Das Lernpotential virtueller Selbstlernumgebungen


Seminararbeit, 2006

23 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Medienspezifität des Lernobjektes
2.1 Multimediale Eignung und Darstellungsweise der Inhalte
2.2 Das Lernobjekt als Kontinuum zwischen Text und Bild

3 Problemgehalt offener Selbstlernumgebungen
3.1 Offene Selbstlernumgebungen
3.2 Problemorientiertes Lernen
3.3 Taxonomie der Multimedia-Komponenten nach dem Interaktivitätsniveau

4 Lernerseitige Determinanten des Lernpotentials einer offenen Selbstlernumgebung
4.1 Relation der Determinanten des Lernprozesses und der Lernprodukte selbstgesteuerten Lernens zueinander
4.2 Lernstrategien als lernerseitige Determinanten des Lernpotentials

5 Ergebnisse

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

eLearning-Umgebungen sollten danach differenziert werden, ob sie einen standardisierten Wissenskanon bzw. Grundwissen anbieten und damit individuelles bzw. autonomes Lernen ermöglichen, oder ob sie eher über eine Reihe offener Fragen und Probleme verfügen und auf die Bildung sog. Wissensgemeinschaften zielen. Mit anderen Worten: eLearning-Umgebungen variieren vom individuellen Selbststudium bis hin zu kooperativen Lern- und Wissensgemeinschaften zwischen denen sich alle möglichen denkbaren Varianten virtueller Lehre, virtueller Vorlesungen, virtuelle Arbeitsgruppen mit klaren Aufgaben usw. befinden (vgl. Schulmeister 2005, S. 43). Nicht alle didaktischen Aussagen, die zum eLearning gemacht werden, gelten für beide Fälle gleichermaßen. Für die Wissens- oder Lerngemeinschaften sind Fragen der Kommunikation, der Kooperation und der Moderation vorrangig, während für Selbstlernumgebungen Lernziele, Lerninhalte, Methoden, Mediengestaltung, Prüfungsformen, Evaluation und Rückmeldung wichtiger sind. Ich werde mich im Folgenden mit meinen Aussagen auf Selbstlernumgebungen bzw. Computer-Based-Trainings beziehen, die mit vorgegebenen Lernobjekten arbeiten und diese den Studierenden zum Selbststudium anbieten oder in seminaristischen Lernformen verarbeiten (vgl. Schulmeister 2005, S. 44). Natürlich sind die sozialen Prozesse im Studium ebenfalls zu fördern, dadurch wird aber orientierendes handlungsrelevantes und bewertendes Wissen nicht überflüssig. Selbst wenn die gelernten Fakten ihre Bedeutung verlieren können und vergessen werden, so geht es im Studium doch um den Erwerb von Wissen und Fähigkeiten, deren kognitive Komponenten häufig übersehen werden (vgl. Schulmeister 2000, S. 7). In virtuellen Lernumgebungen für individualisiertes Lernen steht also nicht die Lerngruppe und ihr gemeinsamer Lernprozess im Vordergrund, sondern das Lernobjekt, mit dem sich der der Lernende als Einzelner auseinandersetzen muss (vgl. Schulmeister 2004, S. 9 – 10).

Um das Lernpotential einer Selbstlernumgebung zu bestimmen, müssen Einflussvariablen auf unterschiedlichen Ebenen berücksichtigt werden: Der Rahmen wird durch die Medienspezifität des Lernobjektes gesetzt. Je nachdem welches Symbolsystem, Bilder oder Texte, der Selbstlernumgebung gerade bearbeitet wird, verschiebt sich das Spektrum möglicher Lerntätigkeiten – mit Bildern wird anders gelernt als mit Texten. Im zweiten Schritt geht es um die Frage, wie dieses Lernmaterial didaktisch gestaltet wurde: Durchaus im Sinne einer Rangordnung gemeint, determiniert nun über das Symbolsystem hinaus das didaktische Design zwischen den Polen offene Lernumgebung und Instructional Design den Handlungsspielraum des Lernenden. Die Frage ist hier vor allem, in welchem Grad die Lehrfunktion vom Lernenden selbst erfüllt werden muss. Mit dem Aspekt problemorientierten Lernens werden erstmals inhaltliche Aspekte der Selbstlernumgebung angesprochen. Auf dieser Stufe determiniert die Variation des Problemgehalts mittels Aufgabenstellung den inhaltlichen Schwierigkeitsgrad. Im Unterkapitel 3.3 werden die Merkmale der Selbstlernumgebung zusammenfassend in einer Taxonomie systematisiert. Das Lernpotential einer virtuellen Selbstlernumgebung kann nicht beurteilt werden, wenn nicht auch die lernerseitigen Determinanten berücksichtigt werden: Nur wenn der Lernende in die Lage versetzt wird, mit der Selbstlernumgebung effizient und effektiv zu arbeiten, führen die Lernprozesse zu verwertbaren Lernprodukten. Im letzten Kapitel werden also über zwei Stufen die Determinanten des Lernprozesses dargestellt: In der ersten Stufe werden die Inputvariablen deklaratives, prozedurales Vorwissen, intellektuelle Fähigkeiten, Umgebungsfaktoren einschließlich Instruktion sowie motivationale und emotionale Faktoren kurz erörtert. Diese Variablen determinieren den Lernstrategieeinsatz bzw. die Lerntätigkeiten, wobei der Lernstrategieeinsatz als Outputvariable zu interpretieren ist, die wiederum auf der zweiten Stufe als Inputvariable im Lernprozess die Lernprodukte als Outputvariablen determiniert. Interessanterweise können in der empirischen Forschung nur geringfügige Zusammenhänge der Lernstrategien mit dem über die Noten gemessenen Studienerfolg gemessen werden. Der zweistufige Aufbau wird also eher aus theoretischen als aus empirischen Argumenten abgeleitet.

2 Medienspezifität des Lernobjektes

2.1 Multimediale Eignung und Darstellungsweise der Inhalte

Das Symbolsystem, mit dem die Botschaft kodiert wurde, hat Einfluss darauf, welche mentalen Aktivitäten im Lerner bei der Beschäftigung mit dem medialen Angebot in Gang gesetzt werden (vgl. Weidenmann 2001, S. 420). Jedes Medium besitzt aufgrund seiner Technologie eine spezifische Materialität, die die Präsentationsform von Botschaften und damit die Erfahrungsweise derselben bestimmt. Sie leitet sich von den technischen Möglichkeiten der Informationspräsentation ab. Diese Möglichkeiten sind nicht als Transportmittel zu denken, mithilfe derer ein „vorhandener“ Sinn übertragen wird, sondern hier gilt, was Welsch (1998, S. 236) formuliert, „dass Sinn sich der Einschreibung in Medien verdankt und dass die Medialität zum Sinn nicht erst nachträglich und äußerlich hinzutritt, sondern von Anfang an für den Sinn konstitutiv ist“. Jene Aspekte, die sinnkonstitutiv wirksam sind, bedingen unsere Erkenntnisweise mit, was Welsch (1998, S. 242) folgendermaßen auf den Punkt bringt: „Medien können […] zwar universal, aber nicht total sein. Sie können alles beinhalten, aber nicht auf jede Art.“

Fachgebiete mit starken visuellen oder auditiven Objekten wie Archäologie, Kunstgeschichte, Medizin, Musik eigenen sich daher für Multimedia sicher besser als Fachgebiete wie Literaturwissenschaft oder Rechtswissenschaft. Naturwissenschaften generell sind multimedial eher darstellbar als Gebiete der Erziehungswissenschaft, Soziologie oder Psychologie (vgl. Schulmeister 2000, S. 16 – 19). Metzger & Schulmeister erklären die Unterschiede multimedialer Eignung der Lernbereiche bzw. Forschungsgebiete auch wissenschaftstheoretisch: „An diesen Beispielen lässt sich auch illustrieren, welche Probleme sich stellen, will man Interaktivität in geisteswissenschaftlichen Lernbereichen herstellen, die sich als hermeneutische Wissenschaften nicht umstandslos für eine konkrete Manipulation hergeben, bzw. welche didaktischen Umwege die Fantasie nehmen muss, um ein Niveau der Interaktivität zu erreichen, das in nomologischen Wissenschaften wie der Physik oder in der Mathematik, den Ingenieurwissenschaften oder der Informatik vom Gegenstand her direkt angeboten wird.“ (Metzger & Schulmeister 2004, S. 271).

Die systematische Informationspräsentation fachwissenschaftlicher Inhalte in Lehrbüchern sollte zudem in multimedialen Selbstlernumgebungen zugunsten einer induktiven Darstellungsweise aufgegeben werden, die dem Hypertextprinzip eher angemessen ist (vgl. Schulmeister 2000, S. 16 – 19). Ein Text kann durch die Programmiersprache HTML „so strukturiert werden, dass der Text nicht eine fixe lineare Sequenz darstellt, sondern als ein aktiv zu gestaltendes Geflecht von Textbausteinen funktioniert“ (Sandbothe 1997, S. 72). In dem Moment, wo aus Informationseinheiten Zusammenhänge hergestellt werden, ist der Übergang von der Linearität zur Vernetzung gegeben. Insofern findet man im Netz linear strukturierte Texte, die ihrerseits wieder Endpunkte oder Ausgangspunkte von Links sein können und auch Links enthalten. Der Vorteil ist für den Lernenden, dass er bequem vom PC aus eine Vielzahl an Medien, Texten, Bildern, Filmen zu Verfügung hat, was die Authentizität der Problemstellung, die Durchdringung der Sache und die Eigenständigkeit im Vorangehen erhöhen kann. Aufgrund dieser Eigenschaft war insbesondere die Hypertextualität dafür verantwortlich, dass die neue Rolle des Lehrers nicht mehr in einer wie auch immer im Einzelnen zu definierenden Führungsrolle gegenüber dem Schüler, sondern in der Rolle des Lernberaters gesehen wurde (Rieger-Ladich 2004, S. 50).

2.2 Das Lernobjekt als Kontinuum zwischen Text und Bild

Jedes Medium besitzt aus ‚technischen’ Gründen eine spezifische Materialität, die darüber entscheidet, wie das Medium erlebt und wahrgenommen wird. Neuere Modelle des multimedialen Lernens gehen davon aus, dass verbale und piktoriale Informationen über unterschiedliche sensorische Kanäle rezipiert und zur Konstruktion multipler mentaler Repräsentationen verwendet werden (vgl. Mayer 1997). Medien sollten nicht als reine ‚Wissensvermittler’ betrachtet werden, sondern es sollte medienspezifisch berücksichtigt werden, wie Medien zur Wissenskonstruktion benutzt werden können (vgl. Law 1995). Medien können daher als Lernhilfen zu „kognitiven Werkzeugen“ des Handelnden werden. Der Werkzeug-Begriff betont einerseits den Einsatzzweck kognitiver Werkzeuge, d.h. sie sind durch den Zweck definiert, den sie erreichen sollen. Andererseits betont er das Ziel des Subjekts, mit Hilfe des Werkzeuges deklaratives und prozedurales Wissen zu erwerben (vgl. Jonassen 1992). Der Einsatz und die Anwendung dieser Werkzeuge muss zunächst gelernt werden. Der Lehrer kann diesen Prozess unterstützen, indem er die Spannungen zwischen den Medien untereinander nutzt, um die Übergänge z.B. vom Bild zum Text und vom Text zum Bild darzustellen. Diese Spannung lädt sinnsuchende Menschen dazu ein, hinter Kontiguität Kohärenz zu vermuten: was am selben Ort steht, muss sinnvoll aufeinander bezogen sein (vgl. Schmitz 2003). Wie die durch kognitive Werkzeuge initiierte Kohärenzbildung funktioniert, soll am Beispiel der Textkohärenz erläutert werden, wobei die Unterschiede zwischen den Medien als Kontinuum interpretiert werden sollten. Auch Bock (1983) sieht die Interaktion zwischen bildlichen und sprachlichen Informationen vor allem als ein textpsychologisches Problem an: „In einer Reihe von sprachpsychologischen Textmodellen wird angenommen, dass der Aufbau einer satzübergreifenden Textstruktur von denjenigen Informationen bestimmt wird, die der Rezipient zuerst analysiert. Eben dies gilt jedoch auch für die Interaktion zwischen bildlichen und sprachlichen Informationen: Sie wird durch die Reihenfolge bestimmt, in der diese Informationen vom Rezipienten analysiert werden“ (vgl. Bock 1983, S. 90).

Jeder Autor, der einen Text verfasst, steht vor dem Problem, inhaltliche Zusammenhänge in eine lineare Wortfolge – den Text – zu übertragen. Umgekehrt hat der Leser die Aufgabe, diese Zusammenhänge aus dem Text zu rekonstruieren, um den Text zu „verstehen“. Wie lässt sich der Prozess des Textverstehens erklären? Beim Textverstehen werden einzelne Textaussagen propositional codiert und in eine hierarchisch aufgebaute Wissensstruktur integriert (Kintsch & van Dijk 1978). Dieser Prozess lässt sich als Kohärenzbildung definieren. In einem global kohärenten Text stehen die einzelnen Textaussagen in einem direkten, für den Leser nachvollziehbaren Bezug zur globalen Thematik des Textes. Schnotz (1994) beschreibt globale Kohärenzbildung wie folgt: „Damit sind jene höheren Verstehensprozesse gemeint, durch die über das Verstehen der einzelnen Phrasen und Sätze hinaus übergreifende semantische Zusammenhänge hergestellt werden und die zur Entstehung einer integrierten Wissensstruktur führen.“ (Schnotz 1994, S. 1). Globale Kohärenzbildung besteht also in einer Organisation der globalen Textelemente und in der Integration der globalen Textinformation in das Weltwissen des Lesers.

Van Dijk & Kintsch (1983) gehen auch von einer hierarchisch strukturierten Wissensrepräsentation aus. Die Modellierung des Textverstehens durch eine propositionale Makrostruktur ist nur eine von mehreren möglichen Modellierungen; sie eignet sich insbesondere für die Beschreibung des Verstehens expositorischer Texte. Ein expositorischer Text wird definiert als Text, in dem reale Sachverhalte, Situationen oder Phänomene herausgestellt („exponere“), verglichen oder erläutert werden. Im expositorischen Text wird versucht, nur relevante Informationen zu vermitteln. Die Makrostruktur ist insbesondere bei expositorischen Texten eine sinnvolle Modellierung, stellt sie doch das dar, was im Alltag unter dem „Kerninhalt“ verstanden wird. In der Regel aktivieren expositorische Texte weniger die mentalen Modelle der Leser, da die Leser kein relevantes Vorwissen besitzen.

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Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Das Lernpotential virtueller Selbstlernumgebungen
Hochschule
Freie Universität Berlin  (CMR - Center for Media Research)
Veranstaltung
Seminar
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
23
Katalognummer
V58835
ISBN (eBook)
9783638529266
ISBN (Buch)
9783638694070
Dateigröße
517 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Untertitel der Arbeit: Mehr-Ebenen-Analyse der multimedialen und lernerseitigen Determinanten des Lernpotentials aus einer integrativen Perspektive. Seminartitel: eLearning an der Hochschule, Erfahrungen und Perspektiven Dozent: Jesko Kaltenbaek
Schlagworte
Lernpotential, Selbstlernumgebungen, Seminar
Arbeit zitieren
Sebastian Lück (Autor:in), 2006, Das Lernpotential virtueller Selbstlernumgebungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/58835

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