Die Untersuchung stellt den italienischen Philosophen Giambattista Vico in den Kontext der hermeneutischen Tradition. Dazu wird Vicos umfangreiches Hauptwerk, die "Scienza Nuova", ebenso behandelt wie einige kleinere Schriften. Nach einer Vorstellung seines triadischen Geschichtsmodells wird seine Sprachphilosophie erklärt. Das geschieht durch eine eingehende Schilderung seiner Tropentheorie. Schließlich werden diese beiden Fäden zusammengeführt: nun wird ersichtlich, wie Vico sich sein stufenförmiges Modell sprachlicher Tropen als bestimmendes Kriterium für den Bewußtseinsstand historischer Völker gedacht hat.
Im zweiten, eher disputativ angelegten Hauptteil werden Überlegungen angestellt, inwiefern Vicos Versuch der Neubegründung einer historischen Wissenschaft als Grundlage für ethnologisches Arbeiten geeignet ist. Die zentrale Frage in dem Abschnitt ist die nach den Möglichkeiten hermeneutischer Denkansätze in der Ethnologie. Dabei wird u.a. nach dem spezifischen Wahrheitsbegriff in Vicos Geschichtsmodell gefragt.
Zweierlei Schlussfolgerungen können am Ende der Abhandlung gezogen werden: Zum einen ergibt sich aus Vicos umfangreichen Materialsammlungen und völkerkundlichen Studien der Befund, dass es sich hierbei um einen frühen Pionier ethnologischer Forschung gehandelt hat. Dabei bleibt nicht unerwähnt, dass seine Arbeitsergebnisse im Einzelnen aus heutiger Sicht problembehaftet sind. Zum anderen ergibt sich aus seinem Werk eine interessante Perspektive gerade für hermeneutische Theoriekonstrukte in der Ethnologie. Somit wird in dieser Arbeit ein bislang eher unbeachtet gebliebener Aspekt an der Philosophie Vicos, der in seiner Zeit ein akademischer Außenseiter geblieben ist, herausgearbeitet.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Das Verhältnis zwischen Regierungsformen und geschichtlicher Entwicklung der Sprache
- Vicos triadisches Geschichtsmodell
- Poetische Logik - Die Sprachphilosophie der „Neuen Wissenschaft“
- Die Tropentheorie
- Die Fragwürdigkeit der Sprache
- Übertragung der Sprachphilosophie auf die Geschichte
- Eine „Neue Wissenschaft“ für die Ethnologie?
- Zwischen Semiotik, Hermeneutik und metaphysischem Ursprungsdenken
- Kultur aus der „Innenperspektive“
- Der Kulturwissenschaftler als Geschichtenerzähler
- Exkurs: Vico und die Geschichtsphilosophie im 19. Jh.
- Von der Wahrheit der Geschichte
- Schlußbemerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit verfolgt das Ziel, Giambattista Vico als den „erste[n] große[n] Sozial- und Kulturwissenschaftler der Menschheit“ vorzustellen und seine Ideen kritisch zu beleuchten. Sie untersucht, wie Vicos geschichtsphilosophisches Evolutionsmodell, das auf sprachphilosophischen Grundlagen basiert, für einen neuen Deutungsansatz in den Kulturwissenschaften relevant ist.
- Vicos triadisches Geschichtsmodell und seine Bedeutung für die Analyse von Kultur
- Die sprachphilosophischen Grundlagen der „Neuen Wissenschaft“ und deren Relevanz für die Kulturwissenschaften
- Die Rolle der Sprache und des Erzählens in der Konstruktion von Kultur und Geschichte
- Vicos Ansatz als Gegenentwurf zum Ethnozentrismus und seine Bedeutung für eine dialogorientierte Kulturwissenschaft
- Die Aktualität von Vicos Ideen für die Ethnologie und andere Kulturwissenschaften
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt Giambattista Vico als bedeutenden Wegbereiter einer narrativen Kulturwissenschaft vor. Sie erläutert die Bedeutung seines geschichtsphilosophischen Modells für die gegenwärtige Theoriedebatte und die Herausforderungen, die aus dem interkulturellen Austausch resultieren.
- Das Verhältnis zwischen Regierungsformen und geschichtlicher Entwicklung der Sprache: Dieses Kapitel beschreibt Vicos triadisches Geschichtsmodell, das aus drei Stufen besteht: dem Zeitalter der Götter, dem Zeitalter der Heroen und dem Zeitalter der Menschen. Vicos sprachphilosophische Grundlagen werden erläutert, insbesondere die Tropentheorie und die Fragwürdigkeit der Sprache.
- Eine „Neue Wissenschaft“ für die Ethnologie?: Dieses Kapitel untersucht die Relevanz von Vicos „Scienza Nuova“ für eine aktuelle ethnologische Theoriebildung. Es behandelt die Bedeutung von Semiotik, Hermeneutik und metaphysischem Ursprungsdenken für Vicos Werk. Die „Innenperspektive“ auf Kultur und die Rolle des Kulturwissenschaftlers als Geschichtenerzähler werden beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselwörter und Themenbereiche dieser Arbeit sind: Giambattista Vico, Scienza Nuova, Geschichtsphilosophie, Sprachphilosophie, Kulturwissenschaften, Ethnologie, Hermeneutik, Narrativität, Ethnozentrismus, Dialogkultur, Interpretation, Kultur aus der Innenperspektive.
- Citation du texte
- Boris Kruse (Auteur), 2005, Giambattista Vico als Wegbereiter einer hermeneutischen Theorie in den Kulturwissenschaften, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59032