Grundlage dieser literaturwissenschaftlichen Arbeit ist Frank Wedekinds Drama „Lulu“, das aus den Teilen „Erdgeist“ und „Die Büchse der Pandora“ besteht. Die Protagonistin Lulu, die als die „Urgestalt des Weibes“ fungiert, durchlebt im „Erdgeist“ einen rasanten gesellschaftlichen Aufstieg und in der „Büchse der Pandora“ einen ebenso schnellen Fall. Mit welchen Mitteln ihr das gelingt und welche Stationen sie dabei durchläuft, ist zentraler Gegenstand der Arbeit.
Inhaltsverzeichnis
1. Bedeutung des Namens „Lulu“ und die Dreiheit Unbewusstes-Körper-Name
2. Lulus Aufstieg und Fall
2.1 Lulus Aufstieg in „Erdgeist“
2.1.1 Goll – Lulus Untreue als Bruch der gesellschaftlichen Norm
2.1.2 Schwarz – Unerfahrenheit als Schwäche
2.1.3 Schön – zwischen Genusssucht und gesellschaftlichem Ansehen
2.2 Lulus Fall in „Die Büchse der Pandora“
2.2.1 Lulus Ende als Tänzerin
2.2.2 Paris – Lulus luxuriöses Leben, abhängig vom Geld ihrer Mitmenschen
2.2.3 London – Endstation von Lulus gesellschaftlichem Abstieg
3. Lulus Leben in der Gesellschaft und ihre Ausgrenzung
Literaturverzeichnis
1. Bedeutung des Namens „Lulu“ und die Dreiheit Unbewusstes-Körper-Name
Frank Wedekinds Wahl des Namens Lulu für sein gleichnamiges Drama ist nicht willkürlich gewählt, sondern er ließ sich von mehreren Quellen inspirieren. Eine davon bot ihm Félicien Champseur an, der 1888 mit seiner Pantomime Lulu eine Figur schuf, die sich durch körperliche Schönheit und einen nicht moralisch einwandfreien Charakter auszeichnete. Auch die Protagonistin des szenischen Stückes Mademoiselle Loulou (ebenfalls 1888 erschienen) der Autorin Gyp erinnert an die Lulu Wedekinds, da sie auf der einen Seite eine Bürgerliche ist, auf der anderen Seite, sich nicht wie eine solche verhält und ihre Umwelt durch ihre naive und zugleich frivole Art in unangenehme Situationen manövriert.[1]
Auf den ersten Blick sind zwischen den genannten Figuren und Lulu durchaus Parallelen erkennbar, jedoch schuf Wedekind mit seiner Lulu einen ganz anderen Typus Frau, der sich durch die Dreiheit Unbewusstes-Körper-Name auszeichnet. Besonders zentral ist hier das Unbewusste, da Wedekinds Lulu-Figur sich weder durch „die Einheit des Subjekts“[2] noch durch „die bestimmende, lenkende Kompetenz des Bewußtseins“[3] charakterisieren lässt. Daher handelt Lulu vor allem ursprünglich und kindlich. Ihren jungen und auffallend schönen Körper, der fast jeden der im Stück auftretenden Männer erregt, weiß Lulu geschickt für ihre Zwecke einzusetzen und ist ihr zentrales Kapital bei ihrem Aufstieg und Fall im Drama. Schließlich in ihrem Namen finden sich die beiden Komponenten „Unbewusstes“ und „Körper“ zusammen, da ihr Name aus der Iteration zweier Silben besteht, die man beliebig fortsetzen kann. Dabei ist die Silbe Lu- nicht zufällig gewählt, sondern das Wort Lu-st ist hierbei für die Namensgebung entscheidend. Bei der Lektüre des Dramas fällt auf, dass Lulu selten mit ihrem eigentlichen Namen angeredet wird, sondern immer auf den jeweiligen Namen hört, den ihr die Männer geben. Darüber hinaus passt sich Lulu auch sonst den Wünschen und Bedürfnissen ihrer Liebhaber an und zeigt somit ein äußerst widersprüchliches Verhalten. Ihrem Handeln liegen andere Werte zugrunde, ihre Moral ist nicht gesellschaftsverträglich und ihr Verhalten ist oft nicht logisch erklärbar. Lulu fungiert als die „Urgestalt des Weibes“[4], das keine eigene Identität hat und sich somit den Männern als ideale Projektionsfläche für deren Wünsche dient.[5] Dadurch dass Lulu das Unbewusste darstellt, grenzt sie sich von den anderen Figuren deutlich ab und durchlebt im „Erdgeist“ einen rasanten gesellschaftlichen Aufstieg und in der „Büchse der Pandora“ einen ebenso schnellen Fall. Mit welchen Mitteln ihr das gelang und welche Stationen sie dabei durchlief, ist der Kern der folgenden Arbeit.
2. Lulus Aufstieg und Fall
2.1 Lulus Aufstieg in „Erdgeist“
„Ich hatte das menschlich Bewußte, das sich selbst unter allen Umständen immer so maßlos überschätzt, am menschlich Unbewußten scheitern lassen wollen“[6] kommentierte Wedekind sein Drama. Die Rollen sind hierbei klar verteilt. Dr. Goll, der Maler Schwarz und Dr. Schön sind Lulu verfallen. Obwohl sie sich in ihren Charakteren unterscheiden, folgen sie alle dem Prinzip Lulu und benutzen sie als Projektionsfläche für ihre persönlichen Vorstellungen der idealen Frau, die Lulu auch jedes Mal wieder verwirklicht. Jeder der Männer versucht das „wahre, wilde schöne Tier“[7] zu bändigen und jeder der Männer geht dabei zugrunde.
2.1.1 Goll – Untreue Lulus als Bruch der gesellschaftlichen Norm
Dr. Goll ist ein konservativer, den Konventionen der bürgerlichen Gesellschaft folgend, älterer Herr. Eine junge Frau wie Lulu passt zu seinem Lebensstil, da es um 1900 als ein Ideal des gehobenen Bürgertums galt, sich mit wesentlich jüngeren Frauen zu verheiraten.[8] Goll sieht in Lulu weniger seine Frau, sondern eher sein Kind. So kann er auf legitime Weise seine sexuellen Fantasien ausleben, ohne der Pädophilie bezichtigt zu werden. Der Name Nelli, den Goll Lulu gab, ist hierbei nicht unwesentlich. Nelli gilt als Abkürzung für Helena, die man sofort mit der schönen Helena aus der griechischen Mythologie in Verbindung bringt. Die Kurzform Nelli verdeutlicht Golls Kindlichkeitsvorstellungen Lulu gegenüber, denn das „i“ im Auslaut wird bei Kindernamen häufig verwendet, um sie zu verniedlichen. Dies zeigt sich auch in seiner Ausdrucksweise. Mehrmals verwendet er die saloppe Interjektion „Hopp“, um Lulu zu etwas aufzufordern.[9]
[...]
[1] Schmeiser, Daniela: Frank Wedekinds „Lulu“-Dramen: die Frau im Text, der Text in der Frau. In: Kamzelak, Roland S. (Hg.): „Historische Gedächtnisse sind Palimpste“. Hermeneutik – Historismus – New Historicism – Cultural Studies. Festschrift zum 10. Geburtstag von Gotthart Wuneberg. Paderborn 2001. S. 179-180.
[2] Medicus, Thomas: „Die große Liebe“. Ökonomie und Konstruktion der Körper im Werk von Frank Wedekind. Marburg/Lahn 1982. S. 94.
[3] Ebd., S. 94.
[4] Wedekind, Frank: Lulu. Stuttgart 1989. S. 9.
[5] Medicus, Thomas: „Die große Liebe“. S. 94-105.
[6] Wedekind, Frank: „Was ich mir dabei dachte“. Kurzer Kommentar zu den Werken Frank Wedekinds von ihm selbst. In: Wedekind, Frank: Gesammelte Werk. Dramen, Entwürfe, Aufsätze aus dem Nachlaß. München 1924. S. 440.
[7] Wedekind, Frank: Lulu. Stuttgart 1989. S. 8.
[8] Florack, Ruth: Wedekinds `Lulu´ – Zerrbild der Sinnlichkeit. Tübingen 1995 (= Untersuchungen zur deutschen Literaturgeschichte. Bd. 76). S. 70-71.
[9] Wedekind, Frank: Lulu. S. 16.
- Arbeit zitieren
- Tanja Fackelmann (Autor:in), 2005, Stationen von Lulus Aufstieg und Fall in Frank Wedekinds Drama "Lulu", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/60304
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