Autonomie und neue Kontrolle


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2006

30 Pages, Note: 1,0


Extrait


Gliederung

I Einleitung

II Subjektivierung der Arbeit
II.1 Die Krise des Fordismus
II.2 Krise des Kommandosystems
II.2.1 Indirekte Steuerung
II.2.2 Selbstorganisation
II.2.3 Subjektivierung
II.3 Die Ambivalenz der neuen Freiheit
Rollenüberlastung
Unterlaufung von erkämpften Regeln
Verschärfte Konkurrenzsituation
Strafe durch das System
II.4 Der richtige Umgang mit der Paradoxie

III Objektivierung subjektivierter Arbeit
III.1 Objektivierendes Handeln
III.2 Selbststeuerung nach objektiver Maßgabe
III.2.1 Entwicklung von Informations- und Steuerungssystemen
III.2.2 Steuerung über Kennzahlen
III.3 Neue Formen der Kontrolle und Macht
III.3.1 Handlungsspielräume als Äquivalent zu Befehl und Gehorsam
III.3.2 Ersetzen der Kontrolle durch Kontrollierbarkeit
III.4 Verwissenschaftlichung handlungsleitender subjektiver Orientierungen
III.5 Grenzen der Objektivierbarkeit

IV Fazit

V Literaturverzeichnis

I Einleitung

In den letzten Jahrzehnten kam es in der Wirtschaft sowie auch der Gesellschaft durch die fortschreitende Dynamisierung, Flexibilisierung und Globalisierung zu einschneidenden Veränderungen. Die Komplexität von Arbeitstechniken/-systemen erhöhte sich und die Entwicklung von neuen Informations- und Kommunikationstechniken ermöglichte andere Formen der Steuerung und Kontrolle. All diese und weitere Veränderungen beeinflussten das Verständnis von Arbeit und tun dies immer noch. Arbeit als Phänomen bleibt dabei zwar das Gleiche, jedoch verändern sich die Anforderungen an den Einzelnen sowie die Bedingungen unter denen gearbeitet wird. Als Folge veränderte sich das, was unter dem Begriff Arbeit verstanden wird.

Innerhalb des Themenkomplexes der „Entwicklungsperspektiven von Arbeit“ werden wir uns in diesem Text mit dieser Veränderung des Verständnisses von Arbeit auseinandersetzen und vor allem betrachten, was diese Veränderungen für den Einzelnen für Folgen haben. Dabei werden wir den Taylorismus beziehungsweise Fordismus vorstellen und erläutern, inwiefern es dabei zu Diskrepanzen zwischen den Bedingungen dieser Theorien und den Anforderungen der Gegenwart gekommen ist. Des weiteren werden wir erörtern, inwiefern die Lösung der Diskrepanzen in der (Re-)Subjektivierung der Arbeit (v.a. auch von qualifizierter Arbeit) gesucht wurde, aber ebenfalls, und das wird ein Schwerpunkt dieser Arbeit sein, wie diese Subjektivierung nur scheinbar diese ist, da sie in großem Masse wiederum objektiviert wurde. Dieser Prozess der Objektivierung subjektivierter Arbeit, findet unter dem Deckmantel der Humanisierung (Subjektivierung) großen Anklang, da er in Konformität zu unserer wissenschaftlichen, rational denkenden Gesellschaft steht. Ebenso aber führt er zu neuen großen Konfliktfeldern, welche wir darzulegen versuchen werden.

Da das Subjekt schon immer in der Arbeit vorhanden war, bezeichnet die „Subjektivierung von Arbeit“ lediglich ein begriffliches wissenschaftliches Konstrukt, um die aktuellen Veränderungen benennen zu können. Unsere Ausführungen sollen nicht die Annahme erwecken, der Taylorismus sei durch die Subjektiverung von Arbeit ersetzt worden. Es geht darum, dass zusätzlich zu dem Alten (Taylorismus) etwas Neues geschaffen wurde, welches eben dieses Alte ergänzt und nur teilweise ersetzt.

Die Frage, die zu stellen ist lautet, in welchem Ausmaß das Alte verschwindet, beziehungsweise inwieweit das Neue nur eine andere Ausprägung des Alten ist. Ansatzpunkte sind dabei die Verfügung, Nutzung, Kontrolle sowie Gratifikation der Arbeit. Entscheidend bei der Betrachtung des Veränderungsprozesses ist also, wie mit dem Subjekt im Arbeitsbereich umgegangen wird bzw. wie sich die Prinzipien und Grundsätze in der Organisation von Arbeit verändert haben.

Letztendlich werden wir in einer kritischen Würdigung diskutieren, inwiefern die Subjektivierung, wie wir sie heute vorfinden auch wirklich zu einer Humanisierung der Arbeit aus der Perspektive der Subjekte führt.[1]

II Subjektivierung der Arbeit

II.1 Die Krise des Fordismus

In der Entwicklung von Arbeit sind seit Mitte der 70er Jahren grundlegende Veränderungen zu beobachten. Die bis dahin vorherrschende und prägende tayloristisch-fordistische Arbeitsorganisation wird durch eine zunehmende Dynamisierung und Komplexität der Kontextbedingungen in Frage gestellt.

Im Fordismus wird in erster Linie eine möglichst hohe Kapitalakkumulation angestrebt. Aufgrund dessen sind eine stark standardisierte, arbeitsteilige und auf Massenkonsum ausgerichtete industrielle Massenproduktion kennzeichnend. In diesem Rahmen bestehen lediglich kompromissorientierte Arbeitsbeziehungen, eine niedrige Frauenerwerbsquote, eine Lohnentwicklung entsprechend dem Produktivitätsfortschritt zuzüglich Inflationsrate und kollektive Tarifverträge. Gründe für ein grundlegendes Umdenken liefern ökonomische wie gesellschaftliche Entwicklungsprozesse, wodurch der Fordismus schließlich in die Krise gerät und die Wohlfahrt des Staates gefährdet ist: „Zu beobachten ist ein Nebeneinander von verschärfter fordistischer Akkumulationskrise, ökonomischer Stagnation, finanzkapitalistischer Risikomaximierung, sozialer Destabilisierung in Form wachsender sozialer Ungleichheiten…“ (Peters, Sauer in: Wagner 2001, S. 27). Genannt seien nur die markantesten Trends: Verschärfte Konkurrenzsituation durch Globalisierung, Tertiarisierung, Informatisierung, Wertewandel, Individualisierung und dadurch verändertes Nachfrageverhalten, Auflösung traditioneller Familienstrukturen, Infragestellung geschlechtsspezifischer Segregation, wachsende Erwerbsbeteiligung von Frauen, Massenarbeitslosigkeit (vgl. Kratzer, Sauer, Hacket, Trinks, Wagner (ISF München), S. 3). Dass sich Prinzipien des fordistischen Systems in dieser Situation nicht mehr bewähren ist offensichtlich. Um sich den Entwicklungen anzupassen, werden neue Strategien zur Bewältigung der Krise entwickelt, welche sich in den 90er Jahren, der so genannten Umschlagphase (vgl. Peters, Sauer in: Wagner 2001, S.28), durchzusetzen beginnen. Sie beinhalten grundlegende Veränderungen in der Unternehmensorganisation, sowie der Organisation von Arbeit in Form von Rationalisierung, Dezentralisierung, Vermarktlichung, indirekte Steuerung und Selbstorganisation (vgl. Kratzer et al., S.3). In der Umsetzung sind Tendenzen einer flexiblen Arbeitsgestaltung in Bezug auf die Beschäftigung, Arbeitszeit, Arbeitsort, qualitative Anforderungen, etc. zu beobachten.

Zudem setzen sich neue Arbeitsformen wie Projekt- oder Gruppenarbeit, aber auch neue leistungspolitische Konzepte im Hinblick auf Zielvereinbarungen und leistungsgerechter Entlohnung durch.

Innerhalb der Umbruchphase ist die Generierung von geeigneten Managementkonzepten nahezu eine Modeerscheinung. Als übergreifendes Entwicklungsmerkmal ist die Internalisierung des Marktes in das Unternehmen zu verzeichnen: Jegliche unternehmerischen Prozesse sind am Marktgeschehen ausgerichtet; der Markt dient als „generelles Steuerungs-, Organisations- und Allokationsprinzip“ (Peters, Sauer in: Wagner S. 31). Er fungiert als „Motor der permanenten Reorganisation der Binnenstrukturen“ (Peters, Sauer in: Wagner 2001, S. 41). Die betriebliche Organisation öffnet sich, um auf die Umweltbedingungen, die durch die Dynamik des Marktes gegeben sind, ständig flexibel reagieren und Strukturen entsprechend anpassen zu können. Dabei werden die Bedingungen des Marktes in abstrakte Zielvorgaben für das Unternehmen übersetzt, deren Umsetzung letztendlich vom einzelnen Subjekt abhängt. Es gilt die Grenzen, die durch eine tayloristisch-fordistische Produktionsökonomie auferlegt wurden, vor allem in Hinblick auf die Nutzung von Arbeitskraft, zu überwinden. Dies bedeutet eine „Rückkehr des Subjekts in die Ökonomie. Die im Fordismus auf der Basis ökonomischer und wohlfahrtsstaatlicher Absicherung hervortretende Tendenz einer Individualisierung im lebensweltlichen Bereich, wird jetzt zur Voraussetzung für die Bewältigung von Anforderungen, die sich aus der Unmittelbarkeit des Marktes für die Arbeit ergeben“ (Kratzer in: Wagner 2001, S. 31).

Durch die Internalisierung des Marktes gehen einige neue Erscheinungsformen der Arbeitsorganisation einher, auf die im Anschluss noch genauer eingegangen wird.

II.2 Krise des Kommandosystems

II.2.1 Indirekte Steuerung

Um das Marktgeschehen in den Unternehmensprozess integrieren zu können, müssen traditionelle Strukturen des tayloristisch-fordistischen Systems in Bezug auf Weisungsbefugnis und Weisungsgebundenheit aufgelöst werden. Dies bedeutet eine Ablösung des Kommandosystems, dessen Kennzeichen Fremdbestimmtheit, Gehorsam, Kontrolle und Zwang sind, durch indirekte Steuerung: Die abhängig beschäftigten Mitarbeiter handeln, indem sie ihre Ziele verfolgen, automatisch im Sinne des Unternehmens und damit der Unternehmensführung. Der „Wille des Einzelnen ist in den Dienst des Unternehmenszwecks“ (vgl. Peters, Sauer in: Wagner 2001, S. 37) zu stellen. Aufgabe der Unternehmensführung ist folglich in erster Linie, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass zwar aus Sicht der Angestellten scheinbar weitestgehende Handlungs- und Entscheidungsfreiheit besteht, diese jedoch durch das Marktgeschehen gelenkt wird. Da Grenzen durch den Markt vorgegeben werden, ist die gewonnene Autonomie der Angestellten eingeschränkt, man spricht auch von „heteronom bedingter Autonomie“ (vgl. Glißmann, Peters 2001, S. 26). Im Idealfall bedeutet indirekte Steuerung einen vollständigen Verzicht auf Befehl und Gehorsam, der jedoch nur vorgegeben wird: „… solange ihr von selbst tut, was ich von euch erwarte, brauche ich keine Befehle und keine Drohungen aussprechen und wir können hier so leben, als ob es das Kommandosystem gar nicht gäbe“ (Glißmann, Peters 2001, S. 26).

Einerseits ergeben sich aus dieser Art der Steuerung ganz neue Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten für den Angestellten, auf der anderen Seite aber auch ganz neue Herausforderungen. Sein Verhalten wird nun nicht mehr durch Vorgaben gelenkt, sondern er muss unternehmerisch tätig werden und selbstständig sowie verantwortungsbewusst agieren. Sein Handeln ist nicht mehr ausschließlich der Unternehmensleitung gegenüber zu rechtfertigen, sondern vor der Abteilung, dem Unternehmen und in letzter Instanz vor sich selbst. Fehlverhalten wird nun nicht mehr durch die Androhung von Konsequenzen des Vorgesetzten

geahndet, sondern es bestraft der Markt das gesamte System (Abteilungsschließung, Unternehmensverluste o. Ä.) (vgl. Peters, Sauer in: Wagner 2001, S. 40).

Das Verhalten der unternehmerisch handelnden Mitarbeiter sollte sich somit an dem der (ehemaligen) Führungsspitze orientieren. Aber auch Selbstständige können als Vorbild dienen, da ja eine Selbstständigkeit in der Unselbstständigkeit (vgl. Glißmann, Peters 2001, S.51) erreicht werden soll.

Es ist festzuhalten, dass das Individuum als Bestandteil einer Organisation in Veränderung des Managementverständnisses, die Umwandlung seines Arbeitsvermögens in einen produktiven Beitrag zum Unternehmensziel selbst organisieren und verantworten muss. Welche Änderungen sich aus dieser Selbstständigkeit heraus für Organisationsstrukturen und Subjekt ergeben, soll im Anschluss genauer behandelt werden.

II.2.2 Selbstorganisation

In der Umsetzung der Vermarktlichung von Unternehmen werden funktionale Abteilungen aufgelöst, an deren Stelle dezentrale Einheiten treten, welchen eigene Markt- und Kundensegmente zugeordnet werden. Dabei gilt die allgemeine Maxime: „Tut was ihr wollt aber seid profitabel!“ (Glißmann, Peters 2001, S. 36) Aus dieser Richtlinie lassen sich einige Änderungen in der Arbeitsorganisation ableiten: Durch Aufgabe von Kontrolle auf der Unternehmerseite und den Zugewinn an Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit auf der Arbeitnehmerseite werden Hierarchiestufen abgebaut. Es sei darauf verwiesen, dass sich durch derartige Umstrukturierungsprozesse die Funktion des Arbeitgebers maßgeblich verändert. Er erteilt nun nicht mehr Befehle, sondern tritt auf die Seite, um ein möglichst autonomes und selbstständiges Arbeiten der Angestellten zu ermöglichen. Seinen Beitrag zu einem möglichst produktiven Arbeitsverhalten kann er durch eine geeignete Gestaltung der teilautonomen Einheiten leisten. Dazu gehören eine möglichst exakte Bestimmung des zugeordneten Marktsegments, die richtige personelle Zusammensetzung, eine Rahmensetzung durch finanzielle sowie sachliche Ressourcen und schließlich die Herbeiführung von Konkurrenz- und Wettbewerbsverhältnissen innerhalb des Unternehmens (vgl. hierzu Glißmann, Peters 2001, S. 36).

Innerhalb der generierten Einheiten bestehen offenere und flexiblere Arbeitsformen, wie zum Beispiel Projekt- oder Gruppenarbeit, variable Anpassung der Größe der Belegschaften, auch die Arbeitszeitgestaltung erfolgt flexibler. Unter dem Stichwort „die atmende Fabrik“ (Olesch in: Gutmann 1997, S.125) kann sie in Dauer, Lage und Verteilung individuell eingeteilt werden.

[...]


[1] Erläuterungen der Einleitung basieren auf den Ausführungen des Block-Seminars

Fin de l'extrait de 30 pages

Résumé des informations

Titre
Autonomie und neue Kontrolle
Université
University of Augsburg
Note
1,0
Auteurs
Année
2006
Pages
30
N° de catalogue
V62490
ISBN (ebook)
9783638557207
ISBN (Livre)
9783638668750
Taille d'un fichier
521 KB
Langue
allemand
Annotations
Innerhalb des Themenkomplexes der 'Entwicklungsperspektiven von Arbeit' werden wir uns in diesem Text mit dieser Veränderung des Verständnisses von Arbeit auseinandersetzen und vor allem betrachten, was diese Veränderungen für den Einzelnen für Folgen haben. Dabei werden wir den Taylorismus beziehungsweise Fordismus vorstellen und erläutern, inwiefern es dabei zu Diskrepanzen zwischen den Bedingungen dieser Theorien und den Anforderungen der Gegenwart gekommen ist.
Mots clés
Autonomie, Kontrolle
Citation du texte
Thomas Luister (Auteur)Anna Ehrmann (Auteur), 2006, Autonomie und neue Kontrolle, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62490

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