'Ein entzückend schauerig Bild von allerhöchster Wuth'


Hausarbeit, 2006

14 Seiten, Note: siehe Kommentar


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Vesuvdeskriptionen im Werk Wilhelm Heinses
2.1 Der Vesuv in Aufzeichnungen des Frankfurter Nachlasses
2.2 Wahrnehmung und Ästhetik des Malers Franz Kobell
2.3 Der Vesuv im Briefroman Ardinghello

3. Vergleichende Analyse der Vesuvdarstellungen Goethes und Heinses

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Diese Hausarbeit beschäftigt sich mit den unterschiedlichen Vesuvdeskriptionen des Schriftstellers Jakob Wilhelm Heinse. Als Grundlagen für meine Analyse dienen zum einen der Briefroman Ardinghello und die glückseligen Inseln , der 1787 veröffentlicht wurde, und zum anderen Aufzeichnungen aus dem Frankfurter Nachlass, welche von Markus Bernauer herausgegeben wurden. Die Aufzeichnungen aus dem Frankfurter Nachlass, sowie ergänzende Kommentare, sind in sieben Bänden erschienen, von denen der Letzte im Jahr 2005 veröffentlicht wurde.

Wilhelm Heinse, der von 1746 bis 1803 lebte, und damit ein Zeitgenosse Goethes war, ist Vertreter des Sturms und Drang. In dem Roman Ardinghello verarbeitete Heinse seine Reiseerfahrungen, die er seit 1780 auf seiner dreijährigen Italienreise sammelte. Im Sommer des Jahres 1782 hielt sich Heinse in Neapel auf und beschrieb den Vesuv. In der Untersuchung der Vesuvbeschreibungen widme ich mich Fragen der Ästhetisierung, Personifizierung und Deskriptionsinnovationen des Vulkans. Innerhalb dessen interessiert mich die Blickführung durch den Autor und die Frage nach Bezügen zur zeitgenössischen Landschaftsmalerei. In diesem Zusammenhang gehe ich auf Wahrnehmung und ästhetisches Bildverständnis von Heinses Malerfreund Franz Kobell ein.

Ein weiterer Punkt meiner Betrachtungen ist der Vergleich der Vesuvdarstellungen in Heinses Tagebuchaufzeichnungen mit denen in oben erwähntem Briefroman. Inwieweit ähneln sich die Darstellungen? Färbten die Aufzeichnungen auf Ardinghello ab? Lassen sich Gemeinsamkeiten finden? Welche Empfindungen bewegen den Autor?

Johann Wolfgang von Goethe zählt zu einem der prominentesten Italienreisenden. Den Vesuvbeschreibungen Goethes in seinem Werk Italienische Reise werde ich mich in einem separaten Kapitels meiner Arbeit widmen und diese Deskriptionen einem Vergleich mit denen Heinses unterziehen. Im Schlussteil dieser Arbeit fasse ich die aus meiner Sicht prägenden Merkmale Heinses Vesuvbeschreibungen zusammen.

2. Vesuvdeskriptionen im Werk Wilhelm Heinses

Im Folgenden geht es um die Art der Darstellung des Vesuvs durch den Autor Wilhelm Heinse und die Frage, inwieweit persönliche Tagebucheinträge, den Berg behandelnd, Eingang in den Briefroman Ardinghello gefunden haben. Wurden die Aufzeichnungen wortgetreu übernommen, beziehungsweise welche Affinitäten lassen sich finden?

2.1 Der Vesuv in Aufzeichnungen des Frankfurter Nachlasses

Die Aufzeichnungen Wilhelm Heinses des Frankfurter Nachlasses erstrecken sich über einen Zeitraum von 1768 bis 1783. Am 6. Juni 1780 brach Heinse nach Italien auf. Am längsten verweilte Heinse in Venedig, Florenz und Rom. Seine Reiseroute führt ihn im Sommer 1982 nach Neapel, wo seine Aufmerksamkeit dem Berg Vesuv gilt.

»[…] das Gemisch von unendlichen Felsenhütten von Neapel, wo sich 4 bis 5 hundert tausend Menschen gütlich thun u hinter einem voll schrecklicher Majestät der Vater Vesuv, und darunter um einen das schüchterne Portici«.[1]

Der Vulkan wird als »Vater« und »Majestät« personifiziert und damit nicht nur mit menschlichen Attributen belegt, sondern es wird effektiv eine Hierarchie aufgebaut. Dieses Hierarchieverhältnis besteht auf zwei Ebenen: Der Berg als Personifikation nimmt eine höhere Rangstufe als der Betrachter ein, da er Vater und Majestät ist, und gleichzeitig auch seine Lokalität eine höhere ist, als die des Betrachters. Der Autor schaut zu dem Berg auf; dies tut er nicht in einfacher, naiver Bewunderung, sondern mit Ehrfurcht und Angst vor dem »Schrecklichen«. Der Eindruck zwiespältiger Bewunderung wird verstärkt durch die kontrastierende Darstellung Berg – Stadt. »[D]as schüchterne Portici« liegt am Fuße der »schreckliche[n] Majestät«.

Einen weniger emotionalen Ansatz den Berg zu beschreiben findet Heinse wenige Seiten später. Die Deskription weist Ansätze wissenschaftlicher Beobachtungsversuche auf.

»Der Vesuv ist augenscheinlich ein uralter Berg, dessen Crater einst zusammenfiel, wovon die Riße an der Somma augenscheinlich zeugen; der Vesuv hat sich alsdenn vom neuen daraus durch viele Ausbrüche aufgethürmt. Vorher war es ein einziger Berg wie der Aetna; jetzt sieht er zwar nicht mehr so schön, aber desto furchtbarer aus«.[2]

Der Blick wird vom Gesamtbild auf einzelne Details gelenkt:

»Sein Crater zeigt die stärkste Gewalt die man auf dem Erdboden schauen kann; die Riße von unten heraus, Trichterförmig in die Höhe, gehen über alle Macht von Wetterschlag u aufgesprungenen Pulverthürmen u Einbruch stürmenden Meeres. […], giebt ein entzückend schauerig Bild von allerhöchster Wuth«.[3]

Es wird deutlich, dass der Vesuv in seiner damaligen Gestalt keinen rein ästhetischen Anspruch Heinses erfüllen konnte. Die Zweigeteiltheit des Berges verhinderten die Zuschreibung „schön“. Als Resultat löst der geteilt Berg Staunen und Bewunderung beim Betrachter aus. Vorstellungen eines gewöhnlichen Vulkananblicks werden nicht erfüllt. Allerdings wird die abschreckende und furchterregende Wirkung verstärkt. Zu betrachten ist ein »schauerig Bild«, welches auf Heinse gleichzeitig eine anziehende Wirkung ausübt (»entzückend«). Heinse beschreibt den Berg mit Hilfe von Superlativen (»uralter Berg«, »allerhöchster Wuth«), die Indikatoren für seine Bewunderung sind.

Typisch für Heinses Vesuvbeschreibungen sind die völlig variablen, flexiblen Blickführungen. Beginnt er in oben angegebener Textstelle mit einer Gesamtansicht des Berges, wechselt er im anschließenden Absatz zu Detailbetrachtungen (Krater), und wenige Zeilen später endet der Autor wiederum mit der Fernsicht. »Die Kegelspitze ist von Schlacken bedeckt, u giebt ihm von fern eine rauhe haarigte Riesengestalt. An Portici u Resina sind schönen Gärten voll Bäume wie Hayne; oben wächst lauter Heyde, die Spitze trägt gar nichts«.[4] Es wiederholt sich, wie hier zu sehen ist, das Element der Kontrastierung Berg – Portici. Heinse beobachtet eine stufenweise Veränderung der Vegetation, die Richtung Bergspitze immer kahler wird. Der Berg wird abermals durch das Stilmittel der Personifizierung charakterisiert, die durch ein Element einer Körperbeschreibung ergänzt wird (»haarigte«).

Personifizierungen, die eine Herrschaftsposition des Vesuvs intendieren, finden sich auch auf den folgenden Seiten. »Vesuv liegt da, wie ein schrecklicher Sultan, von einem demüthigen Hof von Bergen umrungen; […]«[5] – ein Bild von Vesuv, dem Schreckensherrscher über Land und Menschen baut sich auf. Immer wiederkehrend ist die kontrastierende Beschreibung des »untertänigen« Portici am Fuße des Vulkans. Ungeschützt und den unberechenbaren Naturgewalten ausgeliefert liegt es da; dieser Eindruck scheint Heinse zu bewegen. Der Vesuv hingegen »athmet stolz der Sonn entgegen in majestätischer Ruhe seinen schweren Dampf aus«.[6]

[...]


[1] Wilhelm Heinse, »Die Aufzeichnungen Frankfurter Nachlass«, in: Markus Bernauer (Hrsg.), Die Aufzeichnungen 1768 – 1783 , Bd. 1: München/Wien 2003, S. 487.

[2] Ebd., S. 489.

[3] Ebd., S. 489.

[4] Ebd., S. 489f, »Hervorhebung von mir, as«.

[5] Ebd., S. 490.

[6] Ebd., S. 490f, »Hervorhebung von mir, as«.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
'Ein entzückend schauerig Bild von allerhöchster Wuth'
Hochschule
Technische Universität Berlin  (Institut fuer Literaturwissenschaft)
Veranstaltung
Der brennende Berg - Vesuvrezeptionen
Note
siehe Kommentar
Autor
Jahr
2006
Seiten
14
Katalognummer
V62154
ISBN (eBook)
9783638554503
ISBN (Buch)
9783656805069
Dateigröße
506 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Analyse der Vesuvdeskriptionen Wilhelm Heinses. Die Arbeit wurde mit "gut" bis "sehr gut" eingeschaetzt.
Schlagworte
Bild, Wuth, Berg, Vesuvrezeptionen
Arbeit zitieren
Anna Schefer (Autor:in), 2006, 'Ein entzückend schauerig Bild von allerhöchster Wuth', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62154

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