Welche Rolle spielt die Frage der sozialen Gerechtigkeit für die gesellschaftliche Entwicklung? Sind die normativen Werte im Laufe der Historie unverändert geblieben? Welche Gerechtigkeitsvorstellungen konnten die Oberhand gewinnen und welche Vorstellungen wurden zurückgedrängt? In dieser Arbeit soll der ambitionierte Versuch unternommen werden, normative Gerechtigkeitskonzepte mit den realen, sozioökonomischen Entwicklungen der Bundesrepublik Deutschland in Bezug zu setzen. Dabei sollen die theoretischen Gerechtigkeitskonzeptionen als normative Maßgabe für das politische Handeln betrachtet werden, um im Zweifelsfall als kritischer Bezugspunkt zur realen Gesellschaftspolitik zu fungieren.8 Die Theorieentwürfe stellen hierbei das fiktive „Sollen“ für die Entwicklung der demokratischen Gesellschaft auf, wobei sie natürlich keine konkreten Antworten auf die gesellschaftlichen Probleme geben können, sondern lediglich Anleitungen zur Behebung skizzieren. Im folgenden möchte ich daher zunächst den Begriff der sozialen Gerechtigkeit in seinen verschiedenen Facetten herausarbeiten. Diese Darstellung beschränkt sich dabei auf keine wissenschaftliche Fachdisziplin, sondern umfasst unterschiedliche und zugleich interdisziplinäre Verständnisse der Begrifflichkeit. Natürlich ist es anschließend unabdingbar die wichtigsten Theorien der aktuellen Debatte zur Frage der sozialen Gerechtigkeit zu benennen, allen voran den "Egalitären Liberalismus"von John Rawls. Mit seinem Hauptwerk „A theory of justice“ aus dem Jahre 1971 gelang es dem Amerikaner Rawls, die Frage der gesellschaftlichen Gerechtigkeit wieder auf die Tagesordnung der Politischen Philosophie zu bringen. Dieses Anliegen war insbesondere deshalb von Erfolg gekrönt, da Rawls eine theoretische Gesellschaft konzipierte, die das liberale Freiheitsideal mit den sozialen Gleichheitsbestrebungen verbindet.9 Beinahe folgerichtig entstand in den Jahren danach, und dieses insbesondere in den angelsächsischen Ländern, eine kontroverse und kritische Diskussion rund um das Rawlsche Gerechtigkeitsverständnis.10 Wie in jeder kontroversen Auseinandersetzung üblich, waren es unterschiedliche Aspekte der Theorie, die Anlass zur Kritik gaben. Seine wichtigsten Kontrahenten in der wissenschaftlichen Diskussion Michael Walzer und der Österreicher Friedrich-August von Hayek dienen abschliessend dazu, die "Hartzreformen" der rot-grünen Bundesregierung unter gerechtigkeitstheoretischer Perspektive kritisch zu analysieren.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Der Begriff der sozialen Gerechtigkeit
- 2.1. Die Problematik der sozialen Gerechtigkeit in der wissenschaftlichen Debatte
- 2.2. Der egalitäre Liberalismus des John Rawls
- 2.3. Michael Walzer und das Prinzip der komplexen Gleichheit
- 2.4. Friedrich-August von Hayek und die Illusion der sozialen Gerechtigkeit
- 3. Die ideengeschichtliche Entwicklung der Gerechtigkeitsfrage
- 3.1. Die Idee der Gerechtigkeit in der Philosophie Platons
- 3.2. Aristoteles und die gesellschaftliche Vermittlerin
- 3.3. David Hume und die Gerechtigkeit als gesellschaftlicher Lernprozess
- 3.4. Die Rolle des Eigentums in der modernen Arbeitsgesellschaft nach Adam Smith
- 3.5. Karl Marx und die bürgerliche Unrechtsgesellschaft
- 4. Das Erfordernis der Distribution zur Erlangung von sozialer Gerechtigkeit
- 4.1. Die gesellschaftliche Reichtumsverteilung als Hauptfaktor der distributiven Gerechtigkeit
- 4.2. Das Prinzip der Gleichheit als normative Basis der sozialen Gerechtigkeit in den Vorstellungen der Moderne
- 5. Die historische und konzeptionelle Grundlage der Sozialen Marktwirtschaft
- 5.1. Das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft
- 5.2. Von der Währungsreform zur ersten Rezession – die erste Phase der Sozialen Marktwirtschaft
- 5.3. Die Weiterentwicklung der Sozialen Marktwirtschaft durch eine wirtschaftliche Globalsteuerung
- 5.4. Die monetäre Anpassung als Startschuss für die neoliberale Zeitenwende
- 5.5. Die deutsche Einheit als historische Grundlage zur Intensivierung der neoliberalen Politik in der Bundesrepublik
- 6. Die Verteilung der Einkommen als Merkmal einer gerechten Gesellschaftsentwicklung
- 6.1. Steigender Reichtum und wachsende Armut - die Entwicklung der Privatvermögen in der Bundesrepublik Deutschland
- 6.2. Die gesellschaftliche Lastenverteilung als Indikator einer sozial gerechten Gesellschaft
- 7. Die Gerechtigkeitsidee des libertären Liberalismus von Hayeks und die Agenda 2010 - eine logische Konsequenz?
- 8. Schlusswort
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Entwicklung und Perspektiven sozialer Gerechtigkeit in der Bundesrepublik Deutschland. Sie setzt normative Gerechtigkeitskonzepte in Beziehung zu sozioökonomischen Realitäten. Das Hauptziel ist es, die Rolle der sozialen Gerechtigkeit in der gesellschaftlichen Entwicklung Deutschlands zu beleuchten und die Entwicklung normativer Werte im Laufe der Geschichte zu analysieren.
- Der Begriff der sozialen Gerechtigkeit und seine Problematik in der wissenschaftlichen Debatte.
- Die ideengeschichtliche Entwicklung der Gerechtigkeitsfrage von der Antike bis zur Moderne.
- Die Bedeutung der Verteilung von Reichtum und Einkommen für soziale Gerechtigkeit.
- Die Rolle der Sozialen Marktwirtschaft und ihre Entwicklung im Kontext von sozialer Gerechtigkeit.
- Die Auseinandersetzung mit verschiedenen Gerechtigkeitskonzeptionen (z.B. Rawls, Walzer, Hayek).
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung stellt die zentrale Bedeutung des Themas soziale Gerechtigkeit dar und verweist auf den Wandel des gesellschaftlichen Verständnisses von sozialer Gerechtigkeit in der Bundesrepublik Deutschland. Sie hebt den Einfluss des Endes des Kalten Krieges und die wachsende soziale Ungleichheit hervor, die die Debatte über soziale Gerechtigkeit wiederbelebt haben. Die Arbeit zielt darauf ab, normative Gerechtigkeitskonzepte mit den sozioökonomischen Verhältnissen Deutschlands zu verknüpfen.
2. Der Begriff der sozialen Gerechtigkeit: Dieses Kapitel untersucht den vielschichtigen Begriff der sozialen Gerechtigkeit und seine Herausforderungen in der wissenschaftlichen Debatte. Es beleuchtet unterschiedliche theoretische Ansätze, darunter den egalitären Liberalismus von John Rawls, das Prinzip der komplexen Gleichheit von Michael Walzer und die Position von Friedrich August von Hayek, der die Illusion einer sozialen Gerechtigkeit betont. Die Kapitel analysiert die unterschiedlichen Perspektiven und die Schwierigkeiten, einen Konsens über den Begriff und seine Anwendung zu finden.
3. Die ideengeschichtliche Entwicklung der Gerechtigkeitsfrage: Dieses Kapitel spürt der Geschichte des Gerechtigkeitgedankens von der Antike bis in die Moderne nach. Es beleuchtet die Ansätze von Platon, Aristoteles, David Hume, Adam Smith und Karl Marx und deren jeweilige Konzeptionen von Gerechtigkeit. Die Kapitel analysiert, wie sich der Gerechtigkeitsbegriff im Laufe der Geschichte gewandelt hat und wie er von verschiedenen philosophischen und ökonomischen Strömungen beeinflusst wurde. Der Einfluss der jeweiligen philosophischen und gesellschaftlichen Kontexte wird beleuchtet.
4. Das Erfordernis der Distribution zur Erlangung von sozialer Gerechtigkeit: Dieses Kapitel fokussiert auf die Bedeutung der Verteilung von Reichtum und Ressourcen für die Erlangung sozialer Gerechtigkeit. Es argumentiert, dass eine gerechte Verteilung der gesellschaftlichen Güter essentiell ist und untersucht das Prinzip der Gleichheit als normative Grundlage der sozialen Gerechtigkeit in der Moderne. Die Kapitel analysiert die Herausforderungen einer gerechten Verteilung und die Rolle des Staates hierbei.
5. Die historische und konzeptionelle Grundlage der Sozialen Marktwirtschaft: Dieses Kapitel befasst sich mit der Sozialen Marktwirtschaft als Modell zur Erreichung sozialer Gerechtigkeit. Es beschreibt das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft, ihre historische Entwicklung von der Währungsreform bis zur deutschen Einheit, und analysiert die Einflüsse wirtschaftlicher Globalisierung und neoliberaler Politik auf das Modell. Die Kapitel diskutiert, inwieweit die Soziale Marktwirtschaft ihren ursprünglichen Zielen der sozialen Gerechtigkeit gerecht wird.
6. Die Verteilung der Einkommen als Merkmal einer gerechten Gesellschaftsentwicklung: Dieses Kapitel analysiert die Einkommensverteilung in Deutschland als Indikator für soziale Gerechtigkeit. Es untersucht die Entwicklung von Privatvermögen und die gesellschaftliche Lastenverteilung. Der Fokus liegt auf der Frage, inwieweit die aktuelle Einkommensverteilung als gerecht bezeichnet werden kann und welche Konsequenzen sich aus der Diskrepanz zwischen Reichtum und Armut ergeben.
7. Die Gerechtigkeitsidee des libertären Liberalismus von Hayeks und die Agenda 2010 - eine logische Konsequenz?: Dieses Kapitel untersucht die Gerechtigkeitsvorstellungen des libertären Liberalismus von Hayek im Kontext der Agenda 2010. Es analysiert, inwiefern die Agenda 2010 als logische Konsequenz der Hayekschen Ideen betrachtet werden kann und welche Auswirkungen dies auf die soziale Gerechtigkeit in Deutschland hatte. Der Kapitel vergleicht die theoretischen Ansätze mit der politischen Praxis.
Schlüsselwörter
Soziale Gerechtigkeit, Bundesrepublik Deutschland, Soziale Marktwirtschaft, Einkommensverteilung, normative Gerechtigkeitskonzepte, Egalitärer Liberalismus, Hayek, Rawls, Walzer, Agenda 2010, Gleichheit, Verteilungsgerechtigkeit, Ideengeschichte.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zum Dokument: Soziale Gerechtigkeit in der Bundesrepublik Deutschland
Was ist der Inhalt des Dokuments?
Das Dokument bietet einen umfassenden Überblick über die Soziale Gerechtigkeit in der Bundesrepublik Deutschland. Es beinhaltet ein Inhaltsverzeichnis, die Zielsetzung und Themenschwerpunkte, Zusammenfassungen der einzelnen Kapitel und ein Glossar mit Schlüsselbegriffen. Der Fokus liegt auf der Entwicklung und den Perspektiven sozialer Gerechtigkeit, wobei normative Gerechtigkeitskonzepte mit sozioökonomischen Realitäten in Beziehung gesetzt werden.
Welche Themen werden im Dokument behandelt?
Das Dokument behandelt folgende Kernfragen: Den Begriff der sozialen Gerechtigkeit und seine Herausforderungen in der wissenschaftlichen Debatte; die ideengeschichtliche Entwicklung der Gerechtigkeitsfrage von der Antike bis zur Moderne (Platon, Aristoteles, Hume, Smith, Marx); die Bedeutung der Verteilung von Reichtum und Einkommen; die Rolle der Sozialen Marktwirtschaft und ihre Entwicklung im Kontext sozialer Gerechtigkeit; die Auseinandersetzung mit verschiedenen Gerechtigkeitskonzeptionen (Rawls, Walzer, Hayek); sowie die Analyse der Einkommensverteilung in Deutschland als Indikator für soziale Gerechtigkeit und die Auswirkungen der Agenda 2010.
Welche Autoren/Theorien werden im Dokument behandelt?
Das Dokument befasst sich mit den Theorien und Ansätzen folgender Autoren: John Rawls (egalitärer Liberalismus), Michael Walzer (komplexes Gleichheitsprinzip), Friedrich August von Hayek (libertärer Liberalismus), Platon, Aristoteles, David Hume, Adam Smith und Karl Marx. Die jeweiligen Konzeptionen von Gerechtigkeit und deren Einfluss auf die gesellschaftliche Entwicklung werden analysiert.
Welche Kapitel umfasst das Dokument?
Das Dokument ist in folgende Kapitel gegliedert: Einleitung, Der Begriff der sozialen Gerechtigkeit, Die ideengeschichtliche Entwicklung der Gerechtigkeitsfrage, Das Erfordernis der Distribution zur Erlangung von sozialer Gerechtigkeit, Die historische und konzeptionelle Grundlage der Sozialen Marktwirtschaft, Die Verteilung der Einkommen als Merkmal einer gerechten Gesellschaftsentwicklung, Die Gerechtigkeitsidee des libertären Liberalismus von Hayeks und die Agenda 2010, Schlusswort.
Was ist die Zielsetzung des Dokuments?
Das Hauptziel des Dokuments ist es, die Rolle der sozialen Gerechtigkeit in der gesellschaftlichen Entwicklung Deutschlands zu beleuchten und die Entwicklung normativer Werte im Laufe der Geschichte zu analysieren. Es verbindet normative Gerechtigkeitskonzepte mit den sozioökonomischen Realitäten Deutschlands.
Welche Schlüsselbegriffe werden im Dokument verwendet?
Wichtige Schlüsselbegriffe sind: Soziale Gerechtigkeit, Bundesrepublik Deutschland, Soziale Marktwirtschaft, Einkommensverteilung, normative Gerechtigkeitskonzepte, Egalitärer Liberalismus, Hayek, Rawls, Walzer, Agenda 2010, Gleichheit, Verteilungsgerechtigkeit, Ideengeschichte.
Für wen ist dieses Dokument gedacht?
Das Dokument richtet sich an ein akademisches Publikum, das sich mit dem Thema soziale Gerechtigkeit auseinandersetzt. Es eignet sich für Studenten, Wissenschaftler und alle, die sich vertieft mit der Entwicklung und den Herausforderungen sozialer Gerechtigkeit in Deutschland beschäftigen möchten.
Wo finde ich weitere Informationen?
Weitere Informationen zu den im Dokument behandelten Themen können in wissenschaftlicher Literatur zu den genannten Autoren und Theorien gefunden werden. Zusätzliche Informationen zur Sozialen Marktwirtschaft und zur Entwicklung der Einkommensverteilung in Deutschland können über Statistiken des Statistischen Bundesamtes und weiterer relevanter Institutionen bezogen werden.
- Citation du texte
- Mag. Ulf Scheunemann (Auteur), 2006, Perspektiven und Entwicklung der sozialen Gerechtigkeit in der Bundesrepublik Deutschland, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/60526