Die Nachahmung neuer Handlungen ist eine typische menschliche Fähigkeit, denn nicht kognitiven Eigenschaften sind für das Nachahmungslernen verantwortlich, sondern spezielle soziale Erfahrungen. Diese Aussage trafen Tomasello und andere nach einer Studie im Jahr 1993, in der sie die Nachahmungsleistung von Schimpansen mit der von 18- bis 30-monatigen Kindern verglichen. Es stellte sich heraus, dass die von der Mutter aufgezogenen Schimpansen kaum zur Nachahmung fähig waren, die menschlich sozialisierten Schimpansen aber teilweise besser abschnitten, als die Kinder: „ […] In the case of nutcracking […] young chimpanzees may acquire the behavior because: (1) adult practitioners leave nuts and stone hammers in close proximity to a suitable substrate (i.e. they inadvertently provide propitious learning conditions ); (2) young chimpanzees are naturally drawn to objects adults have interacted with (local or stimulus enhancement); and (3) chimpanzees have very powerful abilities of individual learning an inventivness. The combination of stimulus enhancement an individual learning is clearly a very potent form of social or observational learning, but it is not imitative learning […].”(Natour, 2001)
Das Auftauchen von neuen sozial-kognitiven Fähigkeiten führt Tomasello auf die von ihm so bezeichnete “Neun-Monats-Revolution“ zurück. Seiner Theorie nach verstehen Säuglinge ab dem neunten Monat bereits andere Menschen als intentional agents,also als intentional handelnde Wesen. Der Säugling beherrscht die joint attention, das bedeutet, er kann dem Blick des Interaktionspartners folgen. Außerdem entsteht das social referencing, die Nutzung von Bezugspersonen als Informationsquelle. Die Theorie, dass dieses Verhalten bereits naives psychologisches Wissen impliziere ist allerdings umstritten. Unumstritten ist die Aussage, dass Nachahmung eine wesentliche Rolle in der Herausbildung des personalen Selbst spielt. Die Spiegelung von eigenen Handlungen durch ein Gegenüber ermöglicht erste Ansätze von Selbsterkenntnis. Dieser Vorgang wird als social mirroring bezeichnet. Der Mittelpunkt dabei ist folgende Erkenntnis: „andere sind wie ich und ich bin wie andere“(Natour, 2001) Das Kind lernt, dass die Handlungen seines Gegenübers nicht zufällig entstehen, sondern dass es selbst der Ursprung der Handlungen ist. Dadurch erkennt es seinen Einfluss auf das Handeln des Gegenübers. [...]
Inhaltsverzeichnis
- EINFÜHRUNG
- UNTERSUCHUNG VON NADYA NATOUR: DIE ROLLE DES SOZIALEN KONTEXTES
- VERSUCHSAUFBAU
- DIE GEGENSTÄNDE
- DIE DEMONSTRIERTEN HANDLUNGEN
- DIE VERSUCHSLEITERINNEN
- Versuchsleiter in Experiment 1
- Versuchsleiter in Experiment 2
- Versuchsleiter in Experiment 3
- EXPERIMENT 1
- ZIELSETZUNG
- METHODE
- ERWARTUNGEN
- DURCHFÜHRUNG
- ERGEBNISSE
- Der Einfluss des Versuchsleiterwechsels
- Die Eignung des Frankfurter Instrumentariums
- EXPERIMENT 2
- ZIELSETZUNG
- METHODE
- VERSUCHSDESIGN
- VERSUCHSDURCHFÜHRUNG
- ERGEBNISSE
- Analyse der Latenzzeiten
- Einfluss des Versuchsleiterwechsels
- Alter
- Zusätzliche Auswertung
- EXPERIMENT 3
- ZIELSETZUNG
- METHODE
- ERWARTUNGEN
- DURCHFÜHRUNG
- Die veränderten Gegenstände
- ERGEBNISSE
- VERSUCH VON MCCABE & UZGIRIS
- ZIELSETZUNG
- METHODE
- GEGENSTÄNDE UND HANDLUNGEN
- VERSUCHSDURCHFÜHRUNG
- AUSWERTUNG
- ERGEBNISSE
- FAZIT
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die sozialen Aspekte der verzögerten Nachahmung bei Säuglingen. Der Fokus liegt auf der Bedeutung des sozialen Kontextes für das Nachahmungslernen und die Rolle, die soziale Interaktion bei der Entwicklung dieser Fähigkeit spielt.
- Die Rolle des sozialen Kontextes bei der verzögerten Nachahmung
- Der Einfluss von verschiedenen Versuchsleitern auf das Nachahmungsverhalten
- Die Bedeutung der Interaktion für die Entwicklung der Fähigkeit zur Nachahmung
- Die Unterscheidung zwischen kognitiven und interpersonellen Lerneffekten der Nachahmung
- Die Nachahmung als Mittel der sozialen Kommunikation
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Nachahmung als eine zentrale menschliche Fähigkeit vor und führt in die Forschungsfrage ein. Sie beleuchtet die Bedeutung von sozialer Interaktion für die Entwicklung der Nachahmungsfähigkeit und diskutiert verschiedene Theorien zum Verständnis von Nachahmung im frühen Kindesalter.
Das zweite Kapitel behandelt die Forschungsarbeit von Nadya Natour und untersucht die Rolle des sozialen Kontextes bei der Nachahmung. Es beschreibt die verschiedenen Experimente, die Methodik und die Ergebnisse, die auf den Einfluss der Interaktion mit verschiedenen Versuchsleitern auf das Nachahmungsverhalten von Säuglingen hinweisen.
Die Kapitel drei bis fünf befassen sich mit den einzelnen Experimenten von Nadya Natour im Detail. Sie beleuchten die spezifischen Ziele, die Methodik, die Ergebnisse und die Interpretation der Daten, wobei der Fokus auf dem Einfluss des sozialen Kontextes auf die Nachahmungsleistung liegt.
Kapitel sechs präsentiert den Versuch von McCabe und Uzgiris, der die beiden verschiedenen Lerneffekte der Nachahmung – den kognitiven und den interpersonellen Effekt – beleuchtet. Die Ergebnisse zeigen, dass Nachahmung sowohl das Verständnis der Welt als auch die soziale Interaktion beeinflusst.
Schlüsselwörter
Verzögerte Nachahmung, sozialer Kontext, Versuchsleiterwechsel, Interaktion, Säuglinge, kognitiver Effekt, interpersoneller Effekt, soziale Kommunikation, Intentionalität.
- Arbeit zitieren
- Selina Hartmann (Autor:in), 2005, Soziale Aspekte der verzögerten Nachahmung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/60961