Leseprobe
INHALTSVERZEICHNIS
1 Einleitung
2 Gemeinwesenarbeit
2.1 Eine kurze Einführung
2.2 Bildung und Gemeinwesen
2.2.1 Das Verständnis von Bildung im Wandel
2.2.2 Bildung in sozialräumlicher Perspektive: Lokale Bildungslandschaften
3 Schulsozialarbeit
3.1 Eine Einführung
3.1.1 Geschichtlicher Abriss
3.1.2 Definition
3.1.3 Gesetzliche Rahmenbedingungen
3.1.4 Aufgaben und Zielgruppe
3.2 Schulsozialarbeit im Rahmen lokaler Bildungslandschaften
3.2.1 Gründe für eine gemeinwesenorientierte Schulsozialarbeit
3.2.2 Aufgaben
3.2.3 Möglichkeiten und Grenzen
4 Fazit
5 Literaturverzeichnis
1 EINLEITUNG
„Non vitae, sed scholae discimus”
Senecas
Mit den Worten „Nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir“ hat schon Sene- ca, ein römischer Schriftsteller und Philosoph, der von 4 vor Christus bis 65 nach Christus lebte, festgestellt, dass die Schule als Bildungsort wenig geeignet sei für die Vorbereitung der Kinder und Jugendlichen auf das Leben. Dies hat sich bis heute kaum verändert. Schule wird nach wie vor verbunden mit Leistungsdruck, Lernstress und Mangel an Frei- zeit. Interessen und Eigeninitiative werden wenig gefördert. Die Entwicklung des Kindes hin zu einem selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und kreativen Menschen erfährt keine Förderung, sondern wird gehemmt durch festgelegte Lerninhalte und institutionelle Strukturen, welche starr und vorgegeben sind.
Unterricht, wie er auch heute noch existiert, stammte aus dem alten Preußentum und hat es bis heute nicht geschafft sich begrifflich in unsere Welt hinein zu entwickeln, in der das Unterrichten, „richten“ oder auch „gerade richten“ nicht mehr zentraler Mittelpunkt ist. In- dem Kinder und Jugendliche in eine vorgegebene Richtung „gerichtet“ werden, bleiben Talente und Begabungen unentdeckt und können nicht entfaltet werden, sofern sie nicht der bildungsbürgerlich normierten Richtung entsprechen. Die Motivation und Freude an der Entdeckung neuer Dinge und das Ausprobieren und Ausloten eigener Möglichkeiten und Grenzen ist kaum gegeben. Dies bestätigt auch die von der Organisation for Econo- mic Co-operation and Development (OECD) durchgeführte PISA-Studie von 2012, die aufzeigt, dass „viel zu viele Schülerinnen und Schüler nicht das Beste aus den Lernmög- lichkeiten machen, die sich ihnen bieten, weil es ihnen an schulischem Engagement so- wie Freude am Lernen mangelt.“ (OECD 2013: 20)
Gleichwohl beginnt sich seit dem 12. Kinder- und Jugendbericht vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ 2005) in Deutschland ein Wandel hinsichtlich des Bildungsverständnisses zu vollziehen. Bildung versteht sich in einem Wechselspiel zwischen formalen und informellen Prozessen, wodurch nicht nur institutio- nell arrangierte Bildungsmöglichkeiten, sondern gleichwohl lebensweltspezifische Bil- dungsgelegenheiten im Mittelpunkt stehen (vgl. Mack 2009: 59).
Unter dem Begriff lokale Bildungslandschaften soll eine sozialräumliche Perspektive ein- genommen werden, die unterschiedlichste Bildungsorte und –gelegenheiten im Rahmen von Kooperation und Vernetzung miteinander verbindet. Dazu gehören Bildungsorte wie Schule, Einrichtungen und Angebote der Jugendhilfe, Familie, Freunde, Medien oder kul- turelle Angebote. Eine wichtige Brückenfunktion zwischen den verschiedenen Bildungsor- ten nimmt die Schulsozialarbeit (SSA) ein, welche als Handlungsfeld der Sozialen Arbeit noch relativ jung ist und dahingehend noch in der Entwicklung bezüglich allgemeingültiger Definition, Konzeption und Aufgaben steht.
Es stellt sich die Frage, ob SSA nur für die Schule oder auch das Gemeinwesen zustän- dig ist? Neben dieser Grundsatzfrage ist es darüber hinaus wichtig zu klären, wo die Mög- lichkeiten und Grenzen einer gemeinwesenorientierten SSA liegen. Würde dann ein ande- res Profil von SSA notwendig werden?
Um sich diesen Fragestellungen nähern zu können, wird im ersten Teil der Arbeit zu- nächst die Gemeinwesenarbeit (GWA) als eine der drei klassischen Methoden Soziale Arbeit vorgestellt werden, um anschließend das Verständnis von Bildung im Rahmen der GWA näher zu betrachten.
Im zweiten Teil der Arbeit soll SSA als Handlungsfeld der Sozialen Arbeit vorgestellt wer- den. Ein kurzer geschichtlicher Abriss, Definition, gesetzliche Rahmenbedingungen, Ziel- gruppen und Aufgaben werden erläutert, um daraufhin die SSA im Rahmen lokaler Bil- dungslandschaften zu verorten und Grenzen und Möglichkeiten aufzuzeigen.
2 GEMEINWESENARBEIT
2.1 EINE KURZEE INFÜHRUNG
Die GWA gehört neben der sozialen Einzel(fall)hilfe und sozialer Gruppenarbeit zu den drei klassischen Methoden der sozialen Arbeit. Der zentrale Fokus der GWA liegt in den Interventionen, die innerhalb sozialer Netzwerke stattfinden. Das Ziel ist es, durch die Aktivierung der Ressourcen im Sozialraum Lösungen für soziale Problemlagen zu entwi- ckeln. Dieser zugrunde liegende Ansatz findet sich heute teilweise in den Konzepten des Quartiermanagements und der Sozialraumorientierung wieder (vgl. Galuske 2011: 935). Historisch lässt sich die Entstehung der GWA in Deutschland mit Beginn der 1970er Jahre zurückverfolgen, die auch als die „Blütezeit der GWA“ (Hinte 2007: 7) bezeichnet wird, auch wenn heutzutage umstritten ist, ob diese Bezeichnung gerechtfertigt ist. Die GWA führte in der Sozialen Arbeit neben konzeptionellen Veränderungen zu einer Erweiterung des sozialpädagogischen Handlungsrepertoires. Der Wandel veränderte vor allem nach- haltig die praktische sozialpädagogische Arbeit in Bereichen, die nicht nur den konkreten Einzelfall fokussierten. Zu den Aufgaben der GemeinwesenarbeiterInnen gehörte es, Raum und Möglichkeiten zu schaffen für den öffentlichen Meinungsaustausch, die Initiati- on von Stadtteilfesten, Demonstrationen und Mieterinitiativen sowie prekäre Wohnverhält- nisse, infrastrukturelle Missstände und sinnlose Prestigeobjekte öffentlich anzuprangern. Jedoch wurde die inhaltliche Arbeit weder systematisch entwickelt, noch unterlag sie einer konsistenten Theoriebildung, dadurch wurde die Lebenswelt und die lebensweltspezifi- schen Bedingungen auch nicht leistungsgesetzlich festgeschrieben, die praktische Arbeit wurde eingeschränkt, Finanzmittel nicht zur Verfügung gestellt und die Ausbildung der sozialpädagogischen Fachkräfte kaum darauf ausgerichtet (vgl. Hinte 2007: 7). Hinte fasst die zum damaligen Zeitpunkt herrschende ambivalente gesellschaftliche und politische Haltung zutreffend zusammen:
„Schön, dass es Euch gibt, aber Geld haben wir nicht für Euch.“ (ebd.: 8)
Kurze Zeit darauf propagierten Boulet, Krauss und Oelschläger (1980: 164-157) GWA als Arbeitsprinzip im Sinne einer „Chiffre … für ein komplexes Bündel theoretischer und me- thodischer …, die als konzeptionelle Grundlage für soziale Arbeit in allen denkbaren Be- rufsfeldern dienen sollte.“ (Hinte 2007: 8) In der Praxis hatte diese Konzeption jedoch kei- ne große Bedeutung, womöglich aufgrund der mit dem Begriff der GWA einhergehenden unterschiedlichsten Assoziationen und inhaltlichen Realisierungen in der Praxis. Infolge- dessen wurde kurze Zeit später das Konzept „Stadteilbezogene Soziale Arbeit“ entwickelt (vgl. ebd.). Dieses Fachkonzept, auch als „Stadtteilorientierung“ und später als „Sozial- raumorientierung“ bezeichnet, war ein unverbrauchter, neuer Begriff, der keine besonde- ren Assoziationen weckte (vgl. ebd.: 9). Hinte definiert Sozialraumorientierung wie folgt:
„[A]ls Chiffre für die im Sinne der GWA fortentwickelte Sozialarbeit weg von der auf den Klienten bezogenen Haltung des ‚Ich weiß, was für dich gut ist, und das tun wir jetzt.‘ über das ‚Eigentlich weiß ich schon, was für dich gut ist, aber ich höre dir erst mal zu.‘ hin zum konsequenten ‚Dein Wille wird ernst genommen.‘ bzw. ‚Deine Interessen zählen.‘“ (ebd.: 10)
Dieses Konzept besteht aus GWA-Prinzipien und wird mit Bezugnahme auf verschiedene Theorien und Methoden der GWA und angrenzenden Fachdisziplinen weiterentwickelt (vgl. ebd.: 9). Der Begriff der Sozialraumorientierung stellt jedoch nicht das gesamte Spektrum der GWA dar, wird heutzutage aber, aufgrund des Mangels an treffenderen Bezeichnungen und der weit fortgeschrittenen theoretischen und praktischen Entwicklung, häufig allgemein für gemeinwesenorientierte Soziale Arbeit verwendet (vgl. ebd.: 11). Oelschlägel versucht darauf Bezug nehmend GWA begrifflich zu präzisieren und in drei Bereiche zu unterteilen, sodass dem Begriff für die heutige Zeit Kontur und Schärfe ver- liehen wird:
1. Das Arbeitsfeld GWA, in Bezug auf dafür eingerichtete Institutionen und deren personelle Ausstattung.
2. Das Arbeitsprinzip GWA, als grundlegende Handlungs- und Vorgehensweise, um soziale Probleme zu bearbeiten, welche in Institutionen, die nach GWA-Prinzipien arbeiten, umgesetzt wird.
3. Die Gemeinwesenorientierung von Institutionen, die nur eine leichte Öffnung hin zum Gemeinwesen bzw. Stadtteil initiieren wollen.
Letztlich ist GWA jedoch immer zugleich Arbeitsfeld und Arbeitsprinzip. Im Rahmen des- sen ist es legitim, GWA unter unterschiedlichen Bezeichnungen in der praktischen Um- setzung zu verwenden, z.B. Stadtteilbezogene Soziale Arbeit (vgl. Oelschlägel 2007: 99f.).
Da es der GWA darum geht, Lebensbedingungen und –verhältnisse im Sozialen Raum zu verbessern, müssen GemeinwesenarbeiterInnen vermitteln, klären und organisieren im Sinne der Menschen, die im jeweiligen Stadtteil bzw. Quartier leben. Die Lebenswelt der Betroffenen in den Blick nehmen und die Menschen zu befähigen, ihre individuellen Mög- lichkeiten und ihr Handlungsspektrum zu erweitern, gehört zur Kernaufgabe der Gemein- wesenarbeiterInnen. Das Individuum als Experte seiner Lebenswelt stellt den zentralen Ansatzpunkt der sozialpädagogischen Arbeit dar. GWA ist daher präventiv, pro-aktiv und problemlösend (vgl. Lüttringhaus 2007: 277f.).
Diese Grundhaltung wird in den GWA-Prinzipien bzw. Leitstandards operationalisiert:
1. Zielgruppenübergreifendes Handeln
2. Orientierung an den Bedürfnissen und Themen der Menschen
3. Förderung der Selbstorganisation und der Selbsthilfekräfte
4. Nutzung der vorhandenen Ressourcen
5. Ressortübergreifendes Handeln
6. Vernetzung und Kooperation (vgl. ebd.: 278ff.)
Dadurch soll für die heutige Zeit, in der die gesellschaftliche Struktur zunehmend gespal- tet wird, die Chancenungleichheit zunimmt und soziale Netzwerke immer weniger tragfä- hig sind, GWA Partizipationsformen entwickeln, um benachteiligten Menschen den Zu- gang zu niedrigschwelligen Angeboten zu öffnen (ebd.: 80f. ).
2.2 BILDUNG UND GEMEINWESEN
2.2.1 DAS VERSTÄNDNIS VON BILDUNG IMWANDEL
Bildung und Gemeinwesen können nur in enger Anlehnung an das Verständnis von Bil- dung verstanden werden, da sich der Umgang, die Ausprägung und die Aufgabe von Bil- dung den gesellschaftlichen Wünschen und Erwartungen anpasst und damit einem konti- nuierlichen Wandel unterliegt.
„Bildung ist ein aktiver, offener und unabgeschlossener Prozess, der auf eine freie und selbstbe- stimmte Entwicklung der Persönlichkeit zielt. In diesem idealistischen Sinne hat sie die Handlungs- fähigkeit des Subjekts in allen Lebensbereichen zum Ziel. (…) Bildung als Prozess der freien und selbstbestimmten Entwicklung der Persönlichkeit erfolgt mit der Auseinandersetzung mit der Welt und in Prozessen der Aneignung von Welt.“ (Mack 2009: 58f.)
Heutzutage wird Bildung in einem Wechselspiel zwischen formellen und informellen Pro- zessen verstanden. Bildung findet nicht nur in institutionell arrangierten Bildungsmöglich- keiten, sondern gleichwohl in lebensweltspezifischen Kontexten statt. Damit ermöglicht Schule nur e ine Bildungsmöglichkeit unter verschiedensten anderen Bildungsorten und - gelegenheiten, wie Familie, Freunde, Medien, kulturelle Angebote, Freizeitangebote oder Einrichtungen und Angebote der Kinder- und Jugendhilfe (vgl. Mack 2009: 59).
Um das Ziel die Handlungsfähigkeit des Subjekts zu erreichen, müssen verschiedenste Bildungsgelegenheiten und -angebote ermöglicht werden, an formellen und informellen Bildungsorten. Gleichzeitig müssen auch die sozialen Verhältnisse, die institutionellen Bildungsangebote und deren Qualität in den Blick genommen werden, da diese nach- drücklich die Bildungsprozesse von Kindern und Jugendlichen beeinflussen (vgl. ebd.).
Die Frage, die sich stellt, ist: Wie können die verschiedensten Bildungsgelegenheiten und –orte miteinander zusammenspielen, um allen Kindern und Jugendlichen die bestmögli- che individuelle Förderung zukommen zu lassen, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft, ihren sozialen Verhältnissen und den institutionellen Bildungsangeboten (vgl. ebd.)? Hierfür ist es notwendig, die Struktur und Qualität der Bildungsgelegenheiten in Kommu- nen und Städten hin zu einer „lokalen Bildungslandschaft“ zu verändern, indem institutio- nell arrangierte mit lebensweltspezifischen Bildungsmöglichkeiten sowie formale und in- formelle Bildungsprozesse miteinander verbunden werden. Das bildungspolitische Kon- zept der lokalen Bildungslandschaft bedeutet zugleich ein neues Verständnis von den Rollen und Handlungen der beteiligten Akteure (vgl. ebd.: 59f.).
Was sich konkret hinter dem Begriff der lokalen Bildungslandschaften verbirgt, wird im nächsten Kapitel erörtert.
2.2.2 BILDUNG IN SOZIALRÄUMLICHER PERSPEKTIVE: LOKALE BILDUNGSLANDSCHAFTEN
Mit dem Begriff der lokalen Bildungslandschaften wird eine neue Perspektive aus sozial- räumlicher Sicht innerhalb von Bildungsprozessen eingenommen. Dadurch verändert sich die spezifische Sichtweise auf das Verhältnis zwischen Schule und Sozialraum und zwi- schen Schule und Jugendhilfe. Bislang gibt es jedoch keine allgemeingültige Definition dessen, was unter lokalen Bildungslandschaften zu verstehen ist (vgl. Mack 2009: 62). Erstmals wurde der Begriff vom BMFSFJ verwendet, und wie folgt definiert wird:
„Die Bundesregierung teilt die Auffassung, dass Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungsangebote so aufeinander abgestimmt werden sollten, dass sie als stabiles und verlässliches Gesamtsystem Synergieeffekte bewirken und die bestmögliche Förderung von Kindern ermöglichen können. Ein vernetztes Zusammenspiel unterschiedlicher Akteure erfordert nicht nur die Anerkennung ihrer öffentlichen Mitverantwortung. Der Aufbau eines integrierten Systems von Bildung, Betreuung und Erziehung bedarf darüber hinaus einer verbindlichen Koordination dieser Zusammenarbeit bei kla- rer Zuweisung der jeweiligen Kompetenzbereiche der einzelnen Teilsysteme und Orientierung an den Lebenswelten der jungen Menschen. (…) Neben anderen nicht institutionellen Bildungsorten sind auch aus Sicht der Bundesregierung die Kinder- und Jugendhilfe und die Schule zentrale Ak- teure bei dem Ausbau eines flächendeckenden Systems für Bildung, Erziehung und Betreuung.“ (BMFSFJ 2005: 14)
Daraus ergeben sich drei Begründungslinien:
1. Das veränderte Verständnis von Bildung resultiert in der Sichtweise, dass vielfälti- ge Bildungsorte und Lernwelten geschaffen werden müssen, die sich in einem Wechselspiel ergänzen, wodurch Zugangsbarrieren abgebaut werden sollen und Benachteiligung verringert werden soll (vgl. ebd.: 32).
2. Die Hinwendung zu Regionalisierungskonzepten resultiert in einer Bezugnahme auf das Verhältnis zwischen Raum und sozialer Welt, welche gleichwohl in Politik und Theorie Einsatz finden, und hinterfragt, welche gesellschaftlichen Strukturen zu bestimmten lokalen Verhältnissen führen. Ziel ist es, (Bildungs-)Räume adä- quat zu gestalten.
3. Die kommunale Verwaltung und Politik wird zunehmend in die Verantwortung ge- zogen, Bildungsinstitutionen zu schaffen und zu gestalten. Als Schulträger sind Kommunen in Deutschland für die „äußeren“ Schulangelegenheiten zuständig, müssen aber immer mehr auch „innere“ Schulangelegenheiten steuern, wie den Ausbau der SSA oder die Umwandlung zu Ganztagesschulen. Damit ist es not- wendig, Bildung kommunal zu steuern und zu gestalten, wobei die differenten Strukturen und Zuständigkeiten bezogen auf die Bildungspolitik zuvor geklärt wer- den müssen. Auch ein Einbezug der BürgerInnen wäre im Rahmen lokaler Bil- dungslandschaften unverzichtbar und müsste gefordert und gestaltet werden (vgl. Mack 2009: 62f.).
Damit steht in der sozialräumlichen Perspektive nicht mehr ausschließlich die Schule bzw. das Schulsystem im Fokus, sondern es geht im Sinne lokaler Bildungslandschaften um die Frage, „wie Bildungsbarrieren und Zugänge auch für sozial benachteiligte Gruppen geöffnet und gestaltet werden können“ (Mack 2009: 64) durch die Vernetzung unter- schiedlichster Bildungsorte (vgl. ebd.).
Der SSA kommt in diesem Zusammenhang ein besonderer Auftrag zu, denn sie stellt ein wichtiges Bindeglied zwischen Schule und Jugendhilfe dar. Sie übernimmt die Vermitt- lungsrolle zwischen Schule und Lebenswelt bzw. dem Sozialraum der jungen Menschen (vgl. ebd.: 65).
Damit soll SSA zum Ausdruck des Paradigmenwechsels der Schule werden: „[E]iner Schule, … an dem mehrere Professionen zusammenarbeiten, mit unterschiedlichen Sichtweisen, Aufgaben und Handlungsmaximen. Schulsozialarbeit kann dazu beitragen,
Schulen für die Lebenswelten ihrer Schülerinnen und Schüler zu sensibilisieren und die Schulen für die Gemeinde, den Stadtteil, das Quartier zu öffnen.“ (Mack 2009: 65).
Im Folgenden wird SSA als Handlungsfeld näher betrachtet und definiert, gesetzliche Rahmenbedingungen, Zielgruppen, Aufgaben und Verortung im Rahmen lokaler Bildungs- landschaften sowie damit verbundenen Chancen und Möglichkeiten erörtert.
3 SCHULSOZIALARBEIT
3.1 EINEE INFÜHRUNG
3.1.1 GESCHICHTLICHER ABRISS
SSA entstand in Deutschland Anfang der 1970er Jahre in Folge der Bildungsreform und in Anlehnung an die in Amerika bereits 1906 sich entwickelnde „school social work“. Anfäng- liche Konzepten zur SSA fokussierten nicht primär schulisches Lernen, sondern waren darauf ausgerichtet, Handlungs- und Erfahrungsräume für SchülerInnen zu ermöglichen, die sie mit den sie betreffenden Konflikten und Abhängigkeiten konfrontierten und zu einer Bewältigung befähigten (vgl. Lunatschek/Simon 2008: 17). Mittels partnerschaftlicher, gleichberechtigter Zusammenarbeit sollten SozialpädagogInnen und LehrerInnen in ihrem Handeln bestärkt und der Erziehungsauftrag der Schulen eingelöst werden (vgl. ebd.: 17f.). Jedoch begründeten Verantwortliche der Bundesländer den Auftrag der SSA in ei- ner Ergänzungsfunktion zum schulischen Lernen und nicht in einem gleichberechtigten, eigenverantwortlichen Handeln (vgl. ebd.: 18).
Nach dem Auslauf der Modellprojekte der 1970er Jahre war die Zahl der in deutschen Schulen angebotenen SSA bis zur Wiedervereinigung Deutschlands am 3. Oktober 1990 eher rückläufig. Einzelne Projekte konnten durch Eigeninitiative der Schulen, Eltern und örtlichen Jugendhilfen erhalten bleiben, blieben jedoch gänzlich an den Defiziten (Beein- trächtigungen im Sozialraum, Armutslagen, Verhaltensauffälligkeiten) orientiert (vgl. ebd.). Nach dem Beitritt der DDR zur BRD wurde aufgrund der organisatorischen Neuorientie- rung von Schule und Jugendhilfe neue Schulsozialarbeiterprojekte initiiert werden. Nach und nach entwickelte sich die Sichtweise, dass SSA im Sinne sozialpädagogischen Han- delns in und im Umfeld der Schule mittels eines Kooperationsvertrages zwischen Schule und Jugendhilfe dahingehend Unterstützung bieten sollte, Konflikte und Probleme zu er- kennen und vorrausschauend wie auch eingreifend tätig zu sein, soziale Kompetenzen, Selbstverantwortung, Selbstbewusstsein und Eigeninitiative zu vermitteln sowie offene Freizeitangebote zur Verfügung stellen (vgl. ebd.).
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