Marx' Analyse nichtentfremdeter und entfremdeter gesellschaftlicher Verhältnisse am Beispiel der "Ökonomisch-philosophischen Manuskripte" von 1844


Mémoire de Maîtrise, 1995

67 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhalt

1. Einleitung

2. Nichtentfremdung
a) Allgemeines zur Nichtentfremdung
b) Mensch und Natur
c) Nichtentfremdeter Arbeit
d) Gattungstätigkeit und Gattungsgegenständlichkeit
e) Zur Dialektik von Bedürfnis und Genuß
f) Bewußtsein
g) Zur Einheit von Natur, Gesellschaft und Individuum

3. Entfremdung
a) Allgemeines und Besonderes zur Entfremdung
b) Zum Ursprung von Lohnarbeit und Kapital
c) Zum Verhältnis von Lohnarbeit und Kapital
d) Bedürfnis und Geld
e) Zur Entfremdung von Natur, Gesellschaft und Individuum

4. Ergebnisse

5. Literatur
a) Quellen
b) Sekundärliteratur
c) Historische und soziologische Literatur
d) Hilfsmittel

1. Einleitung

1841 promoviert Karl Marx und zieht, auf eine Dozentur an der Universität hoffend, nach Bonn. Dort allerdings werden fortschrittliche Professoren von der Lehre ausgeschlossen. Marx gibt den Gedanken an die Professur auf und beginnt 1842 mit seiner publizistischen Tätigkeit. Er verfaßt einen Artikel gegen die preußischen Zensurinstruktionen, der gerade deswegen in Pressen nicht veröffentlicht werden darf.

Kurz darauf, im April 1842, beginnt seine Mitarbeit bei der „Rheinischen Zeitung“, deren Chefredakteur er im Oktober wird. Wiederum muß sich Marx mit den preußischen Zensoren wegen der oppositionellen Haltung des Blattes auseinandersetzen. Im Januar 1843 beschließt die Regierung, die Zeitung zu verbieten. Daraufhin kommt es im Februar zur Konfrontation zwischen dem Chefredakteur und den Aktionären. Letztere verlangen, um das Verbot abzuwenden, eine konformere politische Haltung der Redaktion der „Rheinischen Zeitung“. Aus diesem Grund beendet Marx seine Mitarbeit im März. Im Sommer 1843 heiratet er Jenny von Westphalen. Im Oktober erfolgt der Umzug nach Paris, wo Marx und Ruge im Februar 1844 das einzige Doppelheft der „Deutsch—Französischen Jahrbücher“ herausgeben. Dafür verfaßt Marx die Schriften „Zur Judenfrage“ und „Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung“. Sie bieten der preußischen Regierung den Anlaß, Marx des Hochverrats und der Majestätsbeleidigung zu beschuldigen, so dass ihm bei einer Rückkehr nach Preußen die Verhaftung droht[1].

Von April bis August 1844 arbeitet Marx an den „Ökonomisch-philosophischen Manuskripten“[2]. Danach wird er beim in Paris erscheinenden „Vorwärts“ tätig[3]. Im August kommt Engels nach Frankreich und trifft sich mit Marx[4]. Es ist nicht klar, wann die Korrespondenz zwischen beiden einsetzt. Die ersten bekannten Briefe schreibt Engels im Oktober und November 1844 an Marx[5]. Diese Briefe vermitteln einen Eindruck von der politischen Situation. Denn in beiden Schreiben spricht Engels die Kontrolle der Post an und sieht sich veranlaßt, bestimmte Maßnahmen, etwa die Numerierung der Briefe, zu ergreifen, um nicht nur Bespitzelungen, sondern die Unterschlagung der Post durch

staatliche Seite nachvollziehen zu können[6].Engels berichtet Marx von den Schwierigkeiten, in Preußen politisch aktiv zu sein. Der publizistischen Tätigkeit sind Grenzen gesetzt. Andererseits konstatiert Engels auch Veränderungen innerhalb der Bevölkerung[7]. Marx’ Antworten sind nicht erhalten. Sein erster bekannter Brief an Engels stammt vom 15.5.1847.

Im Januar 1845 wird Marx auf Druck der preußischen Regierung aus Frankreich ausgewiesen. Allerdings entgeht er der strafrechtlichen Verfolgung, weil ihm der Aufenthalt in Belgien gestattet wird.

Die „Ökonomisch-philosophischen Manuskripte“, die Marx in Paris verfaßt, sind unvollendet geblieben und zum Teil beschädigt. Beginnend mit Problemen der Ökonomie, verfließen in der Argumentation Theorie und Praxis, Allgemeines und Besonderes, um schließlich bei der Philosophie zu enden. So müssen die Fragmente, um den Inhalt vollständig zu erfassen, als Ganzes betrachtet werden[8]. Marx befaßt sich in den „Manuskripten“ neben philosophischen Fragen auch erstmals ausführlicher mit ökonomischen Themen. Philosophie und Ökonomie werden als Ausdrücke der bürgerlichen Gesellschaft kritisiert[9]. Formal, d. h. auf sprachlicher Ebene, bleibt Marx dabei der Philosophie verhaftet. Jedoch erhalten die philosophischen Termini, die er in der Auseinandersetzung mit der Ökonomie gebraucht, einen anderen Inhalt[10]. Gleichzeitig entwickelt Marx ein eigenes dialektisches Entfremdungskonzept, das, vom idealistischen Ballast befreit, auf die materiellen Grundlagen der bürgerlichen Gesellschaft zurückgreift. Es handelt sich dabei um eine praktische Theorie revolutionären Inhalts[11]. Die in den „Manuskripten“ aufgeworfenen Fragen bilden die Basis späterer Arbeiten[12]. Denn Marx’ Beschäftigung mit ökonomischen Themen befindet sich noch in der Anfangsphase. (Er unterscheidet beispielsweise noch nicht zwischen Besitz und Eigentum. Kategorien wie „Arbeitskraft“ oder „Lohnarbeit“ sind noch nicht formuliert.) Andererseits kommt in den „Manuskripten“ sein Leitmotiv, der emanzipatorische Ansatz, anscheinend deutlicher zum Ausdruck, als in späteren, auf ökonomische Fragen konzentrierten Arbeiten[13].

Die „Manuskripte“, als thematische Erweiterung des Marxschen Interesses, stellen somit einen Übergang, jedoch keinen Wendepunkt dar. Verglichen mit späteren Schriften, unterstreichen die „Manuskripte“ einerseits die Kontinuität seines Denkens, zeigen andererseits aber auch eine Verschiebung seiner Interessen. „Frühschriften“ und „Spätwerk“ können dabei nicht einfach gleichgesetzt werden, sind aber trotzdem im Zusammenhang zu sehen[14], weil die in den „Manuskripten“ entwickelte Entfremdungstheorie auch Bestandteil noch folgender Arbeiten ist[15].

Im Zentrum des Entfremdungskonzepts steht der Begriff der Arbeit. Dieser allgemeine Terminus hat besondere Ausdrücke hinsichtlich seiner Form und seines Inhalts. Er impliziert eine historische Entwicklung und setzt somit voraus, dass alle zu ihm gehörenden Kategorien grundsätzlich dynamisch, also historisches Produkt sind; dies sowohl in bezug auf nichtentfremdete als auch auf entfremdete Verhältnisse[16]. Dabei muß man, um die Entfremdung zu begreifen, von der Nichtentfremdung ausgehen. Damit gelangt man vom allgemeinen Potential menschlicher Fähigkeiten zu besonderen Formen der Arbeit. Die Untersuchung setzt also in der Zukunft an[17], um dann zur Analyse vergangener und „gegenwärtiger“ gesellschaftlicher Verhältnisse zu kommen. Es wird vorausgesetzt, dass die Zukunft einer Gesellschaft in den materiellen Bedingungen ihrer Vergangenheit gründet[18]. Dadurch wird vermieden, die Nichtentfremdung in vorangegangene Perioden zu „verlegen“, und nach dem „Urknall“ der Entfremdung suchen zu müssen[19]. Statt dessen ist davon auszugehen, dass dem Verhältnis von Mensch und Natur das Fremde, wenn auch nicht die noch darzustellenden Erscheinungsformen der Entfremdung, zunächst immanent ist[20]. Hier geht es also darum, erst die Nichtentfremdung und dann die Entfremdung mit all ihren gesellschaftlichen und individuellen Aspekten zu analysieren – sofern dies ohne interdisziplinären Anspruch möglich ist -, um so zu den qualitativen Unterschieden zu gelangen. Der Weg führt von der Theorie zur Praxis und vom Allgemeinen zum Besonderen. Im Mittelpunkt stehen die gesellschaftlich geprägten Individuen natürlichen Ursprungs. Dieser Ursprung ist dabei für beide Formen der Arbeit bedeutend. Einerseits als Grundlage menschlicher Universalität, andererseits als Basis entfremdeter Verhältnisse.

Im Rahmen dieser Arbeit ist es nicht möglich, die Entwicklung der Entfremdung detailliert darzulegen. Deshalb werden entfremdete Strukturen exemplarisch an unterschiedlichen Formen der Arbeit demonstriert, wobei die Lohnarbeit im Zentrum steht. Die konkreten Lebensbedingungen des Proletariats werden am Beispiel Englands, der im 19. Jahrhundert entwickeltsten bürgerlichen Gesellschaft, dargestellt. Abschließend geht es um das Verhältnis von Entfremdung und Nichtentfremdung, d. h. um die soziale Beschränkung der Potentiale von Menschen und um die Möglichkeiten einer Verwirklichung. Grundlage dessen ist Marx’ eigenes Konzept. Die in den „Manuskripten“ enthaltene Kritik am „rohen Kommunismus“, die Auseinandersetzung mit Proudhon und die Vermittlung von Entfremdung und Nichtentfremdung durch revolutionäre Prozesse werden nur im notwendigen Rahmen dargestellt. Unberücksichtigt bleiben die bürgerlichen Ökonomen und Philosophen.

In den Anmerkungen werden alle Quellen als „MEW“ angegeben. Auf Sekundärliteratur und Literatur zum historischen Kontext wird nur mit dem Namen der Autorin bzw. des Autors hingewiesen. Mehrbändige Werke sind mit römischen Ziffern versehen. Hilfsmittel tragen den Namen des Verfassers und den Buchtitel.

2. Nichtentfremdung

a) Allgemeines zur Nichtentfremdung

Die hier als „Nichtentfremdung“ bezeichneten Verhältnisse beinhalten gesellschaftliche Existenzweisen, in welchen es allen Individuen möglich sein soll, das allgemeine Potential menschlicher Fähigkeiten zu realisieren.

Signifikant für nichtentfremdete Strukturen ist nicht die Abwesenheit von „Zwang“ bzw. die Anwesenheit von „Freiheit“, sondern die Bejahung der Einheit des Menschen mit Gesellschaft und Natur, wodurch die Individuen ihre gesellschaftliche Prägung mittels der menschlichen Naturwesen erhalten. Es geht somit um die bewußte Anerkennung der Bindungen bzw. Abhängigkeiten von Menschen und um deren bewußte Gestaltung durch die Individuen.

Nichtentfremdung heißt, die individuelle Existenz als natürlich und gesellschaftlich bedingt zu begreifen; wobei diese Bedingtheit die Basis für individuelle Freiheit und Universalität bildet. Die natürliche und gesellschaftliche Abhängigkeit ist also die Grundlage einer sich frei und bewußt äußernden Individualität.

Formen nichtentfremdeter Arbeit setzen gesellschaftlich und ökonomisch entwickelte Verhältnisse voraus, in denen Arbeit selbst Bedürfnis und Genuß sein kann. Diese Möglichkeiten und Potentiale sind das Ergebnis komplexer dialektischer Entwicklungen, in denen sich Tätigkeiten, Fähigkeiten, Bedürfnisse und Genüsse im sozialen Rahmen differenzieren1.

b) Mensch und Natur

Arbeit in ihrer nichtentfremdeten Form wird von Marx als „Wesenstätigkeit“ qualifiziert, die ihren gesellschaftlichen Ausdruck in der Gattungs-, ihren individuellen Ausdruck in der Lebenstätigkeit erhält1. Diese Tätigkeit vermittelt die Beziehung von Mensch und Natur2, die zwar eine Einheit bilden, jedoch nicht identisch sind, und deshalb diese Vermittlung erforderlich machen3.

Charakteristisch für die Teile dieser Totalität ist ihr wirkliches, sinnliches, natürliches, gegenständliches Wesen4. Menschen, „Produkte“ der Natur, sind menschliche Naturwesen. Die Natur ist ihr „unorganischer Körper“5. Um diese Einheit zu erhalten, ist eine aktive Beziehung notwendig6. Dabei befinden sich die Individuen in einem Abhängigkeitsverhältnis zur Natur. Und zwar nicht nur, weil diese die Grundlage ihrer physischen Existenz ist, sondern weil deren sinnlich erfahrbare, gegenständliche Universalität bestimmend auf die Vielfalt der Menschen wirkt7. Auf der Tätigkeit basiert somit potentielle menschliche Selbständigkeit8, weil ein Zusammenhang von Not und Bedürftigkeit sowie Freiheit und Universalität gegeben ist. Allerdings darf diese Form der Freiheit nicht mit der Fiktion von „absoluter“ Freiheit verwechselt werden, weil Menschen – trotz aller Dynamik und Entwicklungsfähigkeit – immer wieder an Grenzen stoßen, die zwar potentiell aufhebbar sind, sie jedoch als beschränkte Wesen charakterisieren9.

Menschen unterscheiden sich von der Natur zunächst dadurch, dass sie ihre Bedürfnisse außerhalb ihrer Person vorfinden. Sie müssen tätig werden, um zur Befriedigung dessen zu gelangen. Motiviert wird diese Tätigkeit also durch „...die nach seinem Gegenstand energisch strebende Wesenskraft des Menschen“ 10. Dabei fungiert die Natur einerseits als unmittelbares Lebensmittel, andererseits als materielle Basis der menschlichen Arbeit11. Ihre Universalität „begrenzt“ die Vielfalt der Menschen. Aber „der Mensch ist ein beschränktes Naturwesen, das sich als Ganzes verhält, tätiges Subjekt wird, spontanes Leben, bestrebt, sich zu konsolidieren und zu steigern – ein endliches Wesen, das sich unendliche Möglichkeiten eröffnet – der Mensch ist imstande, sich auf eine höhere Daseinsstufe zu erheben und über seine Ausgangspunkt hinauszugelangen“ 12.

[...]


[1] MEW 1, S. 634-637

[2] MEW 1, S. 637; MEW 40, S. 672-673; zur geplanten Veröffentlichung der “Manuskripte” vgl. MEW 27, S. 618, 672. Jenny Marx, die sich zu dieser Zeit mit ihrer Tochter in Trier aufhielt, schildert in den Briefen an ihren Mann die schwierige finanzielle Situation der Familie. Vgl. MEW 40, S. 647, 648, 650, 652, 677

[3] MEW 27, S. 617-618

[4] MEW 1, S. 637

[5] MEW 27, S. 5-13

[6] MEW 27, S. 8, 9

[7] MEW 27, S. 6, 7, 10, 618-620. Vgl. dazu auch Moses Heß, S. 248-249, der 1843 in der „Adresse an Dr. Bluntschli“ für dessen Bericht über die Kommunisten in der Schweiz „einen feierlichen Dank“ übermittelt. Denn mit dieser Publikation habe sich Bluntschli, wenn auch wider Willen, „...um die Sache des Communismus große Verdienste erworben“, weil damit eine Diskussion angeregt worden sei.

[8] Meszaros geht davon aus, dass die Manuskripte“ als offenes System in statu nascendi unabgeschlossen bleiben mußten, vgl. a.a.O., S. 12-14, 24, 121; Marcuse, S.136; Taubert, S. 232, 239; Rosenberg, S. 131

[9] Meszaros, S.293; Popitz, S. 139; Lukacs, S. 332

[10] Schmidt, S. 130-131, weist darauf hin, dass Marx in den „Manuskripten“ noch den Feuerbachschen Idolen „Mensch“ und „Natur“ verbunden ist. Formale und inhaltliche Parallelen sind auch durchaus vorhanden. Jedoch haben beide unterschiedliche Ausgangspunkte. Denn während Feuerbachs Kritik hauptsächlich den monotheistischen Formen des Aberglaubens gilt, basiert Marx’ Entfremdungskonzept auf dem Begriff der Arbeit. Die in den „Manuskripten“ benutzte Sprache ist manchmal komplizierter, als es zunächst erscheint. Termini wie „natürlich“, „sinnlich“ oder „gegenständlich“ sind synonym, stehen zuweilen aber auch für differente Inhalte, z. B. wenn es um das gegenständliche Wesen von Mensch und Natur geht. Ferner ist zu berücksichtigen, in welchem Zusammenhang ein Begriff gebraucht wird. Ein gutes Beispiel für die Doppeldeutigkeit bestimmter Kategorien ist der Begriff der Vergegenständlichung. Im nichtentfremdeten Kontext steht er für die freie Objektivierung individueller Fähigkeiten („Wesenskräfte“) innerhalb eines gesellschaftlichen Zusammenhangs. Wird er hingegen zur Beschreibung entfremdeter Verhältnisse benutzt, bedeutet Vergegenständlichung die Entäußerung des gesellschaftlichen Potentials im sozial beschränkten Tätigkeitsbereich der Individuen. D. h., dass der Begriff, der einmal die freie Entfaltung individueller Fähigkeiten auf der Grundlage gesellschaftlicher Potentiale bezeichnet, auf der anderen Seite für deren Enteignung steht. Vgl. weiter Ludwig Feuerbach, Das Wesen des Christentums; Oppolzer, S. 274, 275; Meszaros, S. 16, 19, 276, 295; Oisermann, S. 40, 70; Lukacs, S. 341.

[11] Marcuse, S. 136, 137, 167; Meszaros, S. 15,16, 22; Schaff, S. 65; Lukacs, S. 331; Korsch, S. 98-99; Popitz, S. 108-109; Lefebvre, S. 50, 81; Henri Lefebvre, Le materialisme dialectique, S. 46-47; MEW 23, S. 27; MEW 40, S. 467; Heinz Hülsmann, Karl Marx – Antagonismus und Eigentum, S. 27; gegensätzliche Meinung bei Metzke, S. 4, 10

[12] Meszaros, S. 24-25; Morf, S. 51; Oisermann, S. 40; Rosenberg, S. 132; Taubert, S. 238

[13] Fromm, S. 5-6; Friedrich, S. 100; Korsch, S. 78; Schaff, S. 135, 136

[14] Mandel, S. 156-157, 161; Schaff, S. 10, 132-136; Meszaros, S. 276, 294; Schmidt, S. 130; gegensätzlich Cornu, S. 174, 176. Als Beispiel für derartige Veränderungen sei hier auf Marx’ Verhältnis zu Proudhon verwiesen. Vgl. dazu MEW 1, S. 108, MEW 40, S. 520. Zum Nachweis der Kontinuität vgl. MEW 40, S. 512, wo es heißt: „Je mehr der Arbeiter sich ausarbeitet, um so mächtiger wird die fremde gegenständliche Welt, die er sich gegenüber schafft...“ Vgl. dazu auch MEW 23, S. 674 sowie MEW 25, S. 95, wo Marx schreibt: „Endlich verhält sich...der Arbeiter in der Tat zu dem gesellschaftlichen Charakter seiner Arbeit, zu ihrer Kombination mit der Arbeit andrer für einen gemeinsamen Zweck, als zu einer ihm fremden Macht...“ Vgl. weiter MEW 40, S. 518, MEW 10, S. 126; MEW 6, S. 400-401

[15] Schmidt, S. 67; Mandel, S. 176, 179; Fromm, S. 44, 48; Schaff, S. 30,67; Nicolaides, S. 1, 11

[16] Marcuse, S. 141, spricht von einer Darlegung der „Wesensgeschichte des Menschen“; Morf, S. 63; Cornu, S. 175; simplifiziert, wenn er Marx die Einteilung der Geschichte in eine gute und eine schlechte Periode unterstellt; zur Dynamik vgl. Oisermann, S. 82; Meszaros, S. 227-228, 230-231; gegensätzlich Ramm, S. 103; Popitz, S. 138, 139, der meint, Marx’ Arbeit sei von der „absoluten Sündhaftigkeit“ seiner Zeit inspiriert – ohne jedoch zu erklären, was das denn sein soll – benutzt, sofern es sich um entfremdete Verhältnisse handelt, den Begriff der Progressivität. Dieser Begriff ist aber ungeeignet, weil gesellschaftliche Bewegungen nicht grundsätzlich fortschrittlich sind, sondern in unterschiedliche Richtungen gehen können.

[17] Morf, S. 65; Oisermann, S. 83-84

[18] MEW 13, S. 636; Taubert, S. 234

[19] Popitz, S. 142, 146, fordert, die Entfremdung zu terminieren, so als sei sie plötzlich und unerwartet aufgetaucht. Ferner unterstellt er Marx die Kritik eines einzigen Produktionsverhältnisses, um die Entfremdung, möglicherweise Produkt „absoluter Sündhaftigkeit“, in die Gegenwart des 19. Jh.s verlegen zu können. Derartige Feststellungen sind aber eher seiner bürgerlichen Intention bzw. seinem ignoranten Umgang mit den „Manuskripten“ zuzuschreiben. Oppolzer, S. 283, geht davon aus, dass in der „Urgesellschaft“ kein Entfremdung existierte. Die nicht zu beantwortende Frage, wie entfremdete Verhältnisse aus nichtentfremdeten entstanden sein könnten, stellt er sich nicht. Fromm, S. 49, 54, geht sogar soweit zu behaupten, Marx betrachte die Menschheitsgeschichte als Geschichte ihrer Entwicklung und der gleichzeitig wachsenden Entfremdung. Dabei ist für Fromm das Proletariat die am meisten entfremdete Klasse. Er interpretiert Marx’ Ziel als Wiederherstellung nichtentfremdeter Verhältnisse. Abgesehen davon, dass es so zu einer Idealisierung der Vergangenheit kommt, führt eine derartige Betrachtung der Entfremdungsproblematik in ihrer Umkehrung zu der simplen Behauptung, das Proletariat sei entfremdeter als beispielsweise Sklaven oder auch deren Eigentümer. Entfremdung wird somit auf eine quantitative Größe reduziert, während qualitative Aspekte unberücksichtigt bleiben. Vgl. dazu auch MEW 40, S. 535, 538

[20] Oisermann, S. 83; Meszaros, S. 148; MEW 23, S. 93

1 Es muß hier darauf hingewiesen werden, dass die Fähigkeiten eines Menschen nicht mit dem allgemeinen Potential einer Gesellschaft gleichgesetzt werden können. Mehr dazu im Verlauf der Arbeit. Vorerst nur soviel: Unabhängig von der Gesellschaftsformation sind individuelle Potentiale immer nur ein bestimmter Ausdruck gesellschaftlicher Möglichkeiten. Wichtig ist jedoch die Frage, auf welcher gesellschaftlicher Grundlage individuelle Potentiale entstehen. Für die Analyse der „Manuskripte“ ist die Erkenntnis wichtig, dass die geforderte freie und bewußte Entwicklung der Individuen ein politisches Ziel ist. Dieses ist nicht gleichzusetzen mit der Ausdehnung proletarischer Lebensweisen. Die 1844 von Marx entwickelten Zukunftsperspektiven sind auch keine simple Negation bürgerlicher Existenzen. Die Entfremdungstheorie verfügt über einen eigenen emanzipatorischen Gehalt, der im folgenden dargestellt wird.

1 MEW 40, S. 516, 517, 557

2 Eschke, S. 52, 58; Cornu, S. 175; Kusnezow, S. 49, 52, weist darauf hin, dass natürliche Bedürfnisse (z. B. Hunger), die Einheit von Mensch und Natur bestätigen, während gesellschaftlich entwickelte Bedürfnisse (z. B. Kunst), den Unterschied zur Natur, aber auch das Gattungsein des Menschen betonen.

3 Fetscher, S. 45; Lefebvre, S. 93, 95, 106; Lukacs, S. 338-339; Marcuse, S. 148; Schmidt, S. 78; Schaff, S. 61

4 MEW 40, S. 578, 579; Friedrich, S. 119; Schmidt, S. 79

5 MEW 40, S. 516, 546, 579

6 MEW 40, S. 516; Korsch, S. 128-129; Kusnezow, S. 48-49; Schmidt, S. 23; Marcuse, S. 154; Metzke, S. 16; Lukacs, S. 340; Fromm, S. 52

7 MEW 40, S. 515-517

8 Eschke, S. 55; Fromm, S. 44

9 Meszaros, S. 208; Marcuse, S. 155; Oppolzer, S. 200-201; Mandel, S. 158-159, 167

10 MEW 40, S. 579 sowie ebd., S. 544; Lefebvre, S. 93, 94; Kusnezow, S. 43; Popitz, S. 119; Seidel/Ulmann, S.80, 81, 83-84, bemerken, dass grundsätzlich jeder Mensch fähig ist, an dem von der „Wesenskraft“ motivierten sozialen Prozeß teilzunehmen, indem er sich selbst äußert bzw. sich gesellschaftliches Erfahrungsgut aneignet.

11 MEW 40, S. 516; Schmidt, S. 79; Lefebvre, S. 92, 123

12 Lefebvre; S. 107 (Unterstreichung von mir, A.N.); MEW 40, S. 515, 516; Friedrich, S. 119, 120; Marcuse, S. 147

Fin de l'extrait de 67 pages

Résumé des informations

Titre
Marx' Analyse nichtentfremdeter und entfremdeter gesellschaftlicher Verhältnisse am Beispiel der "Ökonomisch-philosophischen Manuskripte" von 1844
Université
University of Hannover
Note
1,0
Auteur
Année
1995
Pages
67
N° de catalogue
V59421
ISBN (ebook)
9783638533690
ISBN (Livre)
9783638694292
Taille d'un fichier
554 KB
Langue
allemand
Mots clés
Marx, Analyse, Verhältnisse, Beispiel, Manuskripte
Citation du texte
Dr. Antje Nicolaides (Auteur), 1995, Marx' Analyse nichtentfremdeter und entfremdeter gesellschaftlicher Verhältnisse am Beispiel der "Ökonomisch-philosophischen Manuskripte" von 1844, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59421

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