Indem W. G. Sebald 1999 im Rahmen seiner Züricher Poetikvorlesungen die „Unfähigkeit einer ganzen Generation deutscher Autoren, das, was sie gesehen hatte, aufzuzeichnen und einzubringen in unser Gedächtnis“ öffentlich angeprangert hat, wurde eine bundesweite Diskussion über das Verhältnis der deutschen Literatur zu den alliierten Bombardements auf deutsche Großstädte im Zweiten Weltkrieg losgetreten, die bis heute anhält. Zu den Werken, die innerhalb dieser Debatte zum Teil großes Lob erfahren haben, zählen unter anderem Gert Ledigs 1999 wieder veröffentlichter Roman „Vergeltung“ und Hans Erich Nossacks „Der Untergang“. Beide Texte zeigen mehr oder minder ausgeprägt Ansätze dessen, was im Rahmen einer Darstellung des alliierten Bombenkrieges unter anderem von W. G. Sebald gefordert wurde: eine dokumentarisch-prosaische, sachlich-präzise Wiedergabe der historischen Wahrheit. Nossack wird größtenteils für seine ihm eigene Art des Schreibens gewürdigt, nämlich „das, was er tatsächlich gesehen hatte, in möglichst unverbrämter Form niederzuschreiben“. Auch Ledig wurde dadurch, dass „Vergeltung“ als sachliches „Protokoll eines Angriffs“ gelesen wurde, in die Riege der Anerkennung verdienenden Autoren, die über den Bombenkrieg schrieben, aufgenommen, wenn auch Sebald selbst Ledig nur zögerlich Lob zuspricht und zum Teil sogar kritisiert. Doch können die beiden Texte diesen strengen Anforderungen, die an sie gestellt werden, wirklich genügen? Oder weichen sie vielleicht von dem Postulat nach dokumentarischer Präzision ab? Eine Untersuchung der literarischen Darstellung beider Texte soll Aufschluss über diese Fragen geben. In diesem Zusammenhang scheint besonders wichtig, wie die beiden Werke mit Affekten umgehen, da in diesem Bereich wohl am ehesten zu erkennen sein wird, ob die Texte wirklich in einem sachlich-nüchternen Stil verfasst sind.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitende Gedanken zu „Vergeltung“ und „Der Untergang“
- Gert Ledig: „Vergeltung“
- Rezeption des Romans „Vergeltung“
- Literarische Darstellung
- Der Titel „Vergeltung“ und die Schuldproblematik
- Die narrative Grundstruktur des Romans
- Theologische Bezüge des Textes
- Die Darstellung der Gewalt
- Affekte
- Der Eindruck von Gefühlskälte innerhalb des Romans
- Die Präsenz von Emotionen
- Gesamteindruck der Darstellung bezüglich der Affekte
- Hans Erich Nossack: „Der Untergang❝
- Rezeption von Nossacks „Der Untergang“
- Literarische Darstellung
- Grundlegendes zur Erzählerfigur
- ,,Der Untergang“ als „opus mixtum“
- Zur Bildlichkeit der Erzählung
- Nossacks Grenzsituation in „Der Untergang“
- Affekte
- Ausprägungen eines dokumentarischen Stils
- Emotionales Erzählen in „Der Untergang“
- Resümee hinsichtlich des Umgangs mit Gefühlen
- Die Stellung der beiden Texte in der Diskussion um Sebalds These
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die literarische Darstellung des alliierten Bombenkrieges in den Romanen „Vergeltung“ von Gert Ledig und „Der Untergang“ von Hans Erich Nossack im Kontext der Sebald-Debatte. Die Arbeit analysiert, inwiefern die beiden Werke den Anforderungen an eine dokumentarisch-prosaische Wiedergabe der historischen Wahrheit genügen und welche Rolle die Darstellung von Affekten in diesem Zusammenhang spielt.
- Die Rezeption der beiden Romane „Vergeltung“ und „Der Untergang“
- Die literarische Darstellung des alliierten Bombenkrieges in den beiden Werken
- Die Darstellung der Gewalt und die Schuldproblematik
- Die Rolle der Affekte in den Texten
- Die Positionierung der beiden Texte in der Sebald-Diskussion
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel stellt die beiden Werke „Vergeltung“ und „Der Untergang“ im Kontext der Sebald-Debatte vor und beleuchtet die Kritik an der „Unfähigkeit“ einer ganzen Generation deutscher Autoren, die Schrecken des Bombenkrieges adäquat darzustellen. Das zweite Kapitel widmet sich der Rezeption und der literarischen Darstellung von Ledigs „Vergeltung“ und analysiert insbesondere die Bedeutung des Titels, die narrative Struktur, die theologischen Bezüge und die Darstellung der Gewalt. Außerdem wird die Frage nach der Präsenz von Affekten im Roman untersucht. Das dritte Kapitel betrachtet die Rezeption und die literarische Darstellung von Nossacks „Der Untergang“ und untersucht die Erzählerfigur, die narrative Struktur, die Bildlichkeit und die Grenzsituation des Protagonisten. Des Weiteren wird die Frage nach der Darstellung von Emotionen in Nossacks Werk analysiert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Schlüsselbegriffen alliierte Bombardements, deutsche Kriegsliteratur, Schuldproblematik, Affekte, Dokumentarismus, Sebald-Debatte, „Vergeltung“, „Der Untergang“, Gert Ledig, Hans Erich Nossack. Die Arbeit untersucht die literarische Darstellung des Bombenkrieges in den beiden Romanen im Kontext der Frage nach einer authentischen Wiedergabe der historischen Ereignisse und beleuchtet dabei die Rolle von Emotionen und der Darstellung von Gewalt.
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- Annette Schießl (Autor), 2006, Bomben auf das Deutsche Reich - Zur literarischen Darstellung bei Ledig und Nossack, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62362