Das Volkswagen–Beschäftigungsmodell 5000x5000 unter Berücksichtigung transaktionskostentheoretischer Aspekte


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2006

47 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemaufriss
1.2 Erkenntnisziel und Vorgehensweise

2 Transaktionskostentheoretische Vorüberlegungen

3 Problematik der Standortverlagerung in der Automobilindustrie
3.1 Motive für Standortverlagerungen
3.2 Transaktionskosten als Folgen
3.2.1 Kosten der Verlagerung
3.2.2 Kosten des Arbeitsplatzabbaus

4 Das Modell 5000x5000
4.1 Das Projekt
4.1.1 Hintergrund und Idee
4.1.2 Der Verhandlungsmarathon – eine Chronik
4.2 Das Tarifsytem
4.2.1 Die acht Klassifikationsmerkmale
4.2.2 Personalwirtschaftliche Aspekte
4.3 Transaktionskosten des Projekts
4.3.1 Ex – ante Transaktionskosten
4.3.2 Ex – post Transaktionskosten
4.3.3 Messbarkeitsproblematik

5 Transaktionskostentheoretische Gegenüberstellung
5.1 Annahmen
5.2 Ex – ante Transaktionskosten
5.3 Ex – post Transaktionskosten
5.4 Abschließende Betrachtung

6 Fazit, kritische Würdigung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anlagenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Hauptmotiv für die Produktionsverlagerung

1 Einleitung

1.1 Problemaufriss

„Das Konzept, das sich hinter der Auto5000 GmbH verbirgt, in der Öffentlichkeit besser bekannt unter dem Namen 5000x5000 (5000 neue Arbeitsplätze mit jeweils 5000 DM/2556 € Entlohnung), muss in den Kontext einer globalisierten Automobilindustrie mit ihren Einflüssen auf die Volkswagen – Standorte in Deutschland, insbesondere Wolfsburg, eingeordnet werden.“[1]

„Globalisierung“ und „Internationalisierung“ sind die Schlagworte der letzten Jahre, die dazu geführt haben, dass insbesondere die Wettbewerbsintensität und die Unsicherheit auf allen die Automobilindustrie betreffenden Märkten stark zugenommen haben. Um diesen neuen Anforderungen gerecht werden zu können, müssen Unternehmen Strategien entwickeln, die es ihnen ermöglichen, sich dieser neuen Komplexität zu stellen und zukunftsfähige Lösungen zu finden. Neben Formen der Unternehmenskooperationen oder- Konzentrationen haben im Automobilsektor in den letzten Jahren vor allem Standortverlagerungen ins Ausland stark an Bedeutung gewonnen, um international wettbewerbs- und ertragsfähig zu bleiben. Als ein Hauptmotiv für diese Entwicklung lässt sich die auf den ersten Blick[2] günstigere Kostenstruktur ausländischer Produktionsstandorte anführen. Daher hat es in den letzten Jahren vielfach Managemententscheidungen gegen den Standort Deutschland gegeben, die heute in der allgemeinen Standortdebatte um den Produktionsstandort Deutschland gemündet sind. Negative Folge einer solchen Entwicklung ist in erster Linie der Wegfall von Beschäftigungsverhältnissen im Inland. Angesichts der Tatsache, dass in Deutschland jeder siebte Arbeitnehmer in einem direkten oder indirekten Verhältnis zur Automobilindustrie steht[3], ist nicht von der Hand zu weisen, welch starke Relevanz dieser Sektor für den deutschen Arbeitsmarkt darstellt. Als einer der größten Arbeitgeber im Automobilsektor versucht auch der Volkswagen (VW) – Konzern dieser Entwicklung Rechnung zu tragen. Zur Unternehmensstrategie gehört seit langem auch hier die Fertigung im Ausland. Im Zuge der Planung eines neuen Minivan, des VW Touran, zog VW wiederum eine Abwanderung ins vermeintlich kostengünstigere Ausland in Erwägung. Produktionsstandort sollte das Werk Setobal in Portugal sein. Verschiedene Einflüsse, vor allem aus Politik und Wirtschaft, sowie die Debatte um Arbeitslosigkeit in Deutschland, haben jedoch dazu geführt, dass die Entscheidung letztendlich für den Standort Deutschland gefallen ist. Diese Entscheidung war allerdings nur praktikabel, indem ein völlig neuartiges Modell (im Weiteren Synonym verwendet: Projekt) der Beschäftigung am Standort Deutschland entwickelt worden ist. Mit dem VW – Projekt 5000x5000 wurde auf eine sich weiter zuspitzende Beschäftigungsmisere reagiert, um unter den Bedingungen von Globalisierung und Internationalisierung die Zukunft von Industriearbeit in Deutschland – am Beispiel von Automobilbau – zu sichern.

Vor diesem Hintergrund gilt es zu analysieren, ob 5000x5000 als ein spezielles Beschäftigungsmodell der VW AG ein zukunftsweisender Lösungsansatz für die Standortsicherung in Deutschland sein kann.

1.2 Erkenntnisziel und Vorgehensweise

Ausgehend von dem oben beschriebenen Problemkomplex soll das Beschäftigungsmodell 5000x5000 im Zuge dieser Projektarbeit genauestens durchleuchtet und dabei seine Effizienz und Zukunftsfähigkeit beurteilt werden. Hierbei soll der Fokus eindeutig auf transaktionskostentheoretische Aspekte gelegt werden, die eine sinnvolle Beurteilung und Vergleichbarkeit mit Modellen, die dem allgemeinen Trend einer Standortverlagerung ins Ausland folgen, ermöglichen.

Daher erfolgt zunächst eine theoretische Einführung in die Transaktionskostenökonomik, um die Grundlagen dieser Theorie zu erläutern und somit die für den weiteren Verlauf der Arbeit relevanten theoretischen Hintergründe festlegen zu können.

Anschließend bilden in diesem Zusammenhang Standortverlagerungen in der Automobilindustrie den Ausgangspunkt unserer Diskussion. Dabei können jedoch nicht alle Aspekte einer Standortverlagerung Berücksichtigung finden. Nach einer Darstellung der in der Theorie beschriebenen und in der Praxis immer wieder aufgegriffenen Motive für eine Standortverlagerung, soll diese vor allem vor dem Hintergrund sich negativ auswirkender Transaktionskosten beleuchtet werden. Dabei ist es unser Ziel, herauszuarbeiten, dass eine solche Unternehmensstrategie mit beachtlichen Transaktionskosten verbunden sein kann, welche die nicht von der Hand zu weisenden Vorteile durchaus überkompensieren können.

Nach dieser bewusst möglichst kurz gehaltenen Hinführung auf den eigentlichen Problemkomplex dieser Projektarbeit soll danach in Gliederungspunkt vier das VW – Beschäftigungsmodell 5000x5000 unter Zugrundelegung der gleichen Fragestellungen hinsichtlich Effizienz auf der einen Seite und auftretender Transaktionskosten auf der anderen Seite untersucht werden. Dabei ist es zunächst notwendig einen umfassenden Überblick über Hintergrund und Idee des Projektes zu geben, um sowohl die wirtschaftliche, als auch die politische Tragweite dieses Vorhabens zu erläutern. Des Weiteren sollen die acht Klassifikationsmerkmale des diesem Projekt zugrunde liegenden besonderen Tarifsystems, die als konstitutiv für die Innovationsfähigkeit dieses spezifischen Arbeits- bzw. Vertragsmodells angesehen werden, dargestellt werden. Zur besseren Vergleichbarkeit dieses Beschäftigungsverhältnisses sollen im Zuge dessen entscheidende Besonderheiten des Tarifsystems sowohl mit dem VW – Haustarif, als auch mit dem Flächentarif für die Metallindustrie verglichen werden. Da insbesondere das Humankapital ein entscheidender Faktor ist, sollen auch personalwirtschaftliche Aspekte, unterstützt durch eine repräsentative Mitarbeiterevaluation, besondere Berücksichtigung finden. Anschließend sollen die Transaktionskosten des Projekts in die beiden Kategorien der ex-ante und ex-post – Transaktionskosten gegliedert und ihren jeweiligen Kostenträgern zugeordnet werden. Die weitere Unterteilung erfolgt hierbei in selbst gewählte Kostenarten. Da eine genaue Zuordnung unmöglich ist, ist an dieser Stelle besonders auf die auftretende Messbarkeitsproblematik hinzuweisen.

Nach dieser ausführlichen Vorstellung des 5000x5000 – Projekts sollen in Gliederungspunkt fünf die Transaktionskosten einer Standortverlagerung denen des Projekts gegenübergestellt werden. So kann die Spezifität dieses neuen Vertragsmodells und dessen Effizienz gesamtheitlich beurteilt werden.

Im Rahmen des Problemkomplexes soll dann als Hauptziel dieser Projektarbeit folgende Frage geklärt werden: Können moderne, innovative Beschäftigungsmodelle, wie das 5000x5000 – Projekt unter besonderer Berücksichtigung transaktionskostentheoretischer Aspekte ein Lösungsansatz für die Standortsicherung in Deutschland sein?

2 Transaktionskostentheoretische Vorüberlegungen

Da der Fokus unserer Analyse auf der transaktionskostentheoretischen Betrachtung des vorliegenden Problemkomplexes liegt, müssen vorab die grundlegenden Annahmen der Transaktionskostenökonomik allgemein erläutert werden. Aufgrund der Tatsache, dass es zahlreiche Definitionen von Transaktionskosten gibt, und sich im weiteren Verlauf dieser Arbeit auf eine bestimmte Klassifikation der Transaktionskosten beschränkt wird, erfolgt zunächst eine kurze allgemeine Darstellung nach Williamson[4], daraufhin eine Erläuterung der in diesem Zusammenhang wichtigsten Begriffe und Annahmen, eine zeitliche Einteilung der Transaktionskosten und abschließend wichtige Ausführungen zur Messbarkeitsproblematik von Transaktionskosten.

Transaktionskosten sind die Grundeinheiten der Analyse der Transaktionskostentheorie, welche besagt, dass bei jeder Transaktion auch Transaktionskosten entstehen. Transaktion meint die Übertragung von so genannten Verfügungsrechten an Gütern und Dienstleistungen. Transaktionen sind also im Prinzip die expliziten und impliziten (Vertrags-)Verhandlungen über Güter und (Dienst-)Leistungen zwischen mindestens zwei Akteuren. Die Kosten einer Transaktion hängen davon ab, in welcher Koordinationsform die Transaktion stattfindet. Je nach Höhe der Transaktionskosten findet der Güteraustausch demnach horizontal (marktbasiert) oder vertikal (innerhalb einer Unternehmung) statt. Transaktionen sind also dann effizient, wenn die Akteure sie so organisieren, dass sie – im Vergleich zu anderen Vertrags- bzw. Organisationsformen[5] – die geringsten Transaktionskosten aufweisen.[6]

In diesem Zusammenhang geht die Transaktionskostentheorie im Rahmen ihrer Aussagen von einem bestimmten Menschenbild aus, welches sich in drei Verhaltensannahmen ausdrückt: Beschränkte Rationalität, Opportunismus und Risikoneutralität.[7] Beschränkte Rationalität bedeutet, dass die Akteure aufgrund kognitiver Aufnahme- und Verarbeitungsgrenzen (sowie kommunikativer Probleme) im Ergebnis nur unvollkommen rational handeln, obwohl sie rationales Verhalten anstreben.[8] Die Annahme des Opportunismus wiederum unterstellt den Akteuren, dass sie sich gegenüber ihren Vertragspartnern strategisch verhalten, also versuchen, ihre Interessen (auch gegen die Vertragsnorm) durchzusetzen, und dabei auch nicht vor List, Tücke und Täuschung zurückzuschrecken.[9] Schließlich unterstellt die Verhaltensannahme der Risikoneutralität zur analytischen Vereinfachung, dass die Akteure allen Vertrags- oder Organisationsalternativen neutral gegenüberstehen.[10]

Die Kosten einer Transaktion werden vor dem Hintergrund dieser Verhaltensannahmen durch drei Faktoren beeinflusst: Faktorspezifität, Unsicherheit und Transaktionshäufigkeit. Die Faktorspezifität hat hierbei eine besonders große Bedeutung. So kann es in Folge einer Transaktion zu transaktionsspezifischen Investitionen in bestimmte Einsatzfaktoren kommen, wie z.B. in eine produktspezifische Fertigungsanlage oder aber in unternehmensspezifische Qualifikationsmaßnahmen. Die damit verbundenen komparativen Kostenvorteile gehen oftmals mit steigenden Transaktionskosten einher. Auch die Unsicherheit als Merkmal der Transaktion beeinflusst deren Kosten. Unsicherheit entsteht zum einen durch immer komplexer werdende globale Rahmenbedingungen, und zum anderen durch ein schwer vorhersehbares Verhalten der beteiligten Akteure. Vor allem basiert Unsicherheit auf dem potentiell opportunistischen Verhalten der Akteure, welches insbesondere durch vorhandene Informationsasymmetrien, das heißt unterschiedliche Informations- und Wissensstände der Akteure, begünstigt wird.[11] Als dritte Kosteneinflussgröße wird die Häufigkeit der Transaktionen angenommen, weil mit zunehmender Anzahl identischer Transaktionen Potentiale zur Transaktionskostenreduzierung entstehen. Demnach sinken die Transaktions-kosten je Transaktion mit der Zunahme identischer Transaktionen.[12]

Transaktionskosten können anhand ihres zeitlichen Auftretens definiert werden. Die bekannteste Klassifikation dieser Art ist Williamson´s Differenzierung in Ex – ante und Ex – post Transaktionskosten, welche die theoretische Grundlage für unsere Einteilung in zwei grundsätzliche Kosten kategorien und die weitere Analyse des vorliegenden Problemkomplexes ist. Williamson unterteilt Ex – ante Transaktionskosten in Anbahnungs- und Vereinbarungskosten und Ex – post Transaktionskosten in Kontroll- und Anpassungskosten.[13] Konkreter verstehen wir im Verlauf der vorliegenden Arbeit (in Anlehnung an diese Klassifikation) unter Transaktionskosten folgende Kosten arten:

Such-, Anbahnungs-, Informations-, Zurechnungs-, Verhandlungs-, Entscheidungs-, Vereinbarungs-, Abstimmungs-, Abwicklungs-, Absicherungs-, Durchsetzungs-, Kontroll-, Anpassungs- und Beendigungskosten. Es wird angenommen, dass steigende Unsicherheit und Komplexität zur Folge haben, dass die Ex – ante und Ex – post Transaktionskosten steigen, da der Kommunikationsbedarf der beteiligten Akteure steigt, sowie vermehrt Verständigungsprobleme, Missverständnisse oder Konflikte auftreten. Ziel muss es sein, diese Kosten bestmöglich zu minimieren und die mit ihnen verbundene Effizienz bestmöglich zu maximieren.

Letztlich muss für den weiteren Verlauf der Arbeit als entscheidendes Charakteristikum festgehalten werden, dass das größte Problem der Transaktionskostentheorie die genaue Ermittlung und Zuordnung der einzelnen Transaktionskosten zu ihren jeweiligen Kostenträgern ist. Die Beurteilung einer Problemstellung anhand der Transaktions-kostentheorie – so wie sie in der vorliegenden Arbeit zugrunde liegt – ist dennoch sinnvoll. Hierbei muss jedoch beachtet werden, dass eine Messbarkeit von Transaktionskosten oftmals in Dimensionen, nicht immer anhand von konkreten Zahlenwerten erfolgen kann. Die Problematik der Messung und Quantifizierung einzelner Transaktionskostenarten, sowie deren eindeutige, überschneidungsfreie Zuordnung auf Transaktionen sind in der Theorie nur in geringem Maße gelöst worden. Williamson beispielsweise, auf dessen theoretischen Hintergrund bei der Klassifizierung von Transaktionskosten oben bereits verwiesen worden ist, umgeht eine quantitative Untersuchung und schließt qualitativ von der Höhe spezifischer Investitionen auf die Höhe der Transaktionskosten.[14] Diese Herangehensweise dokumentiert einerseits die Problematik bei der genauen Messung von Transaktionskosten, und stellt andererseits das primäre Ziel der Transaktionskostenökonomik heraus. Es wird versucht, in Abhängigkeit von dem aufgespannten Bedingungsrahmen die tendenzielle Entwicklung von Transaktionskosten in den jeweiligen Kategorien zu ermitteln. Dabei soll überprüft werden, inwieweit sich im relativen Vergleich von meist zwei Alternativen[15] die Vorteilhaftigkeit wählbarer Koordinationsformen verändert.[16] Es wird somit deutlich, dass die Transaktionskostentheorie vorwiegend an einer qualitativen Analyse interessiert ist. So rechnen sich viele der nachfolgend sowohl in Gliederungspunkt drei, als auch vier dargestellten Transaktionskosten „irgendwo“ im Sinne eines Kosten-Nutzen-Kalküls, können aber teilweise nicht genau beziffert werden.

Auf konkretere Beispiele der Messbarkeitsproblematik wird in Gliederungspunkt vier im Anschluss an die transaktionskostentheoretische Analyse des Modells 5000x5000 eingegangen.

3 Problematik der Standortverlagerung in der Automobilindustrie

3.1 Motive für Standortverlagerungen

Dass einzelne Unternehmen ins Ausland gehen, ist unbestritten. Und für Arbeitnehmer, deren Beschäftigungsverhältnis gefährdet ist, ist das entscheidend. Gibt es einen generellen Trend zur Standortverlagerung und was sind die Hauptmotive dafür? Zur Einführung in die Problematik gilt es zunächst diese Fragen zu beantworten.

Als Ausgangspunkt der Diskussion ziehen wir eine Produktionsstudie von 2004 heran, die von der Unternehmer-Beratung Droege & Comp. in Kooperation mit dem Fraunhofer Institut Produktionstechnologie (IPT) erstellt worden ist. Darin werden Standortverlagerungen als die Auslagerung von Produktionsstätten ins Ausland mit dem Zweck der Optimierung der globalen Wertschöpfungstiefe bezeichnet.[17]

Aus dieser Produktionsstudie wird ersichtlich, dass durchgeführte und geplante Standortverlagerungen nach dem Anteil der befragten Unternehmen im Zeitraum von 2004 bis 2006 gegenüber dem Zeitraum 2001 bis 2003 von 34% auf 46%[18] steigen werden. Gleichzeitig soll der Abbau von Stellen in der Produktion von 6% im Zeitraum 2001 bis 2003 auf 9% im Zeitraum 2004 bis 2006 steigen.[19] Über derartige statistische Erhebungen und deren Aussagekraft lässt sich zweifelsohne streiten. Dennoch ist ein allgemeiner Trend in Richtung Standortverlagerung als Unternehmensstrategie nicht von der Hand zu weisen und Ausdruck der derzeitigen Standortdebatte in Deutschland. Auch im VW – Konzern gehört dieser Trend seit Anfang der 90er Jahre als ein wesentlicher Bestandteil zur Unternehmensstrategie. So wurde sich zum Beispiel im Zeitraum von 1991 bis 1999 in dreizehn konkreten Fällen (inklusive Beteiligungen und Joint Ventures) gegen den Produktionsstandort Deutschland entschieden.[20]

Zu fragen ist nun nach den Motiven für eine derartige Entwicklung, vor allem vor dem Hintergrund, dass Deutschland immer noch „Exportweltmeister“ ist. Die Existenz und Zunahme von Standortverlagerungen werden im Allgemeinen durch unterschiedliche Kräftefelder bedingt. Zu unterscheiden ist hier zwischen externen Kräften (Kräfte aus der Umwelt des Unternehmens) und internen Kräften (Kräfte aus dem Inneren des Unternehmens). Als bedeutendste externe Kräfte gelten unter anderem:

- Hoher und weiter steigender Wettbewerbsdruck, insbesondere verstärkt durch Globalisierung und Internationalisierung.
- Hoher und weiter zunehmender Grad an Digitalisierung in einzelnen Unternehmensbereichen.
Als wichtigste interne Kräfte sind zu nennen:
- Notwendigkeit zur Kostenreduzierung, vor allem Lohnkosten und Lohnnebenkosten.
- Geringere steuerliche Belastung.
- Umgehung von Wechselkursrisiken und Bürokratie.
- Erschließung neuer Märkte und Sicherung bestehender Märkte.
- Notwendigkeit der Risikodiversifikation.
- Möglichkeit der Fokussierung auf Kernkompetenzen.

Insbesondere die drei erstgenannten Motive für die internen Kräfte können z.B. durch eine Unternehmensbefragung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) aus dem Jahr 2003 untermauert werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Demnach wurden als Hauptmotive für eine Produktionsverlagerung Arbeitskosten (45% der befragten Unternehmen) und Höhe von Steuern und Abgaben (38% der befragten Unternehmen) genannt. Vor allem die hohen Lohnnebenkosten können von vielen Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, nicht mehr getragen werden.

Auch als bei VW die Planung eines neuen Minivan (VW Touran) erfolgte, wurde vor allem aus dem oben beschriebenen Kostenmotiv zunächst Portugal als Produktionsstandort in Erwägung gezogen. Warum sich das Management schließlich doch für den Standort Deutschland entschieden hat soll in Punkt drei dieser Arbeit ausführlich erläutert werden. Für eine Beurteilung dieser Entscheidung gilt es aber zunächst transaktionskostentheoretische Gesichtspunkte einer Standortverlagerung zu betrachten.

3.2 Transaktionskosten als Folgen

Die zuvor angeführten Vorteile bzw. Motive, insbesondere das Arbeitskostenmotiv einer Standortverlagerung, dürfen nicht für sich alleine gesehen werden, sondern eine Gesamtbetrachtung ist erforderlich. Denn unter Zugrundelegung der Transaktionskosten-ökonomik muss davon ausgegangen werden, dass den potentiellen Vorteilen auf der einen Seite steigende Transaktionskosten auf der anderen Seite gegenüberstehen. Diese Transaktionskostennachteile sollen nachfolgend klassifiziert und die Verifizierbarkeit der zuvor getroffenen Aussage untermauert werden.

3.2.1 Kosten der Verlagerung

Gemäß obigem theoretischem Hintergrund erfolgt nun eine eigene Übertragung der zeitlichen Kategorisierung von Transaktionskosten auf den speziellen Fall einer Standortverlagerung, als eine von VW häufig praktizierte strategische Entscheidung. Als ex – ante Transaktionskosten müssen hierbei in chronologischer Reihenfolge ihres Auftretens folgende Kostenarten unterschieden werden:

- Informationsbeschaffungskosten

Wenn Unternehmen eine Errichtung von Produktionsstätten im Ausland in Erwägung ziehen, wie dies bei VW der Fall gewesen ist, müssen Informationen vor allem über Infrastruktur, potentielle Kunden, Lieferanten, Konkurrenten, Steuersystem, Rechtslage, Politik und Humankapital beschafft werden. Diese Art der Informationsbeschaffung ist mit erheblichen Transaktionskosten verbunden, welche in der Regel durch reisen, telefonieren, dem Einbinden von Dolmetschern und Anwälten, sowie der Projektsteuerung entstehen.

- Anbahnungskosten

Auch die Kontaktaufnahme mit z.B. potentiellen Lieferanten, Kunden und Arbeitskräften ist unter Berücksichtigung sprachlicher und kultureller Barrieren an ausländischen Standorten mit hohen Transaktionskosten verbunden.

- Vereinbarungskosten

Vor allem Verhandlungen, Vertragsformulierungen, Einigungen und Abkommen mit ausländischen Partnern unter Berücksichtigung höherer Risikoprämien als im Inland stellen einen weiteren Transaktionskostenblock dar. Höhere Risikoprämien müssen hier einkalkuliert werden, da die Rechtslage in anderen Ländern oftmals unsicherer ist, als in Deutschland. Vor allem hier spielt die von Williamson definierte Unsicherheit eine tragende Rolle.

Als ex – post Transaktionskosten müssen wiederum in chronologischer Abfolge spezifische Kostenarten Berücksichtigung finden:

- Abwicklungskosten

Zur Durchführung solcher Verlagerungsprojekte müssen erneut verschiedene Personengruppen, wie z.B. Anwälte, Dolmetscher, Steuerberater und Makler konsultiert werden. Hinzu kommen Kosten für die Einrichtung von EDV – Anlagen, Maschinen, sowie deren Transport.

- Kontrollkosten

Als Kontrollkosten gelten u.a. die Einhaltung von Termin-, Qualitäts-, Mengen-, Preis- und Geheimhaltungsabsprachen. Außerdem die Kontrolle sämtlicher Prozesse und Verträge, und – wenn notwendig – deren Änderung bzw. Anpassung.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass hohe Koordinations- und Kommunikationskosten[21], welche dem gesamten Prozess einer Standortverlagerung anhaften und sich in jedem der obigen Kostenarten widerspiegeln, dazu geführt haben, dass ein gewisser Trend zur Rückverlagerung zu beobachten ist. Diese Kosten werden von Unternehmen häufig nicht in ausreichender Weise in ihre Kalkulation einbezogen.[22]

Von entscheidender Bedeutung dieser Analyse und der späteren Bewertung ist, dass viele der aufgeführten Transaktionskosten auch bei der Errichtung eines (neuen) Produktionsstandortes innerhalb Deutschlands entstehen. Allerdings kann deren Höhe und Intensität häufig weitaus geringer sein, als bei einer Verlagerung ins Ausland, was durch das Auftreten von länderübergreifenden Transaktionen begründet ist.[23] So kann es beispielsweise vorkommen, dass diese Transaktionskostennachteile die oben erläuterten Kostenvorteile (z.B. Lohnkosten) überkompensieren.

Weitere Transaktionskostennachteile können darüber hinaus durch den Wegfall von Arbeitsverhältnissen im Inland, welche eine direkte Folge der Schaffung von Arbeitsplätzen im Ausland darstellen, auftreten. Dieser weitere Effekt einer Standortverlagerung wird im nächsten Gliederungspunkt erläutert

[...]


[1] Klobes, F. (2005), S. 177.

[2] Diese Aussage soll im weiteren Verlauf unter transaktionskostentheoretischen Aspekten genau analysiert

werden.

[3] Vgl. Pointner, W. (2003), S. 47.

[4] Vgl. Williamson, O.E. (1985), S. 41 ff.

[5] Vor allem die Struktur verschiedener Organisationsformen bildet für die weitere transaktionskosten-

theoretische Analyse und den Vergleich ein entscheidendes Effizienzkriterium.

[6] Vgl. Williamson, O.E. (1985), S. 22.

[7] Vgl. Williamson, O.E. (1985), Kapitel 2.

[8] Vgl. Williamson, O.E. (1985), S. 45 ff.

[9] Vgl. Williamson, O.E. (1985), S. 47-50.

[10] Vgl. Williamson, O.E. (1985), S. 388 ff.

[11] Vgl. Williamson, O.E. (1985), S. 57-60.

[12] Vgl. Ebers, M. / Gotsch, W. (1995), S. 213 ff.

[13] Vgl. Williamson, O.E. (1985), S. 20 ff.

[14] Vgl. Richter, R. (1991), S. 395-429.

[15] Übertragen auf unsere Problemstellung die zwei Alternativen Standortverlagerung und Standortsicherung.

[16] Vgl. Michaelis, E. (1985), S. 206.

[17] Droege & Comp. (2004), S. 2.

[18] Droege & Comp. (2004), S. 3.

[19] Droege & Comp. (2004), S. 6.

[20] Vgl. Kilper, H./ Pries, L. (1999), Tabelle 1, S. 49.

[21] Trotz zunehmender Digitalisierung und damit verbundener Optimierung von Kommunikationsprozessen.

[22] Vgl. hierzu: Kinkel, S./Lay, G. (2004), S. 9.

[23] Gemäß oben vorausgesetztem theoretischem Hintergrund führen demnach länderübergreifende Transaktionen

zu höherer Unsicherheit und Komplexität, deren Folge wiederum steigende ex – ante und ex – post

Transaktionskosten sind.

Fin de l'extrait de 47 pages

Résumé des informations

Titre
Das Volkswagen–Beschäftigungsmodell 5000x5000 unter Berücksichtigung transaktionskostentheoretischer Aspekte
Université
University of Wuppertal
Cours
Projekt "Arbeitsverhältnis und Beschäftigung"
Note
1,3
Auteurs
Année
2006
Pages
47
N° de catalogue
V59914
ISBN (ebook)
9783638537186
ISBN (Livre)
9783638727068
Taille d'un fichier
632 KB
Langue
allemand
Annotations
Projektarbeit in einem zwei-semestrigen Projekt im Fach Volkswirtschaftslehre. Ausgehend von der auf O.E. Williamson zurückgehenden Transaktionskostentheorie wird das VW-Modell 5000x5000 einer umfassenden Analyse im Vergleich zur Möglichkeit einer Produktionsverlagerung ins Ausland unterzogen. Wissenschaftliche Projektarbeit inklusive Powerpoint Präsentation.
Mots clés
Volkswagen–Beschäftigungsmodell, Berücksichtigung, Aspekte, Projekt, Arbeitsverhältnis, Beschäftigung
Citation du texte
Sebastian Spital (Auteur)Marc Sieper (Auteur), 2006, Das Volkswagen–Beschäftigungsmodell 5000x5000 unter Berücksichtigung transaktionskostentheoretischer Aspekte, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59914

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