Eine gesunde Entwicklung des Kindes braucht elterliche Erziehungskompetenz. Wenn ein Elternteil psychisch erkrankt ist, kann dies negative Folgen auf das Erziehungsverhalten und die Entwicklung des Kindes haben. In solchen und anderen Fällen unterstützt die Sozialpädagogische Familienhilfe Eltern mit erzieherischem Bedarf.
Aber ab wann liegen Einschränkungen in der Erziehungskompetenz vor und wie äußern sich diese? Wie wirken sie sich auf die Entwicklung des Kindes aus? Welche Möglichkeiten stehen der Familienhilfe zur Verfügung, die Erziehungskompetenz eines psychisch erkrankten Elternteils zu stärken?
Irina Ogrodowski widmet sich diesen Fragen und stellt in ihrer Publikation die Rolle der Sozialpädagogischen Familienhilfe bei der Unterstützung psychisch erkrankter Eltern dar. Sie verweist auf den Einfluss psychischer Erkrankungen auf die Erziehungskompetenz und das Kind. Zudem zeigt sie auf, weshalb die Sozialpädagogische Familienhilfe besonders geeignet ist, die betroffenen Eltern zu unterstützen.
Aus dem Inhalt:
- Erziehungskompetenz
- Kindeswohl
- Sozialpädagogische Familienhilfe
- Ressourcenarbeit
- Eltern
- Psychische Erkrankungen
Gliederung
Zusammenfassung
1 Einleitung
2 Erziehungskompetenz
2.1 Beziehungsfähigkeit
2.2 Kommunikationsfähigkeit
2.3 Fähigkeit zur Grenzsetzung
2.4 Förderfähigkeit
2.5 Vorbildfähigkeit
2.6 Fähigkeit zum Alltagsmanagement
3 Einfluss psychischer Erkrankung auf die Erziehungskompetenz
3.1 Beziehungsfähigkeit
3.2 Kommunikationsfähigkeit
3.3 Fähigkeit zur Grenzsetzung
3.4 Förderfähigkeit
3.5 Vorbildfähigkeit
3.6 Fähigkeit zum Alltagsmanagement
4 Folgen eingeschränkter Erziehungskompetenz
5 SPFH – eine Maßnahme zur Stärkung der Erziehungskompetenz psychisch erkrankter Eltern
5.1 Rahmenbedingungen der Sozialpädagogischen Familienhilfe
5.2 Gestaltung des Hilfeprozesses
5.3 Ressourcenarbeit mit psychisch erkrankten Eltern
5.4 Grenzen der SPFH bei der Unterstützung psychisch erkrankter Eltern
6 Fazit
Literaturverzeichnis
Zusammenfassung
Aufgrund eines hohen Anspruchs an die Eltern bzgl. ihrer Erziehungsaufgabe und des damit verbundenen Ziels, eine gesunde Entwicklung der Kinder zu gewährleisten, ist zu deren Bewältigung elterliche Erziehungskompetenz erforderlich. Diese umfasst Fähigkeiten, die den Erziehenden einen flexiblen Umgang mit kindlichen Bedürfnissen ermöglichen. Beim Vorliegen einer psychischen Erkrankung eines bzw. beider Elternteile kann diese jedoch eingeschränkt sein und ein inadäquates Erziehungsverhalten zu Folge haben. Fehlentwicklung der Kinder sowie problematische familiäre Beziehungen sind mögliche Folgen, die besonders dann das Zusammenleben der Kinder mit ihren Eltern in Frage stellen, wenn das Kindeswohl auf Dauer nicht gewährleistet ist. Um die Bedingungen des Aufwachsens für die betroffenen Kinder in ihren Familien zu verbessern, nimmt die Jugendhilfe ihren Schutzauftrag wahr und hält für die Familien unterschiedliche Angebote bereit, zu denen auch die Sozialpädagogische Familienhilfe zählt, die zur Unterstützung der Eltern mit erzieherischem Bedarf eingeleitet wird. Diese gilt als eine geeignete Maßnahme, deren unterstützende Leistung in der Regel allen Familienmitgliedern zusteht und zum Zweck der Familienerhaltung auf die Stärkung elterlicher Erziehungskompetenz zielt.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist, einerseits zu untersuchen, welche Einschränkungen der Erziehungskompetenz infolge einer psychischen Erkrankung eines bzw. beider Elternteile vorliegen und wie sich diese auf die kindliche Entwicklung auswirken können. Andererseits soll aufgezeigt werden, mithilfe welcher Arbeitsweisen und -prinzipien eine wirksame Stärkung der Erziehungskompetenz psychisch erkrankter Eltern erfolgt.
Schlüsselworte
Erziehungskompetenz, Eltern, psychische Erkrankungen, Entwicklung, Kindeswohlgefährdung, Sozialpädagogische Familienhilfe, Ressourcenarbeit
1 Einleitung
Elternschaft verändert das Leben eines Menschen, denn mit ihrem Beginn prägen neue Aufgaben und Herausforderungen den Familienalltag. Bereits in der Schwangerschaft stellen sich Eltern auf neue Lebensumstände ein. Um eine gesunde Entwicklung des Ungeborenen zu gewährleisten, verzichten viele Schwangere auf Konsum von Alkohol und schädlichen Medikamenten, achten auf gesunde Ernährung und versuchen Stress zu vermeiden. Nach der Geburt beschäftigen sich viele Eltern mit den Erziehungsfragen um das Kind in seiner Entwicklung angemessen begleiten zu können. Aufgrund Verschiedenartigkeit von Einstellungen sowie Voraussetzungen der Eltern hinsichtlich ihres erzieherischen Handelns unterscheiden sich entsprechend die Strategien, mit denen sie versuchen den Erziehungsalltag zu bewältigen. Nicht selten kommt es dabei vor, dass Eltern an ihre Grenzen stoßen und ihre Erziehungsaufgabe nicht mehr bewältigen können. Der Grund für das defizitäre Erziehungshandeln wird häufig mit dem Mangel an Erziehungskompetenz begründet. Kommt es deshalb zur Gefährdung einer gesunden kindlichen Entwicklung, hat es einen Eingriff der Jugendhilfe in das Familiensystem zum Zweck des Kinderschutzes zufolge. Eine psychische Erkrankung eines bzw. beider Elternteile gilt oft als Ursache für die Kindeswohlgefährdung und die zum Teil schwerwiegenden Erziehungsprobleme, deren Bearbeitung ins Aufgabengebiet der Sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH) fällt. Ziel der Maßnahme ist dabei, elterliche Erziehungskompetenz zu stärken und somit eine angemessene Kindesentwicklung zu gewährleisten.
In der Bachelorarbeit wird zum einen unter Einbezug des vorhandenen Forschungsmaterials untersucht, wie sich eine psychische Erkrankung auf die Erziehungskompetenz sowie kindliche Entwicklung auswirken, aber auch welche Folgen durch deren Einschränkung entstehen können. Zum anderen soll aufgezeigt werden, weshalb Sozialpädagogische Familienhilfe als geeignete Unterstützung für die Zielgruppe psychisch erkrankter Eltern gilt und durch welche Maßnahmen die sozialpädagogischen FamilienhelferInnen die Erziehungskompetenz der Zielgruppe stärken.
Als erstes wird im zweiten Kapitel die Erziehungskompetenz nach Petermann & Petermann dargestellt. Diese besteht aus sechs folgenden Komponenten: Beziehungs-, Kommunikations-, Förder- und Vorbildfähigkeit sowie Fähigkeit zur Grenzsetzung und zum Alltagsmanagement. Anhand der den Fähigkeiten zugeordneten Merkmale gilt es sowohl kompetentes Erziehungshandeln zu beschreiben als auch deren Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung aufzuzeigen, die letztendlich das Erreichen von Entwicklungszielen erleichtern.
Anschließend geht es im dritten Kapitel um die Frage nach dem Einfluss psychischer Erkrankungen der Eltern auf die im vorhergehenden Kapitel beschriebenen Fähigkeiten. Es werden dabei die meist untersuchten elterlichen Erkrankungen benannt und das damit verbundene dysfunktionale Verhalten der Eltern im Umgang mit ihren Kindern erläutert. Die Veranschaulichung des Unterschieds zwischen dem Entwicklungsfortschritte begünstigenden Erziehungsverhalten und dem, das aufgrund der Psychopathologie der Eltern eine gesunde Entwicklung hemmt, dient zum Verständnis für die Problemlage der betroffenen Familien.
Im vierten Kapitel werden die möglichen schwerwiegenden Folgen der eingeschränkten Erziehungskompetenz psychisch erkrankter Eltern verdeutlicht sowie auf die Notwendigkeit von Hilfemaßnahmen hingewiesen. Aufgrund einer stark belasteten Eltern-Kind-Beziehung sowie der ungünstigen Entwicklungschancen der in den Familien mit psychisch erkrankten Eltern lebenden Kinder ergibt sich für die Kinder- und Jugendhilfe ein Handlungsbedarf.
Schließlich erfolgt im fünften Kapitel die Vorstellung der Maßnahme SPFH, die im Auftrag des Jugendamtes eingeleitet wird. Diese findet auf der Gesetzesgrundlage statt und ist für eine bestimmte Zielgruppe – zu der auch psychisch erkrankte Eltern zählen – vorgesehen, die für den Erhalt der Hilfe Voraussetzungen zu erfüllen hat. Die Maßnahme durchläuft drei Phasen, in denen die FamilienhelferInnen durch den Einsatz verschiedener Methoden sowie die Haltung an den für die Profession der Sozialen Arbeit geltenden Arbeitsprinzipien die Familien beim Bewältigen von Problemlagen begleiten und unterstützen. Es wird aufgezeigt, welche Art der Unterstützung psychisch erkrankte Eltern durch die SPFH erfahren und weshalb diese für sie geeignet und notwendig ist, aber auch welche besonderen Umstände die Fachkräfte in der Zusammenarbeit mit der Zielgruppe zu beachten haben.
2 Erziehungskompetenz
„Kindern geht es gut, wenn Eltern ihr Elternwohl verwirklichen“ (Kron-Klees 2008: 37)
Erziehung gilt als eine der elterlichen Aufgaben, die mit einem hohen Anspruch verbunden ist. (vgl. Bodenmann 2016: 130; Fuhrer 2009: 217) Diese schließt die Maßnahmen ein, mit denen erwachsene Personen versuchen auf die Kinder Einfluss zu nehmen um bei ihnen wünschenswerte Entwicklungseffekte zu erzielen. Das Zustandekommen von Entwicklungseffekten wird durch die Regelmäßigkeit sowie Dauerhaftigkeit proximaler Prozesse bestimmt, die wechselseitiges Interagieren zum Beispiel zwischen Eltern und Kindern darstellen. (vgl. Schneewind 2010: 133ff.) Als erstrebenswertes Ergebnis dieser Interaktionen gilt nach soziokulturellen Ansätzen der Erwerb von in der jeweiligen Kultur geschätzten Wissen und Können (vgl. Siegler et al. 2016: 140). Außerdem halten es viele Eltern für wichtig, dass ihre Kinder lernen, sozial kompetent und selbständig zu handeln. (vgl. Fuhrer 2009: 161) Somit entsprechen die elterlichen Erziehungsziele denen im § 1 KJHG genannten universellen Entwicklungszielen, deren Erreichung die Heranwachsenden zur eigenverantwortlichen Lebensführung in einer Gemeinschaft befähigen soll. (vgl. Wissenschaftliche Beirat für Familienfragen 2005: 46f.)
Kinder entwickeln sich positiv bzw. sind aus eigenem Antrieb zur aktiven Auseinandersetzung mit der sozialen Umwelt motiviert, wenn die Basisbedürfnisse nach einem autonomen und kompetenten Handeln sowie Eingebundenheit in verlässliche soziale Beziehungen befriedigt sind. (vgl. Wissenschaftliche Beirat für Familienfragen 2005: 48f. / Weber 2017: 69) Dabei müssen Eltern über Erziehungskompetenz verfügen, das heißt, in der Lage sein, die Umwelt des Kindes an seine altersgemäßen Bedürfnisse optimal anzupassen (vgl. Lenz / Wiegand-Grefe 2017: 13). Denn die mit der Erziehungskompetenz verbundenen Fähigkeiten ermöglichen den Erziehungspersonen, sich auf die im Entwicklungsverlauf verändernden Bedürfnisse der Kinder immer wieder neu einzustellen und sie somit in ihrer Entwicklung angemessen zu begleiten. Nach Petermann & Petermann beziehen sich diese Fähigkeiten auf die Gestaltung der das Kind betreffenden Beziehung, Kommunikation, Grenzen, Förderung, aber auch der elterlichen Vorbildfunktion sowie des Familienalltags. (vgl. Lenz 2014: 300ff.) In den nachfolgenden Unterkapiteln werden anhand der ihnen zugeordneten Merkmalen elterliches Verhalten sowie seine Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung beschrieben.
2.1 Beziehungsfähigkeit
Eltern-Kind-Beziehung weist aufgrund eines Generationsvorsprungs der Eltern und der damit verbundenen Lebenserfahrung eine Asymmetrie auf, die für das Kind in seinem Entwicklungsverlauf auf vielfältige Weise hilfreich sein kann, wenn die Erwachsenen diese sinnvoll nutzen. (vgl. Fuhrer 2009: 161) Eine angemessene Mutter-Kind-Beziehung dient als Grundlage für eine gelingende Regulation der Bedürfnisse zwischen beiden Parteien sowie unter anderem des kindlichen Bedürfnisses nach der altersabhängigen Autonomie. (vgl. Bodenmann 2016: 85) Außerdem wird die emotionale Entwicklung der Kinder durch die Qualität der Beziehung zu ihren Eltern beeinflusst. (vgl. Siegler et al. 2016: 376) Der Beziehungsfähigkeit werden folgende Merkmale zugeordnet: Fähigkeit zur Empathie und Perspektivenübernahme, Zeigen von positiven Gefühlen, Ausdruck von Zuneigung und Liebe, Vermittlung von Schutz und Geborgenheit, Fürsorglichkeit und Zuverlässigkeit. (vgl. Lenz 2014: 300)
Empathie in sozialen Beziehungen ist ein Prozess, in dem es einer Person gelingt, die Gefühle der Anderen wahrzunehmen und diese ihrem aktuellen Gefühlszustand entsprechend zu beschreiben. Dazu gehört ebenso Verständnis für die Hintergründe des Gefühlsausbruchs sowie Möglichkeiten der Veränderung der Befindlichkeit. Das Mitfühlen wird vor allem durch Ausblenden normativer und wertender Aspekte ermöglicht, wobei die Abgrenzung des eigenen Gefühlserlebens von dem des Gegenübers erfolgt. Empathische Personen können außerdem bedrohliche Gefühle erkennen und aus Rücksichtnahme deren Ansprache unterlassen. (vgl. Riedel 2008: 13) Demzufolge werden empathische Eltern, wenn ihr Kind traurig ist, sein Gefühl richtig deuten sowie versuchen die Ursache für dieses zu verstehen. Ihre Mimik entspricht dabei dem kindlichen Gefühlszustand, den sie akzeptieren und benennen. Das Kind erhält Trost, indem es beispielsweise umarmt wird, da die Eltern wissen, dass eine Umarmung beruhigend wirken kann.
Perspektivenübernahme gilt als ein Teilaspekt der Empathie, der einen Vorgang beschreibt, in dem das Spiegeln von Gefühlen vernachlässigt wird und ausschließlich die weitgehende Erfassung der Sichtweise, des Erfahrungswissens sowie des Gefühlszustandes eines Menschen erfolgt. (vgl. Riedel 2008: 38f.) Das heißt, Perspektivenübernahme ermöglicht den Eltern festzustellen, dass die Kleinkinder im Straßenverkehr auf die Begleitung durch Erwachsene angewiesen sind, da sie aufgrund ihres Alters die Gefahrensituationen noch nicht erkennen können.
Zeigen von positiven Gefühlen von Seiten der Eltern führt meist zu einem wechselseitigen Austausch dieser zwischen der Mutter bzw. dem Vater und dem Kind, durch den die Eltern-Kind-Beziehung gestärkt wird. Denn bereits Säuglinge im Alter von sieben Monaten reagieren auf die von den Eltern gezeigte Freude meist vergnügt und fördern somit elterliches Fürsorgeverhalten sowie Interesse an den gemeinsamen Interaktionen. (vgl. Siegler et al. 2016: 358) Außerdem wirkt sich der Ausdruck überwiegend positiver Gefühle in der Familie günstig auf kindliche soziale Kompetenzen aus. (vgl. Siegler et al. 2016: 376)
Elterliche Liebe äußert sich in bedingungsloser Annahme des Kindes sowie vor allem in den ersten Lebensjahren mittels Befriedigung aller seiner Bedürfnisse bei minimaler Anforderungen. Eltern zeigen Interesse für kindliche Lebenswelt und drücken ihre Gefühle, die das Kind in ihnen auslöst, durch Körperkontakt, Mimik und Sprache offen aus, jedoch nur dann wenn die Zuwendung auch vom Kind erwünscht und akzeptiert wird. (vgl.Tschöpe-Scheffler 2009: 67f.; Wolf 2012: 20) Ein Kind, das elterliche Zuneigung erlebt, das heißt, in den Arm genommen wird sowie von den Eltern hört, dass diese es lieb haben, bemüht sich seinerseits auf deren Anforderungen zu achten, indem es beispielsweise versucht unerwünschtes Verhalten zu unterlassen. (vgl. Weber 2017: 66) Außerdem wirkt sich das durch die Eltern vermittelte Gefühl liebenswert zu sein positiv auf den Selbstwert der Kinder aus, da sie auf die Weise ein positives Selbstbild verinnerlichen. (vgl. Siegler et al. 2016: 426)
Weiterhin vermitteln Eltern dem Kind durch den Ausdruck von Zuneigung Geborgenheit und Schutz sowie ihre Nähe und Verlässlichkeit . (vgl. Fuhrer 2009: 193f.) Besonders bei Belastung lässt der Erregungszustand nach, wenn sich die Kinder geschützt fühlen. (vgl. Ziegenhain / Deneke 2014: 15) Aufgrund der empfundenen Sicherheit sind die Kinder motiviert, eigenständig die Welt zu erforschen. (vgl. Schneewind 2010: 121)
Zuverlässig und fürsorglich sind feinfühlige bzw. sensitive Eltern, die einen Vertrauen fördernden Umgang mit ihrem Kind pflegen, bei dem kindliche Signale rechtzeitig wahrgenommen, aber auch ihnen zugrunde liegende Bedürfnisse erkannt und angemessen befriedigt werden. (vgl. Lohaus / Vierhaus 2013: 97) Besonders ein Säugling wird deshalb andauernd beaufsichtigt, damit auf seine Bedürfnisäußerung prompte Reaktion erfolgen kann, die ihm einerseits ermöglicht, das eigene Empfinden bzw. Verhalten mit dieser zu verbinden und auf die Weise eigene Selbstwirksamkeit zu erfahren. (vgl. Lenz 2014: 192; Bodenmann 2016: 121f.) Andererseits kann somit sein durch Unwohlsein verursachtes Angstempfinden beendet werden. Vertrauen an die Fürsorglichkeit der Eltern trägt zur Ausbildung einer sicheren Bindung bei, die eine wichtige Ressource für kindliche Entwicklung im emotionalen sowie psychosozialen Bereich darstellt. (Plattner 2017: 21f.) Später bezieht sich elterliche Fürsorge auf die Informiertheit über die sozialen Kontakte, das Schulleben und die Freizeit betreffenden Aktivitäten sowie die Aufenthaltsorte ihrer Kinder, um die Qualität der kindlichen Sozialbeziehungen sichern zu können. (vgl. Fuhrer 2009: 232; Schneewind 2010: 193; Weber 2017: 53)
2.2 Kommunikationsfähigkeit
Kommunikation bzw. Informationsaustausch ist wichtig um persönliche Beziehungen entwickeln und erhalten zu können, denn dadurch wird Zugehörigkeit erlebt. (vgl. Schneewind 2010: 29) Verwendung von offenen Kommunikationsmustern sowie Zeigen von Gefühlen in sozialen Interaktionen gelingt den sicher gebundenen Kindern und Erwachsenen am besten (vgl. Gloger-Tippelt 2007: 162). Das wechselseitige Verstehen in der Kommunikation und die damit verbundene Bezogenheit der Kommunikationspartner auf dieselben Inhalte sowie gegenseitiges Reagieren auf Äußerungen bildet die Basis für wirksames Lehren und Lernen. (vgl. Siegler et al. 2016: 142) Kommunikationsfähig sind Eltern, die ihren Kindern zuhören, mit ihnen reden und erzählen, sie beobachten und angemessen auffordern sowie angemessen verbal und nonverbal reagieren. (vgl. Lenz 2014: 300)
Durch aufmerksames Zuhören wird eine offene und unterstützende Gesprächsgrundlage geschaffen und der Erzähler fühlt sich wertgeschätzt. Der Zuhörer kann passiv jedoch konzentriert an dem Gespräch teilnehmen, sodass überwiegend einseitiges Erzählen des Gegenübers erfolgt. Eine andere Art des Zuhörens wird als aktiv bezeichnet, wobei der Zuhörende meist das Erzählte in eignen Worten wiedergibt, um somit Entstehung von Missverständnissen zu vermeiden und anschließend seine Meinung zu diesem äußert. Aktiv zuhörende Eltern bieten auf die Weise Unterstützung bei der Problemidentifikation sowie -lösung, da es dem Kind ermöglicht, die eigene Gefühlslage zu erkennen und Gedanken zu formulieren. (vgl. Wustmann 2015: 137f.)
Miteinander Reden trägt zum gelingenden Familienleben bei und fördert Eigenständigkeit der Kinder, da sie sich in den Konfliktsituationen bei der Suche nach Kompromissen beteiligen, anstatt den elterlichen Befehlen gehorsam zu folgen. Eltern lassen sich auf Verhandlungen ein, in denen sie ihre Entscheidungen begründen und somit vor allem den älteren Kindern das Gefühl vermitteln ernst genommen zu werden. (vgl. Fuhrer 2009: 160f.) Weiterhin können Kinder den Schulalltag erfolgreicher bewältigen, wenn Eltern mit ihnen über ihre schulischen Erfahrungen reden. Das Besprechen von Lerninhalten sowie Erklärung deren Relevanz für die Alltagspraxis kann das kindliche Interesse für diese steigern. (vgl. Fuhrer 2009: 274)
Eltern, die ihren Kindern bereits in der frühen Kindheit häufig Geschichten bzw. von vergangenen Ereignissen erzählen, aber auch deren Erzählungen aufmerksam zuhören, verbessern ihre Gedächtnisleistung im Vorschulalter und erleichtern ihnen später den Erwerb der Lesefähigkeit. (vgl. Siegler et al. 2016: 637; Lohaus / Vierhaus 2013: 90) Wichtig sind weiterhin Gespräche über Auslöser und Folgen von Emotionen, durch die Kinder lernen, Gefühle anderer zu erkennen und nachzuempfinden, was zur Entwicklung ihrer Kooperationsfähigkeit in sozialen Beziehungen beiträgt. (vgl. Lohaus /Vierhaus 2013: 150)
Beobachten geht einer beginnenden Kommunikation voraus, die an wahrgenommene Signale wie Mimik, Gestik sowie sprachliche Äußerungen (vgl. Rupprecht 2014: 349f.) anknüpft. Genaues Beschreiben des beobachteten kindlichen Verhaltens statt dessen Bewertung kann den Eltern die Kontaktaufnahme mit dem Kind erleichtern, um die sein Verhalten auslösenden Gefühle und Gedanken zu erkunden. (vgl. Friedrich 2012: 53) Von großer Bedeutung ist dabei ebenfalls die Beobachtung eigener Reaktionen auf Mitteilungen der Kinder, die zur Vermeidung der ein offenes Gespräch verhindernden Handlungen dient. (vgl. Fuhrer 2009: 232)
Besonders im Falle eines als negativ bewerteten Verhaltens äußert sich ein angemessenes Auffordern vor allem in Verwendung von Ich-Botschaften, die im Gegensatz zu Du-Botschaften die Abwertung der Person vermeiden und zum Zweck haben, das Kind über die Auswirkungen seines Verhaltens auf die Mitmenschen zu informieren. Diese Vorgehensweise ist ebenfalls der Inhalt eines konstruktiven Kritisierens, bei dem das zu verbessernde Verhalten thematisiert und anschließend alternative Verhaltensweisen vorgeschlagen werden, um zu bewirken, dass das Kind neue Handlungsstrategien erlernt. (vgl. Wustmann 2015: 138)
Angemessenes verbales und nonverbales Reagieren zeigt sich im kongruenten Gesprächsverhalten, indem v. a. die Übereinstimmung der Kombination des Gesprochenen mit der Tonlage, Gestik und Mimik vorhanden ist. (vgl. Wustmann 2015: 137)
Außerdem wird ein vor allem negatives Gefühlserleben der Kinder nicht in Frage gestellt, sondern werden die damit verbundenen Gefühle sowie das diese auslösende Ereignis, aber auch mögliche Strategien zur Emotionsregulation besprochen. (vgl. Ulrich / Petermann 2017: 135)
2.3 Fähigkeit zur Grenzsetzung
Mit der Grenzsetzung wird beabsichtigt, Kinder, denen es an Einsicht mangelt, vor bestimmten Erfahrungen sowie Handlungen sowohl zu ihrem eigenen Schutz als auch zu dem der Anderen fern- bzw. abzuhalten. Das geregelte Zusammenleben trägt zum Wohlbefinden aller Familienmitglieder bei, da es Orientierung und Halt gebend ist, aber auch ein Würde bewahrendes Miteinander ermöglicht. (vgl. Fuhrer 2009: 205) Kompetentes Setzen von Grenzen gelingt Eltern durch Treffen von Absprachen, Formulieren eindeutiger Regeln, Konsequentes Handeln sowie Realisieren von Konsequenzen, aber auch Meiden von positiver sowie negativer Verstärkung eines unangemessenen Verhaltens des Kindes. (vgl. Lenz 2014: 300)
Eltern treffen gemeinsam mit ihren Kindern unter Berücksichtigung ihres Entwicklungsstandes Absprachen, die im Familienalltag von allen Beteiligten umgesetzt werden (vgl. Bodenmann 2016: 271). Infolge ihrer Mitwirkung sowohl beim Aufstellen von Regeln als auch beim Festlegen der mit deren Nichteinhaltung verbundenen Konsequenzen steigt einerseits die Bereitschaft der Kinder, diese zu akzeptieren. (vgl. Tschöpe-Scheffler 2009: 76) Andererseits wird das kindliche Bedürfnis nach Autonomie respektiert und der Eindruck, fremdbestimmt zu sein, verringert und somit zur Entwicklung eines positiven Selbstwertgefühls beigetragen. (vgl. Fuhrer 2009: 207)
Durch Formulierung eindeutiger Regeln teilen Eltern ihren Kindern mit, welches Verhalten sie von ihnen erwarten und schaffen somit die Grundlage für die Regelakzeptanz auch in außerfamiliären sozialen Interaktionen. (vgl. Weber 2017: 54) Dabei ist es zwar wichtig den Kindern Hintergründe der Forderungen zu erläutern, damit sie diese nicht nur verstehen, sondern auch ihr Wissen über die Umweltbedingungen und Sichtweisen anderer erweitern. (vgl. Friedrich 2012: 79f.) Jedoch muss in manchen Fällen das Regelbefolgen auch beim fehlenden Verständnis der Kinder vorausgesetzt werden. (vgl. Fuhrer 2009: 207) Besonders ein geregeltes Medienkonsumverhalten der Kinder verhindert das Konsumieren von nicht altersgerechten Medieninhalten sowie Medienabhängigkeit und somit die negativen Folgen für die kindliche Entwicklung. (vgl. Bodenmann 2016: 149f.)
Konsequent handelnde Eltern bleiben ihren Entscheidungen treu und erleichtern den Kindern diese ernstzunehmen. (vgl. Fuhrer 2009: 207) Im Falle von Missachtung vereinbarter Regeln werden von Seiten der Eltern Konsequenzen realisiert, die den Kindern bekannt bzw. für sie nachvollziehbar sind und in der Regel den Verzicht auf Privilegien bedeuten. (vgl. Weber 2017: 54) Anders formuliert reagieren Eltern mit der Wegnahme einer positiven Konsequenz (Privilegien), die eine Form von Bestrafung darstellt, durch die die Auftretenswahrscheinlichkeit eines Fehlverhaltens verringert wird. (vgl. Lohaus / Vierhaus 2013: 18)
Dagegen steigt diese, wenn nach dem unangemessenen Verhalten eine positive sowie negative Verstärkung erfolgt, die sich im Zurückziehen von Entscheidungen infolge des kindlichen Widerstands äußert und auf das Kind als Belohnung trotz seines Fehlverhaltens wirkt. (ebd.)
2.4 Förderfähigkeit
Förderung kann zum einen die Entwicklung der Sprache, Kognition und Motorik zum Ziel haben, indem Eltern für Lerngelegenheiten sorgen. (vgl. Wild / Hollmann 2018: 101) Anderseits können die Kinder in der sozialen und emotionalen Entwicklung gefördert werden (vgl. Petersen et al. 2017: 147). Qualität der elterlichen Vermittlung des kulturellen Kapitals sowie der von ihnen vertretenen Werte bestimmt unter anderem den Erfolg bzw. Misserfolg der kindlichen Bewältigung der schulischen Anforderungen. (vgl. Müller et al. 2010: 30) Eltern stellen Lernangebote bereit bzw. ermöglichen ihrem Nachwuchs zu erkunden und zu lernen. (vgl. Ziegenhain / Deneke 2014: 16) Durch ihre Fördertätigkeit haben die Kinder bessere Chancen zunehmend eigenständiger zu handeln. (vgl. Fuhrer 2009: 106) Diese ist für die Eltern charakteristisch, die ihre Kinder unterstützen und ermutigen, bekräftigen und positiv verstärken, aber auch in der Lage sind, Anforderungen zu setzen sowie Aufgaben und Verantwortung zu übertragen. (vgl. Lenz 2014: 301)
Unterstützung dient zur Steigerung des aktuellen Kompetenzniveaus des Kindes durch Aufbau von neuem Wissen und neuen Fertigkeiten, indem das Kind bei neuen Aufgaben zunächst angeleitet wird, um diese später eigenständig bewältigen zu können. (vgl. Fuhrer 2009: 81) In Bezug auf die Entwicklung der Sprache wird der Lernprozess einerseits durch die Erläuterung dessen, was die Kinder gerade sehen, unterstützt, um ihnen die Bezeichnung der Objekte zu vermitteln. Andererseits verwenden Eltern eine dem kindlichen Entwicklungsstand angepasste Sprechwiese (Verkürzen, Intonation und häufigeres Wiederholen), die dem Kind ermöglicht, sprachliche Elemente leichter zu identifizieren. (vgl. Lohaus / Vierhaus 2013: 163) Die Fähigkeit der Kleinkinder zusammenhängend über vergangene Ereignisse zu erzählen, kann ebenfalls gefördert werden, indem Eltern sie durch elaborierende Fragen zum Nachdenken über das Geschehen motivieren sowie ihnen helfen die Grundstruktur einer Geschichte zu verstehen. (vgl. Siegler et al. 2016: 223)
Weiterhin unterstützen Eltern ihre Kinder bei der Entwicklung von Sozialkompetenz und zeigen ihnen dabei mögliche Bewältigungsstrategien zur Emotionsregulation auf. (vgl. Bodenmann 2016: 121f.) Beruhigung und Ablenkung durch Eltern hilft vor allem Säuglingen ihre Frustrationen leichter zu bewältigen, besonders wenn Eltern zu ihnen Blickkontakt halten, sie auf den Arm nehmen, zu ihnen beruhigend sprechen oder versuchen ihre Aufmerksamkeit von den Angst auslösenden Reizen umzulenken. So gelingt es den Kindern bereits in den ersten Lebensjahren immer besser, z. B. durch Spielen sich von negativen Gefühlen abzulenken. (vgl. Siegler et al. 2016: 366f.)
Weiterhin helfen Eltern ihren Kindern einerseits, Verhaltensweisen auszubilden wie Beachten des Gruppengeschehens, um sich erfolgreicher den Gleichaltrigengruppen anschließen zu können. Andererseits bewirken sie durch Einüben des Umgangs mit Gefühlen, dass ihr Nachwuchs auf Provokationen eines Gegners gelassener reagiert. (vgl. Siegler et al. 2016: 512)
Durch Ermutigung motivieren Eltern ihre Kinder zur Kooperation bzw. zum eigenständigen Handeln z. B. beim Lösen eines Problem und schaffen somit Raum für positive Lernerfahrungen. (vgl. Schneewind / Böhmert 2008: 71) Wird von den Eltern angestrebt, dass ihre Kinder ein bestimmtes Verhalten zeigen, können sie ihr Ziel durch positive Verstärkung erreichen. Diese erfolgt mithilfe von positiven Verstärkern wie Geschenken, positiven verbalen und nonverbalen Ausdrücken, vom Kind erwünschten Aktivitäten sowie Bestätigung der Zielerreichung. (vgl. Edelmann / Wittmann 2012: 77f.) Positive Reaktionen beantworten das kindliche Bedürfnis nach Anerkennung und tragen dadurch zur Entwicklung eines positiven Selbstbildes bei. (vgl. Wolf 2012: 20) Durch Setzen von Anforderungen wird es den Kindern ermöglicht, ihre Selbständigkeit sowie Interessen zu entfalten. (vgl. Fuhrer 2009: 251) Dabei ist beim Übertragen von Aufgaben und Verantwortung sinnvoll , diese vorher zu erläutern sowie Bewältigungsstrategien für deren anspruchsvollen Anteile, aber auch Vorschläge für die weiteren Abläufe anzubieten. (Siegler et al. 2016: 630) Außerdem geht es in dem Fall um Vermeidung unnötiger Hilfe, um dem Kind Möglichkeit zum Erproben seiner bereits erworbenen Fähigkeiten und somit zur Entwicklung von Autonomie zu geben. (vgl. Fuhrer 2009: 84)
2.5 Vorbildfähigkeit
Bereits im Alter von 18 Monaten können die Kleinkinder das Verhalten anderer Menschen nachahmen. (vgl. Siegler et al. 2016: 124) Laut sozialen Lerntheorien gilt die Imitation der beobachteten Verhaltensweisen als schnellste und wirksamste Lernmethode, wobei die Beobachtung des innerfamiliären Umgangs miteinander am einflussreichsten ist. (vgl. Siegler et al. 2016: 324; Bodenmann 2016: 89) Deshalb besteht für die Kinder eine Möglichkeit zum Erlernen eines sozial angemessenen Verhaltens am elterlichen Modell, das für das kindliche Verständnis in Hinblick auf angemessene und effektive Formen des Emotionsausdrucks in sozialen Beziehungen prägend ist. (vgl. Lohaus / Vierhaus 2013: 199; Siegler et al. 2016: 366) Dafür müssen Eltern in der Lage sein, Selbstdisziplin sowie Selbstkontrolle besonders bei negativen Emotionen, aber auch Impulskontrolle zu zeigen und eigenes Handeln zu reflektieren. (vgl. Lenz 2014: 301)
Zeigen von Selbstdisziplin bedeutet, dass zum Erreichen der geplanten Ziele immer wieder die dafür notwendigen Handlungen ausgeführt werden, wobei gleichzeitig auf Befriedigung von Bedürfnissen, die die Zielerreichung verhindern, verzichtet wird. (vgl. Baumeister / Tierney 2012: 244) Dafür sind Kompetenzen zur Selbstregulation erforderlich, mit denen das Verhalten beeinflussbar wird, indem die für die Zielerreichung notwendigen Aktivitäten ausgeführt und Ablenkungen überwunden werden. (vgl. Brandstädter 2011: 178f.)
Selbstkontrolle besonders bei negativen Emotionen wie Ärger und Wut zeigen Eltern dann, wenn sie eine Eskalation eines Konflikts trotz ihrer Erregtheit verhindern, indem sie das Gespräch abbrechen und vereinbaren dieses zum späteren Zeitpunkt fortzuführen. (vgl. Schneewind / Böhmert 2016: 74) Zur Regulation von unerwünschten Emotionen erweist sich die Strategie Neubewertung am günstigsten, da Eltern durch das Umdeuten des kindlichen Verhaltens einer Überreaktion entgegenwirken. (vgl. Ulrich / Petermann 2017: 141) Ebenfalls kann Regulation des Affektausdrucks zur Steigerung positiver und Minderung negativer Gefühle beitragen. (vgl. Brandstädter 2011: 183) Für die gelingende Selbstkontrolle ist die Fähigkeit zur Impulskontrolle unabdingbar, d. h. die durch emotionales Erleben ausgelösten Impulse können durch Betroffene begrenzt bzw. beherrscht werden. (vgl. Wissenschaftliche Beirat für Familienfragen 2005: 45)
Zum Zweck der Suche nach passenden Handlungsstrategien sowie neuen Sichtweisen in einer Konfliktsituation findet Reflexion des eigenen Handelns statt und veranlasst zur kritischen Auseinandersetzung mit eigenen Überzeugungen, die Voraussetzungen für die Problementstehung schaffen. Darüber hinaus erfordert diese einer Problemdefinition, einer kritischen Betrachtung der eigenen Sichtweisen sowie den von KonfliktpartnerInnen, aber auch einer Überprüfung der durch biografisches Lernen bedingten Vorannahmen, die eine Problemdefinition ermöglichen sollen. (vgl. Michalek 2015: 145-149) Auf die Weise werden die negativen Erziehungserfahrungen der Eltern zu Optimierungszwecken des eigenen Erziehungshandelns verarbeitet, sodass bspw. immer mehr Eltern sich für einen partnerschaftlichen Umgang mit ihren Kindern entscheiden, bei dem kindliche Bedürfnisse fokussiert werden. (vgl. Heitmann 2013: 41)
2.6 Fähigkeit zum Alltagsmanagement
Im Familienalltag stehen Eltern vor Aufgaben, einerseits ihre eigenen Interessen mit denen ihrer Kinder zu vereinbaren, andererseits gesellschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden. (vgl. Wissenschaftliche Beirat für Familienfragen 2005: 38f.) Ein funktionales Familienleben, in dem das Wohlbefinden der Familienmitglieder gesichert ist, zeichnet sich durch deren Fähigkeit aus, die individuellen sowie kollektiven Bedürfnisse zu erkennen und diese gemeinsam bzw. eigenständig zufrieden zu stellen. (vgl. Weinert Portmann 2009: 143) Fähigkeit zum Alltagsmanagement äußert sich dabei im elterlichen Können, Versorgungs- und Pflegeleistungen zu erbringen, den Haushalt, das Familienleben sowie den Alltag zu organisieren und zu strukturieren, aber auch auf die Einführung sowie Einhaltung familiärer Rituale zu achten. (vgl. Lenz 2014: 301)
Während die Mütter weiterhin stärker in die Versorgung der Kinder eingebunden sind, geht die Mehrzahl der Väter einer Vollzeitbeschäftigung nach um die finanzielle Absicherung der Familie zu gewährleisten. (vgl. Schmuhl 2016: 25) Versorgung der Kinder bezieht sich vor allem auf Aktivitäten der Eltern zur Erhaltung der kindlichen Gesundheit durch die Befriedigung der physischen Bedürfnisse (vgl. Winkler 2012: 35) wie der nach Nahrung, Wärme und Erholung, die als Voraussetzung für die Entwicklung der weiteren bspw. nach Zugehörigkeit gelten (vgl. Wolf 2012: 33). Säuglinge sind dabei im besonderen Maße auf die Pflegeleistungen der Eltern angewiesen. (vgl. Plattner 2017: 58) Jedoch sind mittlerweile immer mehr Mütter berufstätig und haben gleichzeitig die Verantwortung für die Kinderbetreuung und -pflege sowie die Organisation des Haushalts, wodurch ihnen einerseits die Zeit zu Regeneration fehlt. (vgl. Fuhrer, U. 2009: 147) Andererseits kann die Erwerbstätigkeit nicht nur einen Ausgleich zur Familienarbeit darstellen, sondern auch dazu führen, dass sich auch die Väter an dieser beteiligen und die Mütter somit entlasten. (vgl. Wissenschaftliche Beirat für Familienfragen 2005: 81f.) Auch der aktuellen Entwicklung geschlechtsbezogener Rollenverteilung zufolge kommt es immer mehr zu Auflösung der traditionellen Aufgabenzuordnung, wobei sich beide Geschlechter auf neue Lernprozesse einlassen müssen, um sowohl im familiären als auch beruflichen Bereich kompetent handeln zu können. (vgl. Schmidtchen 2007: 660)
Für die Organisation des Familienalltags sind Alltagskompetenzen notwendig, die sich auf Themenbereiche wie Umgang mit Geld und Konsum bzw. Medienkonsum, Aufgaben wie Einkauf und Essenszubereitung sowie Wissen um gesunde Lebensführung beziehen und darüber hinaus ein zufriedenstellendes Zusammenleben ermöglichen sollen. (vgl. Xyländer 2014: 37f.) Neben gemeinsamen familiären Aktivitäten, die sich positiv auf kindliches Wohlbefinden auswirken (vgl. Fuhrer 2009: 117), können für das Familienleben auch soziale Netzwerke bereichernd sein, deren Gestaltung von Seiten der Eltern erfolgt, indem sie sowohl die eigenen außerfamiliären Beziehungen pflegen als auch soziale Kontakte ihres Nachwuchses anbahnen. (vgl. Wissenschaftliche Beirat für Familienfragen 2005: 85f.) Eltern organisieren für ihre Kinder bereits im Kindergartenalter beaufsichtigte Treffen mit Gleichaltrigen (vgl. Siegler et al. 2016: 512). Neben Freizeitaktivitäten in der Nachbarschaft, die die Kinder im Schulalter eigenständig erreichen können und dürfen (ebd.), gehen sie auch solchen nach, die an Orten stattfinden, zu denen sie von ihren Eltern gefahren werden. (vgl. Fuhrer 2009: 99)
Struktur im Alltag sorgt für Transparenz der Abläufe des Tages oder der Woche, in denen die Zuständigkeiten für alltägliche Aufgaben klar geregelt und deshalb Orientierung gebend sind. (vgl. Wolf 2012: 34) Dabei sind Rituale zum Beispiel gemeinsame Mahl- und Spielzeiten, aber auch andere wiederkehrende Handlungen des Alltags, die von den Familienmitgliedern und v. a. den Kindern als wichtige, Sicherheit gebende Ereignisse erlebt werden. (vgl. Friedrich 2012: 91f.; Winkler 2012: 89) Sie gehören zum Familienleben und können ebenfalls in Form von gemeinsamen Festen und -feiern erfolgen, die ihrerseits Veränderungen im familiären Zusammenhang markieren. (vgl. Audehm et al. 2007: 424) Mit den veränderten Aufgaben ergeben sich für die Familien neue Herausforderungen, deren Bewältigung Möglichkeit zur Veränderbarkeit von Familienstruktur erfordert um v. a. fortwährend das Gleichgewicht zwischen Individuation jedes einzelnen Familienmitglieds und seiner Zugehörigkeit zum familiären System zu gewährleisten. (vgl. Helming et al. 1998: 282)
3 Einfluss psychischer Erkrankung auf die Erziehungskompetenz
„Kindern geht es eher schlecht, wenn Eltern ihr Elternwohl vernachlässigen“ (Kron-Klees 2008: 37)
Viele psychisch erkrankte Menschen erleben die sonst als normal geltenden Gefühle in extremer Form und zeigen dadurch Symptome, anhand deren psychische Erkrankungen diagnostiziert und somit behandelt werden können. (vgl. Gazzaniga et al. 2017: 808) So sind bspw. bei Menschen mit Persönlichkeitsstörungen die von den Meisten als gewöhnlich erachteten Charakterzüge in einem verstärkten Ausmaß ausgeprägt. (vgl. Pretis / Dimova 2016: 171) Aber auch ist bei einer Depression die Störung der Stimmung zu beobachten, aufgrund dieser sich die Betroffenen dauerhaft in einem Zustand einer verzweifelten Traurigkeit befinden. (vgl. Schone / Wagenblass 2006: 34) Im Prozess der Entstehung sowie des Fortbestandes einer psychischen Erkrankung, die auch als psychische Störung genannt wird, gilt das Zusammenwirken von persönlichen Merkmalen und Umwelteinflüssen als entscheidend. (vgl. Rehder 2016: 20)
Über die Häufigkeit der Elternschaften psychisch erkrankter Menschen gibt es zwar keine genauen Angaben, sicher ist es aber, dass diese auch oft Eltern sind. Nach Angaben der WHO werden mehr als drei Millionen Kinder – auf ein Jahr verteilt – mit elterlicher Symptomatik konfrontiert, die zum Teil mit erheblichen Risiken für deren Entwicklung verbunden ist. (vgl. Jungbauer 2016: 9f.) Die Schwere der kindlichen Belastungen hängt von der Art und dem Verlauf psychischer Erkrankung ab, wobei es beim Vorliegen einer Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) eines Elternteils bzw. beim Krankheitsleiden beider Eltern zu besonders folgenreichen Auswirkungen im Hinblick auf das Befinden des Nachwuchses kommt. (vgl. Rehder 2013: 36) Klinischen Untersuchungen zu Folge sind die an Schizophrenie erkrankten Patienten am seltensten Eltern. (vgl. Jungbauer 2016: 19f.) Mit ca. 23% bilden sie zwar die kleinste Gruppe, gehören jedoch nach Diagnosen wie Depressionen (ca. 36%) und Persönlichkeitsstörungen (ca. 26%) zu den häufigsten Erkrankungen, aufgrund deren Eltern mit minderjährigen Kindern psychiatrisch behandelt werden. (vgl. Schmuhl 2016: 39)
Psychische Erkrankungen, die mit Störungen im Denken, Erleben und Verhalten einhergehen, gelten häufig als Ursache für eingeschränkte Erziehungskompetenz und dysfunktionales Erziehungsverhalten. (vgl. Heitmann 2013: 11; Bodenmann 2016: 265f.) Auch ist die Wahrscheinlichkeit bei psychisch erkrankten Eltern höher, dass sie Defizite in ihrer Fähigkeit zur angemessenen und flexiblen Reaktion auf kindliche Bedürfnisse aufweisen und somit die Entwicklung von psychischen Störungen bei ihren Kinder begünstigen. (vgl. Plass /Wiegand-Grefe 2012: 40)
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- Arbeit zitieren
- Irina Ogrodowski (Autor:in), 2021, Sozialpädagogische Familienhilfe bei psychisch erkrankten Eltern. Unterstützende Maßnahmen für eine gesunde Entwicklung des Kindes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/593631
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