Soziale Aspekte der verzögerten Nachahmung


Exposé (Elaboration), 2005

28 Pages, Note: 2,0


Extrait


Inhalt

1. Einführung

2. Untersuchung von Nadya Natour: Die Rolle des sozialen Kontextes
2.1 Versuchsaufbau
2.2 Die Gegenstände
2.3 Die demonstrierten Handlungen
2.4 Die VersuchsleiterInnen
2.4.1 Versuchsleiter in Experiment 1
2.4.2 Versuchsleiter in Experiment 2
2.4.3 Versuchsleiter in Experiment 3

3. Experiment 1
3.1 Zielsetzung
3.2 Methode
3.3 Erwartungen
3.4 Durchführung
3.5 Ergebnisse
3.5.1 Der Einfluss des Versuchsleiterwechsels
3.5.2 Die Eignung des Frankfurter Instrumentariums

4. Experiment 2
4.1 Zielsetzung
4.2 Methode
4.3 Versuchsdesign
4.4 Versuchsdurchführung
4.5 Ergebnisse
4.5.1 Analyse der Latenzzeiten
4.5.2 Einfluss des Versuchsleiterwechsels
4.5.3 Alter
4.5.4 Zusätzliche Auswertung

5. Experiment 3
5.1 Zielsetzung
5.2 Methode
5.3 Erwartungen
5.4 Durchführung
5.4.1 Die veränderten Gegenstände
5.5 Ergebnisse

6. Versuch von McCabe & Uzgiris
6.1 Zielsetzung
6.2 Methode
6.3 Gegenstände und Handlungen
6.4 Versuchsdurchführung
6.5 Auswertung
6.6 Ergebnisse

7. Fazit

8. Literaturverzeichnis

9. Abbildungsverzeichnis

1. Einführung

Die Nachahmung neuer Handlungen ist eine typische menschliche Fähigkeit, denn nicht kognitiven Eigenschaften sind für das Nachahmungslernen verantwortlich, sondern spezielle soziale Erfahrungen. Diese Aussage trafen Tomasello und andere nach einer Studie im Jahr 1993, in der sie die Nachahmungsleistung von Schimpansen mit der von 18- bis 30-monatigen Kindern verglichen. Es stellte sich heraus, dass die von der Mutter aufgezogenen Schimpansen kaum zur Nachahmung fähig waren, die menschlich sozialisierten Schimpansen aber teilweise besser abschnitten, als die Kinder:

„ […] In the case of nutcracking […] young chimpanzees may acquire the behavior because:

(1) adult practitioners leave nuts and stone hammers in close proximity to a suitable substrate (i.e. they inadvertently provide propitious learning conditions );
(2) young chimpanzees are naturally drawn to objects adults have interacted with (local or stimulus enhancement); and
(3) chimpanzees have very powerful abilities of individual learning an inventivness. The combination of stimulus enhancement an individual learning is clearly a very potent form of social or observational learning, but it is not imitative learning […].”

(Natour, 2001)

Das Auftauchen von neuen sozial-kognitiven Fähigkeiten führt Tomasello auf die von ihm so bezeichnete “Neun-Monats-Revolution“ zurück. Seiner Theorie nach verstehen Säuglinge ab dem neunten Monat bereits andere Menschen als intentional agents, also als intentional handelnde Wesen. Der Säugling beherrscht die joint attention, das bedeutet, er kann dem Blick des Interaktionspartners folgen. Außerdem entsteht das social referencing, die Nutzung von Bezugspersonen als Informationsquelle. Die Theorie, dass dieses Verhalten bereits naives psychologisches Wissen impliziere ist allerdings umstritten.

Unumstritten ist die Aussage, dass Nachahmung eine wesentliche Rolle in der Herausbildung des personalen Selbst spielt. Die Spiegelung von eigenen Handlungen durch ein Gegenüber ermöglicht erste Ansätze von Selbsterkenntnis. Dieser Vorgang wird als social mirroring bezeichnet. Der Mittelpunkt dabei ist folgende Erkenntnis:

andere sind wie ich und ich bin wie andere “ (Natour, 2001)

Das Kind lernt, dass die Handlungen seines Gegenübers nicht zufällig entstehen, sondern dass es selbst der Ursprung der Handlungen ist. Dadurch erkennt es seinen Einfluss auf das Handeln des Gegenübers. Eine weitere Folge dieser Erkenntnis ist das Wahrnehmen der Intentionalität anderer Menschen. Die Tatsache, dass die Handlungen des Gegenübers nicht zufällig sind, impliziert die Tatsache, dass seine Handlungen intentional sind. Aus der Sicht des Kindes lässt sich das folgendermaßen ausdrücken:

„I intend to produce these acts, the adult performs these same acts, they are not chance events; therefore the adult intends his acts.“ (Natour, 2001)

Meltzoff fand heraus, dass Kleinkinder bereits mit 18 Monaten zwischen Handlung und Handlungsziel unterscheiden können. In einem Versuch wurden Kindern in zwei Gruppen jeweils eine erfolgreiche oder eine gescheiterte Handlung vorgeführt. Das überraschende Ergebnis war, dass beide Gruppen gleichviele Zielhandlungen ausführten. Das Verhalten der Modellpersonen wurde also als intentional erkannt und die Handlung richtig ausgeführt.

Interessant ist auch die Tatsache, dass Kleinkinder vermehrt Reaktionen auf Modellpersonen zeigen, die sie nachahmen. Diese Aussage trafen Eckerman und Stein in einem Versuch, bei dem sie 24 Monate alte Kinder in zwei Gruppen teilten. In der ersten Gruppe wurden die Handlungen des Kinds von der Versuchsleiterin genau nachgeahmt. In der zweiten Gruppe spielte die Versuchsleiterin anders als das Kind. Das Ergebnis war, dass die Kinder eine vermehrte Reaktion wie beispielsweise Lächeln auf die genau nachahmende Versuchsleiterin zeigten. (Vgl. Eckerman, Carol O. & Stein, Mark R., 1990)

Nach Ina Uzgiris gibt es zwei verschiedene Lerneffekte von Imitation. Beim interpersonellen Effekt lernt das Kind etwas über die Person, die handelt. Dagegen lernt es beim kognitiven Effekt etwas über die Handlung, die ausgeführt wird. Dieses Thema wurde in dem Referat „Funktionen der Nachahmung“ vom 9. Mai 2005 näher behandelt.

Der Unterschied zwischen beiden Lerneffekten wird in der umseitig folgenden Tabelle deutlich:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Tabelle nach Uzgiris, 1981)

Außerdem wird Nachahmung als Mittel der sozialen Kommunikation genutzt. Denn bei der Nachahmung lernen Kinder nicht nur etwas über die Funktionsweise unbekannter Gegenstände, sondern auch über die beteiligten Personen. Dabei ist die Vertrautheit der Person nicht wichtig. Die Kinder imitieren fremde Personen genauso häufig wie die eigene Mutter. Während der Imitation stellen die Kinder eine Verbindung zwischen einer spezifischen Handlung und der Person, an die sich die Handlung richtet, her. Die Nachahmung wird so zur Kommunikationssituation zwischen Sender und Empfänger.

In unseren folgenden Kapiteln beschäftigen wir uns verstärkt mit der Rolle des sozialen Kontextes bei der Nachahmung. Dafür stellen wir verschiedene Experimente von Nadya Natour sowie von Mary Ann McCabe und Ina Uzgiris vor.

2. Untersuchung von Nadya Natour: Die Rolle des sozialen Kontextes

In den Untersuchungen von Nadya Natour ging es um die Klärung der folgenden Fragen:

1. Wie beeinflussen Veränderungen des Kontexts (Versuchsleiterwechsel und/oder Objektveränderung) zwischen Demonstrations- und Abrufphase die Nachahmungsleistung?
2. Werden Kontextmerkmale als Abrufhilfen genutzt (Indiz für episodisches Gedächtnis)?

Zudem sollte ein Instrumentarium für experimentelle Studien zur Verzögerten Nachahmung entwickelt werden, also Gegenstände entwickelt und erprobt werden, mit dem Studien zur Verzögerten Nachahmung durchgeführt werden können.

2.1 Versuchsaufbau

Der Versuchsaufbau für die nachfolgend vorgestellten Experimente war immer der gleiche:

Die Experimente wurden in einem schallgedämmten und reizarmen Raum mit den Maßen 2,80 x 4,50 Meter durchgeführt, der mit dimmbaren Neonlicht beleuchtet wurde. In dem Raum waren eine Deckenkamera und eine Tischkamera installiert. Die Kinder saßen während der Experimente auf dem Schoß ihrer Begleitperson, die meistens die Mutter war. Diese wurde aufgefordert, die Arme locker auf die Armlehnen des Stuhles zu legen, um das Kind möglichst nicht zu beeinflussen:

„Dieses Setting, bei dem das Kind auf dem Schoß der Begleitperson saß, wurde in Übereinstimmung mit der überwiegenden Mehrzahl der Studien zur Verzögerten Nachahmung gewählt. Die stets spürbare Anwesenheit der vertrauten Begleitperson erleichterte dem Kind die Eingewöhnung in die ungewohnte Situation und ermöglichte meist schon nach wenigen Minuten spontanes Interaktions- und Explorationsverhalten.“

(Natour, 2001)

Wie in der umseitigen Abbildung erkennbar, saß die Versuchsleiterin (VL-1) dem Kind (K) und seiner Begleitperson (M) gegenüber und demonstrierte die Handlungen auf dem Tisch, der sich zwischen dem Kind und der Versuchsleiterin befand. Neben den Kameras war noch ein Mikrofon im Raum, das die Geräusche aufnahm:

„Der gesamte Versuch wurde mit den genannten Geräten aufgezeichnet, wobei alle drei Signale in einen Versuchssteuerungsraum geleitet und dort aufgezeichnet wurden. In diesem zweiten Raum saß die Co-Versuchsleiterin […]. (Sie) hatte eine Stoppuhr zur Verfügung, mit der sie die einzelnen Abschnitte des Versuchs stoppte, und entsprechende Kommandos an VL-1 gab.“ (Natour, 2001)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.1: Versuchsanordnung im Laborraum.

Bevor die Kinder zum Experiment aufgerufen wurden und während der Wartezeit (Verzögerung), hielten sie sich mit ihrer Begleitperson in einem 4,70 x 7,00 Meter großen Warteraum auf, der normalerweise als Seminar- und Konferenzraum dient.

2.2 Die Gegenstände

Die für die Experimente genutzten Gegenstände sollten das Interesse der Kinder wecken, bzw. sie dazu motivieren, mit ihnen zu spielen. Bei den Gegenständen handelte es sich um

- ein rotes Plastik-Ei (Höhe: ca. 10cm, Breite: ca. 7cm) mit Blumendekor, das eine kleine Schlumpf-Figur enthält
- ein gelboranges, mit bunten Bildern bedrucktes dreidimensionales Stoffauto (Höhe: ca. 11cm, Breite: ca. 13cm, Tiefe: ca. 5cm), in das ein Quietschelement eingearbeitet ist
- ein batteriebetriebenes, gelbes Plastikschlagzeug (Höhe: ca. 5cm, Breite: ca. 11cm, Tiefe: ca. 9cm) mit verschiedenen farbigen Knöpfen
- eine gelbe Zitrone (Höhe: ca. 7,5cm, Breite: ca. 5cm) aus Holz

Die Gegenstände befanden sich zu Beginn des Experiments in einer Kiste, die für das Kind

unsichtbar auf einem kleinen Stuhl neben dem Stuhl der Versuchleiterin platziert war. Das Kind konnte aufgrund der Position des kleinen Stuhls die Gegenstände auch dann nicht sehen und entsprechend abgelenkt werden, wenn es sich unter den Tisch beugte. Nach der Demonstration wurde der jeweilige Gegenstand wieder zurück in die Kiste gelegt, bevor die Versuchsleiterin den nächsten Demonstrationsgegenstand hervorholte, um dem Kind die Zielhandlung vorzuführen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Gegenstände für Experiment 1

2.3 Die demonstrierten Handlungen

Die Handlungen, die dem Kind von der Versuchsleiterin mit den verschiedenen Gegenständen demonstriert wurden und anschließend nachgeahmt werden sollten, können wie folgt beschrieben werden:

- Handlung EI: Das Ei sollte in zwei Hälften geteilt werden, um die Schlumpffigur zu entnehmen
- Handlung AUTO: Das Auto sollte mit der Hand zum Kopf geführt und an die Stirn gedrückt werden, um dort das Quietschelement zu aktivieren
- Handlung SCHLAGZEUG: Mit dem Klöppel sollte auf den großen roten Knopf geschlagen werden, damit ein Geräusch erklingt
- Handlung ZITRONE: Die Zitrone sollte zwischen beiden Händen über den Tisch gerollt werden

[...]

Fin de l'extrait de 28 pages

Résumé des informations

Titre
Soziale Aspekte der verzögerten Nachahmung
Université
University of Frankfurt (Main)
Cours
Das Nachahmen bei Säuglingen - methodologische, kognitive und soziale Aspekte
Note
2,0
Auteur
Année
2005
Pages
28
N° de catalogue
V60961
ISBN (ebook)
9783638545204
ISBN (Livre)
9783656561552
Taille d'un fichier
976 KB
Langue
allemand
Mots clés
Soziale, Aspekte, Nachahmung, Nachahmen, Säuglingen, Aspekte
Citation du texte
Selina Hartmann (Auteur), 2005, Soziale Aspekte der verzögerten Nachahmung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/60961

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