Familie im Wandel der Zeit


Dossier / Travail, 2009

16 Pages, Note: 2,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 „Familie“ im Wandel der Zeit
2.1 Das „ganze Haus“
2.2 Das bürgerliche Familienmodell
2.3 Industrielle Revolution
2.4 Nachkriegszeit und die Weimarer Republik
2.5 Der Nationalsozialismus
2.6 Nachkriegszeit und Wirtschaftsaufschwung
2.7 Die Wende: 1960

3 Schluss

4 Literaturverzeichnis

3

4 Einleitung

Nahezu jeder Mensch wächst in einer Familie auf und wird durch sie geprägt. Sie ist die primäre Sozialisationsinstanz und spielt demnach eine große Bedeutung für alle Menschen. Wenn aber von Familie gesprochen wird, verbindet jeder etwas anderes damit. Sie wird nach vielen Kriterien differenziert, wie z.B. Blutsverwandtschaft, Zusammensetzung der Familienmitglieder oder sozialem Zugehörigkeitsgefühl. Jeder hat also seine eigene Vorstellung einer Familie, wobei die meisten an dem Idealbild der Kernfamilie (Vater, Mutter und Kinder) festhalten. Gibt es aber auch eine von allen anerkannte, alles umfassende, einheitliche Definition des Begriffs Familie ? Die Antwort lautet: nein. Es existieren aber mehrere Ansätze, die versuchen, diesem Anspruch gerecht zu werden. Allerdings gelingt es keinem, alle Aspekte einer Familie zu berücksichtigen. Im Folgenden sollen beispielhaft zwei Definitionen dargestellt werden:

Der Begriff Familie stammt von dem lateinischen familia ab, und bedeutet soviel wie Hausgemeinschaft. In der Soziologie versteht man unter diesem Terminus eine Lebensgemeinschaft, die durch Heirat und/oder Abstammung begründet wurde. Manchmal wird sie durch Verwandte ergänzt, die im gleichen Haushalt wohnen. Alles in allem kann man von einer engeren Verwandtschaftsgruppe reden. Die Biologie sieht in einer Familie mehrere verwandte Tier- und Pflanzengattungen. Auch hier wird der Hauptaspekt auf Blutsverwandtschaft gelegt (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Familie). Allerdings fehlt beiden Ansätzen der Hinblick auf die wahrgenommene Familie, denn es gibt auch Menschen, die nicht-Verwandte zu ihrer Familie zählen, wie etwa Stief- oder Pflegeeltern.

Man muss jedoch berücksichtigen, dass diese Definitionen auf das moderne 21. Jahrhundert zutreffen. Nun stellen sich neue Fragen: Seit wann gibt es den Familienbegriff schon? Was kennzeichnete eine Familie in früheren Zeiten und welche Bedeutung hatte sie? Auf diese Fragen wird im folgenden Hauptteil ausführlich eingegangen. Da dieses Thema jedoch sehr umfassend ist, wird es auf Deutschland ab dem 17. Jahrhundert beschränkt. Außerdem wird für jeden Abschnitt einer Epoche nur eine soziale Schicht beschrieben, die beispielhaft und bedeutend für die jeweilige Zeit ist. Unter Berücksichtigung der Zusammensetzung der Familie, der Beziehungen der Familienmitglieder untereinander sowie der Arbeits- und Wohnsituation soll das Bild der Familie in den vergangenen Epochen verdeutlicht werden. Damit die Darstellung der Familienentwicklung nicht aus ihrem Zusammenhang gerissen wird, steht sie zudem in ihrem geschichtlichen und gesellschaftlichen Kontext. Es gibt nämlich verschiedene Einflüsse, die auf Familien einwirken. Besonders eindrucksvoll wird dies durch das Ebenen-Modell von Bronfenbrenner deutlich. Er unterscheidet zwischen Mikro-, Meso-, Exo- und Makrosystemen. Die Familie stellt das Mikrosystem dar, „das eingebettet ist in übergreifende Systeme wie das Mesosystem (z.B. Bekanntschafts-, Freundschafts- und Verwandtschaftsbeziehungen), das Exosystem (z.B. Gemeindeorganisation, Unternehmensstruktur, Schulsystem) sowie das Makrosystem (z.B. die kulturelle, politische, rechtliche oder wirtschaftliche Orientierung einer Gesellschaft)“ (Oerter und Montada 1998: 131f). Im Folgenden wird in jedem Zeitabschnitt zuerst auf diese Faktoren eingegangen und anschließend die Auswirkungen auf die Familien beschrieben, um die Entwicklung verständlicher zu machen.

5 „Familie“ im Wandel der Zeit

2.1 Das „ganze Haus“

Vom Mittelalter bis zum 18. Jahrhundert bildeten die Bauern mit 80% die absolute Mehrheit der Bevölkerung, weshalb auch der Fokus auf diese Schicht gelegt wird. Zu jener Zeit gab es noch keinen eigenen Begriff für die Beziehung von Vater, Mutter und Kindern. Die biologische Sicht der Familie als Fortpflanzungsgemeinschaft existierte noch nicht, stattdessen zählte der soziale Aspekt. Alle unter einem Dach mit dem Bauernpaar Lebenden und Ledigen, ob nun mit ihnen verwandt oder nicht, gehörten zum sogenannten ganzen Haus, was mit dem Begriff Familie gleichzusetzen ist. Auch das Gesinde, nicht verwandte dort Arbeitende und Lebende sowie hausrechtlich Integrierte, zählten demnach zur Familie (vgl. Rosenbaum 1988: 78f). Die bäuerliche Wirtschaft war als Existenzsicherung wichtig. Man produzierte, um konsumieren zu können und nicht, um Gewinn zu erzielen. Deshalb war der Arbeitsaufwand nicht relevant (vgl. Sieder 1987: 18). Ein verheiratetes Bauernpaar stand immer an der Spitze der bäuerlichen Haushaltsgemeinschaft. Es gab eine ganz klare Arbeitsaufteilung zwischen diesen beiden. Der Bauer gab den männlichen Arbeitern Anweisungen und kümmerte sich um Aufgaben, die mit hoher Körperkraft, einem Risiko oder dem Entfernen vom Haus zu tun hatten. Die Bäuerin, welche in dem patriachalischen Haushalt eine recht mächtige Stellung behielt, kümmerte sich um die Anleitung der weiblichen Arbeitskräfte, die nicht-kommerzialisierte Arbeit und den Haushalt. In der dörflichen männerdominierten Öffentlichkeit spielte sie allerdings kein große Rolle, da sie auf das Haus und dessen Umfeld beschränkt wurde (vgl. Sieder 1987: 28ff). Der Bauer besitzt als einziger politische Rechte und Züchtigungsrecht über seine Leute. Durch das Familien- und Sachenrecht beispielsweise wird die selbständige Handlungsfähigkeit der in seinem Haus lebenden Personen eingeschränkt. Bei der Wahl des Ehepartners ging es vor allem um den elterlichen Grundbesitz und das Heiratsgut; grob gesagt, um den Besitz zum Wohl der Haushaltsgemeinschaft. Da nur ein verheiratetes Bauernpaar einen Hof führen konnte, kam es beim Tod des Ehepartners zu einer Wiederverheiratung, um die Wirtschaft weiterführen zu können. Das Wiederaufgriffsrecht erlaubte auch Frauen eine Wiederverheiratung. Diese bevorzugten es jedoch meistens, ihren Besitz an die Nachkommen zu vererben (vgl. Sieder 1987: 59ff). Die Kinder dieser Zeit wurden vor allem als Arbeitskräfte und Erben angesehen. Sie erfuhren eine gleichgültige, empfindungslose Einstellung der Eltern ihnen gegenüber. Einerseits hatten sie wegen der vielen Arbeit kaum Zeit für ihre Kinder, andererseits waren mit der Geburt eines Kindes viele Ängste verbunden, wie Nahrungsknappheit und die Gefährdung des Lebens der Mutter. Ab dem vierten Lebensjahr mussten sie bereits arbeiten. Die Jüngeren lernten von den Älteren. Zur Schule gingen sie nur, wenn die Arbeit es zuließ. Ihr Selbstwertgefühl bezogen sie aus ihrer Leistungsfähigkeit. Als Orientierung dienten dazu die verinnerlichten Maßstäbe ländlich-bäuerlicher Arbeitsfähigkeit. Kinder wurden demnach wie kleine Erwachsene behandelt (vgl. Sieder 1987: 38ff). Das Leben war gleichbedeutend mit Arbeit. Haushalt und Betrieb waren nicht voneinander getrennt.

2.2 Das bürgerliche Familienmodell

Im ausgehenden 18. Jahrhundert, zur Zeit des aufgeklärten Absolutismus, findet ein allmählicher Zerfall des ganzen Hauses statt. Die väterliche, ehemännische und herrische Gewalt wird wesentlich eingeschränkt durch die veränderte Rechtslage, nach der auf die Freiheit des Individuums hingearbeitet werden soll. Die Dienstboten standen fortan gesetzlich außerhalb der Familie. Somit fand eine Herauslösung der Kernfamilie aus der Gesamtheit des Hauses statt. Zu dieser Zeit wurde der Begriff das ganze Haus langsam von dem Terminus Familie ersetzt (vgl. Rosenbaum 1988: 88f). Der entstehende Stand des Bildungsbürgertums prägte das biedermeierliche Familienidyll. Laut dem preußischen Landrecht von 1794 gehörten zum gehobenen Bürgertum Lehrer, Künstler, Beamte und alle mit gleichem Ansehen. Im Kleinbürgertum befanden sich die Handwerker und kleinere Gewerbetreibende. Jedoch konnte man durch wirtschaftliche und intellektuelle Leistungen in den Stand des gehobenen Bürgertums aufsteigen. Das Ehe- und Familienrecht trat in den Vordergrund. Die Gewerbefreiheit und die Bauernbefreiung im Zuge der preußischen Reformen unterstützten die ungehinderte Familienbildung (vgl. Sieder 1987: 125ff). Das sich daraus entwickelte bürgerliche Familienmodell stellte eine Privatisierung und Intimisierung der Kernfamilie dar. Sie schotteten sich in ihrem Haus von Wirtschaft und Politik ab. Für den Mann war es ein Ort des Rückzug von seiner Arbeit, für seine Frau der Arbeitsplatz. Auch die Beziehung untereinander und die Heiratskriterien änderten sich. Die Vernunftehe wurde zugunsten einer vernünftigen Liebesehe aufgegeben. Das heißt, der Partner wurde selbständig nach seinen persönlichen Eigenschaften ausgewählt und nicht kollektiv, zum Wohl des Haushalts nach Besitz. Allerdings stand dies im Gegensatz zu dem Willen der Eltern, die weiterhin versuchten, durch Heirat einen wirtschaftlichen Aufstieg zu erreichen. Für die Frau stellte die Ehe die einzige gesellschaftliche Bestimmung dar. Sie war von ihrem Mann abhängig, da sie kein eigenes Geld verdiente, sondern stattdessen die Verantwortung für den Haushalt trug. Die bürgerliche Ehefrau repräsentierte den beruflichen Erfolg ihres Mannes durch ihr Aussehen und Konversieren. Der Mann arbeitete außer Haus und übernahm damit die Funktion des Ernährers. Der Trend zur ehelichen Kommunikation entwickelte sich durch die getrennten Arbeitszeiten und -orte. Man fing an sich für seinen Partner zu interessieren und ihn als Individuum zu schätzen (vgl. Sieder 1987: 130ff). Auch in Hinblick auf die Kinder änderte sich einiges. Die Bedeutung des familialen Binnenraums erhöhte sich. Als Produkt des liebenden Ehepaares wurden sie zunehmend als Individuen anerkannt. Kinder galten zudem erstmals als erziehbar. Wobei die Erziehung durch die Eltern vor allem in den ersten Lebensjahren erfolgte und zwar mit dem Ziel, einen normgeleiteten, vernünftigen Menschen großzuziehen. Das setzt die Verinnerlichung der bürgerlichen Werte voraus. Für Mädchen und Jungen gab es getrennte Ausbildungen, je nach späterem Arbeitsbereich. Die Jungen wurden auf den Wettbewerb der Arbeitswelt und die Mädchen auf die Hausarbeiten und die Repräsentationspflichten vorbereitet. Arbeiten mussten sie nicht. Da die bürgerlichen Kinder von den Straßenkindern ferngehalten werden sollten, wurden sie zu Hause eingesperrt und von einem Hauslehrer unterrichtet. Im 19. Jahrhundert stellte man aber fest, dass dies zum Verlust von Selbstvertrauen der Kinder im Umgang mit anderen Menschen führte und kehrte davon wieder ab (vgl. Sieder 1987: 135ff). Diese Entwicklung unterstützend wurde die Schulpflicht im 19. Jahrhundert eingeführt. Allgemein kann man festhalten, dass Haushalt und Betrieb getrennt wurden und dass der rationalen Arbeitswelt zunehmend eine Sentimentalisierung und Privatisierung der Kleinfamilie gegenüberstand.

2.3 Industrielle Revolution

Verschiedene Entwicklungen im 19. Jahrhundert förderten die Industrialisierung in Deutschland. Zum einen gab es ein durch bessere Ernährung und geringere Kinder- sowie Krisensterblichkeit hervorgerufenes Bevölkerungswachstum. Dies führte zu einer erhöhten Kauf- und Arbeitskraft. Die Agrarrevolution sorgte für höhere Erträge in der Landwirtschaft, sodass mehr Menschen versorgt werden konnten, aber nicht alle. Die Zahl der Armen stieg durch das Bevölkerungswachstum und führte zum Pauperismus. Die technische Revolution und das Einsetzen von Maschinen waren weitere Voraussetzungen für die industrielle Revolution (vgl. Sellen 2006: 37f). Im weiteren Verlauf wird das Leben der neuen sozialen Schicht der Lohnarbeiter und dessen Entwicklung thematisiert. Der Übergang von vorindustriellen zu industriellen Formen der Familie soll am Beispiel der Fabrikarbeiter deutlich gemacht werden. Der Rhythmus des Familienlebens wurde durch die vereinheitlichten Arbeitszeiten in der Fabrik bestimmt. Ob Frau und Kinder arbeiten mussten, hing vom Gehalt des Mannes ab. Aber meistens reichte das Geld nicht aus, selbst wenn alle Familienmitglieder arbeiten gingen. Deshalb war eine halboffene Familienform üblich. Das heißt, es wohnten sogenannte Bettgeher oder Aftermieter in den Familien zur Untermiete. Sie waren Voraussetzung, um die Wohnung, ein Aspekt des bürgerlichen Familienmodells, behalten zu können. Das Einkommen setzte sich demnach aus verschiedenen Faktoren zusammen: der Erwerbsarbeit der einzelnen Familienmitglieder, der Untermiete, aber auch aus Gelegenheits- und Heimarbeit. Die Frau, weiterhin lediglich zur Hausfrau und Mutter erzogen, übte nach der Ehe vor allem heimarbeiterische Tätigkeiten aus, um das Ansehen des Mannes als Ernährer der Familie nicht zu verletzen. Allerdings fiel ihr Lohn wesentlich geringer aus auf Grund ihres Geschlechts. Die Frauen erfuhren eine Extensivierung ihrer Arbeitszeit, da zu ihrem Aufgabenbereich der Haushalt, die Kindererziehung sowie meistens noch die Erwerbsarbeit zählte (vgl. Sieder 1987: 183ff). Als Folgen sind die „Beeinträchtigung von Schwangerschaften durch die Arbeitsbelastung der Frau im allgemeinen und gesundheitsschädliche Arbeitsbedingungen im besonderen“ (Sieder 1987: 194) zu nennen. Wegen der Zeitknappheit können die Frauen ihre Kinder selten stillen, was eine hohe Kindersterblichkeit förderte. Generell herrschte eine Vernachlässigung der Kinder. Die Eltern hatten wegen ihrer häufigen, arbeitsbedingten Abwesenheit kaum Kontrolle über sie, weshalb die Sozialisation der Kinder hauptsächlich in den Jugendgruppen der Straßen stattfand. Die Lohnarbeiterfamilien lebten in der Regel von der Hand in den Mund, da es keine Möglichkeiten zur Aufbewahrung des Essens gab (vgl. Sieder 1987: 192ff). Der Wunsch nach Heirat resultierte aus unterschiedlichen Gründen: Der Mann versprach sich von einer Familie sexuelle Befriedigung, emotionale Geborgenheit und einen gemachten Haushalt. Für die Frau bedeutete eine Familiengründung die Befreiung aus der schlecht bezahlten, unterdrückenden Fabrikarbeit. Es bestand für sie aber auch ein soziales Risiko, da es meistens erst nach der Geburt von mindestens einem Kind zur Eheschließung kam und sie deshalb Gefahr lief, verlassen zu werden. Speziell am Anfang der Industrialisierung war es schwer zu heiraten. Ein Grund dafür lag in dem politischen Ehekonsens, nach dem die obrigkeitliche Erlaubnis zur Eheschließung an ein Mindestvermögen verbunden war. Dies förderte die soziale Endogamie. Das heißt, man wählte seinen Ehepartner aus dem eigenen Milieu. Die sexuelle Beziehung der Ehepartner wurde durch die engen Wohnverhältnisse und das hierarchische Prinzip von Familie und Arbeit geprägt. Wegen des hohen Scham- und Peinlichkeitsgefühls, ausgelöst durch die Enge, wurde Sexualität tabuisiert. Eine weiteres Problem bestand in den Verhütungsmöglichkeiten. Die staatliche und kirchliche Politik dieser Zeit, versuchte die Verbreitung von Verhütungsmitteln zu vermeiden. Dadurch war die eheliche Sexualität von einem vergeblichen Kampf gegen zu viele Kinder überschattet. Das führte zu Abtreibungen und dadurch bedingten Erkrankungen und Todesfällen (vgl. Sieder 1987: 198ff). Abschließend kann man feststellen, dass zwar eine Trennung von Haushalt und Betrieb sowie die moderne Kernfamilie existierten. Allerdings bedeutete dies nicht wie bei dem bürgerlichen Familienideal, dass es einen Platz für Ruhe und Erholung oder Zeit für die Beziehungen der Familienmitglieder gab, ganz im Gegenteil.

2.4 Nachkriegszeit und die Weimarer Republik

Die Situation nach dem Ersten Weltkrieg zeichnete sich aus durch das Fehlen der patriachalischen Instanz in den Familien, bedingt durch den Einzug der Männer und militärdienstfähiger Söhne in den Krieg. Als unmittelbare Folge mussten die Frauen das Geld alleine verdienen, wodurch sie wieder unter der dreifach Belastung Kindererziehung, Haus- und Erwerbsarbeit litten. Die Männer, die zurückkehrten, sind teilweise zu Krüppeln oder psychisch Kranken geworden unter den Bedingungen des Krieges. Viele Familien konnten damit nicht umgehen und so kam es zu einer Steigerung der Scheidungsraten (vgl. Sieder 1987: 212ff). Die sozialdemokratische Politik der neu entstandenen Weimarer Republik setzte sich als Ziel, die Lage der Arbeiterfamilien durch soziale Reformen zu verbessern. Jegliche Belastungen der Arbeiterfamilien, die eine Emotionalisierung der Ehepartner und der Eltern-Kind Beziehung verhinderten, sollten beseitigt werden. Somit gerieten die Familien der Lohnarbeiter in den Brennpunkt der Gesellschaftspolitik. Durch die soziale Reform- und Wohnungspolitik wurden die Wohnbedingungen verbessert und Standards des Familienlebens und der Haushaltsführung gesetzt. Sozialpolitische Maßnahmen, wie Ausbau des Versicherungswesen, Mieterschutz oder Formen betrieblicher Mitbestimmung, unterstützten dies. Die Kleinfamilie war das Ideal des Sozialreformers. Da die Sozialisation des Kindes in den Mittelpunkt rückte, setzten sie sich für die Aufklärung und Schulung der Mütter ein bezüglich ihrer erzieherischen und pflegerischen Fähigkeiten. „Mit ihrer Erziehung zur Hausfrau und Mutter, die sich für das körperliche und seelische Wohl ihrer Kinder und ihres Ehemannes hauptverantwortlich fühlen sollte, wurde die Arbeiterfamilie dem bürgerlichen Familienmodell ein erhebliches Stück näher gebracht“ (Sieder 1987: 223). Zusätzlich wurden Kinder- und Jugendheime eingerichtet, die der Sicherheit von Kindern dienen sollten. In dieser Zeit wurde auch das allgemeine Wahlrecht für Mann und Frau eingeführt, was zugleich eine Erhöhung des öffentlichen Status der Frau bedeutete. Man spricht auch von den Goldenen 20ern, da zu dieser Zeit eine positive Entwicklung für die Menschen stattfand. Allerdings stießen diese Reformen auf Widerstand des Arbeitermilieus, die darin einen Kampf um Selbstachtung und Identität sahen. Die Autonomie des Arbeiters in seiner Familie stellte für ihn ein Gegenpol zum Ausgeliefertsein auf dem Arbeitsplatz dar. Zumindest in der eigenen Familie wollte er die Kontrolle und das Sagen haben. Deshalb wehrte er sich gegen sozialpolitischen Eingriffe. Die im Zuge des Ersten Weltkriegs einsetzende und schlimmer werdende Inflation führte zur Entwertung der Mieten. Das bedeutete, dass Bettgeher nicht mehr als Untermieter benötigt wurden. Fremde Personen im Haushalt wurden durch Verwandte ersetzt, besonders nachdem die Weltwirtschaftskrise von 1929 zu einer Verschärfung der Arbeitslosigkeit führte. Die Wohnverhältnisse blieben also weiterhin beengend.(vgl. Sieder 1987: 214ff). Der Staat reduzierte seine Sozialleistungen. Die Familie bildete ein existenzsicherndes System, in dem alle, gemäß ihrer altersbedingten Fähigkeiten mitarbeiteten. Die Arbeitsteilung zwischen den Ehepartnern blieb bestehen, obwohl der Mann oft keine Beschäftigung hatte und sich folglich langweilte. Langzeitarbeitslosigkeit führte zu Resignation. Trotzdem nahmen Männer nur unterqualifizierte Gelegenheitsarbeit an, wenn Frau und Kinder keine bekamen. Eigentlich war es unter seiner Würde. Die Frau nahm jede Arbeit in Kauf, um die Familie durch zubringen. Sie hatte keinen sozialen Status zu verlieren (vgl. Sieder 1987: 224ff). Auf diese Weise fanden sie sich in einer ähnlich schrecklichen Situation wieder, wie zur Zeit der Industrialisierung.

[...]

Fin de l'extrait de 16 pages

Résumé des informations

Titre
Familie im Wandel der Zeit
Université
University of Applied Sciences Frankfurt am Main
Note
2,0
Auteur
Année
2009
Pages
16
N° de catalogue
V594033
ISBN (ebook)
9783346173812
ISBN (Livre)
9783346173829
Langue
allemand
Mots clés
familie, wandel, zeit
Citation du texte
Nadine Schall (Auteur), 2009, Familie im Wandel der Zeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/594033

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