Die schon unter Michajl Gorbačev im Rahmen der Perestrojka eingeleitete Transformation der Wirtschaft und Politik 1989 wurde konsequent von seinem Nachfolger Boris El’cin nach dessen Amtsübernahme 1991 fortgesetzt, indem die allgemeine Privatisierung von Staatsunternehmen eingeführt wurde. Die Privatisierung verlief in drei Phasen: 1992 wurden zunächst Kleinbetriebe privatisiert, 1992-1994 fand die so genannte Massen- beziehungsweise. Insiderprivatisierung statt, die auch die politisch einflussreichen Finanz-Industrie- Gruppen (FIGs) auf Staatsinitiative hin hervorbrachte.1 Um das Haushaltsdefizit auszugleichen, führte die Regierung das Programm „Kredite für Aktien“ ein, das die zunächst nicht zur Privatisierung freigegebenen „strategischen“ Industriezweige im Energie-versorgungs- und Militärbereich gegen hohe Kredite verpfändete. Gängige Praxis wurden dann so genannte „Pfandauktionen“: Die verpfändeten Anteile an Staatsbetrieben wurden in fragwürdigen Auktionen, die auch den Charakter einer „Insiderprivatisierung“ aufwiesen, für den Nominalwert verkauft. Auffallend ist, dass zwar zunächst eine Loslösung des Staates von der Wirtschaft stattfand, die Großunternehmer aber alsbald Einzug in die Ministerien hielten und maßgeblichen Einfluss auf die Wirtschaftspolitik ausübten. Nach dem Amtsantritt Vladimir Putins im Jahre 2000 setzte ein Bemühen um Rezentralisierung und Kontrolle der Wirtschaft ein, indem die Regierung ihre Vertreter in die Aufsichtsräte der Großunternehmen entsandte. Dieser Umschwung konnte nur stattfinden, indem einst einflussreiche Unternehmer um ihren Einfluss gebracht wurden. Dieser Vorgang ging einher mit der teilweisen Verstaatlichung privat geführter Unternehmen, die mitunter auf illegalen Wegen vorgenommen wurde. Im Jahre 2003 statuiert der Kreml ein Exempel, indem er den größten Ölkonzern Jukos systematisch zerschlägt, seine Aktionäre enteignet und den Konzern auf intransparenten Wegen rückverstaatlicht.
Diese Arbeit soll zeigen, dass die angestrebte Trennung von Wirtschaft und Politik nach westlichem Vorbild zu keinem Zeitpunkt seit der Perestrojka vollzogen wurde.
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1 Vgl. Völzing, Julia Alessandra: Wer profitiert von der Privatisierung in Russland?, in: Osteuropa-Wirtschaft, Stuttgart 1997, 42. Jhg., S. 302ff.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Privatisierungen zur Regierungszeit El'cins (1991-1999)
- Infiltration der Regierungsorgane durch Großunternehmer
- Politik der Verstaatlichung zur Regierungszeit Putins (2000-?)
- Infiltration der Wirtschaft durch Regierungsvertreter
- Verstaatlichung des Jukos-Konzerns
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Entwicklung der russischen Wirtschaftspolitik seit der Perestrojka, insbesondere die Wechselwirkungen zwischen Staat und Wirtschaft während der Privatisierung unter Jelzin und der anschließenden Verstaatlichung unter Putin. Der Fokus liegt auf der Analyse der gegenseitigen Infiltration von Politik und Wirtschaft und den damit verbundenen Folgen für die russische Wirtschaft.
- Privatisierungsprozesse unter Jelzin und deren Folgen
- Die Rolle der Finanz-Industrie-Gruppen (FIGs)
- Die Verstaatlichung unter Putin als Reaktion auf die Privatisierung
- Der Fall Jukos als Beispiel für die politischen und wirtschaftlichen Machtverhältnisse
- Die Abwesenheit einer klaren Trennung zwischen Wirtschaft und Politik
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung beschreibt den Kontext der russischen Wirtschaftsreformen seit Gorbatschow und Jelzin, die mit der Privatisierung von Staatsunternehmen einhergingen. Sie hebt die gegenseitige Infiltration von Politik und Wirtschaft hervor und kündigt die Analyse des Falls Jukos als Beispiel für diese Entwicklung an.
Privatisierungen zur Regierungszeit El'cins (1991-1999): Dieses Kapitel analysiert die Privatisierung in Russland unter Jelzin, die in drei Phasen verlief. Es beschreibt die Entstehung der Finanz-Industrie-Gruppen (FIGs) durch Insiderprivatisierung und deren wachsenden Einfluss auf die Regierungspolitik. Die „Pfandauktionen“ werden als fragwürdige Verfahren beschrieben, die zu einer Vermischung von staatlichen und privaten Interessen führten. Die enge Verknüpfung zwischen Großunternehmern und Regierungsmitgliedern wird als zentrales Thema hervorgehoben, und Beispiele wie die Beteiligung von FIGs am Fernsehkanal ORT veranschaulichen den Einfluss dieser Gruppen auf die öffentliche Meinung.
Politik der Verstaatlichung zur Regierungszeit Putins (2000-?): Dieses Kapitel beschreibt den Umschwung unter Putin, der durch eine verstärkte Kontrolle der Wirtschaft durch den Staat gekennzeichnet war. Es wird erläutert, wie die Regierung ihre Vertreter in die Aufsichtsräte großer Unternehmen entsandte und wie einst einflussreiche Unternehmer um ihren Einfluss gebracht wurden. Die teilweise Verstaatlichung privat geführter Unternehmen, teilweise unter fragwürdigen Umständen, wird als Gegenreaktion auf die Entwicklungen unter Jelzin interpretiert. Der Fall Jukos wird als ein markantes Beispiel für diese Politik der Verstaatlichung dargestellt, wobei der Konzern systematisch zerschlagen und rückverstaatlicht wurde.
Schlüsselwörter
Privatisierung, Verstaatlichung, Russland, Jelzin, Putin, Jukos, Finanz-Industrie-Gruppen (FIGs), Insiderprivatisierung, Oligarchen, Wirtschaftspolitik, Machtverhältnisse, Korruption, Politik und Wirtschaft.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur russischen Wirtschaftspolitik unter Jelzin und Putin
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert die Entwicklung der russischen Wirtschaftspolitik seit der Perestrojka, insbesondere den Wechsel zwischen Privatisierung unter Jelzin (1991-1999) und Verstaatlichung unter Putin (2000-?). Der Fokus liegt auf der gegenseitigen Infiltration von Politik und Wirtschaft und den daraus resultierenden Folgen.
Welche Phasen der Wirtschaftspolitik werden untersucht?
Die Arbeit untersucht zwei Hauptphasen: die Privatisierung unter Präsident Jelzin, gekennzeichnet durch die Entstehung und den Einfluss von Finanz-Industrie-Gruppen (FIGs), und die anschließende Verstaatlichung unter Präsident Putin, mit der Rücknahme staatlicher Kontrolle über die Wirtschaft.
Welche Rolle spielten die Finanz-Industrie-Gruppen (FIGs)?
Die FIGs entstanden während der Jelzin-Ära durch Insiderprivatisierung. Sie erlangten erheblichen Einfluss auf die Politik und die Wirtschaft und ihre enge Verknüpfung mit Regierungsmitgliedern wird als zentrales Thema der Privatisierungsphase hervorgehoben.
Wie verlief die Privatisierung unter Jelzin?
Die Privatisierung unter Jelzin verlief in drei Phasen und wurde durch fragwürdige Verfahren wie die „Pfandauktionen“ geprägt, die zu einer Vermischung von staatlichen und privaten Interessen führten. Die enge Verflechtung zwischen Großunternehmern und der Regierung war ein prägendes Merkmal.
Welche Maßnahmen kennzeichneten die Verstaatlichung unter Putin?
Unter Putin erfolgte ein Umschwung hin zu einer verstärkten staatlichen Kontrolle der Wirtschaft. Die Regierung platzierte ihre Vertreter in Aufsichtsräten großer Unternehmen und unternahm Schritte zur Rücknahme des Einflusses einst mächtiger Unternehmer. Die teilweise Verstaatlichung privat geführter Unternehmen, zum Teil unter fragwürdigen Umständen, wird als Reaktion auf die Privatisierung unter Jelzin gesehen.
Welche Bedeutung hat der Fall Jukos?
Der Fall Jukos dient als Beispiel für die Politik der Verstaatlichung unter Putin. Der Konzern wurde systematisch zerschlagen und rückverstaatlicht, was die politischen und wirtschaftlichen Machtverhältnisse verdeutlicht.
Welche Schlüsselthemen werden behandelt?
Schlüsselthemen sind Privatisierung, Verstaatlichung, die Rolle von Jelzin und Putin, der Fall Jukos, der Einfluss von Finanz-Industrie-Gruppen (FIGs), Insiderprivatisierung, Oligarchen, die Wirtschaftspolitik Russlands, Machtverhältnisse, Korruption und die Vermischung von Politik und Wirtschaft.
Welche Kapitel enthält die Arbeit?
Die Arbeit enthält eine Einleitung, ein Kapitel über die Privatisierung unter Jelzin, ein Kapitel über die Verstaatlichung unter Putin und eine Zusammenfassung. Die Kapitel analysieren die jeweiligen Phasen der Wirtschaftspolitik und deren Folgen.
Welche Ziele verfolgt die Arbeit?
Die Arbeit untersucht die Entwicklung der russischen Wirtschaftspolitik, die Wechselwirkungen zwischen Staat und Wirtschaft, die gegenseitige Infiltration von Politik und Wirtschaft und deren Folgen für die russische Wirtschaft.
- Citar trabajo
- Anke Kell (Autor), 2006, 'Raubtierkapitalismus' im staatlichen Gewand: Der Fall Jukos und die Perspektiven der russischen Wirtschaftspolitik, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/60095