„Denn wenn man nicht sagen kann, dass man nicht meint, was man sagt, weil man dann nicht wissen kann, dass andere nicht wissen können, was gemeint ist, wenn man sagt, dass man nicht meint, was man sagt, kann man auch nicht sagen, dass man meint, was man sagt, weil dies dann entweder eine über flüssige und verdächtige Verdopplung ist oder die Negation einer ohnehin in kommunikablen Negation.“ Wenn Niklas Luhmann sich äußerte, ging es ihm im Allgemeinen nicht um leichte Verständlichkeit, sondern darum, das, was sich sagen lässt, so zu sagen, wie es sich sagen lässt. Dabei wurden Missverständnisse auf Seiten des Lesers bewusst einkal kuliert: „Mein Stil ist ja auch ironisch, um das [die Kontingenz der Theorie] genau zu markieren. Ich will damit sagen, nehmt mich bitte nicht zu ernst oder ver steht mich bitte nicht zu schnell.“ Luhmanns Theorie Sozialer Systeme bereitet deshalb nicht nur soziologischen Laien und ambitionierten Studierenden, „sondern auch [...] Fachleute[n] erhebliche Verständnisschwierigkeiten“. Und zumindest darin scheinen sich Luhmanns In terpreten und Exegeten einig: Bei der Expedition in Luhmanns Theorielabyrinth ist mit Hindernissen zu rechnen, deren Überwindung einen größeren Einsatz verlangt, als einem Durchschnittsintellektuellen im Allgemeinen zuzumuten wäre. Es mag daher kaum verwundern, dass sich die Auseinandersetzung mit Luhmanns Theorieangebot, zumindest im Bereich vermeintlich praktischer Erziehungs wissenschaft, der sich in bester Absicht ›Theorieresistenz‹ auf die Fahnen ge schrieben hat, auf bestenfalls polemische Ablehnung, normalerweise aber auf be harrliche Ignoranz beschränkt. Da sich Luhmanns Hinweise auf die zu erwartenden Vorteile einer detaillierten Kenntnis der Systemtheorie auf einem ähnlichen Ab straktionsniveau wie seine Ausführungen zur Theorie bewegen, halten sich auch die mehr theorieorientierten Versuche innerhalb der Pädagogik damit zurück einen klaren Unterschied zwischen traditionellen Beschreibungen des Erziehungs systems und der systemtheoretischen herauszuarbeiten. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1. Luhmanns Theorie Sozialer Systeme
- 1.1 Luhmanns Theorie Sozialer Systeme, eine Theorieskizze
- 1.2 Grundbegriffe der Systemtheorie
- 1.2.1 System / Umwelt
- 1.2.2 Sinn
- 1.2.3 Doppelte Kontingenz
- 1.2.4 Kommunikation
- 1.2.5 Latenz
- 2. Die Evolution der Gesellschaft
- 2.1 Funktionale Differenzierung der Gesellschaft
- 2.2 Das Erziehungssystem der Gesellschaft
- 2.2.1 Die Autonomie des Erziehungssystems
- 2.2.2 Das Medium des Erziehungssystems
- 2.2.3 Der Code des Erziehungssystems
- 2.2.4 Die Paradoxien des Erziehungssystems
- 3. Zur (Ir)relevanz der Systemtheorie für die Pädagogik
- 3.1 Paradigmenwechsel?
- 3.1.1 Humanontogenese
- 3.1.2 >Postsubjektive< Pädagogik
- 3.1.3 Evolutionäre Pädagogik
- 3.2 Oder widerspruchslose Ablehnung?
- 3.3 Luhmanns Angebot
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Relevanz der Systemtheorie von Niklas Luhmann für die Pädagogik. Dabei wird die Theorie Sozialer Systeme vorgestellt und die Entwicklung der Gesellschaft als evolutionärer Prozess beleuchtet. Im Fokus steht die Darstellung des Erziehungssystems als ein Funktionssystem der Gesellschaft und die Auseinandersetzung mit der Rezeption der Systemtheorie in der Pädagogik.
- Rekonstruktion der Systemtheorie von Niklas Luhmann
- Analyse der Evolution der funktional differenzierten Gesellschaft
- Darstellung des Erziehungssystems als Funktionssystem
- Bewertung der Relevanz der Systemtheorie für die Pädagogik
- Diskussion von Paradigmenwechseln und Ablehnungsreaktionen in der pädagogischen Theorie
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel behandelt Luhmanns Theorie Sozialer Systeme anhand von grundlegenden Begriffen wie System, Umwelt, Sinn, Doppelte Kontingenz, Kommunikation und Latenz. Kapitel 2 erläutert die Evolution der Gesellschaft und zeigt, wie sich die funktional differenzierte Gesellschaft entwickelt hat. Dabei wird das Erziehungssystem als ein Funktionssystem der Gesellschaft dargestellt. Im dritten Kapitel wird die Rezeption der Systemtheorie in der Pädagogik beleuchtet, einschließlich der Debatte um einen Paradigmenwechsel und die Gründe für eine mögliche Ablehnung der Theorie.
Schlüsselwörter
Systemtheorie, Niklas Luhmann, Soziale Systeme, Funktionale Differenzierung, Gesellschaft, Erziehungssystem, Pädagogik, Paradigmenwechsel, Postsubjektive Pädagogik, Evolutionäre Pädagogik.
- Quote paper
- Magister Artium Markus Szczesny (Author), 2006, U4-208 antwortet nicht. Zur (Ir)relevanz der Systemtheorie für die Pädagogik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59611