" hat zudem dazu beigetragen, dass von Historikern der anderen kriegsbeteiligten Staaten die Rolle "ihrer" Regierungen mittlerweile kritischer gesehen werden kann. Aus: www.wikipedia.de

[19] Historikerstreit, eine unter deutschen Historikern, Philosophen und Journalisten ausgetragene Kontroverse über die geschichtliche Einordnung und Beurteilung des Nationalsozialismus und seiner Verbrechen. Der Historikerstreit begann 1986 nach einem Artikel des Frankfurter Philosophen Jürgen Habermas in der Wochenzeitung „Die Zeit” („Eine Art Schadensabwicklung. Die apologetischen Tendenzen in der deutschen Zeitgeschichtsschreibung”, erschienen am 11. Juli 1986), in dem sich dieser mit Positionen der Historiker Michael Stürmer, Andreas Hillgruber, Klaus Hildebrand und Ernst Nolte auseinander setzte. Habermas kritisierte dabei ein „neokonservatives Weltbild” der Autoren. Insbesondere erhob er gegen Nolte den Vorwurf, die verbrecherische Behandlung der Juden im Dritten Reich zu relativieren und zu verharmlosen, indem sie als Reaktion auf andere historische Ereignisse – vor allem Massenmorde während und nach der Russischen Revolution – dargestellt würde.

In der Folge entwickelte sich eine von starker Polemik geprägte Diskussion, die zunächst vor allem in Beiträgen und Leserbriefen in der „Zeit” und der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung” geführt wurde und deren Hauptphase bis etwa 1988 anhielt. Den zentralen Gegenstand der Kontroverse, die auch in ausländischen Medien große Beachtung fand, bildete die Frage nach der Einzigartigkeit der nationalsozialistischen Judenvernichtung. Ferner wurde über die Frage diskutiert, inwieweit der Nationalsozialismus „historisiert”, d. h. in einen geschichtlichen Kontext eingeordnet und unabhängig von der moralischen Bewertung durch die Gesellschaft wissenschaftlich behandelt werden könne. Darüber hinaus wurde – vor dem politischen Hintergrund von Bestrebungen der Bundesregierung zur Schaffung historischer Museen in Berlin und Bonn – über das Selbstverständnis der Bundesrepublik Deutschland in ihrem Verhältnis zur jüngeren deutschen Vergangenheit debattiert sowie darüber, ob die Geschichtswissenschaft für das öffentliche Bewusstsein eine sinn- und identitätsstiftende Funktion wahrnehmen solle.

Der Historikerstreit ist innerhalb der deutschen Wissenschaftsgeschichte der Nachkriegszeit – nach der so genannten „Fischer-Kontroverse” – die zweite große Auseinandersetzung zur deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Im Gegensatz zu jener ist der Historikerstreit jedoch primär keine fachwissenschaftliche Auseinandersetzung, sondern eine in den öffentlichen Medien ausgetragene Diskussion der Gesellschaft. Ein Konsens oder wissenschaftlicher Fortschritt wurde bislang nicht erreicht. Verfasst von: Schlögl, Daniel, Dr. phil., M.A., Universität München 2000 Aus: Microsoft Encarta Enzyklopädie 2005

[20]: Lehmann, Hartmut (Hrsg.), Historikerkontroversen, Göttingen 2000, S.10

[21] Aus: Kurowski, Franz, Der Luftkrieg über Deutschland, München 1977, S.10

[22] Weißer Phosphor entzündet sich am Sauerstoff der Luft und lässt sich auch nicht mit Wasser löschen.

[23] Definition des britischen „Strategic Bombings“:

Strategic Bombing does not directly target an enemy`s armed forces. Instead it seeks to attack an enemy`s economic strength and morale by destroying factories, governmental and transportation centres as well as directly assaulting civilian populations. Many view the concept of “strategic bombing” as representing the totality of modern war.

[24] Vergl. hierzu: Porezag, Karsten, Geheime Kommandosache, Geschichte der „V-Waffen“ und geheimen Militäraktionen des Zweiten Weltkrieges an Lahn, Dill, und im Westerwald, Wetzlar 1997

[25] Vergl. Hierzu Hinrichs, Per, Test für den Terror, in Als Feuer vom Himmel fiel, S.65-69

[26] Aus: Bundesarchiv/Militärarchiv Freiburg, RL II/51

[27] Kurowski, Luftkrieg über Deutschland, S.69

[28] Im Anschluss an Kapitel 5 sieht man eine Originalaufnahme einer V1, Fieseler 103, aus dem Deutschen Museum in München.

[29] Vergl. hierzu Bergander, Götz, Dresden im Luftkrieg, Köln 1977. Speziell S. 462, Liste der Luftangriffe auf Dresden.

[30] Vergl. zum Thema Bombenkrieg folgende Literatur:

Balke, Ulf, Der Luftkrieg in Europa, Die operativen Einsätze des Kampfgeschwaders 2 im Zweiten Weltkrieg, T. 1 und 2, Koblenz 1989

Bergander, Götz, Dresden im Luftkrieg, Köln 1977

Blank, Ralf, Kriegsalltag und Luftkrieg an der „Heimatfront“, in: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd.9/1-2, München 2004/2005, Bd.9/1, S.357-461

Boog, Horst, Der anglo-amerikanische Luftkrieg über Europa und die deutsche Luftverteidigung, in: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd.6, Stuttgart 1990, S.429-560

Ders., Strategischer Luftkrieg in Europa und Reichsluftverteidigung 1943-1944, in: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd.7, Stuttgart 2001, S.3-415

Cartier, Raymond, Der Zweite Weltkrieg, Sonderausgabe, München, Bd.1, S.100-105, 208-213, 217f., 497ff.

Ders. Bd.2, S.766, 966-971

Kurowski, Franz, Der Luftkrieg über Deutschland, Düsseldorf/Wien 1977

Mehner, Kurt (Hrsg.), Die Geheimen Tagesberichte der Deutschen Wehrmachtsführung im Zweiten Weltkrieg 1939-1945, Bde. 1-12, Osnabrück 1984-1993

Price, Alfed, Blitz on Britain – The Bomber attacks on the United Kingdom, 1939-1945, Shepperton 1977

Verrier, Anthony, Bomberoffensive gegen Deutschland 1939-1945, Frankfurt a.M. 1970

[31] Hessischer Rahmenlehrplan für die Hauptschule Klasse 9/10

[32] ebda.

[33] ebda.

[34] ebda.

[35] ebda.

[36] Rahmenlehrplan Geschichte Realschule Hessen, Klasse 10

[37] Anno Band 4, Das 20. Jahrhundert, Hrsg. Von Bernhard Askani und Elmar Wagener, Braunschweig 2003, Aktuellstes Schulbuch, das ich gefunden habe.

[38] Geschichte und Geschehen A4, Verfasser dieses Themas: Prof. Dr. Klaus Bergmann, Klett-Verlag, Stuttgart 1997, S.118, für die Sekundarstufe I

[39] Bertolt Brecht, Werke, Band 15, Frankfurt a.M. 1993, S.205f.

Excerpt out of 150 pages

Details

Title
Multiperspektivität und Kontroversität im Geschichtsunterricht - Das Beispiel Bombenkrieg im 2.Weltkrieg
College
Justus-Liebig-University Giessen  (Didaktik der Geschichte)
Grade
2,0
Author
Year
2005
Pages
150
Catalog Number
V58437
ISBN (eBook)
9783638526319
ISBN (Book)
9783640972272
File size
7577 KB
Language
German
Keywords
Multiperspektivität, Kontroversität, Geschichtsunterricht, Beispiel, Bombenkrieg, Weltkrieg
Quote paper
Thomas Huber (Author), 2005, Multiperspektivität und Kontroversität im Geschichtsunterricht - Das Beispiel Bombenkrieg im 2.Weltkrieg, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/58437

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