Dass die Digitalisierung das Recht vor neue und grundlegende Herausforderungen stellt, offenbart sich schon dadurch, dass sich unter anderem die zivilrechtliche Abteilung des 71. Deutschen Juristentags, als auch die Zivilrechtslehrertagung im September 2017 intensiv mit dem Thema beschäftigt haben. Die Auswirkungen auf das Gesellschaftsrecht wurden dabei erstaunlicherweise vernachlässigt und auch sonst beschränkte sich das spärliche Schrifttum tendenziell auf die Möglichkeiten, welche die verbesserte elektronische Kommunikation und der Informationsaustausch über das Internet bieten.
Daher stellt sich die Frage, welche Auswirkungen dies auf die Vorstandspflichten hat: Inwieweit kann das gesellschaftsrechtliche Instrumentarium für algorithmenbasierte Leitungsentscheidungen herangezogen werden? Wer haftet bei fehlerhaften Entscheidungen? Kann eine Nutzungspflicht bestehen? Können Algorithmen selbst Geschäftsleiter sein? (C.) Neben diesen allgemeineren Fragen, werden die Besonderheiten bei algorithmischen Entscheidungen im juristischen Kernbereich durch Legal Tech untersucht. Zunächst werden jedoch kurz die zentralen Auswirkungen der Digitalisierung auf traditionelle Leitungsaufgaben und Kompetenzverschiebungen erörtert (B.).
Während dies zweifellos auch folgenschwere Erscheinungsformen der Digitalisierung sind, handelt es sich doch um eher formale Auswirkungen. Die fundamentaleren Fragen des Gesellschaftsrechts werden maßgeblicher beeinflusst, durch die Möglichkeiten und Folgen, die der sich schnell verbreitende Einsatz von selbstlernenden Algorithmen bzw. Künstlicher Intelligenz mit sich bringt. Seit Anfang 2018 hat sich erfreulicherweise auch die deutsche juristische Literatur vermehrt mit solchen „materiellen“ Auswirkungen der Digitalisierung beschäftigt. Im Mittelpunkt dieser Entwicklung stehen vor allem Daten, deren Sammlung, Analyse und Auswertung, um darauf basierend, genauere Vorhersagen zu treffen. Da der Einsatz von selbstlernenden Algorithmen dort am meisten Sinn macht, wo die komplexesten und auf zahlreichen Daten basierenden Prognoseentscheidungen getroffen werden, werden sie vermehrt bei unternehmerischen Leitungsentscheidungen im board room eingesetzt.
Inhaltsverzeichnis
- A. Einleitung
- B. Auswirkungen auf die Leitungsaufgaben / Kompetenzverschiebung
- C. Der Einsatz von Algorithmen und seine gesellschaftsrechtlichen Implikationen
- 1. Eigene Rechts- und Organfähigkeit - Algorithmen als Geschäftsleiter?...
- 2. Delegation von Entscheidungen an Algorithmen
- a) Möglichkeiten und Grenzen der Delegation (Dogmatik der ,, vertikalen" Delegation)
- b) Übertragbarkeit der Grundsätze auf Algorithmen?
- c) Anknüpfungspunkte zur Entwicklung algorithmischer Organisationspflichten
- d) Verpflichtung zum Einsatz von Algorithmen?
- 3. Verantwortung/ Haftungsfragen
- a) Haftung für fremdes Verschulden über §§ 278, 831 BGB?
- b) Anwendbarkeit der Haftungsregeln der vertikalen Delegation?
- c) Aufstellen von Organisationspflichten / Lösung: § 80 II WpHG analog?
- d) Kategorien ,,falscher" Algorithmenentscheidungen
- e) Besonderheiten bei Legal Tech/,,Ision“ Entscheidung
- D. Thesen....
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit dem Einfluss der Digitalisierung auf die Vorstandspflichten. Im Mittelpunkt stehen die Herausforderungen, die sich durch den Einsatz von Algorithmen für die Unternehmensführung und die rechtliche Verantwortlichkeit ergeben.
- Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Leitungsaufgaben und die damit verbundene Kompetenzverschiebung
- Die rechtlichen Implikationen des Einsatzes von Algorithmen, insbesondere die Frage der Organfähigkeit und Delegation von Entscheidungen
- Die Verantwortungs- und Haftungsfragen im Zusammenhang mit Algorithmenentscheidungen
- Die Entwicklung von Organisationspflichten für den Einsatz von Algorithmen
- Die Besonderheiten der Anwendung von Legal Tech und ,,Ision" Entscheidungen
Zusammenfassung der Kapitel
- A. Einleitung: Dieses Kapitel legt den Grundstein für die Untersuchung, indem es den Forschungsgegenstand und die Relevanz der Thematik erläutert.
- B. Auswirkungen auf die Leitungsaufgaben / Kompetenzverschiebung: Dieser Abschnitt analysiert, wie die Digitalisierung die Aufgaben und Kompetenzen des Vorstands verändert und welche neuen Herausforderungen sich daraus ergeben.
- C. Der Einsatz von Algorithmen und seine gesellschaftsrechtlichen Implikationen: In diesem Kapitel wird die rechtliche Einordnung von Algorithmen im Kontext von Unternehmensführung und Vorstandspflichten diskutiert. Es werden insbesondere die Fragen der Organfähigkeit, Delegation von Entscheidungen und Verantwortungszuschreibung untersucht.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beleuchtet zentrale Themen wie Digitalisierung, Vorstandspflichten, Algorithmen, Delegation, Verantwortung, Haftung, Organisationspflichten, Legal Tech, ,,Ision" Entscheidung und gesellschaftsrechtliche Implikationen.
- Citar trabajo
- Florian Thrun (Autor), 2018, Der Einfluss der Digitalisierung auf die Vorstandspflichten. Digitalisierung im Bürgerlichen Recht, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/594707