Stottern - Abgrenzung von entwicklungsbedingten Redeunflüssigkeiten, beginnendem und manifestem Stottern


Seminararbeit, 2002

15 Seiten, Note: gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Exkurs: Kindliche Entwicklung und Stottern
1.1. Physische und sensomotorische Entwicklung
1.2. Kognitive Entwicklung
1.3. Sprachentwicklung
1.4. Emotionale Entwicklung

2. Zur Abgrenzung Entwicklungsstottern – beginnendes Stottern – manifestes Stottern
2.1. Vorbemerkung
2.2. Redeunflüssigkeiten: entw.bedingte; psychosozial; infolge von SEV; organisch bedingte RU
2.3. Beginnendes Stottern: psychogen; somatogen; Mischformen

3. Quellenverzeichnis

4. Anhang

1. Exkurs: Kindliche Entwicklung und Stottern

1.1. Physische und sensomotorische Entwicklung

Während der kindlichen Wachstumsphase verändern sich fortlaufend und zum Teil schubweise Lage, Größenverhältnisse und biomechanische Eigenschaften der zum Sprechen benötigten Organe. Beim Sprechen findest ein kompliziertes Zusammenspiel antagonistischer Muskelgruppen statt.

In der Entwicklungsphase der Sprechmotorik integrieren sich elementare Bewegungseinheiten in große Bewegungskomplexe. Durch motorische Lernprozesse vereinigen sich bereits einfache automatisierte Bewegungsabläufe zu komplexeren.

Bei der Manifestierung des Stotterns entstehen solche sogenannten Synergismen aus ursprünglich eher bewusst gesteuerten motorischen Coping-Strategien. Längerfristig entstehen so hochautomatisierte motorische Begleitsymptome, die sich gravierender auswirken können als die Kernsymptome.

Mit dem Alter des Kindes nimmt auch die koartikulatorische Fähigkeit zu, während des gerade gebildeten Lautes den folgenden Laut vorzubereiten. Das trägt zur Erhöhung der Sprechgeschwindigkeit bei. Hier wird deutlich, wie einzelne sprechmotorische Muster zu größeren Einheiten zusammengefasst werden.

Eine Vielzahl von Untersuchungen (vgl. KLOTH et al., 1995) zeigen, dass stotternde Kinder häufig eine erhöhte Geschwindigkeit von Artikulationsbewegungen in flüssigen und gestotterten Anteilen aufweisen. Das lässt häufig den Schluss zu, diese Kinder würden schneller sprechen als es ihre Fähigkeiten zuließen. Andererseits konnte auch nachgewiesen werden, dass diese überhöhte Sprechgeschwindigkeit ein Jahr nach Stotterbeginn nicht mehr nachweisbar ist. Außerdem würden unflüssige Äußerungen nicht schneller gesprochen als flüssige (vgl. KLOTH et al., 1998).

Eine andere Betrachtungsweise lässt die Sicht auf die taktile und kinästhetische Selbstwahrnehmung zu. Aber auch ihre Bedeutung ist nicht ausreichend theoretisch begründet. Jedoch beweisen spezielle Trainings, die auf diesen Rückmeldekanal abzielen, dass zum Beispiel erwachsene Patienten erfolgreich Blockierungen lösen können, wenn die taktil-kinästhetische Wahrnehmung der Artikulationsabläufe ausreichend trainiert wurde. Diese Methode – „Pullout“ – wurde von Van Riper (1986) entwickelt. Für Kinder mit Teilleistungsschwächen in diesem Bereich ist sie natürlich ungeeignet.

Gleichfalls wird über den Zusammenhang der Mundmotorik und Stottern gemutmaßt. Klar ist, dass ein Teil der sprechmotorischen Auffälligkeiten beim Stottern Reaktionen auf symptomatische Unflüssigkeiten sind.

1.2. Kognitive Entwicklung

„Auf der Grundlage einer multifaktoriellen Sichtweise sollte im Rahmen eines Längsschnittprojektes über 54 Monate die mögliche prognostische Relevanz psychometrisch erfassbarer kognitiver und linguistischer Fähigkeiten im Hinblick auf den weiteren Verlauf kindlichen Stotterns untersucht werden. Dazu wurden 62 stotternde Vorschulkinder von im Durchschnitt fünf Jahren mit psychometrischen Tests zur Erfassung des kognitiven und linguistischen Leistungs- und Entwicklungsstandes sowie möglicher Teilfunktionsstörungen untersucht und in ihrem Stotterverlauf 54 Monate begleitet. Die Untersuchungsgruppe wurde retrospektiv in drei Verlaufsgruppen eingeteilt: eine Gruppe mit schneller Remission innerhalb von 18 Monaten nach Studienbeginn, eine weitere Gruppe mit langsamer Remission innerhalb von 54 Monaten nach Studienbeginn und eine überdauernd stotternde Gruppe über das Studienende hinaus. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass ein hohes linguistisches Funktionsniveau zu Studienbeginn eher einen Risiko- als einen Schutzfaktor für eine chronische Stotterkarriere darstellt. Das anfängliche kognitive Leistungsniveau der Kinder lässt jedoch keine klaren Prognosen zu. Tendenziell gehörten Kinder mit anfänglich hohem kognitivem Niveau entweder zur Gruppe mit schneller Remission (innerhalb 18 Monaten nach Studienbeginn) oder zu der Gruppe, die in ein chronisches Stottern mündete. Diejenigen Kinder mit den niedrigsten Werten sowohl im kognitiven als auch im linguistischen Bereich gehörten zu der Gruppe, die erst spät, das heißt nach 18, aber dennoch innerhalb 54 Monaten flüssig wurde.“ (aus: Sprache-Stimme-Gehör, „Können kognitive und linguistische Fähigkeiten zur Verlaufsprognose kindlichen Stotterns beitragen?“ Dipl.-Psych. Andrea Häge).

Prinzipiell besteht eine Normalverteilung der Intelligenz bei Stotternden. Kognition und Stottern stehen in vielfältigen Wechselbeziehungen zueinander, zum Beispiel in Bezug auf neuropsychologische, motorische, sensorische, emotionale und linguistische Fähigkeiten.Im Laufe der Entwicklung steigt auch die Fähigkeit, komplexe Sachverhalte miteinander in Beziehung zu setzen. Das bedeutet steigende interne Anforderungen (komplexere und differenzierte Symbolisierung, Gedächtnisleistungen und demzufolge aufwendigere Versprachlichung). Die externen Anforderungen, welche die Bezugspersonen an das Kind stellen, wachsen in gleichem Maße. Man kann also mit einiger Vorsicht schlussfolgern, „[...] dass ein anfänglich hohes linguistisches Funktionsniveau und mit Abstrichen auch ein anfänglich hohes kognitives Funktionsniveau entgegen der Erwartung eher einen Risiko- als einen Schutzfaktor für die Entwicklung chronischen Stotterns darstellen“ (Andrea Häge In: Sprache-Stimme-Gehör).

Beispiel (aus: „Stottern im Kindesaltern“ SANDRIESER/SCHNEIDER 2000 , S.31):

Solche zu hohen Anforderungen (extern wie intern) zeigen sich häufig in Gesprächssituationen, in denen Kinder versuchen Probleme sprachlich zu lösen. Miriam leitet ein Spiel ein und versucht zu formulieren, welche Fragen die zwei Untersucherinnen an sie stellen sollen: „Könnt ihr .. mir eine Kokosnuß runt .. kö . ä. (Blockierung mit Schwa). Könnt .. kannst kannst .. du . uns mal ne Kokos .. kannst du uns mal Kokosnüsssse (Dehnung) runterholen?“

Miriam versucht erst, den Sachverhalt aus ihrer eigenen Perspektive wiederzugeben (eine Person fragt zwei Personen), stellt aber während des Sprechens fest, dass ja zwei Personen eine Frage an eine Person weitergeben. Sie müsste es anders formulieren. Hier zeigt sich die Komplexität des Problems. Linguistische und kognitive Fähigkeiten sind gefordert. Metasprachliche Fähigkeiten in Verbindung mit dem Anspruch an sprachliche und inhaltlich Perfektion steigert die Tendenz, sich selbst zu kontrollieren und korrigieren. Dieses Beispiel zeigt, wie es dadurch zu Unflüssigkeiten und syntaktischen Überarbeitungen kommt.

[...]

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Stottern - Abgrenzung von entwicklungsbedingten Redeunflüssigkeiten, beginnendem und manifestem Stottern
Hochschule
Universität Rostock  (Institut f. Entwicklungsförderung und Rehabilitation)
Veranstaltung
Stottern
Note
gut
Autor
Jahr
2002
Seiten
15
Katalognummer
V6174
ISBN (eBook)
9783638138079
ISBN (Buch)
9783638756679
Dateigröße
459 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit stellt eine Verschriftlichung des Referates dar.
Schlagworte
Stottern, Abgrenzung, Redeunflüssigkeiten, Stottern
Arbeit zitieren
Katrin Niemann (Autor:in), 2002, Stottern - Abgrenzung von entwicklungsbedingten Redeunflüssigkeiten, beginnendem und manifestem Stottern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/6174

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