Kurfürst Joachim II., der Urgroßvater Johann Sigismunds führte 1539 in Brandenburg offiziell die Reformation ein. Zuvor waren, wie auch in anderen Gegenden Deutschlands die Untertanen bereits zum Teil heimlich zum neuen Glauben bzw. zur neuen Konfession übergegangen, bevor sich der Kurfürst offen zu seinem Wechsel bekannte. Dies sei vorausgeschickt, um die Situation, die wir rund 70 Jahre später vorfinden, besser zu verstehen. Denn dem Bekenntniswechsel des Kurfürsten Johann Sigismund im Jahr 1613 war kein Bekenntniswechsel der Untertanen vorausgegangen und so lässt sich auch die verbissene Abneigung der Berliner und Brandenburger gegen die neue Lehre in Folge der Konversion besser verstehen. Diese kurze Vorausschau mag überflüssig erscheinen, ist aber meines Erachtens von eminenter Bedeutung für das Verständnis des hier zu behandelnden Falles. Brandenburg war nicht nur eines der letzten Fürstentümer, das die sogenannte zweite Reformation, also den Wechsel vom lutherischen zum calvinistischen Bekenntnis vollzog, es blieb auch das einzige, in dem der Bekenntniswechsel ausschließlich auf das Kurfürstenhaus beschränkt blieb. In dieser Arbeit soll nun versucht werden, die einzelnen Schritte, die zu dieser Singularstellung führten, aufzuzeigen und zu erläutern, warum der Calvinismus nur auf das Fürstenhaus beschränkt blieb („Hofcalvinismus“). Dabei soll vor allem auf die verschiedenen Methoden des Kurfürsten und seiner Räte zur Einführung und Verbreitung des Calvinismus eingegangen werden. Außerdem soll eine kurze Darstellung des Berliner Aufstandes gegen die Reformierten einen Einblick auf das Verhältnis zwischen reformiertem Herrscherhaus und lutherischen Ständen geben.
Inhaltsverzeichnis
2. Einleitung
3. Die Reformation in Brandenburg
3.1 Die Konversion Joachims II
3.2 Kirchenordnung und Konkordienformel
3.3 Calvinismus in Brandenburg im 16. Jahrhundert
4. Der Bekenntniswechsel Johann Sigismunds
4.1 Der Kurfürst Johann Sigismund
4.2 Reformierungsversuche in Berlin-Brandenburg
4.3 Zugeständnisse des Kurfürsten
4.3.1 Der Bildersturm und der Aufruhr der Stände
5. Schlusswort
6. Literatur
2.Einleitung
Kurfürst Joachim II., der Urgroßvater Johann Sigismunds führte 1539 in Brandenburg offiziell die Reformation ein. Zuvor waren, wie auch in anderen Gegenden Deutschlands die Untertanen bereits zum Teil heimlich zum neuen Glauben bzw. zur neuen Konfession übergegangen, bevor sich der Kurfürst offen zu seinem Wechsel bekannte.[1] Dies sei vorausgeschickt, um die Situation, die wir rund 70 Jahre später vorfinden, besser zu verstehen. Denn dem Bekenntniswechsel des Kurfürsten Johann Sigismund im Jahr 1613 war kein Bekenntniswechsel der Untertanen vorausgegangen und so lässt sich auch die verbissene Abneigung der Berliner und Brandenburger gegen die neue Lehre in Folge der Konversion besser verstehen.
Diese kurze Vorausschau mag überflüssig erscheinen, ist aber meines Erachtens von eminenter Bedeutung für das Verständnis des hier zu behandelnden Falles. Brandenburg war nicht nur eines der letzten Fürstentümer, das die sogenannte zweite Reformation, also den Wechsel vom lutherischen zum calvinistischen Bekenntnis vollzog, es blieb auch das einzige, in dem der Bekenntniswechsel ausschließlich auf das Kurfürstenhaus beschränkt blieb.[2]
In dieser Arbeit soll nun versucht werden, die einzelnen Schritte, die zu dieser Singularstellung führten, aufzuzeigen und zu erläutern, warum der Calvinismus nur auf das Fürstenhaus beschränkt blieb („Hofcalvinismus“)[3]. Dabei soll vor allem auf die verschiedenen Methoden des Kurfürsten und seiner Räte zur Einführung und Verbreitung des Calvinismus eingegangen werden. Außerdem soll eine kurze Darstellung des Berliner Aufstandes gegen die Reformierten einen Einblick auf das Verhältnis zwischen reformiertem Herrscherhaus und lutherischen Ständen geben.
3. Die Reformation in Brandenburg
Da der Schwerpunkt dieser Arbeit auf dem Bekenntniswechsel Johann Sigismunds liegt, stelle ich nur kurz die wichtigsten Stationen der Reformation in Brandenburg dar, um so einen kurzen Überblick über die Situation vor der Konversion Johann Sigismunds zu geben.
3.1 Die Konversion Joachims II
Die Reformation wurde in Brandenburg erst relativ spät eingeführt, am 1. November 1539 empfing Kurfürst Joachim II. vom Brandenburger Bischof in der Spandauer Nikolaikirche das Abendmahl in beiderlei Gestalt, woraufhin auch die adligen und bürgerlichen Stände Brandenburgs dem Kurfürsten folgten.[4] Auch die anderen Städte Brandenburgs führten nach dem 1. November das lutherische Abendmahl ein, so z.B. Frankfurt an der Oder am 11. November und Perleberg am 4. Dezember. Interessanterweise fand das lutherische Abendmahl in Perleberg nur durch kurfürstlichen Zwang statt, da dieser die evangelische Partei unterstützte und sich der Perleberger Pfarrer daher der Gewalt der Evangelischen beugen musste.[5] Diese „erste“ Reformation wurde also auch schon vom Kurfürsten geradezu erzwungen, stand unter dessen Aufsicht und wurde in Teilen Brandenburgs auch gegen den Willen der Bevölkerung durchgesetzt.
Diese Einschätzung unterstützt auch die Durchsetzung der 1540 in Kraft getretenen Kirchenordnung, die Joachim II. mit Hilfe fränkischer Berater und auf der Basis der dort seit 1533 bestehenden Kirchenordnung verfasste. Möglicherweise lässt sich der bis heute geltende Eindruck der „katholischsten“ Reformation in Brandenburg auf die intensive Mitarbeit des Kurfürsten an dieser Kirchenordnung zurückführen. Joachim verweigerte sich den Ratschlägen Melanchthons und Luthers, die die Beibehaltung der katholischen Prozessionen, Umzüge und Gewohnheiten in der Messe ablehnten und eine größere Abkehr von diesen alten Bräuchen verlangten.[6] Kritik wurde also vor allem in Bezug auf die äußere Erscheinung der Gottesdienste geäußert.
3.2 Kirchenordnung und Konkordienformel
Nach dem Tod Joachims II. 1571 führte sein Sohn Johann Georg das Reformationswerk in Brandenburg fort. Hervorzuheben sind für diese Zeit vor allem die Einführung einer überarbeiteten Kirchenordnung (1572) und die Zustimmung zur Konkordienformel (1580). Die neue Kirchenordnung war in erster Linie eine überarbeitete und ergänzte Version der alten. Vor allem die Kirchenverwaltung- und Organisation sollte ausgebaut werden, während calvinistische Lehren abgelehnt wurden und die altkirchlichen Bräuche und Gewohnheiten unangetastet blieben. Neue und alte Vorschriften wurden mit den Schriften Luthers verglichen, um falsche oder uneindeutige Abschnitte zu erfassen und zu beseitigen, wenn sie nicht Luthers Lehre entsprachen. Vor allem wurden Regeln im Umgang mit der Kirche in die Kirchenordnung aufgenommen, z.B. der Kirchgang der Wöchnerin, die Taufe des Kindes oder die Regelung für die einzelnen Feste des Kirchenjahres.[7]
Nachdem 1572 die neue Kirchenordnung festgelegt wurde und im Jahr darauf in Brandenburg veröffentlicht und an alle Pfarreien verteilt wurde, entstand 1577 in der Nähe von Magdeburg im Kloster Bergen die Konkordienformel, die fortan in Brandenburg und allen anderen lutherischen Ländern als feste Bekenntnisgrundlage dienen sollte. Die Konkordienformel umfasste in 12 Artikeln die wichtigsten theoretischen Schriften des Luthertums, die Confessio Augustana, Luthers Kleinen Katechismus, das Tauf- und Traubüchlein sowie Auslegungen der Zehn Gebote und der Sakramente des Abendmahls und der Taufe. Der andere Teil beschäftigte sich vor allem mit der scharfen Abgrenzung der Lutheraner gegenüber Sektierern und radikal Reformierten einerseits und den beiden formierten Konfessionskirchen der Katholiken und Calvinisten. Abschließend wurde die Konkordienformel von den Landesherren, den Theologen und Pfarrern der einzelnen lutherischen Fürstentümer unterzeichnet, insgesamt 50 Fürsten, 38 Reichsstädten und ca. 8000 Geistlichen.[8]
3.3 Calvinismus in Brandenburg im 16.Jh.
Nach der Annahme der Konkordienformel kehrte in Brandenburg wie auch in anderen lutherischen Ländern wieder Ruhe ein. Durch die nun schriftlich fixierte Abgrenzung von Philippisten, den Anhängern Philipp Melanchthons, der stets eine Annäherung an den Calvinismus gesucht hatte und den Calvinisten selbst war man sich seiner Sache und seines Glaubens wieder sicher. Aufgrund dieser Ablehnung wurden aber auch Philippisten und Calvinisten immer stärker zu Feinden des lutherischen Glaubens erklärt.[9] Besonders in Sachsen, dem engsten Verbündeten Brandenburgs, wuchsen die Repressalien und Verfolgungen gegen Calvinisten mit zunehmender Härte. Nachgewiesene Anhänger Melanchthons und Calvins wurden zu Tode gefoltert oder eingekerkert, unabhängig von ihrem Stand oder Ansehen.[10]
[...]
[1] S. Tausend Jahre Kirche in Berlin-Brandenburg. Hg. Gerd Heinrich. Berlin, 1999. S. 161.
[2] Vgl. Rudolf von Thadden: Die Fortsetzung des „Reformationswerks“ in Brandenburg-Preußen. In: Die reformierte Konfessionalisierung in Deutschland- das Problem der „ Zweiten Reformation“. Hg. Heinz Schilling, Gütersloh 1986, S. 234-236.
[3] Ebd. S. 235.
[4] Vgl. Tausend Jahre Kirche . S. 173.
[5] Ebd. S. 174.
[6] Ebd. S. 168.
[7] Ebd. S. 209.
[8] Vgl. Heinz Schilling: Aufbruch und Krise. Deutschland 1517-1648. Berlin 1994, S. 273; und Tausend Jahre Kirche in Berlin-Brandenburg, S. 210/211.
[9] Diese Ablehnung wurde sicher auch dadurch verstärkt, dass die calvinistische Konfession 1555 in Augsburg nicht als eigene Konfession anerkannt wurde und ihr daher auch die Legitimation fehlte.
[10] Vgl. Eberhard Faden: Der Berliner Tumult von 1615. In: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte. Bd 5. Hrsg. im Auftr. d. Landesgeschichtlichen Vereinigung für die Mark Brandenburg e.V, Berlin 1954, S. 28:“[...] zwei seiner Räte starben an der Folter und im Gefängnis, sein Leibarzt Dr. Peucer, Melanchthons Schwiegersohn, ward erst nach achtjährigem Kerker aus der Haft entlassen.“
- Arbeit zitieren
- Saskia Heemsath (Autor:in), 2006, Probleme der Konfessionalisierung in Deutschland dargestellt am Beispiel der zweiten Reformation in Berlin-Brandenburg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59644
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