Anmerkungen zum Studium des Marxismus-Leninismus


Essai Scientifique, 2020

15 Pages


Extrait


Anmerkungen zum Studium des Marxismus-Leninismus

„Die materialistische Lehre von der Veränderung der Umstände und Erziehung vergißt, daß die Umstände von Menschen verändert und der Erzieher selbst erzogen werden muss“. 1.

Das Studium des Marxismus-Leninismus ist ein unerschöpfliches Thema. Ich möchte heute auch nur zwei Themen anschneiden, gewissermaßen anstimmen, Denkanregungen geben; zunächst prüfe die Leserin und der Leser jedoch, ob ich überhaupt auf dem richtigen Wege bin.

Im Fäulnismilieu der spätbürgerlichen Gesellschaft, deren kulturelle Verwahrlosung mit Händen greifbar ist, so dominiert im Fernsehen eindeutig ‚Mord und Totschlag‘ als durchgängige, durchaus richtige Widerspiegelung des perversen Gehalts dieser Gesellschaft, zieht es fortschrittliche junge Menschen zum Marxismus hin, als eine alternative Ausrichtung, die das unerträglich Perverse nicht reformieren, sondern abkappend zu überwinden anstrebt. Es ist vor allem die ekelhafte Alltäglichkeit, die aufgeweckte junge Menschen fliehen lässt. Angesichts der weltweiten, zum Teil blutigen Klassenkonflikten mit Elementen der schmutzigen Kriegführung, angesichts der Tatsache, dass alle drei Minuten ein Mensch an Hunger stirbt, besteht die Hauptsorge von Millionen und Abermillionen Spießerhausfrauen darin, ihre Wohnung blitzsauber zu halten. Hier liegt ohne Zweifel aus ‚ekler Reinheit‘, ein Ausdruck des jungen Hegel, sich herausgebildete kriminelle Energie vor, die der unterlassenen Hilfeleistung aus bornierter Einkapselung. Die Wohnung ist sauber, der Charakter ist schmutzig. Wir leben in urbanen Lokalitäten, in denen humanistisches Potential weitgehend ausgestorben ist, in denen Intellektuelle Romane lesen. Die Zahl der an Depressionen Erkrankten steigt ständig, die der Suizide auch. Bald werden gesunde Menschen durch die Pharmamafia eine exotische Rarität sein. Schon Einstein machte für die Depressionen und für die Lähmung des sozialen Bewusstseins den Kapitalismus verantwortlich. „Diese Lähmung des Einzelnen halte ich für das größte Übel des Kapitalismus. Unser ganzes Bildungssystem leidet darunter. Dem Studenten wird ein übertriebenes Konkurrenzstreben eingetrichtert und er wird dazu ausgebildet, raffgierigen Erfolg als Vorbereitung für seine zukünftige Karriere anzusehen“. 2. Sodann spricht sich Einstein für eine Plan wirtschaft aus, in der ein Bildungssystem vorliege, das sich an sozialen Zielsetzungen orientiert. Einstein weiß, dass das noch keinen Sozialismus bedeutet.

Es ist ein ‚Dogma‘ des Marxismus, dass nur die industrielle Arbeiterklasse unter Führung ihrer aus ihr eine geschlossene Kraft schaffenden Partei aus dieser Misere herausführen und den Grundstein für eine neue Gesellschaft legen kann. Dieses Fundamentale fasziniert, sein bisher durch bürgerliche Institutionen verkorkstes Leben abzubrechen, um es neu zu begründen und neu zu gestalten. Man will ein anderes Universum sehen und ein anderer Mensch werden wie weiland Rousseau während seiner Metanoia 1749. Der Marxismus bzw. der wissenschaftliche Sozialismus setzt eine gewisse Höhe des Bildungsstandes und des Abstraktionsvermögens voraus, er arbeitet mit Abstraktionen und kommt ohne Allgemeinbegriffe nicht aus: Wert und Geld, Kapital, (absoluter und relativer) Mehrwert, Arbeitslohn, Kapitalakkumulation … etc. Die Ware enthält als Gebrauchswert nichts Kompliziertes an sich, als Tauschwert alle Widersprüche der bürgerlichen Gesellschaft in sich. Der Idealist Hegel beginnt mit der Idee des Seins, mit dem reinen Sein; Marx mit der Ware in ihrer Doppelgestalt, als lapidare und als Grille.

In der fortschrittlichen Arbeiterbewegung lag immer ein Streben nach Bildung vor, Arbeiterbildungsvereine wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in fast allen großen Städten gegründet. Der Proletarier war nicht länger der mittelalterliche Bauer, dem in der Messe in lateinischer Sprache gepredigt wurde, die er nicht verstand. Erst Luther hat die Bibel übersetzt und war entsetzt, dass ein Teil der Bauern sie wie Müntzer las. Die Arbeiterklasse beachtet die zwiefache Bildung, wie sie denn überhaupt alles doppelt sehen muss. Es gibt Bildung und Bildung. Die bürgerliche geht auf den Stammvater der neuzeitlichen Philosophie, auf Descartes zurück, durch dessen Denken sich der Akzent vom Glauben zum Wissen verschob. Unter Bildung versteht man gemeinhin eine Ansammlung von Wissen und mit der Bildung wollte man alte Mächte bezwingen. Wissen sei Macht. Nicht erst Kant, dem das zugeschrieben wird, bereits der mechanische Materialist La Mettrie drängte den Menschen dazu, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen. Das Gehirn speichert für ihn maschinell. Rousseau witterte das mechanische Kalkül hinter diesem Bildungsbegriff der bürgerlichen Aufklärung und folgte einem anarchistischen Impuls. Der gute Wilde verkauft morgens sein Bett, ohne daran zu denken, dass er es abends wieder braucht. Als Rousseau aus Genf weglief, war seiner erster Akt der Befreiung das Wegschleudern seiner Uhr. So sehr dominierte bereits der kleine Diktator am Arm, dass der Deismus in Gott einen Uhrmacher sah. Wir können heute ohne den kleinen Diktator nicht mehr leben, alles bräche zusammen. Für Hegel bildet sich der Mensch durch Arbeit, sie sei gehemmte Begierde, aufgehaltenes Verschwinden oder sie bildet. Das führte zu einem merkwürdigen Emanzipationsbegriff, der unproduktive Herr konsumiert bloß und verblödet quasi, kann sich gar nicht bilden, während der Knecht durch Arbeit Herr wird. Die Arbeiterklasse blickt nicht wie Rousseau zurück, übernimmt auch nicht von Hegel die Parole ‚Arbeit macht frei‘. Sie sperrt sich gegen eine bloße gegenwartsbezogene Sammlung von Wissen aus Nützlichkeitserwägungen heraus. Zwar ist auch für sie Wissen Macht, um aber Macht und Profit durch Volkseinheit zu überwinden. Die Arbeiterklasse lernt anders, nicht regressiv wie das Bürgertum, das seine Kinder durch Nachhilfepauker auf Biegen und Brechen ins Abitur nötigt. Das Bürgertum ist heute eine unterdrückende Klasse, die Arbeiterklasse trägt die Fahne der Freiheit, beide bilden sich; bilden sich entgegengesetzt heraus.

Kurz nach dem Oktoberumsturz wurde bereits im Dezember 1917 ein Dekret zur Überwindung des Analphabetentums verkündet. Es ist der gleiche Lerneifer, bei Bauern und bei Proletariern. Die fortschrittliche Jugend ist lernbegierig. Unter den angehenden marxistischen Revolutionären dominieren die Hochschüler, während der Anteil der Arbeiter- und Bauernkinder an der Studentenschaft der deutschen Universitäten minimal ist. Sie aber wären gerade das Potential klassengemäßen Aufschreis, der Theorie gemäß global durchdringend, während die Bürgerkinder versuchen, der Fatalität eines tautologischen Lebens zu entkommen. Die Mehrzahl derjenigen, die sich ernsthaft mit den sozialistischen Klassikern auseinandersetzt, kommt also aus der Gegenwelt. Aufgewachsen im bürgerlichen Milieu, mit bürgerlichem Wissen vollgepaukt. Bereits Rousseau sah in der bürgerlichen Erziehung eine Dressur auf Erfolg hin. Die Lehrer in Frankreich würden die Schüler erziehen, um nur einmal zu glänzen, in der Prüfung, um dann nie wieder etwas zu sein. Der lernintensive Marxismus (Lenin: Lernen, lernen, lernen!) kann nicht eingepaukt werden im bürgerlichen Sinn. Unter der Diktatur des Proletariats wird anders diktiert als unter der der Bourgeoisie. Es ist ein Gegenüber von bewusster Disziplin und stumpfsinnigem Drill. Und nicht nur das. Seit dem Aufkommen des Antagonismus zwischen Proletariat und Bourgeoisie sind große Veränderungen in diesem Verhältnis eingetreten. Das Proletariat wird immer fortschrittlicher, die Bourgeoisie immer reaktionärer. Die Arbeiterbewegung begann mit einem Sturm auf fremde, konkurrierende Waren, auf die Maschinen; die imperialistische Bourgeoisie zertrümmerte in Weltkriegen ganze Kontinente. Der klassische Liberalismus bekämpfte die Arbeiterbewegung offen ohne Reformzugeständnisse; der moderne Revisionismus lockt hinterhältig auf den Weg sozialer Reformen. Der Lohnsklave kann sich verbessern, aber nur als Sklave. Bernstein biederte sich an mit dem Satz: ‚Die Bewegung ist alles, das Endziel nichts“ – es ist eine Bejahung von Reformen und eine Verneinung von Revolutionen. 3.

Es ist lange her, dass Engels auf die klassische deutsche Philosophie als eine Quelle des Marxismus hinwies. Diese Quelle ist heute versiegt. Die moderne bürgerliche Philosophie befindet sich in einem Abschwung. Ihr ist das ‚mettle‘ abhandengekommen, das Hegel zum Absoluten trieb. Der Marxismus relativiert dieses, übernimmt aber von Hegel, dass das Ziehen einer Grenze auch bereits ihr Jenseits beinhaltet, (das Kant abschlug). Lenin spricht in diesem Sinne, wenn er sagt, dass die dialektische Logik verlange, immer weiter zu gehen. Man müsse einen Gegenstand allseitig untersuchen. „Wir werden das niemals vollständig erreichen, die Forderung der Allseitigkeit wird uns aber vor Fehlern und vor der Erstarrung bewahren“. 4. Im ‚Kommunistischen Manifest‘ war vor(her)gesehen, dass, nachdem sich das Proletariat aus dem Abfall aller Klassen der bürgerlichen Gesellschaft rekrutiert hat, in einer revolutionären Situation auch Teile der Bourgeoisie zum Proletariat überlaufen und diesem eine Masse Bildungselemente mitbringen. Die Frage nach der heutigen Qualität dieser Bildung einer dekadenten Klasse ist aufzuwerfen. Was Marx und Engels noch positiv bewerteten, ist zu hinterfragen. Wäre die Antwort negativ, so käme die Führung der Arbeiterbewegung den Arbeitern auch theoretisch selbst und nicht Jakobinern zu, dagegen behauptet der klassische Marxismus-Leninismus, umstürzlerisches Bewusstsein könne nur von außen, von Berufsrevolutionären in die Klasse, die alle zu befreien hat, hineingetragen werden. Ist das bereits obsolet? Trifft in unseren Breitengraden noch zu, was Marx und Engels im Manifest über den Manchesterkapitalismus ihrer Zeit schrieben, dass das Kapital von Mann, Weib und Kind den einfachsten, eintönigsten am leichtesten erlernbaren Handgriff verlange? Monotonie im Produktionsprozess verhärtet gemäß dem Gesetz der Korrelation des Wachstums das Gehirn. Zwar verlangt das Kapital heute wesentlich mehr, aber immer noch befindet sich das Produktionsinstrument des Kapitals in einem Käfig, den er am Fließband nicht verlassen darf. Die Formel Hegels, dass Arbeit Bildung sei, war schon zu seiner Zeit gegen den Strich gedacht und im verfremdenden und verkrüppelnden Kapitalismus deplatziert. Der Kapitalismus kann sich auch in den industriell höchstentwickelten Ländern den Luxus der Rotation von einem Produktionszweig in den anderen, was eine Horizonterweiterung der Arbeitenden mit sich bringen würde, nicht erlauben. Steigende technische Versiertheit im Arbeitsprozess lässt diesen unter den gegebenen Bedingungen eine Arbeiteraristokratie ausscheiden, wie dies durch das Kolonialmonopol bedingt bereits im 19. Jahrhundert in England der zu beobachtende Fall war. Gegen diese bürgerliche Entartung wollte Engels gerade die ungebildete Masse der sogenannten einfachen Arbeiter mobilisiert wissen. Und den Edelmalochern stehen heute die Roboter im Nacken. Es kann bald ganz aus sein mit dem human Inhumanen im Produktionsprozess. Wo früher 400 Produktionsinstrumente an eine Mehrwertproduktion gebunden waren, sind es bald nur noch 100. Aber das hat ja auch Auswirkungen. Wie sich das Kapital auch drehen und wenden mag, es kommt aus der revolutionären Zwickmühle nicht heraus. Mit dem Ersatz durch einen Roboter käme nur eine Bewegung an ihr Ende. Der Kreis schließt sich. Die Arbeiter versuchten am Anfang ihrer Bewegung ihren historisch erlangten Grad an Souveränität durch einen destruktiv-lärmenden Sturm auf die Maschinen zu behaupten, der Roboter schleicht sich still und leise dem Produktionsschlachtfeld zu.

Kann die Arbeiterklasse aus sich selbst heraus auch die Theorie ihrer Befreiung weiterentwickeln, auf den Fundamenten der Klassiker aufbauen wie Lenin? Es ergäbe sich das Dilemma, dass mit zunehmender wissenschaftlicher Versiertheit einer Arbeiteraristokratie im bürgerlichen Karrierekontext diese Vorhut im bürgerlichen Sinne, diese Besserverdiener zu einer proletarischen Revolution zunehmend auf Distanz gehen würden. Der Prolet verdummt auf eine Art durch steigenden Lohn, während er sich mehr und mehr als kleiner Bürger herausputzt. Das Proletariat in den Finanzmetropolen ist satt im Vergleich mit den Millionen Kulis auf den vom Finanzkapital unterworfenen Kontinenten der südlichen Hemisphäre, deren Produktionsfeld noch ganz einfach gestrickt ist. Das klassische Proletariat verpufft im Sog einer verdummenden Kulturindustrie, die den Arbeitsvertrag als einen nicht nur juristisch unter Gleichen verfälscht, zusehends zum Kleinbürgertum. Das wurde schon vor Jahrzehnten behauptet und Marcuse machte sich auf die Suche nach alternativen Trägern der Revolution. Der schwatzhafte Rudi Dutschke, der die DDR rätemäßig befreien wollte, die Ausgeburt eines Wirrkopfes, hatte aber nicht das intellektuelle Format, als fünfter Kopf in der Phalanx von Marx, Engels, Lenin und Stalin zu erscheinen. Die 68er Bewegung war eine kleinbürgerliche, ihr Untergang lag besiegelt in der Tatsache, dass die ‚Kronstädter‘ mit ihrem romantischen Fluidum, das bunte Halstuch ist noch heute ein Relikt aus dieser aufgewühlten Zeit, von der Zahl her überwogen und nur in der Bejahung der Bankenteignung mit den Parteistalinisten übereinstimmten. So sehr sich auch die Baader-Meinhof-Gruppe von der Romantik der Kommune 1 und den Verbalrevolutionären abtrennen wollte, ihre soziale Herkunft mit dürftigem Organisationsbedarf hat sie immer wieder eingeholt. Nur wenige schafften damals den Sprung in eine höhere Dimension, ins stalinistisch-disziplinierte Parteikaderparadies, sie erreichten den ‚Berg‘, während die Masse der flippigen, ausgeflippten Mitläufer in girondistische Mittelmäßigkeit versank und ihre bürgerliche Natur mehr und mehr verriet. Auch der Versuch von Willi Dickhut, einem idealistisch ausgerichteten Solinger Handwerker, durch eine sogenannte ‚Lehre von der Denkweise‘ in der Studentenbewegung im Trüben zu fischen und eigenes revolutionär-theoretisches Potential aus der Arbeiterklasse freizusetzen, ist kläglich gescheitert, so sehr seine Partei, die MLPD, auch versucht, Dickhuts Kopf als fünften hinter dem Stalins zu platzieren. Stalin vertrat: „Wie die Lebensweise der Menschen, so ist ihre Denkweise“. 5. Unter dem dicken Hut verbarg sich leider nur ein dünner Kopf. Dieser verdrehte Stalin nach schwarzem Strich und schwarzem Faden: Entscheidend sei die Denkweise. Doch es ist Zeit, diese Einleitung zu beenden und das erste Problem der Vermittlung des wissenschaftlichen Sozialismus zur Sprache zu bringen. 1.Man studiert den Marxismus-Leninismus nicht nach den Maximen der reinen Wissenschaften, wie sie an Schulen und Universitäten des Auswendiglernens und der Abrichtung von Lakaien gepflegt werden, Disziplinen, die angeblich neutral über den Klassen schweben; sondern er ist parteiisch zu studieren, im Sinne der fortgeschrittensten Klasse und im Zusammenhang mit deren gesellschaftlich-revolutionären Praxis. Man sieht, man darf den Marxismus nicht mit dem Ansammeln von Schulwissen oder auswendig zu lernenden Zitaten verwechseln. Der Marxismus ist nicht additiv, nicht theoretisch akkumulativ zu studieren, sondern reziprok mit revolutionärer Praxis. Nur in diesem Zusammenhang ist er zu erlernen und weiterzuentwickeln. „Alles gesellschaftliche Leben ist wesentlich praktisch“. 6. Wir müssen immer im Hinterkopf behalten, dass Friedrich Engels bewusst inmitten der Arbeiterinnen und Arbeiter in Manchester für einige Wochen lebte, bevor er 1844 über die Lage der arbeitenden Klassen in England sein berühmtes Buch schrieb. „Nur in der gemeinsamen Arbeit mit den Arbeitern und Bauern kann man ein wahrer Kommunist werden“. 7. Und eine Erinnerung an die berühmte elfte These über Feuerbach tut auch ganz gut. 8. „Ohne Arbeit, ohne Kampf ist das aus den kommunistischen Broschüren und Werken geschöpfte Bücherwissen über den Kommunismus keinen Pfifferling wert, denn es würde nur die alte Kluft zwischen Theorie und Praxis aufreißen, jene alte Kluft, die der widerwärtigste Zug der alten bürgerlichen Gesellschaft war“. 9.

Der durch die bürgerliche Schulweisheit vorgebildete und verbildete junge Revolutionär oder die ebenso verdummte junge Revolutionärin hat zunächst einen radikalen Bruch mit dem bisher institutionell-traditionell Eingepaukten zu vollbringen. Die bürgerlichen Universitäten verdummen. 10. Wir alle sind gezwungen, unter dem Terror des Finanzkapitals zu lernen, wir werden offiziell pädagogisch auf es ausgerichtet und die Welt des Schachers, so der junge Marx, sei borniert und erschöpfe sich in wenigen Zügen. Die Professoren brennen ein intellektuelles Feuerwerk in den Hörsälen ab, der Musiker Adorno hatte es darin zu einer hohen Meisterschaft gebracht, in der Regel steckt dahinter aber eine Apologie des Kapitals, natürlich auch bei Adorno, und hat sich der Feuerrauch verzogen, kommen nur wenige Züge zum Vorschein.

Zu der professoralen Verdummung kommt eine eminente Fehlerbelastung bei der Herausbildung der öffentlichen Meinung hinzu, also in einem Milieu, in das wir alle verstrickt sind. In seiner Studie über den Philosophen Feuerbach spricht Engels 1888 beiläufig von einem gewöhnlichen ‚gebildeten Bewusstsein‘, das seinen Gedankenstoff aus der Tagespresse ziehe. 11. Damit aber tut sich ein Springbrunnen von Fehlern auf, denn auf dem Gebiet der Politik können die Pressbengels, die ihre Artikel quasi über Nacht schreiben müssen, niemals die entscheidenden ökonomischen Hintergründe der politischen Oberfläche ergründen. Es muss sich also in der bürgerlichen Gesellschaft notwendig ein Sumpf einer sogenannten gebildeten bzw. verbildeten Welt, eine Art Schickeria aus Universitätsprofessoren und Chefredakteuren, ausbilden, die Papierprodukte auf den Markt bringen, in denen es nur so von chaotisch Mannigfaltigem wimmelt, von der Gefahr eines globalen Krieges bis zum Tageshoroskop, dazu die weitere Verdummung durch Werbung. Die marxistische Wissenschaft hat es schwer in der spätbürgerlichen Dekadenzzeit, in der das Salz der Erde dummgehalten wird. Bürgerliche Zeitungen sind eigentlich nur für Wirrköpfe genießbar. Ein kritisches Bewusstsein tut sich dann auch nicht den Zeitungsstoff intus, sondern liest ihn, das Wort ‚studieren‘ ist hier unangebracht, um zu verfolgen, wie der Klassenfeind denkt und auch lügt.

So ergibt sich eben die erste Schwierigkeit, die sich der Vermittlung dieser revolutionären Lehre an die Schülerinnen und Schüler, an die Hochschülerinnen und Hochschüler, unter denen sich sehr sehr wenige Arbeiter- und Bauernkinder befinden, stellt. Sie alle waren noch nie in Manchester. Wie wird der Marxismus an den alten bürgerlichen Institutionen vermittelt? Er wird durchaus als eine Alternative zum Kapitalismus dargestellt, natürlich mit den obligatorischen Negativakzenten, aber selbst wenn diese ausblieben, wird er so vermittelt, dass er ein Angebot sei in der bunten Vielfalt der gesellschaftlichen Palette der politischen Ausgestaltungen des Volkswillens. Kurz: Man könne den Marxismus wählen. So muss das bürgerliche und kleinbürgerliche Gehirn, dass von der Freiheit der Wahl eines Christenmenschen ausgeht, denken. Kann man den Marxismus wirklich wählen unabhängig von der sozialen Provenienz? Hören wir Marx und Engels in jungen Jahren selbst: Das Proletariat, schreiben sie, „macht nicht vergebens die harte, aber stählerne Schule der Arbeit durch. Es handelt sich nicht darum, was dieser oder jener Proletarier und selbst das ganze Proletariat als Ziel sich einstweilen vorstellt. Es handelt sich darum, was es ist und was es diesem Sein gemäß geschichtlich zu tun gezwungen sein wird“. 12.

Was es diesem Sein gemäß geschichtlich zu tun gezwungen sein wird – das geht über jede bürgerliche Schulweisheit, der Mensch sei im Kapitalismus ein freies Wesen, hinaus. Man kann zum Marxismus kein Willensverhältnis herausbilden, ist er doch Ausdruck eines Produktionsverhältnisses, die wissenschaftliche Lehre von der unvermeidlichen Umwälzung der bürgerlichen Produktionsverhältnisse. Die Entdeckung der ökonomischen Bewegungsgesetze der modernen Gesellschaft war der Hauptzweck der wissenschaftlichen Betätigung von Marx mit dem Nachweis, dass auch die bürgerliche Gesellschaft eine auf Klassenausbeutung beruhende ist, dass sie vom Privatkapital in Lohnsklaverei gehalten wird. Hegel begriff sich als ein Mensch, von Gott gezwungen, ein Philosoph zu sein. Marx und Engels begreifen das Proletariat als eine gesellschaftliche Kraft von der von der Geschichte herausgebildeten ökonomischen Grundkonstellation zwischen Lohnarbeit und Kapital gezwungen, revolutionär sein zu müssen, ob es will oder nicht.

[...]

Fin de l'extrait de 15 pages

Résumé des informations

Titre
Anmerkungen zum Studium des Marxismus-Leninismus
Auteur
Année
2020
Pages
15
N° de catalogue
V595912
ISBN (ebook)
9783346220356
ISBN (Livre)
9783346220363
Langue
allemand
Annotations
"Dem Studenten wird ein übertriebenes Konkurrenzstreben eingetrichtert und er wird dazu ausgebildet, raffgierigen Erfolg als Vorbereitung für seine zukünftige Karriere anzusehen." (Albert Einstein)
Mots clés
anmerkungen, marxismus-leninismus, studium
Citation du texte
Heinz Ahlreip (Auteur), 2020, Anmerkungen zum Studium des Marxismus-Leninismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/595912

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