A. Einleitung
Bei mehr als 70% der Insolvenzen - sagt eine vorjährige, im Internet veröffentliche Studie der Wirtschaftsauskunft Creditreform aus 2004 - spielen Managementfehler die entscheidende Rolle. Die Konkursanalysten unterscheiden hier nach Organisationsfehlern (26,7 %), Planungsfehlern (19,6 %), falscher Investitionspolitik (12,5 %) und mangelhaften Produkten oder Arbeiten (12,6 %). Managementfehler Organisationsfehler, falsche Investitionspolitik und mangelhafte Arbeiten schädigen auch Unternehmen, die zu sozial denken und sich nicht früh genug von Mitarbeitern trennen. Versagt das Management im operativen Geschäft, holt in Deutschland ein strukturelles Manko viele Unternehmen ein: In keinem anderen EU - Land ist die Eigenkapitalquote der Unternehmen so niedrig wie hier. Banken zeigen sich seit der Verschärfung der Regelungen zur Bankenaufsicht im Rahmen des Basel II Abkommens bei der Kreditvergabe immer zurückhaltender. Die Ursachen für Insolvenzen sind vielfältig, die Fakten verheerend. Zwar ging 2005 die Zahl der Unternehmensinsolvenzen erstmals seit einem halben Jahrzehnt deutlich zurück, bei 37.900 Insolvenzen in Deutschland hat das deutsche Management jedoch kaum Anlass, sich in Sicherheit zu wiegen. Bei persönlich haftenden Gesellschaftern und Geschäftsführern folgt der Firmeninsolvenz sehr häufig wegen der persönlichen Haftung auch die private und damit ein sozialer und psychischer Absturz. Nach Berechnungen von Cre-ditreform haben die Insolvenzen des Jahres 2005 mehr als eine halbe Millionen Arbeitsplätze gekostet. Wirtschaftsstraftaten im Zusammenhang mit einer beginnenden Krise eines Unternehmens haben in den letzten Jahren einen erheblichen Umfang angenommen, sie steigen mit der Nähe zur Insolvenz proportional. Das ergibt sich wegen der Krise als Tatbestandsvoraussetzung auch aus der Struktur und dem Schutzzweck der Insolvenzstraftatbestände. Wie viele der von einer Krise betroffenen Unternehmer in Wahrheit die Krise und den Zusammenbruch vorsätzlich in der Absicht herbeigeführt oder sie ausgenutzt haben, um sich durch Beiseiteschaffen der noch vorhandenen wirtschaftlichen Werte persönlich zu bereichern und/oder ihre Gläubiger zu schädigen, wird wohl niemals eindeutig festgestellt werden können. Die Rechtsprechung versucht, zu dieser Frage durch Auslegung der Insolvenzstraftatbestände Leitlinien an die Hand zu geben. [...]
Inhaltsverzeichnis
- A. Einleitung
- B. Hauptteil
- I. Der Widerspruch zwischen dem "nemo-tenetur-Prinzip" und der Auskunfts- und Mitwirkungspflicht des Gemeinschuldners
- 1. Das nemo-tenetur-Prinzip
- a.) Das Offizialprinzip
- b.) Das Legalitätsprinzip
- c.) Das Opportunitätsprinzip
- d.) Das nemo-tenetur-Prinzip im eigentlichen Sinne
- 2. Die Beweisverwertungsverbotsregel als aus dem Opportunitätsprinzip folgende Eingrenzung der Offizialmaxime oder als aus dem "Fair-trial-Prinzip" folgende Konkretisierung des Legalitätsprinzips
- 3. Der Vorrang des "Fair-trial-Prinzips"
- 4. Fruit of the forbidden tree
- II. Ausweitung des Anwendungsbereichs der Beisverwertungsverbotsregel entsprechend der Zielsetzung der InsO
- 1. Früherer Rechtszustand
- 2. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (NJW 1981, 1431)
- 3. Heutige Grenzen
- III. Denkbare Angriffspunkte für das Verfolgungsinteresse der Ermittlungsbehörden (StA, Steufa, Kripo) gegen die Tragfähigkeit der Beweisverwertungsverbotsregeln anhand einzelner Beispiele
- a.) Fernwirkung
- b.) "Vorauswirkung" des Verwendungsverbotes im Sinne einer möglichen Erstreckung der Fernwirkung auch auf den Anfangsverdacht
- c.) "Nachwirkung" des Verwendungsverbotes (Fernwirkung im eigentlichen Sinne)
- d.) Die sonstigen Mitwirkungspflichten
- e.) Falschangaben
- f.) Schweigen
- 1. Vernichtete Unterlagen
- 2. Auskunft als Weg zu den Geschäftsunterlagen
- 3. Geständnis unter Vorlage der Geschäftsunterlagen
- 4. Auskunft des Schuldners als "Lesehilfe" zu den Geschäftsunterlagen
- 5. Zivilakten
- 6. Durchsuchungsbefehl
- 7. Hypothetischer Kausalverlauf
- IV. Verhaltenskonsequenzen
- 1. Verhaltenskonsequenzen für den Gemeinschuldner
- 2. Verhaltenskonequenzen für seine Berater
- V. Ergebnis und Ausblick
- 1. Beredtes Schweigen
- 2. Ausblick de lege lata
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Diplomarbeit beschäftigt sich mit den rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen des Verwendungs-/Verwertungsverbotes der Insolvenzordnung (InsO). Sie analysiert den Widerspruch zwischen dem "nemo-tenetur-Prinzip" und der Auskunfts- und Mitwirkungspflicht des Gemeinschuldners im Insolvenzverfahren.
- Der Anwendungsbereich der Beweisverwertungsverbotsregel
- Die Ausweitung des Anwendungsbereichs der Beweisverwertungsverbotsregel im Kontext der InsO
- Die Angriffspunkte für Ermittlungsbehörden im Hinblick auf die Tragfähigkeit der Beweisverwertungsverbotsregel
- Die Verhaltenskonsequenzen für den Gemeinschuldner und seine Berater
- Ein Ausblick auf die zukünftige Entwicklung der Rechtsprechung
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel untersucht den Widerspruch zwischen dem "nemo-tenetur-Prinzip" und der Auskunfts- und Mitwirkungspflicht des Gemeinschuldners. Es analysiert die verschiedenen Aspekte des "nemo-tenetur-Prinzips" und die Beweisverwertungsverbotsregel als Eingrenzung der Offizialmaxime. Das zweite Kapitel befasst sich mit der Ausweitung des Anwendungsbereichs der Beweisverwertungsverbotsregel im Kontext der InsO und beleuchtet die Entwicklung des Rechtszustands seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 1981. Das dritte Kapitel analysiert denkbare Angriffspunkte für Ermittlungsbehörden im Hinblick auf die Tragfähigkeit der Beweisverwertungsverbotsregel anhand einzelner Beispiele, darunter die Fernwirkung, die "Vorauswirkung" und die "Nachwirkung" des Verwendungsverbotes. Das vierte Kapitel betrachtet die Verhaltenskonsequenzen für den Gemeinschuldner und seine Berater, während das fünfte Kapitel ein Ergebnis und einen Ausblick auf die zukünftige Entwicklung der Rechtsprechung liefert.
Schlüsselwörter
Insolvenzordnung (InsO), nemo-tenetur-Prinzip, Beweisverwertungsverbot, Auskunfts- und Mitwirkungspflicht, Gemeinschuldner, Ermittlungsbehörden, Verhaltenskonsequenzen, Rechtsprechung, Unternehmenskrise, Managementfehler.
- Arbeit zitieren
- Dipl.-Kfm.(FH) Philipp Post (Autor:in), 2006, Rechtliche und wirtschaftliche Konsequenzen des Verwendungs-/Verwertungsverbotes der Insolvenzordnung (InsO), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/61068