Entwicklung und Zukunft der Pflegeversicherung


Dossier / Travail, 2006

39 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhalt

1 Einleitung

2 Historie

3 Organisation
3.1 Länder
3.2 Pflegekassen
3.3 Pflegeeinrichtungen
3.4 Qualitätskontrolle der Pflege

4 Integration der GPV in das gegliederte System der Krankenversicherung

5 Allgemeine Rahmenbedingungen der GPV
5.1 Versicherungspflichtiger Personenkreis
5.2 Finanzierung der Pflegeversicherung
5.3 Leistungen der GPV
5.4 Leistungsarten der GPV
5.4.1 Leistungen im häuslichen Bereich
5.4.2 Leistungen im stationären Bereich
5.5 Leistungserbringer
5.5.1 Konkurrenzbeziehungen zwischen den Leistungserbringern

6 Zunkunftsprognosen der Pflegeversicherung
6.1 Die Problemlage der GPV
6.2 Reformvorschläge
6.2.1 Rationalisierungsvorschläge im bestehenden System
6.2.1.1 Personengebundenes Budget
6.2.1.2 Trägerübergreifendes Budget
6.2.1.3 Integriertes Budget
6.2.1.4 Die Bürgerversicherung
6.2.2 Mischformen aus umlagefinanzierten und kapitalgedeckten Systemen
6.2.3 Die kapitalgedeckte Pflegeversicherung
6.2.3.1 Die Herzog Kommission
6.2.3.2 Die kapitalgedeckte private Pflegepflichtversicherung

7 Der europäische Vergleich

8 Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Leistungen der Pflegeversicherung im Überblick (Stand Januar 2006)

2 Leistungsempfänger der sozialen Pflegeversicherung im Jahresdurchschnitt nach Leistungsarten

3 Entwicklung der Anzahl der Pflegebedürftigen

4 Verhältnis von Geld-, Sach- und Kombinationsleistungen

5 Einnahmen und Ausgaben 1995 – 2003

6 Wachsendes Defizit

1 Einleitung

In dieser Hausarbeit wird die Pflegeversicherung, als fünfte Säule der Sozialversicherung, bezüglich ihrer Historie, ihrer Entwicklung und ihrer Zukunftsprognose näher erörtert. Hinsichtlich der Historie wird auf die Zeit vor Einführung der Pflegeversicherung nur kurz eingegangen. Der erste Teil dieser Arbeit bezieht sich auf die Zeit nach Inkrafttreten der Pflegeversicherung im Jahr 1995. In diesem Zusammenhang werden organisatorische, gesetzliche und allgemeine Aspekte angesprochen, die im weiteren Verlauf näher ausgeführt werden. Der zweite Teil, der den Schwerpunkt dieser Arbeit darstellt, beschäftigt sich mit der Sicherstellung der zukünftigen pflegerischen Versorgung. Die Pflegebedürftigkeit ist zu einem nicht mehr zu übersehenden sozialen Risiko geworden. Derzeit müssen in der Bundesrepublik etwa 1,7 Mio. Menschen als Pflegebedürftig eingestuft werden, das sind 2,1 % der Bevölkerung. 1,2 Mio. leben in Privathaushalten, 500.000 werden in Heimen versorgt. Besonders auffällig ist die Altersabhängigkeit der Pflegebedürftigkeit (vgl. Bäcker, 2000, S.27). Durch die prekäre finanzielle Situation der Pflegeversicherung, aufgrund des demografischen Wandels und der hohen Arbeitslosigkeit, wird man nicht umhin kommen entsprechende Reform Änderungen vorzunehmen. In diesem Zusammenhang gibt es bereits vielfältige Vorschläge, die Bezug nehmend auf ihre Umsetzung kritisch hinterfragt werden müssen.

2 Historie

Die politische und juristische Diskussion um die Reform der sozialen Sicherung bei Pflegebedürftigkeit dauerte fast zwanzig Jahre an. Den Anstoß hierfür gab ein Gutachten des Kuratoriums Deutscher Altenhilfe aus dem Jahr 1974. Das Gutachten wies insbesondere auf die schwierige Abgrenzung von Krankheit und nicht abgesicherter Pflegebedürftigkeit hin. Bis zur Einführung der Pflegeversicherung 1995 war daraus schlussfolgernd das Risiko der Pflegebedürftigkeit nur ungenügend sichergestellt. Die Pflegebedürftigen waren hauptsächlich auf die Hilfe ihrer Familienmitglieder angewiesen und wurden durch die Sozialhilfe finanziell unterstützt. Um die Sozialhilfe und auch die Familienmitglieder dahingehend zu entlasten, war eine Veränderung der sozialen Sicherung bei Pflegebedürftigkeit unumgänglich (vgl. Fachlexikon d. s. A., 2002, S. 697 – 698; Waltermann, 2005, S. 112 – 113).

Die Veränderung der sozialen Sicherung bei Pflegebedürftigkeit ist von Politikern, wie bereits erwähnt, seit vielen Jahren immer wieder betont worden. Argumente hierfür waren die ständig steigende Zahl der Pflegefälle und die immer teurer werdenden Pflegebetten in Pflege- und Altersheimen. Die Standpunkte der großen Parteien näherten sich im laufe der Zeit dahingehend zwar stark an, aber es kam lange kein abschließendes Ergebnis zustande. Während die Wirtschaft die Auffassung vertrat das Problem lasse sich allein durch eine private Absicherung lösen, setzten die Politiker auf eine Pflegeversicherung unter dem Dach der gesetzlichen Krankenversicherung. Bevor eine Einigung im Jahr 1994 zustande kam, gab es einen krankenversicherungsrechtlichen Einstieg in das Recht der Pflegeversicherung und zwar mit dem Gesundheitsreformgesetz (GRG). Ab dem 01. Januar 1989 gab es aufgrund dessen Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit die in den §§ 53ff. SGB V geregelt worden sind. Mit Inkrafttreten der Pflegeversicherung am 01. April 1995 endete der Anspruch auf diese Krankenversicherungsleistungen. Das Pflegeversicherungsgesetz trat aufgrund von Übergangsregelungen zu verschiedenen Zeitpunkten in Kraft. Am 01. Juni 1994 erhielten die Krankenkassen das Recht, die Pflegekassen zu errichten und damit Mittel aufzuwenden. Am 01. Januar 1995 erfolgte die Versicherungs- und Beitragspflicht. Leitungsansprüche konnten ab dem 01. Mai 1995 in Anspruch genommen werden und ab dem 01. Juli 1996 trat der Anspruch auf vollstationäre Pflege in Kraft. Die im SGB V bis dahin geltende Regelung des Gesundheitsreformgesetztes von 1989 wurde am 26. Mai 1994 mit der Erweiterung des 11. Buches des SGB aufgehoben. Die Unterscheidung von sozialer und privater Pflegeversicherung wird zur begrifflichen Abgrenzung zwar verwandt, sie unterliegen aber beide den Regelungen des Pflegeversicherungsgesetztes. Mit der Pflegeversicherung wurde ein neuer eigenständiger Zweig als fünfte Säule der Sozialversicherung zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit geschaffen (vgl. SGB V, 2005; Marburger, 2005, S. 9 – 10).

3 Organisation

Die generell beteiligten Institutionen an der Pflegeversicherung sind die einzelnen Bundesländer, die Pflegekassen und die Pflegeeinrichtungen. Träger der Pflegeversicherung sind die Pflegekassen. Die Pflegeversicherung ist den gesetzlichen Krankenkassen angeschlossen, also der AOK, den Ersatzkassen, den Betriebs- und Innungskassen und sonstigen.

3.1 Länder

Die Länder sollen in diesem Zusammenhang eine leistungsfähige zahlenmäßig ausreichende und wirtschaftliche Versorgung sowie die Qualität und die Effizienz der pflegerischen Infrastruktur leisten. Die staatlichen Instanzen Bund, Länder und Gemeinden haben die Aufgabe Versorgungsdisparität zu vermeiden um eine gleichmäßige pflegerische Versorgung zu gewährleisten. Dies beinhaltet die Übernahme der Investitionskosten für alle Pflegeeinrichtungen mit kommunaler, landeseigener, freigemeinnütziger und privatgewerblicher Trägerschaft laut § 9 SGB XI.

3.2 Pflegekassen

Die Pflegekassen stellen die pflegerische Versorgung sicher und beseitigen qualitative Mängel der pflegerischen Versorgungsstruktur, sie haben einen so genannten Sicherstellungsauftrag. Sie kontrollieren somit die Qualität der Leistungen. Der Sicherstellungsauftrag wird jedoch dadurch eingeschränkt, dass sie nicht den angemessenen Einfluss auf die Schaffung, die Förderung oder die Erhaltung der pflegerischen Infrastruktur haben, da dies Aufgabe der Länder ist. Sie sind auch Kostenträger der Pflegeleistungen, und stellen unter Mitwirkung der von Ihnen beauftragten Medizinischen Dienste die Pflegebedürftigkeit fest und verhandeln die Preise für Pflegeleistungen mit den Leistungsanbietern. Zusätzlich bieten sie Pflegekurse für ehrenamtlich tätige Pflegepersonen an, um die häusliche Pflege zu erleichtern und zu verbessern. Aus diesen Aufgaben ergibt sich das Problem, dass die Pflegekassen zum einen für die Garantie der Pflegequalität eintreten und zum anderen die Kosten der Pflegeleistungen übernehmen sowie die Vergütungsverhandlungen mit den Leistungsanbietern führen. Durch die Kombination dieser Aufgaben, die die Steigerung der Pflegequalität vs. Drückung der Ausgaben für Pflegeleistungen beinhalten, ergeben sich gewisse Konfliktpotentiale (vgl. § 12 SGB XI).

3.3 Pflegeeinrichtungen

Die Pflegeeinrichtungen gibt es von kommunaler, landeseigener, freigemeinnütziger und privatgewerblicher Trägerschaft. Diese Trägervielfalt der Einrichtungen soll gewahrt werden und die Selbständigkeit der Einrichtungen, das Selbstverständnis und die Unabhängigkeit soll geachtet werden. Zwischen den Einrichtungen und den Pflegekassen wird ein so genannter Versorgungsvertrag abgeschlossen. Dieser ist eine Art Zulassung einer ambulanten bzw. stationären Pflegeeinrichtung für den Markt und somit unabdingbare Voraussetzung ihrer wirtschaftlichen Existenz. Ist ein Vertrag zwischen einer Pflegeeinrichtung und einer Pflegekasse abgeschlossen, können die von ihr betreuten Personen Leistungen aus der Pflegeversicherung abrufen. Der Versorgungsvertrag regelt Art, Inhalt und Umfang der allgemeinen Pflegeleistungen, die eine Einrichtung zu erbringen hat (vgl. § 72 Abs. 1 SGB XI). Die Pflegeeinrichtungen haben eine humane und aktivierende Pflege unter Achtung der Menschenwürde zu gewährleisten. Pflegebedürftige sollen gepflegt, betreut, getröstet und beim Sterben begleitet werden. Die zugelassenen Pflegeeinrichtungen sind verpflichtet, sich an den Maßnahmen der Qualitätssicherung zu beteiligen (vgl. § 11 SGB XI).

3.4 Qualitätskontrolle der Pflege

Die im Abschnitt zuvor angesprochene Qualitätssicherung in der Pflege hat zwei grundsätzliche Prinzipien. Die Kontrolle und die Schaffung eines Pflegemarktes. Die Qualitätskontrolle durch Schaffung eines Pflegemarktes folgt dem Leitspruch „Konkurrenz belebt das Geschäft“, womit von Leistungsanbieterseite die notwendigen ökonomischen Anreize geschaffen werden, um effizient und qualitativ hochwertige Leistungen zu erbringen (vgl. Skuban, 2000, S. 62). Der freie Wettbewerb, der die Qualität der Pflege gewährleisten soll, wird allerdings durch die quasi – staatliche Steuerung der Pflegekassen eingeschränkt. Der Markt ist abhängig von der Abrechnungsfähigkeit seiner Angebote nach SGB XI und somit von der Definitionsmacht der Pflegekassen. Zusätzlich sind die Preise der Pflegeleistungen in den Leistungskatalogen verbindlich festgelegt und somit nicht in den Preiswettbewerb eines freien Marktes eingebunden. Die Souveränität der Kunden des Pflegemarktes ist ebenfalls eingeschränkt, da die Verfügbarkeit und die Auswahl der Dienstleistungen in den Leistungskatalogen nominiert sind. Auf diese Aushandlungsprozesse haben die Kunden keinerlei Einfluss, da die Dienstleistungen in den Leistungskatalogen von den kosten tragenden Pflegekassen und den Dienstleistern festgelegt sind. Die Kundensouveränität ist zudem ebenfalls davon abhängig, ob sie überhaupt in der Lage sind die Qualität der Pflege zu beurteilen (vgl. Dietz, 2002, S. 154). Somit ist es fraglich ob die Schaffung des Pflegemarktes, dessen freier Wettbewerb stark eingeschränkt ist, die Qualität der Pflege kontrollieren kann. Eine Mindestqualitätssicherung des Pflegeversicherungsgesetzes ist die Kontrolle nach § 80 SGB XI. Die Spitzenverbände der Pflegekassen, Sozialhilfeträger, Kommunen und Pflegeinrichtungen sind verpflichtet gemeinsame und einheitliche Grundsätze und Maßstäbe für die Qualität und die Qualitätssicherung der ambulanten und stationären Pflege sowie für die Entwicklung einrichtungsinternen Qualitätsmanagements zu treffen (vgl. Skuban, 2000, S. 60). Diese gemeinsamen Grundsätze geben den Beurteilungsrahmen für Fragen der Qualität professioneller Dienste vor. Sie setzten die Maßstäbe für die Qualität sowie die Qualitätssicherung und haben Verfahren zur Durchführung von Qualitätsprüfungen vereinbart. Für die zuhause von den Angehörigen gepflegten und betreuten Personen sind keine Überprüfungen im Sinne der gemeinsamen Grundsätze festgeschrieben. Hier sind lediglich die Pflegeeinsätze der Pflegedienste bei Bezug von Pflegegeld vorgesehen. Die Pflegeinrichtungen sind dahingehend, von den Medizinischen Diensten im Auftrag der Pflegekassen, zu prüfen. Bei schwerwiegenden Mängeln kann der Pflegeeinrichtung der Versorgungsvertrag gekündigt werden (vgl. Skuban, 2000, S. 62).

4 Integration der GPV in das gegliederte System der Krankenversicherung

Die soziale Absicherung des Pflegerisikos ist im Sozialleistungssystem nicht einheitlich geregelt. Hier sind folgende Träger allgemein zu nennen, gesetzliche Pflegeversicherung, private Pflegeversicherung, Beihilfe für Beamte, gesetzliche Unfallversicherung und die Sozialhilfe. Aufgrund der Komplexität wird hier schwerpunktmäßig auf den wichtigsten Träger, die gesetzliche Pflegeversicherung und punktuell auf die private Pflegeversicherung eingegangen (vgl. Bäcker, 2000 S. 95).

Bezug nehmend auf Abschnitt (2) wurde die Durchführung dieses Versicherungszweiges den Pflegekassen übertragen, die bei den bestehenden gesetzlichen Krankenkassen gegründet worden sind (vgl. § 46 Abs.1 SGB XI). Als weitere Träger der Pflegeversicherung nennt das Gesetz private Versicherungsunternehmen. Seit dem 01. Januar 1995 führen sie gemeinsam mit den Pflegekassen die erste Pflichtversicherung in Deutschland durch, die praktisch die gesamte Bevölkerung erfasst. Das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 03. April 2001) spricht daher folglich von der aus sozialer und privater Pflegeversicherung gebildeten gesetzlichen Pflegeversicherung. Der aus dem SGB XI hervorgehende Leitgedanke, dass die Pflegeversicherung der Krankenversicherung folgt, bietet zweierlei Betrachtungsweisen. Zum einen besteht Versicherungspflicht für alle Personen in der gesetzlichen Pflegeversicherung, zum anderen ist zu ergänzen, dass diese Versicherungspflicht sowohl innerhalb der Privatversicherung als auch der gesetzlichen Krankenversicherung zu erfüllen ist und zwar grundsätzlich bei derjenigen Krankenkasse oder dem privaten Krankenversicherungsunternehmen, bei dem die Krankenversicherung besteht. Damit ordnet sich die Pflegeversicherung zwar in das gegliederte System der Krankenversicherung ein, eine Volksversicherung für den Pflegefall in einer Einheitskasse wurde durch das neue Gesetz jedoch nicht geschaffen. Die soziale Pflegeversicherung wurde von dem gegliederten Krankenversicherungssystem mit Allgemeinen Ortskrankenkassen, Betriebs- und Innungskrankenkassen, der Seekrankenkasse, der Landwirtschaftlichen Krankenkasse, der Bundesknappschaft und der Ersatzkassen auf die Pflegeversicherung übertragen (vgl. Besche, 2003, S. 9). Die somit eingerichteten Pflegekassen sind rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung (vgl. § 46 Abs. 2 S.1 SGB XI). Auf der Grundlage von § 46 Abs. 3 SGB XI werden den Pflegekassen die Verwaltungskosten einschließlich der Personalkosten pauschal erstattet, dies geht aus der Tatsache hervor, dass die Krankenkassen den Pflegekassen die räumlichen, personellen und sachlichen Mittel zur Verfügung stellen. Bezüglich der Mitgliedschaft der Versicherten folgt das SGB XI der Konzeption des Krankenversicherungsrechts (vgl. Waltermann, 2005, S. 114). Die Stellung der privaten Krankenversicherung als Träger eines Sicherungssystems, das für einen großen Bevölkerungsanteil den Schutz in der gesetzlichen Krankenversicherung ersetzt, wurde durch die Übertragung der Pflegepflichtversicherung für die Privatversicherten bestätigt und gestärkt. Die private Krankenversicherung wurde durch das Pflegeversicherungsgesetz verpflichtet, einen identischen Versicherungsschutz wie die soziale Pflegeversicherung zu gewährleisten. Darin eingeschlossen wurde auch die Versorgung der bei Inkrafttreten des Gesetzes bereits Pflegebedürftigen. Der Gesetzgeber seinerseits hat die Verpflichtung übernommen auf Dauer stabile Rahmenbedingungen zu gewährleisten. Hierzu zählt insbesondere die Versicherungspflichtgrenze in ihrer bisherigen Form, die es der privaten Krankenversicherung ermöglicht, ständig neue Versicherte zu gewinnen. Eine Einschränkung oder gar ein Verhindern des Neuzugangs würde letztendlich dazu führen, dass auf weite Sicht nicht mehr genug Beitragszahler vorhanden wären, um die zwar im geringeren Umfang enthaltenen Umlageanteile, die auch im Beitrag der privaten Pflegepflichtversicherung enthalten sind, zu finanzieren (vgl. Besche, 2003, S. 9 – 10; Bäcker, 2000, S. 96 - 97).

5 Allgemeine Rahmenbedingungen der GPV

In diesem Abschnitt wird zunächst der versicherungspflichtige Personenkreis genannt, daran anschließend wird auf die Finanzierung und das Leistungsspektrum der gesetzlichen Pflegeversicherung eingegangen. Bezug nehmend auf die Leistungserbringer in diesem Bereich, werden abschließend die kontinuierlich steigenden Konkurrenzbeziehungen zwischen frei gemeinnützigen, gewerblichen und öffentlichen Anbietern dargestellt.

5.1 Versicherungspflichtiger Personenkreis

In den Schutz der Pflegeversicherung sind zunächst gemäß § 1 Abs.2 S.1 SGB XI kraft Gesetztes alle einbezogen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind. Hierzu zählen sowohl die in der gesetzlichen Krankenversicherung Pflichtversicherten nach § 20 Abs.1 S.2 Nr. 1-11 SGB XI, als auch die in der gesetzlichen Krankenversicherung frei versicherten laut § 20 Abs.3 SGB XI. Die freiwillig Krankenversicherten können auf Antrag von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Pflegeversicherung befreit werden, wenn sie nachweisen, dass sie bei einem privaten Versicherungsunternehmen nach Maßgabe des § 22 Abs.1 SGB XI gegen Pflegebedürftigkeit versichert sind. Im Ergebnis gibt es also grundsätzlich keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen, öffentlich rechtlichen Pflegeversicherung, ohne gleichzeitigen Schutz in der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Versicherungsschutz umfasst gemäß § 25 SGB XI auch die Familienmitglieder. Wer in einer privaten Krankenversicherung versichert ist, ist nicht kraft Gesetztes in die gesetzliche Pflegeversicherung einbezogen, wie bereits oben schon erwähnt, er muss jedoch laut § 1 Abs.2 S.2 und § 23 SGB XI eine private Pflegeversicherung abschließen. In § 110 SGB XI sind zwingende Bestimmungen über die Ausgestaltung der Privatversicherungsverträge festgeschrieben (vgl. Besche, 2003, S. 10 – 11).

5.2 Finanzierung der Pflegeversicherung

Die Finanzierung der Pflegeversicherung ist genauso nach dem Umlageverfahren organisiert wie die gesetzliche Krankenversicherung. Arbeitnehmer und Arbeitgeber[1] zahlen je die Hälfte des Beitrages. Allerdings gilt bei der Pflegeversicherung, anders als bei der gesetzlichen Krankenversicherung, ein gesetzlich festgelegter Beitragssatz, und ist damit der Selbstverwaltung der Sozialversicherung entzogen. Er wird mit den übrigen Sozialabgaben automatisch bei der Lohn- oder Gehaltsabrechnung einbehalten. Für versicherte Familienangehörige werden keine Beiträge erhoben. Der aktuelle Beitragssatz zur Pflegeversicherung liegt bei 1,7 Prozent vom Lohn bzw. Gehalt. Arbeitgeber und Arbeitnehmer übernehmen jeweils einen Anteil von 0,85 Prozent. Seit dem 01. Januar 2005 wird gemäß §§ 55 Abs.3, 58 Abs. 1 S.3 SGB XI ein Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Prozent für Kinderlose, die das 23. Lebensjahr vollendet haben, erhoben. Diesen Beitrag zahlen die Versicherten allein.

Da im Bundesland Sachsen nicht wie im übrigen Bundesgebiet zur Finanzierung der Pflegeversicherung ein Feiertag abgeschafft wurde, zahlen die Arbeitnehmer hier einen höheren Anteil vom Einkommen 1,35 Prozent. Die Arbeitgeber übernehmen nur 0,35 Prozent. Wie bei der Krankenversicherung gibt es auch bei der Pflegeversicherung ein Limit für die Beitragsbemessung, diese liegt 3.450 Euro. Arbeitnehmer mit einem Monatsgehalt unter der Versicherungspflichtgrenze von 3.825 Euro werden in der Pflegeversicherung pflichtversichert. Arbeitnehmer mit einem höheren Monatsgehalt sind freiwillig versichert. Rentner zahlen wie die Arbeitnehmer die Hälfte ihres Beitrages selbst, die andere Hälfte übernimmt zurzeit noch der Rentenversicherungsträger. Berechnungsgrundlage für den Beitrag ist die gesetzliche Rente sowie weitere Einkünfte bis zur Beitragsbemessungsgrenze. Auch Studenten sind in der gesetzlichen Pflegeversicherung pflichtversichert. Der Beitrag beträgt seit dem 1. Januar 2002 monatlich 7,92 Euro. Er wird, wie der Krankenversicherungsbeitrag, durch die Pflegekassen in Rechnung gestellt. Die Bundesanstalt für Arbeit übernimmt die Beitragszahlung für Arbeitslose, wenn sie beim Arbeitsamt registriert sind (vgl. Besche, 2003, S. 39 – 40).

5.3 Leistungen der GPV

Grundsätzlich hat die Pflegeversicherung die Aufgabe, Pflegebedürftigen Hilfe zu leisten, die wegen der Schwere der Pflegebedürftigkeit auf solidarische Unterstützung angewiesen sind laut § 1 Abs.4 SGB XI. Die Leistungen der Pflegeversicherung sollen dabei gemäß § 2 Abs.1 S.1 SGB XI den Pflegebedürftigen helfen, ein möglichst selbständiges und selbst bestimmtes Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht. Laut § 2 Abs.2 SGB XI können die Pflegebedürftigen zwischen Einrichtungen und Diensten verschiedener Träger wählen. Hierbei soll ihren Wünschen zur Gestaltung der Hilfe, soweit sie angemessen sind, im Rahmen des Leistungsrechts entsprochen werden (vgl. Waltermann, 2005 S. 116). Bevor in dieser Arbeit auf die verschiedenen Leistungsarten näher eingegangen wird, ist es zwingend erforderlich den Begriff „Pflegebedürftigkeit“ näher zu definieren und die damit in Zusammenhang stehenden Pflegestufen zu erläutern. Pflegebedürftig im Sinne des Gesetzes sind Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen. Aus diesem Kontext kann als zentrales Kriterium für die Feststellung der Pflegebedürftigkeit, die Hilfebedürftigkeit einer Person abgeleitet werden. Diese Hilfebedürftigkeit muss, wie bereits erwähnt, aufgrund einer Krankheit oder Behinderung bestehen. Krankheit oder Behinderung im Sinne des Gesetzes sind Verluste, Lähmungen oder andere Funktionsstörungen am Stütz- oder Bewegungsapparat, Funktionsstörungen der inneren Organe oder Sinnesorgane, sowie Störungen des zentralen Nervensystems. Im Bezug auf die gewöhnlichen und wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, bei denen das Gesetz Hilfebedarf erkennt, werden den Bereichen Körperpflege, Ernährung, Mobilität und hauswirtschaftliche Versorgung zugeordnet. Die Hilfe besteht in der teilweisen oder vollständigen Übernahme der Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens, die der kranke oder behinderte Mensch nicht oder nicht vollständig ausüben kann. Die Hilfe kann auch darin bestehen, das Pflegebedürftige beaufsichtigt oder angeleitet werden um sie an eine eigenständige Übernahme der Verrichtungen heran zu führen (vgl. § 14 SGB XI).

Die Leistungsgewährung wird von dem im jeweiligen Einzelfall bestehenden konkreten Hilfebedarf und dem Zeitaufwand abhängig gemacht den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Person für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt. Dazu wird der Pflegebedürftige einer von drei Pflegestufen zugeordnet, die im § 15 SGB XI definiert sind. Die Pflegestufe I beinhaltet eine erhebliche Pflegebedürftigkeit. Hierunter fallen Personen, die bei der Körperpflege, bei der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Die Pflegestufe II setzt eine Schwerpflegebedürftigkeit voraus. Gemeint sind Hilfen, die dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten in den bereits genannten Bereichen und zusätzlich mehrfach in der Woche bei hauswirtschaftlichen Verrichtungen nötig sind. Die Pflegestufe III beinhaltet eine Schwerstpflegebedürftigkeit. Erforderlich wird sie bei Personen die bei der Körperpflege, der Ernährung oder Mobilität täglich rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. In Bezug auf die einzelnen Pflegestufen gibt es zeitliche Vorgaben die zur Einstufung ebenfalls berücksichtigt werden müssen. Bei Personen der Pflegestufe I beträgt der Hilfebedarf durchschnittlich pro Tag mindestens 90 Minuten, wobei ein rein pflegerischer Aufwand von mindestens 45 Minuten durchgeführt werden muss. Der Hilfebedarf in der Pflegestufe II steigert sich auf durchschnittlich drei Stunden pro Tag, wobei die somatische Pflege mindestens zwei Stunden betragen muss. Die Pflegestufe III enthält den größten Zeitaufwand. Der Hilfebedarf beträgt hier mindestens fünf Stunden, wobei ein Mindestaufwand von vier Stunden für die reine Pflege enthalten sein muss. Ob die Voraussetzungen der Pflegebedürftigkeit erfüllt sind und welche Stufe der Pflegebedürftigkeit vorliegt, prüft die Pflegekasse durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen laut § 18 Abs.1 S.1 SGB XI. Der MDK hat im Rahmen seiner Prüfung auch darzustellen, ob und inwieweit präventive und rehabilitative Maßnahmen in Frage kommen. Das Ergebnis seiner Prüfung teilt der MDK der Pflegekasse mit, er erstellt darüber hinaus einen individuellen Pflegeplan, der namentlich Aussagen über den konkreten Hilfebedarf und über geeignete Hilfsmaßnahmen enthalten soll. Die verbindliche Verwaltungsentscheidung trifft rechtlich gesehen die Pflegekasse. Bei pflegebedürftigen Kindern ist die Zuordnung in eine Pflegestufe von dem zusätzlichen Hilfebedarf gegenüber einem gesunden gleichaltrigen Kind maßgebend. Im Bereich der vollstationären Pflege gelten prinzipiell ebenfalls die im Vorfeld genannten Grundsätze, obwohl die Pflege regelmäßig nicht durch Laien, sondern ausgebildetes Personal erfolgt. Bei der Begutachtung in Pflegeheimen wird eine häusliche Pflegesituation unterstellt. Der in Heimen ggf. anfallende, und jedenfalls bis Ende 2004 mit dem Heimentgelt nach SGB XI abgegoltene Aufwand für Behandlungspflege und soziale Betreuung findet daher bei der Ermittlung des Zeitaufwandes keine Berücksichtigung (vgl. Besche, 2003, S. 22 – 26).

[...]


[1] Zur besseren Lesbarkeit wird die männliche Form verwandt, es sind aber immer beide Geschlechter gemeint

Fin de l'extrait de 39 pages

Résumé des informations

Titre
Entwicklung und Zukunft der Pflegeversicherung
Université
Deutsches Rotes Kreuz University Göttingen
Note
1,3
Auteurs
Année
2006
Pages
39
N° de catalogue
V59359
ISBN (ebook)
9783638533201
ISBN (Livre)
9783638724845
Taille d'un fichier
702 KB
Langue
allemand
Mots clés
Entwicklung, Zukunft, Pflegeversicherung
Citation du texte
B.A. Petra Warneke (Auteur)Sabrina Dohl (Auteur), 2006, Entwicklung und Zukunft der Pflegeversicherung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59359

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