Die Spiegelaffäre Anfang der 60er


Hausarbeit, 2001

21 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Ein deutsches Nachrichtenmagazin : Der Spiegel

3. Der Chef: Rudolf Augstein im Spiegel

4. Vor der Affäre: Dimensionen, Rahmenbedingungen, Wechselwirkungen
4.1 Die Massenmedien Anfang der sechziger Jahre
4.2 Adenauers Rückzug
4.3 Aufbau der Bundeswehr und Verteidigungsminister Strauß
4.4 Das Verhältnis des Spiegels zur Bundesregierung
4.5 Die Brisanz des Kalten Krieges

5. Der Auslöser: „Bedingt abwehrbereit“

6. Die Affäre: Politkrimi
6.1 Chronologie der Polizeiaktion
6.2 Die juristische Perspektive
6.3 Das politische Erdbeben

7. Die Folgen: Protest der Massenmedien und Solidarisierung

8. Auswertung: Meilenstein in der Mediengeschichte
8.1 Bedeutung für Strauß
8.2 Bedeutung für Adenauer
8.3 Angriff auf die Pressefreiheit?

9. Quellenangabe

1. Einleitung

Das Thema der Hausarbeit „Die Spiegelaffäre“ ist in der jüngeren historischen Forschung intensiv behandelt worden.[1] Zu Recht, denn die Affäre ist eines der wichtigsten Ereignisse in der frühen Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und prägte das Zusammenspiel zwischen Medien und Politik auf lange Sicht.

Die 1962 noch junge Demokratie hatte bis dahin keinen vergleichbaren Fall im Diskurs um die Pressefreiheit erlebt. Bei der Auseinandersetzung, die sowohl auf der politischen und juristischen Ebene als auch auf dem vielschichtigen Terrain der öffentlichen Meinung und medialen Berichterstattung stattfand, wurden Grenzen für die politische Einmischung der Medien erreicht, Spielräume für beide Seiten, die Presse und die Politik, in ihrem Verhältnis zueinander und in ihrer Position zur Demokratie definiert.

Diese Hausarbeit befasst sich speziell mit den Wechselwirkungen zwischen der journalistischen Arbeit des Spiegels und der Regierung um Bundeskanzler Konrad Adenauer und Verteidigungsminister Franz-Joseph Strauß, die zur Affäre eskalierten und erhebliche Turbolenzen und Machtverschiebungen innerhalb der Bundesregierung hervorriefen. Die Folgen für Adenauer und Strauß werden detailliert aufgearbeitet und die Rolle der Person Rudolf Augstein wird hinterfragt.

Die innen- und außenpolitischen Spannungen dieser Ära, man denke nur an die Kubakrise und die drohende Eskalation des kalten Krieges, werden als Rahmenbedingungen in die Betrachtung einfließen.

Die Dimensionen des komplexen Beziehungsgeflechts der Affäre werden in der Hausarbeit miteinander verknüpft, denn eine Reduktion des Sachverhalts auf einen Disput zwischen Spiegel und Bundesregierung oder zwischen Augstein und Strauß wird den historischen Zusammenhängen nicht gerecht.

Neben der Auswertung der umfangreichen Sekundärliteratur, wird in der Hausarbeit mit Hilfe von Originalquellen der Ereignisverlauf chronologisch aufgearbeitet und die Bedeutung der einzelnen Akteure und ihrer Handlungen interpretiert.

2. Ein deutsches Nachrichtenmagazin: Der Spiegel

Zunächst soll in verknappter Form Der Spiegel als Nachrichtenmagazin vorgestellt werden. Dabei ist es nicht möglich, die 57-jährige Geschichte des Spiegels ausführlich aufzuarbeiten, sondern es werden lediglich seine Bedeutung für die deutsche Medienlandschaft aber auch die wichtigsten Kritikpunkte an ihm wiedergegeben.

Die Wiege des Spiegels steht in der Britischen Besatzungszone kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, genauer gesagt in Hannover. Britische Offiziere formieren am 14. Oktober 1946 zum ersten Mal eine kleine Mannschaft, mit dem Ziel ein am „Time Magazin“ oder dem „News Review“ orientiertes Nachrichtenmagazin für Deutschland zu schaffen. Von Anfang an dabei sind Rudolf Augstein und Leo Brawand, die beide in der Geschichte des Spiegels tragende Rollen übernehmen werden. Am 16. November 1946 kommt die neue Zeitschrift noch unter dem Namen „Diese Woche“ auf den Markt. Die 15000 Exemplare kosten jeweils eine Reichsmark und werden den Verkäufern aus der Hand gerissen. Die Geschichte des Spiegels beginnt mit einem sensationellen Erfolg.

Wegen heftiger Anfangsturbolenzen, die durch die freche und den Besatzungsmächten gegenüber sehr kritische Haltung der Redaktion ausgelöst werden, wird das Blatt beinahe eingestellt. Doch die Britten lenken unter der Bedingung ein, die Zeitschrift in deutsche Hände zu überführen. Rudolf Augstein steht im zarten Alter von 23 Jahren als einer von drei Lizenznehmern bereit. Am 4. Januar 1947 erscheint statt „Diese Woche“ der erste „Der Spiegel“. Und Augstein wird der neue Chef.[2]

Die Entwicklung des Spiegels seit diesen Tagen kann man ohne Übertreibung als phänomenal bezeichnen. Zur Zeit liegt die Auflage etwa um eine Millionen je Ausgabe. Herausgeber und Geschäftsführer des Spiegel ist heute noch Rudolf Augstein. Um das einfache Magazin ist eine vielfältige Spiegel-Gruppe entstanden. Neue Zeitschriftenformate wie der Uni-Spiegel, der Kultur-Spiegel oder Spiegelreporter sind auf dem Markt. Sogar Fernsehformate werden von einer Tochter der Spiegel-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG produziert. Inhaber der KG sind die Spiegel-Mitarbeiter, die so an ihrem eigenen Produkt Anteile halten, Rudolf Augstein und das Verlagshaus Gruner + Jahr.

Verantwortlicher Chefredakteur ist zur Zeit Stefan Aust, ihm zur Seite stehen als Stellvertreter Dr. Martin Doerrey und Joachim Preuß. Etwa 115 Redakteure und Bildredakteure arbeiten in den Ressorts des Spiegels, dazu 23 Reporter und Autoren und 30 Spezialisten für Grafik und Layout.

Ein umfangreiches Netz an Redaktionsvertretungen und Auslandskorrespondenten, darunter neun Vertretungen innerhalb Deutschlands und Büros u. a. in Rio de Janeiro, Tokio, Peking, Washington, Paris, London usw., bieten die Basis für die Recherchearbeit.

Das Kredo der Zeitschrift hat sich seit 1946 wenig verändert: Alle Nachrichten sollen Geschichten verarbeitet werden, die den Menschen im Mittelpunkt seines Handelns darstellen. Der Spiegel genießt den Ruf des Meinungsführers. Umfragen haben ergeben, dass zwei Drittel aller deutschen Journalisten ihn regelmäßig lesen.

Der Spiegel konnte häufig erfolgreich in der politischen Landschaft Kritik üben. An dieser Stelle soll nur exemplarisch ein Fall angeschnitten werden: Die Berichte des Magazins über Bad Kleinen und das Fahndungsfiasko des Bundeskriminalamtes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz im Juni und Juli 1998 führten zum Rücktritt des Generalbundesanwalts Alexander Stahl und des Bundesinnenministers Rudolf Seiters. Die Verdienste des Spiegel bei der Aufklärung diverser Affären in Politik und Wirtschaft sind bekannt. Barschel, Flick, Kohl, der Spiegel ist meistens dabei, wenn es etwas zu enthüllen gibt.

Dennoch ist das Spektrum der Urteile über den Spiegel breit. Die Skala der Wertungen reicht vom Skandalblatt, der „Trompete des Nihilismus“ bis zum Kampfblatt der Aufklärung, dem „Sturmgeschütz der Demokratie“. Dem Spiegel wird vorgeworfen, dass er einseitig informiere, nur kritisiere, unlautere Mittel anwende (z. B. den berüchtigten Scheckbuch-Journalismus) und gerne zwischen den Zeilen Andeutungen mache. Die einzelne Story im Spiegel enthält in der Regel eine Tendenzaussage, für die Kritiker ist das der Beweis, dass der Spiegel seine Leserschaft manipuliert. Gelobt wird das Magazin dafür, dass es seine Kritik- und Kotrollfunktion ernst nehme, über die Tagespresse hinausreichende Themen aufgreife und unabhängig sei.[3]

3. Der Chef: Rudolf Augstein im Spiegel

Dieses Kapitel ist dem Mann gewidmet, der die Geschicke des Spiegels entscheidend gesteuert hat. Rudolf Augstein ist der Spiegel, zumindest war er es in der Anfangsphase. Die Rolle des Mannes, der im Jahr 2000 zum „Journalisten des Jahrhunderts“ gewählt wurde und die Auszeichnung des „World Press Freedom Hero“ verliehen bekam, verdient besondere Aufmerksamkeit. Die Persönlichkeit Augsteins ist durchaus mit Charakteren wie Adenauer oder Schumacher zu vergleichen. Nur dass er, abgesehen von einem kurzen Ausflug auf die politische Bühne 1972 für die FDP, versuchte, von seinem Redaktionsschreibtisch aus einen größtmöglichen Einfluss auf die Politik zu nehmen.

Im Folgenden wird die Person Rudolf Augstein in ihrer Entwicklung kurz umrissen, ihre Ansichten und Überzeugungen werden in einem kurzem Psychogramm zusammengestellt.

Am 5. November 1923 wurde er als sechstes von sieben Kindern in Hannover geboren. Sein Vater war Fabrikant. Der Sohn wuchs in bürgerlichem Umfeld auf. Augstein erhielt eine lückenlose katholische Erziehung, allerdings kamen ihm schon mit 14 oder 15 Jahren erste Zweifel an der Kirche. Seine Neigung zum kritischen Hinterfragen, zum Zweifel und zur Skepsis brachten ihn später dazu, aus der Kirche auszutreten. Die Vermutung, dass er auch persönliche Ressentiments gegen das katholische Milieu, er war eine Zeit lang Messdiener, hatte, drängt sich auf.

In der Schule galt Augstein als Paradeschüler, Klassenprimus und war meist Klassensprecher. Seine Lieblingsfächer waren Deutsch und Geschichte. Er rezitierte gern Gedichte. Schon früh zeigte sich sein Hang, ungeschminkt zu sagen „was Sache ist“. Als er beispielsweise 1940 in einem Schulaufsatz kritisch die aussichtsreiche Position Englands im Krieg analysierte, hätten sein Text ausgereicht, um für einen sofortigen Abtransport ins Konzentrationslager zu sorgen. Nur verständige Lehrer verhinderten Schlimmeres. Weder für Jungvolk noch Hitlerjugend konnte sich Augstein erwärmen, dafür begeisterte er sich früh für Gerechtigkeit und Sozialkritik.

Seinem Abitur mit Note eins, folgte ein Volontariat beim „Hannoverschen Anzeiger“, sein erster Kontakt zur schreibenden Zunft. Doch kam ihm der Krieg dazwischen, den er mit viel Glück als Funker bei der Artillerie an der Ostfront überlebte. Im Krieg fing er an, die Tapferkeit, mit der die Russen ihr Land verteidigten, zu achten. Er entwickelte Sympathie für die russischen Menschen, die sich später in seinen politischen Ansichten wiederfindet. Auch retteten ihn polnische Fremdarbeiter das Leben, als er von einem Schrapnellsplitter getroffen wurde und zu verbluten drohte.

Nach seiner Rückkehr nach Hannover war an ein Studium der Geisteswissenschaften nicht zu denken, die Universität Göttingen war noch geschlossen. So bewarb er sich beim stellvertreten britischen Pressekontrolloffizier Major John Chaloner, und wurde angenommen. Nach einem Einsatz beim „Neuen Hannoverischen Kurier“ wurde er der Spitzenkandidat für die Chefposition beim von den Engländern geplanten Nachrichtenmagazin.

Augsteins Persönlichkeit und Führungsstil prägen den Spiegel in den Anfangsjahren maßgeblich. Er ist der Chef im Haus, steht im Mittelpunkt, lenkt und leitet. Dabei lassen sich Widersprüche zwischen glänzenden Erfolgen, mimosenhafter Sensibilität und rastloser Unruhe ausmachen. Rudolf Augstein ist kein Mensch für große Töne und Gesten, vielmehr zeigt er sich als nachdenklicher, manchmal von Selbstzweifeln geplagter Mann und als guter Zuhörer. Diese Talente machen ihn zur Integrationsfigur der zusammengewürfelten Redaktion. In Redaktionskonferenzen vermittelt er Teilnehmern das Gefühl, sie selbst träfen die Entscheidungen (wenn er sie soweit gebracht hatte, seine Position zu vertreten). In diesem Verhandlungsgeschick, dieser Gerissenheit gleicht er dem rheinischen Fuchs Adenauer.

Das Erscheinungsbild Augsteins ist dagegen unauffällig: Die Größe von 1,69 Meter, aschblondes Haar, hohe Stirn und Brille lassen ihn Zeit seines Lebens wie einen älteren College-Studenten wirken.

Zum guten Redakteur machen ihn vor allem sein rasiermesserscharfer Verstand, die rationale Denkweise und die spitzfeurige Schreibe. Er verfügt über die Fähigkeit, Rückschläge mit stoischem Gleichmut hinzunehmen, wenn andere in der Redaktion nervös werden, ist der Chef ausgeglichen und ruhig.

[...]


[1] Die wohl umfangreichste Dokumentation der Spiegelaffäre erschien schon 1966 im Walther-Verlag Olten:

Alfred Grosser und Jürgen Seifert: „Die Spiegel-Affäre Band I: Die Staatsmacht und ihre Kontrolle“,

Thomas Ellwein, Manfred Liebel und Inge Negt: „Die Spiegel-Affäre Band II: Die Reaktion der Öffentlichkeit“.

(Beide Bände wurden unter der Überschrift „Texte und Dokumente zur Zeitgeschichte“ von Jürgen Seifert herausgegeben.)

[2] vgl. Leo Brawand: „Rudolf Augstein”, Düsseldorf 1995, S. 25 ff.

[3] vgl. Herman Meyn: „Massenmedien in Deutschland“, Konztanz 1999, S. 177 ff.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Die Spiegelaffäre Anfang der 60er
Hochschule
Universität Leipzig  (Historisches Seminar)
Veranstaltung
Die Ära Adenauer
Note
2,0
Autor
Jahr
2001
Seiten
21
Katalognummer
V5940
ISBN (eBook)
9783638136518
ISBN (Buch)
9783638826594
Dateigröße
570 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Hausarbeit befasst sich mit der Spiegelaffäre anfang der 60er. Dabei wird neben dem historischen Ablauf auch auf das komplexe Spannungsverhältniss zwischen Politik und Medienberichterstattung eingegangen.
Schlagworte
Spiegelaffäre, Strauß, Adenauer, Nato, Kalter Krieg, Medien, Augstein, Spiegel, Pressefreiheit
Arbeit zitieren
Lars-Marten Nagel (Autor:in), 2001, Die Spiegelaffäre Anfang der 60er, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/5940

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