Ibn Chaldun (1332-1406), der bedeutendste Vertreter der kritischen Forschung 1 des islamischen Mittelalters, gilt als Vorläufer des soziologischen Denkens und hat einen hohen Stellenwert bei den muslimischen Soziologen. Sein Werk „Muqaddima“ bleibt in der deutschen Soziologie jedoch kaum wahrgenommen. 2 Dennoch bei der Lektüre dieses Werkes fällt es sofort auf, dass seine zentralen, soziologisch relevanten Aussagen, nämlich über die wissenschaftlichen Methoden und darüber, was eine Gemeinschaft im Inneren zusammen hält, erstaunlich modern klingen.
Was betrifft die methodologischen Erkenntnisse, so betrachtet Ibn Chaldun die Geschichtswissenschaft als eine Wissenschaft, in der nicht nur Völker und die geschichtlichen Ereignisse einfach beschrieben werden sollten, sondern es geht vor allem um die genaue Erforschung der Ursachen der geschaffenen Dingen und ihre Ausgangspunkte. So erweist sich Ibn Chaldun weit mehr als ein empirischer und deskriptiver Soziologe, der weniger Ratschläge erteilt und akzeptiert im Ganzen die Gesellschaft so, wie er sie vorfindet. 3
Auf dieser methodologischen Grundlage untersucht Ibn Chaldun die Zustände, die mit der Entwicklung der menschlichen Kultur zusammenhängen. Er charakterisiert dabei eine zyklische Bewegung, in der die nomadischen Beduinen die Kultur in den Städten entfalten, die wiederum durch Aggression von außen oder durch eigene Schuld verfällt, um sie wieder entstehen zu lassen. Die beiden Formen menschlichen Zusammenlebens entnimmt Ibn Chaldun der Situation seiner Zeit und setzt sie in ihrem Wechsel als allgemeines Gesetz der Geschichte und der Gesellschaft. So sah er folglich die Geschichte als permanenten Wechsel der Kultur und der politischen Organisationen, die die Geburt als ihren Niedergang erleben. Der Niedergang erfolgt unmittelbar nach der Hochblüte einer Kultur.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- „Wissenschaft“ bei Ibn Chaldun
- Die Begriffserklärung von ‘Asabijja
- Die zyklische Bewegung der Geschichte: vom Nomadentum zur Sesshaftigkeit
- Bedeutung der ‘Asabijja für die Herrschaft
- Die segmentären Gesellschaften
- Der Übergang vom ländlichen zum städtischen Leben
- Verfall von Dynastien
- Die,,soziale Solidarität“ und das „Kollektivbewusstsein“ bei E. Durkheims im Vergleich zu Ibn Chalduns 'Asabijja
- Schussfolgerung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit beschäftigt sich mit dem Konzept der 'Asabijja in der Gesellschaftslehre von Ibn Chaldun und setzt es in Relation zu Emile Durkheims Theorie der sozialen Solidarität. Ziel ist es, die Bedeutung des Begriffs 'Asabijja für die Analyse der gesellschaftlichen Dynamik und die Frage des Zusammenhalts in verschiedenen historischen Kontexten zu beleuchten.
- Die Bedeutung der 'Asabijja für die Herrschaft und den gesellschaftlichen Zusammenhalt
- Die zyklische Bewegung der Geschichte und der Übergang vom Nomadentum zur Sesshaftigkeit
- Der Vergleich der 'Asabijja mit Durkheims Konzept der sozialen Solidarität
- Die Rolle des 'Asabijja im Kontext der politischen und sozialen Instabilität in der Geschichte
- Die methodologischen Erkenntnisse von Ibn Chaldun und ihre Relevanz für die Soziologie
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema ein und stellt die Bedeutung von Ibn Chaldun als Vorläufer des soziologischen Denkens heraus. Sie erläutert die zentrale Rolle des Begriffs 'Asabijja für die Analyse der gesellschaftlichen Dynamik.
Das zweite Kapitel beleuchtet die wissenschaftliche Methode von Ibn Chaldun und seine Auffassung von Geschichtswissenschaft.
Das dritte Kapitel erklärt den Begriff 'Asabijja und seine Bedeutung für den Zusammenhalt in segmentären Gesellschaften.
Das vierte Kapitel analysiert die zyklische Bewegung der Geschichte, die vom Nomadentum zur Sesshaftigkeit führt.
Das fünfte Kapitel setzt die 'Asabijja in Bezug zu Durkheims Konzept der sozialen Solidarität und untersucht die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Theorien.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit zentralen Themen der Soziologie und der islamischen Gesellschaftsgeschichte. Schlüsselwörter sind 'Asabijja, soziale Solidarität, Kollektivbewusstsein, Nomadentum, Sesshaftigkeit, gesellschaftliche Dynamik, politische Ordnung, islamisches Mittelalter, Ibn Chaldun, Emile Durkheim.
- Quote paper
- Maritana Larbi (Author), 2003, Der Asabijja-Begriff in der Gesellschaftslehre von Ibn Chaldun in Reflexion zu E. Durkheims 'sozialer Solidarität', Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/61054