Sexuelle Aufklärung und Sittenlehre in der Kinder- und Jugendliteratur des 18. Jahrhunderts


Term Paper, 2006

21 Pages, Grade: 2,3


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Kind, Kindheit und Kinderliteratur in der frühen Zeit
2.1 Kinderliteratur im 18. Jahrhundert

3. Sexuelle Aufklärung und Moral in Johann Bernhard Basedows „Elementarwerk

4. Über die Schamteile – Joachim Heinrich Campe

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Kinder sind von Natur aus die neugierigsten Wesen, die es auf der Erde gibt. Sie kommen als „tabula rasa“ - als ein unbeschriebenes Blatt - zur Welt, und gehen dann auf eine sehr lange Entdeckungsreise. Denkt man heute an die Begriffe „Kind“ und „Kindheit“, so verknüpfen viele Menschen etwas beschauliches und unbeschwertes damit, und ordnen sie kleinen hilflosen Wesen zu, die wie eine zarte Blume gehegt und gepflegt werden und deren Lebensweg durch besondere Liebe und Hinwendung auf die Erwachsenenwelt geebnet wird. Die Kindheit und Jugend wird somit als die schönste und unbeschwerteste Zeit, die ein Mensch im Leben haben kann angesehen, aber wie unbeschwert kann sie sein, wenn sie von Moral und Sittenlehre überschattet wird?

Wenn Kinder heutzutage Bücher lesen, dann sind es häufig solche, die zu ihrer Unterhaltung dienen. So gibt es unterschiedliche Buchtypen für die sich Kinder und Jugendliche interessieren können: Erzählungen, Romane, Autobiographien, Bilderbücher, Comics, Krimis, Liebesbücher, Sach- und Geschlechtsbezogene Bücher. Für Heranwachsende besteht somit eine große Auswahl an Literatur für welche sie ihr Interesse nach und nach persönlich entfalten können. Geht man jedoch in die Geschichte der Kinder- und Jugendliteratur zurück, so wird deutlich, dass es nicht immer eine solche Gattungsvielfalt gegeben hat.

Im Rahmen der folgenden Hausarbeit werde ich mich mit der Kinder- und Jugendliteratur der Frühen Neuzeit befassen, wobei ich besonders auf die Fragestellung eingehen werde, inwiefern den Kindern der damaligen Zeit sexuelle Aufklärung und Sittenlehre literarisch nähergebracht wurde beziehungsweise ob die frühe Kinderliteratur überhaupt eine belehrende Funktionalität aufweist. Um den Leser meiner Arbeit in das Kernthema einzuführen, werde ich zunächst einen groben Überblick über die soziale Differenzierung zwischen Heranwachsenden und Erwachsenen in der Frühen Neuzeit geben. Hierbei werde ich mich jedoch auf den pädagogisch - sozialen Status des Kindes beschränken müssen, da eine ausführliche Darlegung des Kindheitsbegriffes in meinem Gesamtkonzept den geforderten Rahmen einer Hausarbeit weit übersteigen würde. Gleichzeitig werde ich den Charakter der Kinder- und Jugendliteratur des 18. Jahrhunderts kurz aufzeigen, um dann im darauffolgenden Schritt Kinderliteratur aus der damaligen Zeit vorzustellen und mich mit meiner Fragestellung auseinander zu setzen. Dies bildet den Schwerpunkt meiner Hausarbeit.

2. Kind, Kindheit und Kinderliteratur in der Frühen Zeit

Bis hin zur Frühen Neuzeit beschränkte sich die Dauer der Kindheit, sofern man von einer „Dauer“ sprechen darf, „auf das zarteste Kindesalter, das heißt auf die Periode, wo das kleine Wesen nicht ohne fremde Hilfe auskommen kann […] Vom sehr kleinen Kind wurde es sofort zum jungen Menschen, ohne die Etappen der Jugend zu durchlaufen, die möglicherweise vor dem Mittelalter Geltung hatten und zu wesentlichen Aspekten der hochentwickelten Gesellschaften von heute geworden sind.“[1]Man trat nach Phillipe Ariès Auffassung erst aus der Kindheit heraus, wenn man aus den niedrigsten Abhängigkeitsverhältnissen herauskam. Somit wurde das Kind unmittelbar als erwachsenes Wesen angesehen sobald es sich körperlich zurechtfinden konnte, und übernahm gleichwertige Arbeiten der Erwachsenenwelt. Dies hing insbesondere damit zusammen, dass bis in das 18. Jahrhundert hinein die Sozialisationsinstanz Familie beziehungsweise „die Gemeinschaft aller unter einem Dach zusammenlebenden Menschen“[2], als „Ganzes Haus“ bezeichnet wurde. Dabei ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass der „Oikos“[3]nicht nur als Institution verstanden wurde, in der lediglich die Familie – also verwandtschaftliche Beziehungen- lebte, sondern auch darüber hinaus als Lebensgemeinschaft für unverheiratete Verwandte, für Knechte und Mägde. Somit war es für Kinder unumgänglich am Arbeitsleben der Erwachsenen im bäuerlichen und handwerklichen Haushalt –direkt oder indirekt- teilzunehmen. „Das Leben nicht nur der Eltern, sondern auch der Nachbarschaft, des Dorfes, der Stadt liegt offen vor ihnen. Geburt und Tod, Hochzeit und Hinrichtung, Krankheit und Narrheit: alles geschieht noch auf eine unmittelbar öffentliche Weise.“[4]Diese „Auslieferung“ der Kinder in die Erwachsenenwelt trug dementsprechend zu ihrer Sozialisation bei, da es bis zum 18. Jahrhundert noch keine allgemeine Schulpflicht gab und sie infolgedessen auf eine elementare Sozialisation des Hauses angewiesen waren. So war es selbstverständlich, aufgrund der Teilnahme am Erwachsenenleben als Kind „in die spätere familiale und berufliche Rolle hineinzuwachsen“[5]. Die Erfahrungen, die das Kind in seinem Stand sammelte, begrenzten sich auf seine Mitmenschen und das Umfeld, in dem es lebte. Kindheit wurde in dieser Zeit nicht als eigenwertige Lebensphase angesehen, sondern lediglich als eine Vorbereitungsphase auf das Erwachsensein; das Kind hatte keine Existenzberechtigung. Folglich gab es für die verschiedenen Generationen keine räumliche, soziale oder psychische Grenzbereiche.

2.1 Kinderliteratur im 18. Jahrhundert

Auch im Unterhaltungsbereich bewegten sich Kinder und Erwachsene auf einer Ebene, was dazu führte, dass es bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts hinein kaum Unterschiede zwischen Erwachsenen- und Kinderliteratur gab. Verschiedene Generationen lasen das Gleiche wie zum Beispiel die „Bibel, Volksbücher, Reisebeschreibungen; Märchen, Spinnstubengeschichten und wahre Begebenheiten wurden mündlich überliefert.“[6]Spezielle Kinderbücher, also Literatur, die für Kinder und Jugendliche produziert wurde, so wie wir sie heute kennen, gab es zu dieser Zeit noch nicht wirklich, lediglich solche, die von Kindern und Jugendlichen tatsächlich gelesen worden. Die Rarität an öffentlichen Bibliotheken machte es zudem unmöglich, jedem die Wahl seiner Lektüre zu überlassen, da Bücher aufgrund der niedrigen Produktion sehr teuer waren. So war „die Lektüre des jungen Lesers besonders vom 15. bis zum 18. Jahrhundert abhängig vom zufällig erreichbaren Lesestoff.“[7]Im Mittelalter waren es besonders Fabeln, für die sich die Heranwachsenden interessierten, die aber auch im schulischen Bereich – damals Klosterschulen – eingesetzt wurden. „Volksdichtung, Reime, Lieder, Märchen und andere Gattungen wurden den Kindern schon in frühen Jahren vermittelt, jedoch sind auch diese nicht ausschließlich für sie bestimmt; Kinder waren nur „Mitkonsumenten“.“[8]

Besonders im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts entstanden die ersten Werke, die man als „an Kinder gerichtete“ Kinderliteratur bezeichnen kann, und welche als eigenständiges Teilsystem der Gesamtliteratur angesehen werden konnten und können. Diese Entwicklung des Kinder- und Jugendbuches, die durch den Dreißigjährigen Krieg unterbrochen wurde, ist vor allem den Pädagogen der Aufklärungszeit zuzuschreiben. Sogenannte ABC-Bücher , Zucht- und Sittenbücher, religiöse Lieder und Erzählungen aus der Bibel sowie der „Orbis Pictus“[9], deren Entstehung bereits im 16. Jahrhundert zu erkennen ist, wurden von ihnen aufgegriffen beziehungsweise fortgesetzt.

„Sapere Aude – habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“, formulierte einst Immanuel Kant und plädierte damit für die Unmündigkeit des Menschen und zugleich für die Lockerung der Abhängigkeit von Kirche und Doktrin. Auf dieser Basis wurde ebenfalls in der Erziehung beziehungsweise in der pädagogischen Literatur ein großer Schritt getan, und somit auch im Bereich des Kinderbuches. Literatur wurde zum zentralen Werkzeug der Information, der Verständigung „und zu einem immer wichtiger werdenden Medium der Erziehung.“[10]Im Vordergrund stand die Erziehung des einzelnen sowie die des Menschengeschlechts, wobei als Ziel vernünftiges und sittliches Handeln angegeben wurde, um die „Verbesserung der Gesellschaft“ zu erreichen. Spricht man nun von der „ Erziehung des Einzelnen“ , so wird deutlich, dass auch die Eigenständigkeit des Kindes vom Erwachsensein immer mehr unterschieden wurde, was dazu führte, dass sich auch die Literatur für Kinder maßgebend veränderte. Waren es zuvor moralistische Werke, die eine rein religiöse Absicht mit sich brachten, sind es zu dieser Zeit rational – moralistische Werke, welche erzieherische Botschaften in verhüllten Geschichten vermittelten. Ein berühmtes Beispiel stellt Jean – Jacques Rousseaus[11]pädagogisches Hauptwerk „Émile“ dar, in welchem die Erziehung eines Jungen beschrieben wird. Rousseau forderte, dass das Kind nicht mehr als „kleiner Erwachsener“ behandelt werden sollte, sondern seine Persönlichkeit entwickelt werden musste. Auf diese Weise wird auch Émile in seinem Buch erzogen. Mit dieser Differenzierung von Kindheit und Erwachsensein seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, veränderte sich ebenfalls der Erziehungsbegriff und somit auch die Literatur für Kinder.

Von diesem Zeitpunkt an wurden Kinder auf ihr späteres „Leben als Kaufmann, Fabrikant oder Staatsdiener vorbereitet“[12], und auch ihr Verhalten wurde ernst genommen und in Hinblick auf ihr künftiges Erwachsenendasein betrachtet. Mittels Sitten- und Anstandsliteratur wurden moralische Unterweisungen vorgenommen, welche die Heranwachsenden zu „tugendhaften“ und „vernünftigen“ Menschen erziehen, und ihre Triebe auf das Gute hinlenken sollten. Hierzu dienten insbesondere Fabel- und Exempelbücher, die zum einen als „unterhaltsames Lesebuch“ und zum anderen als belehrendes Buch angesehen wurden. Die Unterhaltsamkeit und ihre abwechslungsreiche Darstellung diente der Motivation der Kinder, eben solche „intentionalen“ Geschichten für sie anziehend zu machen.

[...]


[1] Phillipe Ariès : Geschichte der Kindheit. Mit einem Vorwort von Hartmut von Hentig, München: 1978, S.46

[2] Paul Münch: Lebensformen in der Frühen Neuzeit: 1500 bis 1800, Frankfurt/M; Berlin: 1996

[3] Oikos; Oika (griech.): Haus; Hausgemeinschaft

[4] Marie-Luise Könneker (Hrsg.): Kinderschaukel 1: Ein Lesebuch zur Geschichte der Kindheit in Deutschland 1745-1860, Darmstadt: 1976, S.11

[5] Paul Münch: Lebensformen in der Frühen Neuzeit, S. 212 f.

[6] Marie-Luise Könneker (Hrsg.): Kinderschaukel 1, S.10

[7] Heinz Wegehaupt: Vorstufen und Vorläufer der deutschen Kinder- und Jugendliteratur bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts, Leipzig: 1976, S. 14

[8] Ebd., S. 9

[9] Orbis sensualium pictus (“Die sichtbare Welt von Bildern”) des Johan Amos Comenius, 1658: 1. europäisches Schulbuch nach dem Prinzip des heutigen Anschauungsunterrichtes

[10] Reiner Wild (Hrsg.): Geschichte der deutschen Kinder- und Jugendliteratur, Stuttgart: 2002, S. 46

[11] 1712-1778, französisch-schweizerischer Philosoph, Pädagoge, Komponist und Schriftsteller

[12] Marie-Luise Könneker (Hrsg.): Kinderschaukel 1, S. 13

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Details

Title
Sexuelle Aufklärung und Sittenlehre in der Kinder- und Jugendliteratur des 18. Jahrhunderts
College
University of Duisburg-Essen  (Historisches Institut Universität Essen)
Course
Kindheit im 18. Jahrhunderts
Grade
2,3
Author
Year
2006
Pages
21
Catalog Number
V61699
ISBN (eBook)
9783638551038
ISBN (Book)
9783656797906
File size
526 KB
Language
German
Keywords
Sexuelle, Aufklärung, Sittenlehre, Kinder-, Jugendliteratur, Jahrhunderts, Kindheit, Jahrhunderts
Quote paper
Susan Waezi (Author), 2006, Sexuelle Aufklärung und Sittenlehre in der Kinder- und Jugendliteratur des 18. Jahrhunderts, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/61699

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