Fernsehwerbung für Kinder - Reflexion kindlicher Bedürfnisse?


Diploma Thesis, 2006

143 Pages, Grade: 1,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

I Einleitung
1 Fragestellung und Begründung des Themas
2 Aufbau der Arbeit

II Sekundäranalytischer Teil
3 Kinder als Teil der Gesellschaft
3.1 Einführung
3.2 Definition Kind
3.3 Definition Kindheit und ihr Wandel
3.4 Die kindliche Entwicklung
3.4.1 Einführung
3.4.2 Entwicklungsstufen nach PIAGET
3.4.3 Wahrnehmung
3.4.4 Bedürfnisse
3.4.4.1 Einführung
3.4.4.2 Der Bedürfnisbegriff
3.4.4.3 Kindliche Bedürfnisse
3.4.5 Freizeitverhalten und Fantasien von Kindern
3.5 Kinder als Zielgruppe
3.6 Zusammenfassung
4 Das Kinderfernsehen
4.1 Einführung
4.2 Geschichte des Kinderfernsehens
4.3 Programmangebot der deutschen Fernsehsender für Kinder
4.4 Fernsehverhalten von Kindern
4.5 Bedeutung des Fernsehens für die kindliche Entwicklung
4.6 Pädagogische Bedenken
5 Fernsehwerbung für Kinder
5.1 Exkurs: Kindermarketing
5.2 Begriff Kinderwerbefernsehen
5.3 Fernsehwerbezeiten
5.4 Geschichtlicher Überblick
5.5 Rechtliche Bedingungen
5.6 Werbeverhalten von Kindern
5.6.1 Einführung
5.6.2 Altersspezifische Merkmale
5.6.3 Kindliche Bewertung von Fernsehwerbung
5.6.4 Zusammenfassung
5.7 Werbewirkung bei Kindern
5.8 Kritik an Kinderwerbung
6 Zwischenfazit

III Empirischer Teil
7 Analyse Fernsehwerbespots für Kinder
7.1 Einführung
7.2 Methode
7.3 Fehlerquellen
7.4 Die Stichprobe
7.5 Sequenzprotokolle der ausgewählten Werbespots
7.6 Analyse formale Kriterien
7.6.1 Formale Eigenschaften
7.6.2 Unterschiede Jahreszeiten
7.6.3 Werbestrategien und Werbetechniken
7.6.4 Zusammenfassung
7.7 Analyse Bedürfnisdarstellung
7.7.1 Kategorisierung
7.7.2 Kategorien in den Fernsehwerbespots für Kinder
7.7.3 Auswertung
7.7.3.1 Einführung
7.7.3.2 Bedürfnisgruppen in Fernsehwerbung für Kinder
7.7.3.3 Bedürfnisgruppen bei Unterteilung nach Alter
7.7.3.4 Bedürfnisgruppen bei Unterteilung nach Geschlecht
7.7.3.5 Bedürfnisgruppen bei Unterteilung nach Jahreszeiten
7.7.3.6 Bedürfnisgruppen bei Unterteilung nach Werbespotklassen
7.7.4 Mittel der Bedürfnisdarstellung
7.7.5 Zusammenfassung

IV Schluss
8 Forschungsausblick
9 Fazit

V Literatur- und Quellenverzeichnis

VI Abbildungsverzeichnis

VII Tabellenverzeichnis

VIII Anhang

I Einleitung

1 Fragestellung und Begründung des Themas

Gesättigte und zunehmend differenziertere Märkte erfordern ein Denken in Zielgruppen, um Kommunikationsmaßnahmen besser gestalten zu können. Zielgruppengerechtes Marketing gilt als wichtiger Erfolgsfaktor für Unternehmen. Auch Kinder werden aufgrund ihrer wachsenden Kaufkraft zur wichtigen Zielgruppe der Unternehmen. Mittlerweile sind 20% des gesamten Werbeaufkommens an Kinder adressiert (vgl. Neumann-Braun/Erichsen 1995: 4). Angesichts der Zahlungsfähigkeit der Heranwachsenden haben soziologische, psychologische und pädagogische Erkenntnisse über Kinder und Kindheit für die Werbebranche eine besondere Bedeutung. Denn Kinder in Deutschland verfügen über ein Budget von 20 Millionen Euro (vgl. Geißler 2006). Marketingfachleute haben erkannt, dass es wichtig ist, die Werte, Bedürfnisse und das Moralempfinden der heterogenen Zielgruppe Kind zu kennen.

Durch deren Berücksichtigung gewinnt ein Produkt und auch Werbung an persönlicher Relevanz (vgl. Barlovic 2003: 50). Generell leiten Kinder die Brauchbarkeit eines Produktes aus den eigenen Bedürfnissen ab (vgl. Barlovic/Clausnitzer 2005: 17ff.). Aus diesem Grund ist es für Erfolg versprechende Werbung wichtig, Bedürfnisse abzubilden. Marketingexperten wie DAMMLER (2002) sind der Meinung, dass sich „gerade Werbung ganz bewusst an die Bedürfnisse der Kinder wendet.“ (Dammler 2002: 110). Denn Werbung will gegenwärtig vorherrschende Interessen, Phantasien und Wünsche herausstellen und in den dargestellten Themen reflektieren, um sie zu manifestieren und auszubauen (vgl. Vollbrecht 1997: 235). Demnach glauben Werbemacher, dass sie mit Werbung Bedürfnisse ansprechen und wecken. Die als Titel gewählte Frage „Fernsehwerbung für Kinder – Reflexion kindlicher Bedürfnisse?“ würde folglich mit „ja“ beantwortet werden. Ob diese Antwort der Realität entspricht soll die vorliegende Diplomarbeit klären.

Die „Reflexion kindlicher Bedürfnisse“, meint dabei die Darstellung der Bedürfnisse in der Werbung für Kinder. Die Abbildung der Bedürfnisse soll nicht vom Produkt ausgehen, sondern vom Werbespot allgemein. Das bedeutet, dass auf die Darstellungen neben der Produktpräsentation Wert gelegt wird.

Im Verlauf der Arbeit sollen folgende Fragestellungen untersucht werden: Finden kindliche Bedürfnisse ihre Darstellung im Kinderwerbespot? Welche Bedürfnisgruppen werden vorwiegend dargestellt? Gibt es bei der Abbildung der Bedürfnisse Unterschiede bezüglich Alter, Geschlecht, Werbekategorien und Jahreszeit? Ein weiterer Analyseschritt wird sein, sich die Mittel der Bedürfnisdarstellung wie Bild, Text und Musik genauer anzusehen. Damit soll untersucht werden, welchen Stellenwert die formalen Gestaltungskriterien einnehmen.

Im sekundäranalytischen Teil der Arbeit werden vorhandene Untersuchungen zum Thema Wandel der Kindheit, Kinderfernsehen und Fernsehwerbung für Kinder betrachtet. Es wird dargestellt, welche Wirkung Fernsehen und Werbung auf Kinder haben, indem das kindliche Rezeptionsverhalten beleuchtet wird. In der vorangegangen Literaturrecherche wurden keine wissenschaftlichen Analysen zum Thema „Reflexion von kindlichen Bedürfnissen in Fernsehwerbung“ gefunden. Aufgrund der Forschungssituation muss auf Quellen der letzten 15 Jahre zurückgegriffen werden, da neuste Untersuchungen sich auf Medienanalysen beschränken, nicht aber qualitative Inhaltsanalysen präsentieren. Die Bearbeitung des Themas ist demnach von großer Relevanz. So kann mit der vorliegenden Abhandlung ein Beitrag zur Optimierung von Kinderfernsehwerbung geleistet werden, indem gezeigt wird, wie existentiell Bedürfnisse für Kinder sind. Für die Kinderwerbung nimmt die Arbeit somit eine wichtige Position für erfolgreiche Kommunikation mit Kindern ein. Inwieweit kindliche Bedürfnisse bereits jetzt schon bei der Darstellung in Werbespots Beachtung finden, soll im empirischen Teil der Arbeit untersucht werden. Dabei können mögliche Missstände in der Werbung für Kinder aufgedeckt werden, die vor allem aus den großen finanziellen Restriktionen resultieren, der die Werbung ausgesetzt ist. Denn in den meisten Fällen wird Kinderwerbung nicht getestet (vgl. Barlovic/Clausnitzer 2005: 17-23).

Die Wahl des Untersuchungsgegenstandes „Fernsehwerbespots“ lässt sich folgendermaßen begründen: Laut der Studien von CHARLTON u.a. ist für die meisten Kinder der Werbespot der Prototyp von Werbung (vgl. Charlton u.a. 1995: 41). Hinzu kommt, dass die Zielgruppe der Printwerbung kleiner ist als die bei der Fernsehwerbung, da Zeitungen bzw. Zeitschriften nicht im jeden Haushalt zur Verfügung stehen. Im Gegensatz zum Medium Fernsehen, das fast 100% aller Haushalte in Deutschland besitzen. Des Weiteren sind Printanzeigen für Kinder weniger mitreißend, die Reizstärke ist wesentlich geringer als bei der Rezeption von Fernsehwerbespots. Aus diesen Gründen erscheint es der Verfasserin interessanter und sinnvoller die Arbeit auf Fernsehwerbung für Kinder zu beziehen, da die Relevanz und der Nutzen größer sind. Untersuchungsgegenstand ist also ausschließlich der Fernsehwerbespot, der sich direkt an Kinder als Zielgruppe wendet. Dabei bezieht sich die Autorin auf Fernsehwerbung neben dem Programm, d.h. Werbespots und Werbeblöcke, die zwischen die redaktionellen Programme für Kinder platziert werden. Sonderwerbeformen wie Spielshows, Bartering oder Product Placement werden außer Acht gelassen.

Die im Titel verwendete Bezeichnung „Fernsehwerbung für Kinder“ wird innerhalb der vorliegenden Abhandlung gleichgesetzt mit „Fernsehwerbespots“ bzw. „Werbespots“ oder „Werbefilmen“ für Kinder. Der Begriff kindliche Bedürfnisse bzw. Bedürfnis meint Wünsche, Begehren oder Verlangen von Kindern.

2 Aufbau der Arbeit

Die Arbeit ist in vier Abschnitte gegliedert: Einleitung, sekundäranalytischer Teil, Analyse und Schluss. Abschnitt zwei und drei werden mit einer Einleitung eingeführt und enden mit einer Zusammenfassung bzw. einem Fazit. Im zweiten Teil, der Sekundäranalyse, soll die relevante Literatur zur Fragestellung aufbereitet werden. Das Thema „Kind“ und „Kindheit“ bildet dabei den Einstieg in die Abhandlung. Es wird der Begriff „Kind“ definiert und beleuchtet, wie die heutige Gesellschaft Kinder wahrnimmt. Den Wandel der Kindheit in den letzten Jahrzehnten behandelt ein weiteres Kapitel. Der Schwerpunkt des zweiten Teils der Ausführung ist die kindliche Entwicklung und die daraus resultierenden kindlichen Bedürfnisse. Hier soll aufgezeigt werden, was Kinder brauchen und wollen, um gesund aufzuwachsen. Dieses Kapitel bildet die Grundlage für den analytischen Teil der Arbeit. Als Überleitung zum Themenkomplex „Kinder und Fernsehwerbung“ werden die Zielgruppe Kind, ihre Eigenschaften aus wirtschaftlicher Sicht und das Marketing für Kinder vorgestellt. Denn Fernsehwerbung gehört zu den wichtigen Instrumenten des Kindermarketings, welches Kinder als Zielgruppe anspricht. Um die Hintergründe für die Entstehung und den Einsatz von Fernsehwerbung für Kinder, welche den Untersuchungsgegenstand der Arbeit darstellt, verständlich zu machen, wird die Medienlandschaft für Kinder, besonders im televisionären Bereich, beleuchtet. Im nächsten Kapitel werden die für Kinder wichtigen Merkmale für Fernsehwerbung erörtert und das altersabhängige Verhalten gegenüber Werbung erklärt. Diese Abschnitte stellen die Verbindung zum Kapitel der kindlichen Bedürfnisse her. Denn Kinder rezipieren Werbung ihren Bedürfnissen entsprechend. Sowohl im Passus über die Fernsehlandschaft wie auch im Absatz über das Werbeverhalten wird die Kritik an beiden Themen nicht außen vor gelassen. Sie erhält in einem eigenen Kapitel der Sekundäranalyse Raum.

Zu Beginn der empirischen Untersuchung steht die Auswahl des Datensatzes. Darauf folgt die Protokollierung des Inhalts der ausgewählten Fernsehwerbespots. Sie werden in Bezug auf die im sekundäranalytischen Teil aufgezählten formalen Kriterien für effiziente Kommunikation mit Kindern hin untersucht. Die Analyse der Darstellung kindlicher Bedürfnisse in den ausgewählten Fernsehwerbespots erfolgt im nächsten Abschnitt. Die qualitative Inhaltsanalyse bildet die Grundlage der Untersuchungen. Das Instrument zur einheitlichen Überprüfung des Datensatzes stellt die Kategorienbildung dar. Anhand dieser ist es möglich, die abgebildeten Bedürfnisse innerhalb der Werbespots gleichermaßen zu identifizieren. Die Auswertung bildet mit der Interpretation der Ergebnisse den Schwerpunkt des dritten Hauptkapitels. Im Schlussteil der Arbeit wird ein letztes Fazit gezogen und der Forschungsausblick für weitere wissenschaftliche Vorhaben, zum Themenkomplex „Werbung und Kinder“ gegeben.

II Sekundäranalytischer Teil

3 Kinder als Teil der Gesellschaft

3.1 Einführung

Kinder sind Mitglieder der Gesellschaft. Sie nehmen aktiv an ihr teil und gestalten so ihre Entwicklung mit. Als jüngste Gruppe beschränkt sich ihr Einfluss vor allem auf die Eltern und Erziehungsberechtigten, denen sie mit ihren Wünschen und ihrem Handeln, Denken und Fühlen vermitteln, was sie brauchen um glücklich heranzuwachsen und zukünftig die Gesellschaft zu prägen. Denn Kinder werden zu Erwachsenen, die ihre Werte und Normen, die sie während ihrer Kindheit vermittelt bekamen, im gesellschaftlichen Leben und im sozialen Umgang mit anderen zeigen. Es sollte also von oberster Priorität einer Gesellschaft sein, Kindern ein kindgerechtes Heranwachsen zu ermöglichen, indem ihre Entwicklung gefördert und ihre Bedürfnisse befriedigt werden. Wie ein Staat seine Kinder behandelt, zeigt wie er in Zukunft funktionieren wird.

Der sekundäranalytische Teil der vorliegenden Arbeit beschäftigt sich mit dem Phänomen Kind. Anhand von Sekundärquellen soll ein Überblick zur kindlichen Entwicklung und ihren Bedürfnissen gegeben werden. Im Anschluss werden die Merkmale für Kinder als wirtschaftliche Zielgruppe abgeleitet, um so den Übergang zum nächsten Abschnitt, dem Kinderfernsehmarkt. zu bilden. Dabei wird das Fernsehverhalten von Kindern dargelegt und die Bedeutung des Fernsehens für Kinder analysiert. Auch pädagogische Bedenken werden angesprochen. Schließlich folgt das Kapitel zur Fernsehwerbung für Kinder. Hier wird ein Bogen von der Geschichte der Kinderwerbung über die rechtlichen Rahmenbedingungen bis hin zum Werbeverhalten von Kindern gezogen. Den Schluss des zweiten Teils bildet ein Zwischenfazit, das die einzelnen Kapitel zusammen fasst und so den Übergang zum analytischen Teil der Arbeit schafft.

3.2 Definition Kind

Zunächst soll der Begriff Kind definiert werden. Die Sekundärliteratur zeigt, dass unterschiedliche Eingrenzungen des Begriffes „Kind“ existieren. Die Angaben zum Alter schwanken zwischen drei bis neunzehn Jahren. In Ausführungen zum Themenkomplex „Werbung und Kinder“ werden die Sechs bis Dreizehnjährigen als „Kinder“ verstanden. Die Jüngeren sind nach Aussagen der dort zitierten Experten noch nicht in der Lage, zwischen Fiktion und Realität zu unterscheiden. Demnach können sie auch Werbung und Programm nicht trennen und sind somit für Studien nicht interessant. Andere Quellen verstehen unter Kindern bereits die Dreijährigen und dehnen die Altersspanne bis vierzehn Jahre aus (vgl. Mayer 1998: 14). Eine differenzierte Einteilung nimmt DAMMLER ET AL (2000) vor. Er unterteilt den Bereich Kinder in Babys (null bis zwei Jahre), Kleinkinder (zwei bis drei Jahre), Kindergarten-/Vorschulkinder (drei bis fünf Jahre) und in Schulkinder (sechs bis neun Jahre). Kinder ab zehn Jahren sind laut DAMMLER Pre-Teens, die sich eher wie Jugendliche als wie Kinder verhalten (vgl. Dammler u.a. 2000: 27). Diese Gliederung kommt der entwicklungspsychologischen Sichtweise am nächsten. Auch hier wird der Begriff „Kinder“ in Entwicklungsabschnitte eingeteilt.

Die Verfasserin versteht unter dem Begriff „Kinder“ Personen zwischen drei und zwölf Jahren, die sich je nach Entwicklungsstand in ihren Eigenschaften unterscheiden, aber dennoch ähnliche Grundbedürfnisse haben. Im Alter von null bis drei Jahren handelt es sich auch für die Verfasserin um Säuglinge bzw. Kleinkinder, die aufgrund ihres Entwicklungsstandes das Fernsehen nicht verarbeiten können und damit nicht direkte Zielgruppe für Werbung sind.

3.3 Definition Kindheit und ihr Wandel

Die Definition des Lebensabschnitts „Kindheit“ bezieht sich auf die Ausführungen der beiden Entwicklungspsychologen OERTER und MONTADA. Gemäß dieser Autoren ist Kindheit nicht nur durch bestimmte qualitative und quantitative psychische Veränderungen bestimmt, sondern auch immer durch die jeweilige Kultur, in der ein Kind aufwächst. In unserer industriellen Gesellschaft umfasst Kindheit einen klar abgegrenzten Lebensabschnitt, in dem das Kind bestimmte Aufgaben zu erfüllen hat, aber dennoch von der Verantwortung Erwachsener verschont bleibt (vgl. Oerter/Montada 1982: 209).

Kindheit gilt nicht mehr nur als eine biologische Altersphase, sondern als gesellschaftliches Konstrukt, das je nach Art der Gesellschaft „erzeugt, modelliert und geprägt“ wird (Kübler 2002: 17). Kinder sollen sich an dieses soziale Gefüge anpassen, in dem sie dessen Normen und Werte annehmen.

Die Kindheit hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Das Kind selbst ist in den Mittelpunkt seiner Entwicklungszeit gerückt. Es wird als autonom handlungsfähiges bzw. -rationales Subjekt gesehen und so auch vom ökonomischen System angesprochen. Nicht zuletzt lässt sich dieser Wandel auf eine veränderte Familiensituation und die daraus entstehende Eltern-Kind-Beziehung zurückführen. Familien werden kleiner, Ein-Kind-Familien nehmen zu. 1995 waren 25% der Kinder zwischen sechs und neun Jahren Einzelkinder. Auch die Scheidungsrate stieg in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich (vgl. Mayer 1998: 84). Viele Kinder wachsen mit nur einem Elternteil auf. Dies führt einerseits zu starken Bindungen, andererseits sind die Eltern damit überfordert, Kind und Erwerbstätigkeit zu vereinbaren. Sie erziehen deswegen ihre Nachkommen zu mehr Selbständigkeit und trauen ihnen mehr zu. Kinder sind nicht mehr passive Subjekte, sondern aktive Teilnehmer des gesellschaftlichen Systems (vgl. Aufenanger 2005: 11-16). Oft überlassen Eltern die Erziehung ihrer Kinder aber auch der Schule und den Medien, NEUMANN-BRAUN spricht von einer Selbstsozialisation der Kinder durch die Massenkultur (vgl. Neumann-Braun 1998: 67). Nicht nur die Gesellschaft wird individueller, auch die Kindheit schließt sich diesem Phänomen an (vgl. Mayer 1998: 82f.). Die Auflösung von Traditionen lässt den Kindern mehr Freiheiten in ihrer täglichen Lebensgestaltung. Letztlich führt diese Freiheit aber nicht zu mehr Lebensqualität, sondern zu schwierigen Entscheidungsfindungen. Hinzu kommt, dass Eltern weniger Zeit für ihre Kinder haben, da sie verstärkt mit ihren eigenen Problemen wie Arbeitslosigkeit oder zuviel Arbeit, beschäftigt sind. Damit geht die interpersonelle Kommunikation zurück und das führt dazu, dass Kinder sich verstärkt den Medien zuwenden, die ihnen „Ersatzkommunikatoren“ (Autorin) sind.

Seit den 1980er Jahren diskutieren Medienwissenschaftler und Pädagogen über das Verschwinden der Kindheit durch die Medien. NEIL POSTMAN unterstützt diese These mit seinem Werk „Vom Verschwinden der Kindheit“ und proklamiert darin, dass besonders durch den Fernsehkonsum zwar viel Wissen, aber auch sämtliche Tabubereiche ohne Kontrolle zur Verfügung stehen (vgl. Kübler 2002: 18). Zu Zeiten der Verkabelung Deutschlands durch das Privatfernsehen stießen POSTMANs Ausführungen auf große Resonanz. Durch die wachsende Anzahl an Fernsehkanälen und an Werbung befürchtete man, einen noch größeren unkontrollierten Fernsehkonsum der Kinder. Ähnliche Reaktionen löste wenige Jahre später das Erscheinen des Personal Computers (PC) und des Internets aus. Erneut sagten Pädagogen und Medienwissenschaftler die Zerstörung der Kindheit voraus. Heute wird in Veröffentlichungen über Kinder und Medien von „Medienkindheit“ gesprochen. Die Prophezeiungen sind jedoch nicht in dem Maße eingetreten wie POSTMAN sie beschrieb. Kindheit als gesellschaftliches Phänomen wird nicht mehr generell in Frage gestellt und die Medien allein werden nicht mehr für den Werteverfall verantwortlich gemacht, und das, obwohl die Komplexität und „Macht der Medien“ weiter zunimmt. (vgl. Kübler 2002: 19) Generell kann heutzutage davon ausgegangen werden, dass Kinder mit dem Fernsehen und anderen medialen Inhalten aufwachsen und deshalb schon früh beginnen, Medienkompetenzen zu entwickeln, die sie letztlich vor Manipulation und Abstumpfung bewahren. Dennoch sollten Erwachsene immer das Medienverhalten von Kindern kontrollieren und regulieren. In einem späteren Abschnitt wird auf die Thematik noch einmal eingegangen.

3.4 Die kindliche Entwicklung

3.4.1 Einführung

Für Erwachsene bedeutet Kindsein und Kindheit vor allem viel Freizeit, Spiel, Unbeschwertheit und Sorglosigkeit. Oft wird jedoch vergessen, dass während der Kindheit alles gelernt werden muss, was man zum Überleben braucht. In keiner Lebensphase entwickelt und verändert sich der Mensch so schnell und vielfältig. Die folgenden Ausführungen sollen einen Überblick zur kindlichen Entwicklung zwischen dem dritten und zwölften Lebensjahr geben.

Das Wesen „Kind“ ist in seinem Verhalten, seinem Denken, seinen Bedürfnissen und Wünschen sehr komplex. Kinder sind zwischen ihrem ersten und zwölften Lebensjahr nicht gleich. Sie unterscheiden sich in ihren kognitiven Fähigkeiten, Interessen und Bedürfnissen. Die Kindheit umfasst demnach unterschiedlichste Entwicklungsstufen. Aus der Betrachtung der kindlichen Entwicklung ergeben sich für die folgenden Kapitel wichtige Grundlagen, denn auch kindliche Bedürfnisse sowie das Fernseh- und Werbeverhalten der Kinder resultieren aus ihren jeweiligen Entwicklungsstufen. Die Zielgruppe „Kind“ kann so differenzierter und umfassender betrachtet werden. Außerdem ist eine Ableitung der jeweiligen Zielgruppe eines Werbespots für Kinder, ohne das strategische Wissen des Unternehmens, nur anhand der Entwicklungsmerkmale der Darsteller bzw. des Produktes möglich.

Zunächst müssen einige grundlegende Begriffe definiert werden. Entwicklung bedeutet allgemein, das Durchleben einer Reihe von Veränderungen, die Reifung und Lernen umfassen. Sie beginnt mit der Empfängnis und endet mit dem Sterben. Dabei ist sie in Phasen oder Stufen gegliedert, die nicht übersprungen werden können und die jeweils typische Anforderungen und Aufgaben bereithalten (vgl. Zimbardo 1992: 45). Die kindliche Entwicklung beinhaltet neben körperlichen vor allem soziale und psychische, d.h. emotionale, Veränderungen. Diese Modifikationen der persönlichen und sozialen Orientierungen in den unterschiedlichen Lebensphasen der Kinder sind für die Betrachtung der kindlichen Entwicklung von großer Bedeutung (vgl. Zimbardo 1992: 73ff.). Entwicklung umfasst auch alle kognitiven Prozesse. Diese schließen vor allem das Denken und Wahrnehmen und außerdem Vorstellungs- und Problemlösungsmuster mit ein. Kognition im Kindesalter beinhaltet aber auch, dass Erfahrungen kategorisiert werden, um sie besser ein- bzw. zuordnen zu können. Dabei findet ein Übergang vom Vertrauen auf das Augenscheinliche, zum Vertrauen auf Regeln statt (vgl. Zimbardo 1992: 65).

3.4.2 Entwicklungsstufen nach PIAGET

Die folgende Einteilung in Altersabschnitte und die dazugehörigen Entwicklungsschritte lehnen sich an die Theorien von JEAN PIAGET an. Er geht davon aus, dass Entwicklungsstufen immer in derselben Reihenfolge auftreten und aufeinander aufbauen. Er entwickelte folgendes Modell, das drei Entwicklungsstufen unterscheidet.

Die präoperationale Phase (3- 6 Jahre)

Mit dem Eintreten in die präoperationale Phase (um drei Jahre) handeln Kinder auch in Gedanken. So können sie im Voraus überlegen, welche Konsequenzen bestimmte Handlungen nach sich ziehen. Sie werden sich über die Invarianten ihrer Umwelt bewusst, können diese aber noch nicht analytisch betrachten. So bemerken sie, dass die Identität von Objekten erhalten bleibt, auch wenn sich die Anschauungsperspektive oder das Objekt äußerlich ändert. PIAGET spricht hierbei von „Objektpermanenz“ (vgl. Zimbardo 1992: 68). Auch wenn sich das Denken ändert, wird es stark von Anschauungen und weniger von Begriffen und Regeln geleitet. Kinder sind beispielsweise der Ansicht, dass Preise von Objekten von Äußerlichkeiten vor allem der physischen Erscheinung abhängig sind. So darf ein kleiner Diamant nicht mehr kosten als ein großer Stein. Dieses anschauungsgeleitete Denken ist eng verknüpft mit der Phantasiebezogenheit der Jüngeren. Sie lieben Märchen und andere phantastische Inhalte, die größtenteils in Zeichentrickfilmen dargeboten werden. Im Laufe der weiteren Entwicklung müssen sie lernen, sich in der komplexen Welt zurecht zu finden und Realität und Fiktion voneinander zu trennen.

Die gleichzeitige Konzentration auf mehrere Objekte oder Merkmale gelingt Kindern im Vorschulalter nur schwer. Diese so genannte „Zentrierung“ steht in Zusammenhang mit dem Egozentrismus der Kinder. Das bedeutet, dass es Heranwachsenden – besonders von drei bis vier Jahren – schwer fällt, sich eine Szene aus der Perspektive eines anderen vorzustellen. Deswegen spielen Kinder dieses Alters zunächst lieber für sich alleine (vgl. Zimbardo 1992: 68f.). Erst gegen Ende der Phase wird das Spiel mit anderen Altersgenossen wichtig, um indirekt Beziehungsszenarien zu erproben (vgl. Acuff/Reiher 1997: 90). Mit dem Eintritt in den Kindergarten, findet eine erste Sozialisation statt. Neben den Eltern werden nun auch andere Personen wichtig (vgl. Melzer-Lena/Hefler 2000: 98). Die erste Fixierung auf ein oder zwei Menschen wird gelöst und neue Helden bzw. Vorbilder treten in Erscheinung. Zur Bewertung von Handlungen und Mitmenschen existieren erste, wenn gleich einfache Kategorien: Gut vs. Böse, Richtig vs. Falsch (vgl. Acuff/Reiher 1997: 76f.). Auch sich selbst können Kinder bestimmten Kategorien zuordnen, die sie mit anderen gemeinsam haben (z.B. Jungen oder Mädchen). Sie erkennen also ihr Selbst und können es beschreiben, allerdings zunächst nur mit körperlichen, später auch mit psychologischen Merkmalen, die oft besonders positiv ausfallen. Kinder wissen ab dem Alter von drei Jahren, dass sich ihr Verhalten auf das der Mitmenschen auswirkt (vgl. Oerter/Montada 2002: 216).

Aus den aufgezählten Entwicklungsleistungen der Kinder zwischen drei und sechs Jahren ergibt sich ein bestimmtes mediales Verständnis der Altersgruppe. Durch ihre einfache Denkweise verstehen Kinder keine abstrakten, versteckten Hinweise in Fernsehprogrammen. Die konkrete Darstellung von Handlungen ist wichtig, es sollten keine Zeitsprünge und ständigen Szenenwechsel stattfinden (vgl. Acuff/Reiher 1997: 81f.). Mit steigendem Alter können die Inhalte komplexer werden. Kinder wollen visuell angesprochen werden und Gesehenes auch physisch erfahren, um es sich besser vorstellen zu können. Sie sind also mit Leib und Seele dabei. Die große Phantasie und der Glaube an das, was man sieht, führen dazu, dass Kinder nicht-menschliche Objekte mit menschlichen Merkmalen bzw. Charakterzügen akzeptieren und oft sogar lieber mögen als reale Darsteller (vgl. Acuff/Reiher 1997: 78). Die Aufmerksamkeitsspanne von Drei- bis Sechsjährigen ist trotzdem vergleichsweise kurz, die gesamte Handlung wird selten erfasst, da es ihnen schwer fällt, sich auf viele Dinge gleichzeitig zu konzentrieren (vgl. von Ploetz 1999: 36). So kann es passieren, dass Nebensächlichkeiten mehr beachtet werden als die Haupthandlung.

Stufe der konkreten Operationen (7-10 Jahre)

Mit Schulbeginn orientieren sich Kinder immer stärker an sozialen Normen und Regeln. Dadurch entwickeln sie geschlechtsspezifische Präferenzen sowohl bei Produkten wie auch bei der Auswahl von Medieninhalten. Auch der Vergleich mit Gleichaltrigen nimmt zu, sowie die Bedeutung der Beurteilung durch Altersgenossen (vgl. Acuff/Reiher 1997: 96). Kinder beginnen, logisch zu denken und verstehen erste kausale Zusammenhänge. Das bedeutet, dass nun mehrere Aspekte eines Sachverhaltes gleichzeitig betrachtet werden können. Auch die Selbstbeschreibung wird dadurch ausführlicher. Die Begründungen für Vorgänge beziehen sich weiterhin mehr auf konkret Beobachtbares, dennoch verlassen sich Kinder weniger auf das Augenscheinliche und vertrauen umso mehr auf Regeln. Sie wissen, dass das Sichtbare nicht immer der Wahrheit und/oder Realität entsprechen muss (vgl. Acuff/Reiher 1997: 85). PIAGET spricht in diesem Zusammenhang vom Verständnis der „Erhaltung“. Kinder begreifen, dass z.B. Flüssigkeiten ihre Masse nicht ändern, solange man nichts hinzu gibt oder wegnimmt, auch wenn sie in ein anderes Gefäß geschüttet werden (vgl. Zimbardo 1992: 68f.). Dieses Beispiel ist ein Indiz für die Ausführung geistiger Operationen. Allerdings lassen sie noch keine Abstraktion zu, d.h. Aufgaben werden noch nicht systematisch gelöst.

Kinder entwickeln eine zunehmend objektive Sichtweise auf ihre Umwelt, in der sie stark auf Details achten. Durch diese neue Perspektive begreifen sie, dass andere Menschen einen eigenen Standpunkt haben (vgl. Oerter/Montada 2002: 217). Der in jüngeren Jahren vorherrschende Egozentrismus wird so mehr und mehr überwunden. Auch ihre Argumentationsfähigkeit und ihr Urteilsvermögen werden präziser und feiner in den Abstufungen (vgl. Acuff/Reiher 1997:92).

Für den Medienkonsum bedeuten diese Entwicklungsschritte: realistische und unrealistische Inhalte können besser unterschieden und beurteilt werden. Auch zeitliche Sprünge in Handlungen sind für Kinder operationalisierbar. Die Aufmerksamkeit schwankt während des Konsums trotzdem stark (Acuff/Reiher 1997: 105).

Stufe der formalen Operationen (ab 11Jahre)

Logisches Denken ist nicht mehr an konkrete Probleme gebunden. Kinder beginnen, hypothetische Fragen zu stellen, um zu einem Lösungsweg zu gelangen (vgl. Zimbardo 1992: 81f.). Bei der Bewertung von Objekten und Sachverhalten wird der Aspekt der Nachfrage in die Überlegungen einbezogen (vgl. Aufenanger 2005: 11-16). Die Selbstreflexion der Kinder steigt, sie können innere Dimensionen und Eigenschaften, die hinter ihrem Verhalten stehen, formulieren. Auch das Handeln des Anderen erklären sie mit seinen inneren Eigenschaften (vgl. Oerter/Montada 2002: 218). In diesem Alter trennen sich Heranwachsende langsam von ihrer kindlichen Welt und gehen über zur Stufe der Jugendlichkeit (Pre-Teens nach DAMMLER 2000). Heutzutage vollzieht sich dieser Schritt aufgrund der Veränderung der sozialen Umwelt oft früher als noch vor einigen Jahrzehnten.

3.4.3 Wahrnehmung

Die kindliche Wahrnehmung ist stark von den Sinnen geprägt. Im Gegensatz zu Erwachsenen, die verbal und abstrakt wahrnehmen, erfassen Kinder ihre Welt vor allem visuell, imaginativ und figurativ. Dies hängt eng mit der neurologischen Entwicklung des kindlichen Gehirns zusammen. Die rechte emotionale Hirnhälfte ist früher entwickelt als die linke, die für das rationale Denken verantwortlich ist. So können sich die Heranwachsenden zunächst die Welt nur über Sinneseindrücke erschließen. Zur Vereinfachung der Wahrnehmung suchen sie sich Schlüsselsignale, die je nach Alter bzw. Entwicklungsstand und Geschlecht variieren (vgl. Dammler 2002: 88f.). Auf diese Signale und Codes wird im Kapitel über die kindliche Rezension von Fernsehwerbung näher eingegangen. Um die kindliche Wahrnehmung zu unterstützen, sollten dargestellte Inhalte besonders bei jüngeren Kindern kurz und verständlich sein (vgl. Bieber-Delfosse 1999:44f).

3.4.4 Bedürfnisse
3.4.4.1 Einführung

„Grundbedürfnisse sind die eigentlichen Antriebsfelder unseres Handelns, sie sorgen dafür, dass wir unsere Entwicklungsaufgaben erfüllen können.“ (Dammler 2002: 30).

Die kindliche Entwicklung ist stark mit den kindlichen Bedürfnissen verschränkt, denn Kinder können sich nur dann gesund entwickeln, wenn ihre grundlegenden Bedürfnisse gewährt sind und befriedigt werden. Bedürfnisse bilden Kinder unbewusst. Der folgende Abschnitt geht auf die kindliche Bedürfnisproblematik näher ein. Zunächst wird der Bedürfnisbegriff erläutert, um dann die kindlichen Bedürfnisse zu beleuchten.

3.4.4.2 Der Bedürfnisbegriff

Die Bedürfnisproblematik wurde entscheidend von MASLOW (vgl. Maslow 1985:15ff.) geprägt. Er definierte folgende Bedürfnispyramide: Jeder Mensch trägt fünf Bedürfnisgruppen in sich, die sich hierarchisch ordnen lassen. Zunächst müssen grundlegende Bedürfnisse befriedigt sein, erst dann nimmt die Bedeutung der höher angeordneten Bedürfnisse zu. MASLOWs Modell beginnt dementsprechend mit physiologischen (Grund-) Bedürfnissen, es folgt das Sicherheitsbedürfnis, die sozialen Bedürfnisse, das Geltungsbedürfnis und an der Spitze der Pyramide das Selbstverwirklichungsbedürfnis. Demnach wird ein Mensch, der nicht ausreichend Nahrung zur Verfügung hat, sich weniger Gedanken um seine Sicherheit machen oder sich nicht nach Selbstverwirklichung sehnen. Individuelle, geschichtliche, soziale und kulturelle Unterschiede bezieht MASLOW jedoch kaum in seine Überlegungen mit ein. GALTUNG hingegen verweist auf eine individuelle Ebene der Bedürfnisse. Demzufolge sind sie sozial kontrolliert und modifiziert. Die Bedürfnisbefriedigung steuert der Mensch selbst. GALTUNG nennt vier Bedürfnisklassen, die z.T. MASLOWs Theorie entsprechen: Bedürfnis nach Sicherheit, Wohlfahrt, Identität und Freiheit. Diese Klassen sind laut GALTUNG universell einsetzbar und unabhängig von Alter und Kultur des Individuums (vgl. Galtung 1980: 66f.).

Der Bedürfnisbegriff variiert zwischen und innerhalb der verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen stark. Bei genauer Betrachtung, sind jedoch Gemeinsamkeiten zwischen den einzelnen Definitionen zu erkennen, die sich auf folgenden Nenner bringen lassen: Ein biologischer Organismus entdeckt einen Mangelzustand, der ein bestimmtes Verhalten auslöst, das diesen empfundenen Mangel beseitigen soll (vgl. Büttner/ Kladzsinski 2005: 48). Eine weitere Beschreibung von „Bedürfnis“ besagt, dass es sich dabei um eine „psychophysische Determinante“ menschlichen Verhaltens handelt (vgl. ebd.). Sie äußert sich als Gefühl oder als bestimmte Vorstellung und möchte befriedigt werden. Die Befriedigung erfolgt mit kultur-, alters- und geschlechtsabhängigen Mitteln und auf individuelle Art und Weise (vgl. Mägdefrau 2003: 302). Der Bedürfnisbegriff unterscheidet sich vom Interessenbegriff dahingehend, dass Interesse als „selbstintentionales objektgerichtetes Handeln“ gesehen wird, das durch Denkprozesse, Emotionen und Wertvorstellungen geprägt ist (vgl. Prenzel 1988: 10). Durch Interessen lassen sich Bedürfnisse z.T. realisieren. So ergibt sich das Interesse eines Mannes an Sicherheitstechnik für sein Haus aus dem Bedürfnis, seine Familie und sein Heim zu schützen (Sicherheitsbedürfnis nach MASLOW).

3.4.4.3 Kindliche Bedürfnisse

Jeder Mensch hat Bedürfnisse, die individuell und je nach Alter unterschiedlich sein können. Es gibt aber auch Bedürfnisstrukturen, die allen Menschen innewohnen. Bei diesen so genannten Grundbedürfnissen handelt es sich u.a. um die physiologischen Bedürfnisse nach Nahrung, Schlaf und Bewegung, aber auch nach Sicherheit und Selbstentfaltung (vgl. Mohr 2005). Die Bedürfnisse von Kindern werden unter der Bedürfnisproblematik selten im Einzelnen thematisiert. Grund dafür ist die wenig vorhandene Forschung. Auch MASLOW, der sich intensiv mit der Thematik befasste, spricht bei seinen Ausführungen nicht von kindlichen Bedürfnissen.

Laut DAMMLER (2002) lösen die Bedürfnisse alle Arten von Aktivitäten bei Kindern aus. Sie helfen ihnen, ihre Entwicklungsaufgaben zu bewältigen. DAMMLER (2002) definiert folgende kindliche Bedürfnisse: Spaß und Unterhaltung, die gezielte Suche nach Herausforderungen, Wettbewerben und Erfolgserlebnissen. Des Weiteren zählen dazu, die Akzeptanz durch Mitmenschen, im Besonderen die Liebe der Eltern und das Leben in der Gemeinschaft, entgegen dem Wunsch nach Autonomie um der Kinderrolle zu entkommen. Außerdem besteht der Wunsch nach ethischer Orientierung, durch die Werte und Grenzen vermittelt werden, und das Bedürfnis nach Besitz, um sich einerseits abgrenzen zu können, gleichzeitig aber auch Gemeinschaften mit denen zu bilden, die ähnliche Besitzstände haben. Weiterhin sieht DAMMLER (2002) den „Erfolg des Älterwerdens“ als wichtiges Bedürfnis, welches Kinder auch nach außen präsentieren wollen. Deswegen lehnen sie ab einem bestimmten Alter, alles ab, was sie ihrer Entwicklung entsprechend als kindisch empfinden. Für DAMMLER (2002), der kindliche Bedürfnisse vor allem konsumorientiert betrachtet, sind sie die Triebkraft hinter kindlichem Verbrauch. (vgl. Dammler 2002: 30f.)

Die englischen Wissenschaftler BRAZELTON und GREENSPANN (2002) beschreiben bestimmte kindliche Bedürfnisse, die gewährleistet sein müssen, um die gesunde Entwicklung des Kindes zu fördern. Zum Teil entsprechen sie den Ausführungen DAMMLERs (2002). Auch BRAZELTON und GREENSPANN führen das Bedürfnis nach beständigen liebevollen Beziehungen, welches den Wunsch nach Nähe, Geborgenheit und Harmonie beinhaltet, an. Weiterhin haben Kinder das Bedürfnis nach körperlicher Unversehrtheit, Sicherheit und Regulation des Alltags sowie nach individuellen Erfahrungen. Daran schließt sich das Bedürfnis nach entwicklungsgerechten Erfahrungen mit Grenzen und Strukturen an, die es ermöglichen, die komplexe Umwelt besser zu verarbeiten. Außerdem haben auch Kinder schon das Bedürfnis nach einer sicheren Zukunft. (vgl. Brezelton/Greenspann 2002: 247)

Es lassen sich aus den verschiedenen Untersuchungen folgende kindliche Bedürfnisse ableiten: das Bindungsbedürfnis, welches den Wunsch nach Nähe und Geborgenheit beinhaltet, und das Bedürfnis nach Achtung, Wertschätzung und Einfluss, nicht nur in der Familie. Kinder ziehen daraus ihre Selbstachtung und ihr Selbstvertrauen (vgl. Aufenanger 2005: 12). Wie BRETZELTON und GREENSPAN (2002) definieren, möchten sich Kinder in der komplexen Welt zurecht finden, es entsteht das Bedürfnis nach Orientierung und Sicherheit (vgl. Brezelton/ Greenspann 2002: 238). Der Alltag muss dementsprechend gewisse Strukturen und Regelmäßigkeiten aufweisen, das Verhalten von Bezugspersonen sollte berechen- bzw. vorhersehbar sein. Demgegenüber entsteht bei Kindern gleichzeitig das auch von DAMMLER (2002) beschriebene Bedürfnis nach Neuem (Explorationsbedürfnis) (ebd.: 239). Sie wollen lernen, entdecken und Dinge untersuchen, um damit ihren entwicklungsbedingten Wissensdurst zu stillen (vgl. Gierke 2000: 76). Dem schließt sich das Selbstaktualisierungsbedürfnis an, das besagt, dass Kinder ihre eigenen Fähigkeiten nach ihrem Charakter weiterentwickeln wollen. Besonders jüngere Kinder haben das Bedürfnis, dass ihr Handeln in ihrer Umwelt Wirkung zeigt. Daraus ergibt sich ihr Drang, Dinge selbst zu tun (vgl. Oerter/Montada 2002: 220).

Nicht zu vergessen ist das aktive Bedürfnis der Jüngsten nach Spielen. Dies ergibt sich wiederum aus anderen bereits erläuterten Bedürfnissen der Kinder. Sie wollen die Welt erkunden, ihre Fantasie einsetzen, Rollen erproben und Anerkennung in Gruppen finden. Allgemein gesagt ist Spielen entwicklungsfördernd. Der Sinn des Spiels liegt also in seiner existenzsichernden und -steigernden Wirkung. So kann sich ein Kind während des Spielens mit anderen Personen auseinandersetzen und dabei entwicklungs- und beziehungstypische Probleme bewältigen (vgl. Oerter/Montada 2002: 231). „Zu allen Zeiten und in allen Kulturen haben Kinder gespielt“ (Ratgeber Spiele 2004). Die Zeit formulierte diese Tatsache wie folgt: „Die wahren Global Player sind die Kinder“, denn egal wo wir uns auf der Erde befinden: wir werden spielende Kinder erleben und das Spiel dieser Kinder wird sich in vielen Merkmalen ähneln“ (Die Zeit 24.05.2004).

Für die Befriedigung der Grundbedürfnisse ihrer Schützlinge, wie Nahrung und Schlaf, sind vor allem die Eltern zuständig. Sie sichern das Wohlbefinden und die Gesundheit des Kindes. Aber auch die sozialen Einrichtungen, in denen Kinder tagsüber untergebracht sind, sowie die restliche Gesellschaft tragen eine Verantwortung gegenüber ihrer jüngsten Generation, auch sie müssen sich um die Bedürfnisbefriedigung der Heranwachsenden kümmern. Denn das Nicht-Beachten der kindlichen Bedürfnisse beeinflusst die Fähigkeiten der künftigen Generation und damit das gesellschaftliche Leben.

Wie bereits in der Einleitung der Arbeit beschrieben, kann an dieser Stelle bestätigt werden, dass keine zitierte und analysierte Sekundärquelle kindliche Bedürfnisse in Altersgruppen oder Geschlechter einteilt. Weder DAMMLERs (2002) konsumorientierte Sichtweise noch die psychologischen Ausführungen BRAZELTONs und GREENSPANNs (2002) beschreiben die Bedürfniswelt der Kinder als alters- bzw. geschlechtsabhängige Variablen. Auch GALTUNG (1980) stellt seine Bedürfniskategorien als altersunabhängig dar. Im Gegensatz zur kindlichen Entwicklung geht die Verfasserin dementsprechend davon aus, dass kindliche Bedürfnisse sich zwar individuell in ihrer Intensität bzw. Ausprägung unterscheiden, sie jedoch generell im Kindesalter gleich oder sehr ähnlich und vom Geschlecht unabhängig sind. Es ist lediglich in den verschiedenen Entwicklungsstufen und zwischen den Geschlechtern eine andere Ausprägung der einzelnen Bedürfnisse zu beobachten, d.h. ein Bedürfnis ist mal stärker und mal schwächer. Generell sind die Hauptbedürfnisse, im Gegensatz zu den anderen Merkmalen und Entwicklungsparametern von Kindern aber immer vorhanden. Ein Mädchen von drei Jahren benötigt ebenso Liebe und Geborgenheit wie ein Junge mit sechs Jahren. Das Bedürfnis nach Besitz ist auch allen Kindern gleichermaßen innewohnend, es unterscheidet sich nur in der Art des zu besitzen wollenden Gegenstandes (z.B. möchte eine Fünfjährige lieber ein Winnie Pooh Kuscheltier und ein Achtjähriger wünscht sich ein PC-Spiel). Das heißt, die Befriedigung der Bedürfnisse erfolgt individuell unterschiedlich (vgl. Mägdefrau 2003: 302). Diese Erkenntnis ist für die Kommunikation mit Kindern wichtig. Inwieweit sie sich in den Fernsehwerbespots für Kinder widerspiegelt, wird im Analyseteil der Arbeit untersucht.

Die nachstehende Darstellung fasst die kindlichen Bedürfnisse als Übersicht zusammen. Die Autorin hat dazu folgende übergeordnete Bedürfnisgruppen gebildet: Grundbedürfnis, Bindungsbedürfnis, Sicherheitsbedürfnis, Explorationsbedürfnis. In diese Gruppen werden die einzelnen spezifischen Bedürfnisse eingeordnet. Zu beachten ist, dass die Kategorien nicht getrennt voneinander sind. Es ist möglich, dass einzelne Bedürfnisse in mehreren Rubriken zu finden sind oder die Grenzen zwischen ihnen verwischen. Bedürfnisse beziehen sich aufeinander und/oder resultieren auseinander, ebenso können sie aufeinander aufbauen. Eine isolierte Betrachtung ist demnach nicht sinnvoll.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Kindliche Bedürfnisgruppen (eigene Darstellung)

3.4.5 Freizeitverhalten und Fantasien von Kindern

Aus den vorangegangen Ausführungen zu kindlichen Bedürfnissen ergeben sich konkrete Dinge und Handlungen, die Kinder brauchen und wollen. Dazu gehören: eine Familie mit Verwandten und Gruppen mit Gleichaltrigen, die Anerkennung liefern, ein intaktes Wohnumfeld sowie eine gesunde Umwelt, Sport, Spiele zum Ausgelassen sein, aber auch Erholungsphasen zur Verarbeitung der komplexen Erfahrungen, die sie täglich machen. Auch hinter den Erlebniswelten, die sich Kinder in ihrer Freizeit schaffen, stehen immer Bedürfnisse (vgl. Clausnitzer 2005, E-Mail). So zeigt z.B. die Beschäftigung mit Tieren, das Bedürfnis nach Schutz und Liebe sowie nach Märchen. Denn in Märchenwelten können Tiere sprechen und sind gleichgestellt mit Menschen bzw. die handelnden Protagonisten. Diese Welt entspricht der Fantasie von Kindern.

Die Freizeitgestaltung der Heranwachsenden gibt Aufschluss über ihre beliebtesten Erlebniswelten. Freizeit und Ereignis sind eng aneinander gebunden. So sind die attraktivsten Freizeitwelten der Sechs- bis Neunjährigen zum einen Treffen und Spielen mit Freunden und Freundinnen (61%) sowie Comics und Zeichentrickwelten (58%), ebenso wichtig sind Tiere (51%). Zum anderen finden Kinder Welten, die sich mit Zauber und Magie (45%) beschäftigen spannend und interessant, auch der Zirkus (42%) stellt eine beliebte Erlebniswelt dar. Die unteren Plätze der zehn beliebtesten Welten nehmen Sport, Autos, Dinosaurier und Indianer ein. (vgl. Mayer 1998: 147; IconKids&Youth 2003; Opalka 2003: 20; Wladkowski 2003: 46) Weitere wichtige Freizeitbeschäftigungen sind selbstverständlich das Fernsehen und die Nutzung anderer Medien, Sammeln und Tauschen kleinerer Besitztümer sowie Malen und Basteln (vgl. von Ploetz 1999: 30; Melzer-Lena/Hefler 2000: 104). Interessant ist, dass zwei Drittel aller Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren irgendetwas sammeln (vgl. Die Zeit 24.05.2004). Auch kindliche Tagträume und Fantasien lassen Bedürfnisse erkennen. Das Internationale Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) stellte in einer Untersuchung aus dem Jahr 2001 folgende Kinderfantasien als bedeutend heraus: Harmonie und Spannung erleben, besonders sein, miteinander verbunden sein, beschützen und beschützt werden, eigenständig handeln sowie der Wunsch nach Wissen, der jedoch heute nicht mehr die zentrale Rolle einnimmt (vgl. Götz 2001: 4). Auch hier lässt sich wie bei kindlichen Bedürfnissen feststellen, dass sich grundlegende Freizeitaktivitäten und Fantasien von Kindern über größere Altersstufen hinweg sehr ähnlich sind. Die einzelnen Bereiche Bedürfnisse, Fantasie und Erlebnis bzw. Freizeit können jeweils aufeinander bezogen werden. Zur Veranschaulichung dient folgende Grafik:

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Abbildung 2: Verbindung von Bedürfnissen, Fantasie und Freizeit bei Kindern (eigene Darstellung)

In der folgenden Tabelle 1 sind kindliche Erlebniswelten sowie Fantasien der Kinder aufgelistet, um daraus dazugehörige Bedürfnisse abzuleiten, wie sie im Abschnitt 3.4.4.3 aufgeführt wurden. Damit ist es möglich, sowohl von Fantasien wie auch Erlebniswelten auf das jeweilige verbundene Bedürfnis zu schließen und umgekehrt. Für den Verlauf der Arbeit bildet Tabelle 1 eine Grundlage für die Kategorienbildung im Analyseteil. Eine Gliederung nach Altersgruppen wurde in der Tabelle nicht vorgenommen, da, wie im vorangegangenen Kapitel verdeutlicht, kindliche Bedürfnisse nicht altersabhängig sind.

Tabelle 1: Erlebniswelten und Fantasien der Kinder sowie die dazugehörigen Bedürfnisse

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3.5 Kinder als Zielgruppe

Im folgenden Kapitel geht es um die Darstellung des Wesens Kind aus wirtschaftlicher bzw. marketingorientierter Sicht.

Für Unternehmen sind Kinder eine beliebte, aber komplexe Zielgruppe. Die Komplexität beruht vor allem auf der gleichzeitig vorhandenen Heterogenität und Homogenität bei Kindern. Das bedeutet, dass innerhalb der Zielgruppe altersbedingt enorme Entwicklungsunterschiede liegen. Ein Sechsjähriger entwickelt andere Wünsche und Vorstellungen als ein Neunjähriger, um gleiche Bedürfnisse zu befriedigen. BARLOVIC und CLAUSNITZER (2005) sind der Meinung, dass es ist nicht möglich ist, Kinder die mehr als zwei Jahrgänge auseinander liegen, zu einer Zielgruppe zusammenzufassen (vgl. Barlovic/Clausnitzer 2005: 17 -23). Während Erwachsene in vergleichbarer Zeitspanne kaum ihre Einstellung und Wahrnehmung ändern, machen Kinder innerhalb weniger Jahre eine große Entwicklung durch. Aus diesem Grund muss über die verschiedenen Altersstufen hinweg, also auf vertikaler Ebene, von einer extrem heterogenen Zielgruppe gesprochen werden. Hingegen haben Kinder einer Altersgruppe ungefähr gleiche Bedürfnisse und Interessen. Sie nehmen die Umwelt in ähnlicher Weise wahr (vgl. Melzer-Lena/Hefler 2000: 96f.). Auf horizontaler Ebene handelt es sich bei Kindern demnach um eine homogene Gruppe.

Ihre entwicklungsbedingten Unterschiede werden beispielsweise bei der Bewertung von Produkten deutlich. So beurteilen Vorschulkinder Produkte eindimensional, weil sie verschiedene Produktdimensionen nicht verknüpfen können. Sie wollen Produkte vor allem für sich selbst. Mit Eintritt in das Schulleben werden bereits mehrere Dimensionen im Entscheidungsprozess berücksichtigt. Die Vorteile des jeweiligen Produktes müssen jedoch entsprechend klar erläutert und dürfen nicht „der Lüge enttarnt“ werden. Kinder dieses Alters „legen Versprechen auf die Goldwaage“ (vgl. Dammler 2003: 24-27). Produkte werden genutzt, um sich in Gruppen zu integrieren. Immaterielle Produkteigenschaften, wie Image oder Wirkung auf Freunde erhalten erst mit neun bzw. zehn Jahren Gewichtigkeit (vgl. ebd.: 24-27). Dazu kommt, dass sich starke geschlechtsspezifische Differenzen zeigen (vgl. Barlovic 2000: 86). Jungen würden niemals mit Spielzeug für Mädchen spielen. Sie lehnen dementsprechend auch die Kommunikationsmaßnahmen für diese Produkte ab (vgl. Barlovic 2003: 51).

Kinder gelten darüber hinaus als aufgeschlossenere Zielgruppe im Vergleich zu Erwachsenen. Dennoch benötigen sie ständig neue Anreize und Stimulationen. Ihre Reaktionen sind emotionaler und spontaner. Diese Eigenschaften machen die Zielgruppe schwer berechenbar. Kinder sind schnell begeistert und ebenso schnell gelangweilt (vgl. Sanders 1979: 49ff.). Sie reagieren auf Werbung oder andere Medieninhalte nicht nach dem PAWLOWSCHEN Gesetz mit einem „Will-ich-haben-Reflex“. Heranwachsende haben, wie bereits im vorangegangenen Kapitel erläutert, vielschichtige und differenzierte Bedürfnisse (vgl. Barlovic/Clausnitzer 2005: 17-23). Sie identifizieren sich mit Dingen und/oder Personen ebenso schnell, wie sie anderen vertrauen und dem Gesehenen oder Gesagten Glauben schenken (vgl. Greve 1997: 151). Bei Enttäuschungen oder schlechten Erfahrungen sind sie stark betroffen und vergessen diese Erlebnisse über lange Zeit nicht (vgl. Lindstorm/Seybold 2003: 340).

Die frühe Selbstständigkeit, welche der abnehmenden Zeit der Eltern für ihre Sprösslinge geschuldet ist, und vor allem das vielfältige Angebot an Medienformaten lässt Kinder schon in jungen Jahren zu Experten für Kommunikationsinhalte werden. Die Erfahrungen, die sie dabei zu bewältigen haben, werden immer komplexer. Trotzdem sind Kinder kritische, detailfixierte und gut informierte Beobachter, die sich nicht für „dumm verkaufen“ (Autorin) lassen (vgl. Opalka 2003: 24). Sie fragen bei einem Produktversprechen immer nach dem Eigennutzen. Es kann behauptet werden, dass sie „kühle Kosten-Nutzen-Rechner“ sind, die den Nutzen eines Produktes aus den eigenen Bedürfnissen ableiten (vgl. Barlovic 2003: 51). Hinzu kommt, dass sie ein gutes Erinnerungsvermögen besitzen. Von 100 Fernsehspots erinnern sich Kinder an sieben, im Gegensatz zu Erwachsenen, die sich nur drei Spots einprägen (vgl. Wagner 2002: 26). Diese Eigenschaft macht sie einerseits zu einer beliebten Zielgruppe. Andererseits besteht die Gefahr, dass sich Fehler in der Ansprache sofort beim Absatz bemerkbar machen, da Kinder sich jede Inkorrektheit merken (vgl. Opalka 2003: 24). Kinder konsumieren gern, denn sie sehen wie die Erwachsenen eine Art des Selbstausdrucks darin (vgl. ebd.: 25).

Die Attraktivität der Zielgruppe Kind steigt für Unternehmen auch aufgrund ihrer doppelten Funktion: einerseits sind sie selbst potentielle Käufer, andererseits motivieren und beeinflussen sie das Kaufverhalten Erwachsener, z.B. von Eltern oder Großeltern (vgl. Mayer 1998: 148). Damit haben Kinder für Unternehmen eine zusätzliche Funktion: sie sind Kaufentscheider.

In Bezug auf ihre Konsumwünsche ist also festzuhalten, dass Kinder Produkte wollen, die ihnen am ehesten signalisieren, dass sie für sie gemacht sind, also ihre Bedürfnisse befriedigen. Dabei suchen sie nach Schlüsselsignalen, die ihrem Alter entsprechen oder sogar für ältere Kinder bestimmt sind. Die Produkte sollen ihren eigenen Entwicklungsstand zeigen oder weiter vorantreiben. Sie schließen von Details auf das Ganze, d.h. ist die Verpackung schlecht, kann auch das Produkt nicht gut sein. Logos können schon von zwei Jahre alten Kindern abgespeichert und wieder erkannt werden, deswegen muss ein Logo in Form und Farbe möglichst einzigartig sein. Ein ebenso wichtiges Merkmal ist die Verpackung eines Produktes. Sie muss das Produkt auf den ersten Blick als Kinderprodukt ausweisen. Dabei spielt der Gebrauch von Farben, die geschlechtsspezifisch und altersgerecht eingesetzt werden sollen, eine wichtige Rolle (vgl. Opalka 2003: 53). Ebenso wie das eigene Handeln nicht isoliert von anderen betrachtet wird, sehen Kinder auch ihren Konsum in Beziehung zu anderen. Kauft man ein Produkt, das den anderen nicht gefällt, kann eine Ausgrenzung die Folge sein. Umgekehrt versuchen Kinder genauso wie Erwachsene, sich durch den Erwerb eines Produktes einer Gruppe anzupassen (vgl. Dammler 2002: 83 ff.).

3.6 Zusammenfassung

Was macht die Zielgruppe Kind zu etwas Besonderem gegenüber anderen Zielgruppen? Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass grundlegende Bedürfnisse von Kindern über Altersstufen hinweg gleich sind und lediglich über die Jahre unbewusst modifiziert werden. Alle Kinder wollen u.a. Spaß, Spannung und Unterhaltung, Liebe sowie Geborgenheit. Des Weiteren sind Kinder im Gegensatz zu erwachsenen Zielgruppen sehr aufnahmefähig, d.h. schafft die richtige Ansprache einmal Aufmerksamkeit, dann behalten Kinder die ihnen vorgestellten Dinge gut. Sie lernen wesentlich leichter und schneller, da ihr Erinnerungsvermögen über dem eines Erwachsenen liegt. Kinder beeinflussen außerdem wie kaum eine andere Zielgruppe ihre Mitmenschen. Sie können als „kleine Opinionleader“ (Autor) bezeichnet werden. Ihr Gespür für Trends und ihre Markenaffinität macht sie für jeden Marketer zur (fast) idealen Zielgruppe.

Die Zielgruppe Kinder muss aufgrund ihrer Komplexität immer in bezug auf ihre geschlechts- und entwicklungsbezogenen Eigenschaften analysiert werden. Erst dann ist erfolgreiches Marketing möglich. Dabei gilt es, bestimmte Regeln zu beachten. Kinder dürfen weder unter- noch überfordert werden, d.h. sie sind ernst zu nehmende Persönlichkeiten, deren jeweiliger Entwicklungsstand durch passende Schlüsselsignale im Marketing bedient werden muss. Dabei sind auch die Geschlechterunterschiede zu beachten. Die Befriedigung der Grundbedürfnisse sollte an erster Stelle des Kinder-Marketings stehen. Es ist wichtig, Kinder über den persönlichen Produktnutzen zu informieren. Auf falsche Versprechen muss dabei verzichtet werden, da es sehr schnell zum Vertrauensbruch kommen kann. Die Informationsvermittlung muss kindgerecht verpackt sein und dort stattfinden, wo sich Kinder im Alltag aufhalten. (vgl. Barlovic 2003: 52)

Tabelle 2 zeigt zusammenfassend, die nach Alter geordneten kindlichen Entwicklungsstufen, und die nach Alter unterschiedlichen Merkmale der Zielgruppe. Die unten stehenden Bedürfnisse sind, nicht streng nach Alter oder Entwicklung zu kategorisieren und gelten für alle Altersgruppen.

Tabelle 2: Entwicklungsstufen, Merkmale und Bedürfnisse der Zielgruppe Kind (nach Opalka 2003, S. 19)

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4 Das Kinderfernsehen

4.1 Einführung

Als Kindermedien gelten Medien, die von Kindern rezipiert werden, auch wenn sie nicht für diese gedacht waren oder geeignet sind (vgl. Kübler 2002: 14). Die „professionellen“ Medien für Kinder gewinnen weiter an Bedeutung (vgl. ebd.: 16). Die Zugänge und Nutzungsmöglichkeiten für Kinder zu bzw. von Medien, insbesondere zum bzw. vom Fernsehen, sind immer einfacher. Pädagogische Einschränkungen und Kontrollen werden umso schwieriger. Meist fällt die Kontrolle nur noch indirekt über Appelle und Bestärkung des Urteilsvermögens aus. Auch die Maßstäbe, was als kindgerecht gilt, haben sich verschoben. Die Urteile darüber fallen meist sehr liberal und tolerant aus.

Das Kinderfernsehen ist wie der gesamte deutsche Fernsehmarkt vom dualen Rundfunksystem geprägt. Darunter versteht man das gleichzeitige Bestehen von öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkanstalten. Diese unterscheiden sich in erster Linie durch ihre Finanzierungsform: Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten finanzieren sich überwiegend aus den Rundfunkgebühren, privatwirtschaftliche Rundfunkanstalten ausschließlich durch Werbeeinnahmen. Den öffentlich-rechtlichen Sendern steht eine tägliche Werbezeit von 20 Minuten zur Verfügung. Die Privaten hingegen können 20% ihrer Sendezeit für Werbezwecke verwenden (vgl. Schmidtbauer 1993a: 14f.).

Die Medienlandschaft veränderte sich durch die Einführung privater Fernsehsender radikal. Bis 1984 konnte ein bundesdeutscher Durchschnittshaushalt nur 3,5 Fernsehprogramme empfangen, 1997 waren es bereits 33, und inzwischen hat der deutsche Rundfunkmarkt ein noch umfangreicheres Programmangebot. Dazu tragen auch die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten mit 21 Fernsehsendern und 57 UKW-Radioprogrammen bei. Hinter diesem großen Angebot an Fernsehkanälen lässt sich ein ebenso großes Angebot an Fernsehformaten für Kinder vermuten (o.V. 2006).

Die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten ARD und ZDF sind durch ihren Programmauftrag zur Ausstrahlung von Kinderprogrammen verpflichtet. Darüber hinaus dient das Kinderprogramm auch als Qualitätsbeweis für die Eltern, denn ein gutes (bildungsorientiertes) Kinderfernsehen sorgt für Akzeptanz, Sympathie und Anerkennung bei der Elterngeneration. Sowohl für die öffentlich-rechtlichen wie auch die privaten Sendeanstalten dient das Kinderprogramm auch der Akquise zukünftiger Konsumenten. Die kleinen Zuschauer von heute sind die Erwachsenen von morgen, die Einfluss und Geld besitzen (vgl. Wladkowski 2003: 23).

Der Kindermedienmarkt gehört zu den schnelllebigsten Medienmärkten. Immer wieder gibt es neue Highlights, die jedoch nur von kurzer Dauer sind. Ein scheinbarer Widerspruch tut sich auf, wenn trotz ständiger Neuigkeiten viele Angebote gleich bleiben. Dies liegt in der immer wieder nachwachsenden jungen Generation, d.h. es gibt beispielsweise alle Jahre wieder eine Gruppe Kinder im Alter von drei bis fünf Jahren, deren grundlegende Bedürfnisse dieselben der früheren Generation sind. Sie mögen die gleichen Figuren und Inhalte. Es existieren „Dauerbrenner“, die schon Helden und Lieblinge der Elterngeneration waren und nun den Kindern präsentiert werden (vgl. Kübler 2002: 20ff.). Der Medienmarkt für Kinder könnte dementsprechend als krisensicher bezeichnet werden. Auf den ersten Blick könnte der Medienmarkt für Kinder als krisensicher gelten. Bei genauer Betrachtung zeigt sich aber, dass er sich aufgrund der Konkurrenz ständig verändert. Der Wettbewerb ist aber nicht nur negativ zu beurteilen, KÜBLER (2002) meint: „In der Fülle und Konkurrenz heute verfügbarer Kindermedien spiegelt sich mithin auch der hohe Lebensstandard der Kinder wider.“ (Kübler 2002: 9).

Ein großes Problem für Kindermedien im Allgemeinen ist die demografische Situation in Deutschland. Es werden immer weniger Kinder geboren, somit schrumpft auch die Zahl der jungen Zuschauer. Die Sender müssen verstärkt um ihr Publikum kämpfen, wodurch sich die Konkurrenz verschärft. Hinzukommt, dass sich die Produzenten der Medieninhalte für Kinder immer noch nicht an den Entwicklungen ihrer jungen Zielgruppe orientieren, sondern am gesellschaftlichen Bild von Kindern, an Normen und Erwartungen (vgl. Kübler 2002: 11f.).

4.2 Geschichte des Kinderfernsehens

Die folgenden Ausführungen zur Geschichte des Kinderfernsehens beziehen sich, soweit nicht anders gekennzeichnet, auf das Werk von ERLINGER und STÖTZEL (vgl. Erlinger/Stötzel 1991).

Die erste Sendung für Kinder im deutschen Fernsehen wurde im November 1939 ausgestrahlt. Dabei handelte es sich um eine Sendung, die Kindern Gymnastikübungen beibringen sollte. Vorläufer für das erste Kinderfernsehprogramm gab es bereits in den 1920er Jahren im Radio und beim Film. Eigene Produktionen für das Kinderfernsehen begannen ab 1940. Als in den 50er Jahren der Fernsehbetrieb wieder aufgenommen wurde, sendete der Nordwestdeutsche Rundfunk ab 1951 den „Fernsehkinderfunk mit Dr. Ilse Obrig“. Das Kinderprogramm auf ARD und ZDF nahm seitdem stetig zu. Mit der Verbreitung der Fernsehgeräte wurden nach 1956 weitere Kinderprogramme z.B. Die Augsburger Puppenkiste, ausgestrahlt. (vgl. Kübler 2002: 108ff.) Zu Beginn der 1960er Jahre kamen vermehrt internationale Produktionen wie Lassie, Fury, Tom und Jerry ins deutsche Kinderfernsehen.

Mitte der 1970er Jahre begannen die Fernsehmacher Wert auf Sendungen zu legen, die zum einen der gesellschaftlichen Wirklichkeit entsprachen und zum anderen eine kritische Distanz zum Fernsehen ermöglichten (vgl. Kübler 2002: 114). Kinder sollten sehen, wie Fernsehen entsteht, um so ihre Medienkompetenz zu fördern (z.B. Die Sendung mit der Maus). Auch das Thema „Bildung und Lernen“ kam mit speziellen Sendungen ins Fernsehen. Mit dem amerikanischen Format „Sesamstraße“ wurde eine neue Phase eingeleitet. Die Serie, die nach einem stringenten Konzept produziert wird und „ein weltweit vermarktetes Multi-Media-Projekt für Kleinkinder mit dem Fernsehen als Leitmedium ist.“ (ebd.: 115). Die Werbespots nachempfunden Dramaturgie, verfolgt dabei Lernziele mit einprägsamen Slogans, die den Kindern Buchstaben und Zahlen beibringen sollen. Bald stellte sich jedoch bei Studien heraus, dass die Lernerfolge durch das Fernsehen gering sind, der pädagogische Anspruch an Kindersendungen ging daraufhin wieder zurück. Insgesamt zählen die 1970er Jahre zu den „produktivsten und couragiertesten“ seit Beginn des Kinderfernsehens (vgl. ebd.: 115f.)

Die öffentlich-rechtlichen Angebote von ARD und ZDF beherrschten bis Anfang der 1980er Jahre das Programm. Mit dem Eintreten der ersten privaten Sender (RTL) auf den Fernsehmarkt mussten sie mit neuen Formaten und Sendezeiten konkurrieren. Das Kinderprogramm der Privaten zeichnet sich auch heute noch durch aneinander gereihte Serien mit Unterbrechungen von „einschlägigen Werbespots“ aus (vgl. Kübler 2002: 120). Die Filme (meist Zeichentrick) werden billig in Südostasien und den USA eingekauft und bringen vor allem Superhelden, Klischees und Abenteuer auf den Bildschirm. Die künstlichen und stereotypen Welten sind bis auf wenige Ausnahmen nur kurzzeitige Hits bei Kindern. Die 1990er Jahre waren im Bereich des Kinderfernsehens monoton und ohne Akzente. Die privaten Sender verzeichnen seitdem wachsende Zuschauerzahlen auch unter den Kindern. Denn Kinder sehen zunehmend Programme, die ursprünglich für Erwachsene konzipiert wurden (vgl. ebd.: 122).

1996 richten die ARD und das ZDF den Kinderkanal (KI.KA) ein, der mit dem Slogan „Gewaltfrei, Werbefrei, frei ab drei“ die kindlichen Zuschauer mit qualitativ hochwertigem Programm versorgen soll. Die ersten Jahre erweisen sich für den KI.KA als schwierig, die Akzeptanz beim Publikum war gering, aber mittlerweile hat er sich im Kinderprogramm etabliert. Seit dem 12. September 2005 ist der neue kommerzielle Kinderkanal „Nick“ auf Sendung. Er zeigt 24 Stunden am Tag Kinderprogramm, das sich zu großen Teilen aus Zeichentrickserien zusammensetzt. Somit steht er in direkter Konkurrenz zu den bisherigen privaten Anbietern wie Super RTL.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Kindermedienmarkt sehr vielfältig ist, die pädagogischen Einflüsse oft gering sind, Kinder verstärkt mit den Medien aufwachsen und sich ein Teil ihrer Identität aus den Medien ableitet.

4.3 Programmangebot der deutschen Fernsehsender für Kinder

Die Zahlen in diesem Kapitel geben einen kurzen Überblick zur Thematik „Kinder und Fernsehen“. Auf eine Analyse dieser Daten wird jedoch aufgrund der Zielstellung der Arbeit verzichtet.

In Deutschland besitzen heute fast 100% aller Familien ein Fernsehgerät. Hinzukommen weitere Apparate in Kinder-, Schlafzimmern und/ oder Küchen. So hat ein Drittel aller in Deutschland lebenden Kinder einen eigenen Fernseher. Bis zu 1,5 Stunden sind die Fernsehgeräte pro Tag eingeschalten. Es kann also davon ausgegangen werden, dass 60% aller Kinder über den Fernseher erreicht werden können. Diese hohe Zahl ist besonders für Werber und Marketingfachleute interessant, da kein anderes Medium für Kinder diese hohe Reichweite erzielt. (vgl. Feierabend/Klingler 2005: 170)

Das Programmangebot für Kinder hat sich in den letzten Jahren dabei kaum verändert. Auch die neuen Kinderkanäle von Pay-TV-Sendern sind in den Haushalten wenig verbreitet (vgl. Feierabend/Klingler 2005: 171). Das Kinderprogramm auf allen Kanälen umfasste im Jahr 2004 ca. 300 Stunden Programm pro Woche (ohne Nick)[1]. Das Sendevolumen von öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern ist dabei fast gleich (171 Stunden vs. 144 Stunden). Das Kinderprogramm wird meist am Wochenende, besonders samstags gesendet. Die privaten Sender zeigen vor allem Zeichentrick, Unterhaltung und fiktionale Programme. Die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten konzentrieren sich auf Realfilme, unterhaltende Informationssendungen und non-fiktionale Inhalte (vgl. Götz 2001a). Allerdings liegen die Programmangebote von RTL in der Gunst der Familien weit vorn (vgl. ebd.).

Bei den einzelnen Programmen favorisieren Jungen und Mädchen unterschiedliche Sendungen (Drei- bis Dreizehnjährige). Einzig und allein das Sandmännchen ist bei beiden Geschlechtern auf Platz 2. Die Lieblingsfernsehsender der Kids sind KIKA, RTL, RTL II, Super RTL, Pro 7, Sat1, ARD und ZDF (vgl. KidsVA 2003). Super RTL ist Marktführer (24,2%) unter den Kindersendern, gefolgt vom Kinderkanal (KI.KA) (12,2 %) und RTL (10,2%) sowie RTL II (9,0%) (vgl. Götz 2001a; Feierabend/Klingler 2005: 172f.). Die Sender der RTL Gruppe vereinnahmen so nahezu 45% der Fernsehzeit der Kinder. Auch hier gibt es einige geschlechtsspezifische Unterschiede zu verzeichnen, bei Jungen liegt z.B. der KI.KA erst auf Platz 3. Die Altersgruppen weisen ebenso unterschiedliche Senderpräferenzen auf. Beispielsweise ist bei den Acht- bis Neunjährigen RTL II auf dem 3. Platz (vgl. ebd.: 172). Insgesamt lässt sich feststellen, dass Kinder private Sender bevorzugen.

4.4 Fernsehverhalten von Kindern

Heute gilt das Fernsehen als alltäglicher und selbstverständlicher Teil des Sozialsystems Familie. Das gemeinsame Fernsehen fügt sich in den Alltag so ein, dass dieser vom Fernsehen mitkonstruiert wird. Das heißt, der Alltag wird nach einzelnen Sendungen strukturiert, indem z.B. in einer Familie feste Fernsehabende existieren. So hat das Fernsehen nicht nur für jedes einzelne Familienmitglied eine Bedeutung, sondern auch für das Gefüge der Familie. Es werden Interessen des einzelnen Familienmitglieds im Fernsehprogramm aufgezeigt, die entweder Nähe zu anderen fördern oder Distanz schaffen. Eltern nutzen dabei das Fernsehprogramm gern zur Unterstützung bei der Erziehung und zur Vermittlung von Normen und Werten. Das gemeinsame Fernsehen, das zwischen 19 Uhr und 22.30 Uhr (bei Familien mit Kinder zwischen drei und dreizehn Jahren) stattfindet, befriedigt verschiedene soziale Bedürfnisse (vgl. Bachmair u.a. 2002). Am häufigsten wollen die einzelnen Familienmitglieder entspannen und ein Gefühl von Gemeinsamkeit und Harmonie erleben. Das Fernsehen schafft einen Rahmen für ein gemeinsames Erleben von Kindern und Eltern. Formate, die bei Familien große Beliebtheit aufweisen, sind Kinofilme, Krimiserien und Quizshows (vgl. ebd.).

Hierin bestätigt sich, dass Kinder nicht ausschließlich Kinderfernsehen schauen. Dies zeigen auch die Fernsehnutzungszeiten der Kinder, die zum Teil nicht mit dem Kinderprogrammzeiten übereinstimmen. Die Kinder schauen oft zu anderen Zeiten fern als die Kindersendungen laufen (vgl. Götz 2001). Über 50% der Kinder zwischen drei und neun Jahren sehen jedoch fast nur Kindersendungen (vgl. Frey-Vor/Schumacher 2004: 428). Sind Kinder älter als zehn Jahre, sinkt der Anteil der geschauten Kindersendungen auf 25% vom Gesamtfernsehkonsum (vgl. ebd.: 429). Der Fernsehkonsum von Kindern zwischen drei und dreizehn Jahren ist mit 93 Minuten pro Tag im Gegensatz zu anderen Altersgruppen niedrig. Das Alter, Geschlecht und die Herkunft beeinflussen diese Größe zusätzlich. Im Tagesdurchschnitt sehen Jungen zwei Minuten länger fern als Mädchen. Mit steigendem Alter nimmt der Fernsehkonsum zu. Am Wochenende wird am häufigsten ferngesehen (Feierabend/Klingler 2005: 173f.).

Neben den Tages- und Wochenzeiten unterscheiden sich die Sehdauer und Nutzungsintensität je nach Jahreszeit. Die Sommermonate werden weniger fürs Fernsehen genutzt (84 Minuten pro Tag). Dafür sehen Kinder in den Monaten Januar und Februar täglich fast 20 Minuten länger fern (103 Minuten pro Tag). Im Laufe des Tages steigt die Sehintensität zwischen 18 Uhr und 20 Uhr an (vgl. Feierabend/Klingler 2005: 173). Wie bereits erwähnt sehen zu dieser Zeit die meisten Familien gemeinsam Kinder- bzw. Familienprogramme. Dabei sind Habitualisierungsmuster zu erkennen. So gehört das Sandmännchen für die meisten Kinder (unter 10 Jahren) vor dem Schlafengehen zum Tagesabschluss dazu. Hingegen wird in der Zeit zwischen 14 Uhr und 17 Uhr, vor allem in der Woche, weniger ferngesehen. Zu dieser Tageszeit beschäftigen sich Kinder eher mit ihren Hausarbeiten, spielen mit Freunden oder gehen ihren vielfältigen Hobbys nach. Diese Angaben beziehen sich jedoch auf die Wochentage (Montag bis Freitag). Am Wochenende beginnt die Fernsehzeit bereits in den Morgenstunden und bleibt bis 17 Uhr konstant. Danach steigt sie wieder an und bleibt bis zum späten Abend auf hohem Niveau, da Kinder am Wochenende generell länger fernsehen dürfen (vgl. ebd.:170).

Kinder sehen gerne Programme mit Schauspielern, Orten und Handlungen, die sie aus ihrem eigenen Alltag kennen. Interessant sind dabei Sendungen mit Kindern als Protagonisten. Wichtige Elemente für Kinderprogramme sind laut dem Internationalen Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) Kinder, Abenteuer, witzige Erlebnisse und Konflikte mit Erwachsenen. Diese realitätsnahen Programme werden meist von öffentlich-rechtlichen Sendern ausgestrahlt. Wohingegen die fiktionalen Sendungen, z.B. Zeichentrickfilme, häufiger von den Privaten gezeigt werden (vgl. Rummler 2000).

Die beliebteste Sendung bei Kindern im Jahr 2004 war „Wetten, dass…?“ keine Sendung, die dem eigentlichen Kinderprogramm zuzurechnen ist. Bei Jungen folgen dann Fußballübertragungen, bei Mädchen gehört „Unser Sandmännchen“ zu den meist geschauten Sendungen. Insgesamt sind die Formate von KI.KA und Super RTL am häufigsten unter den Top 200 der beliebtesten Kindersendungen. Splittet man die Ergebnisse in Altersgruppen auf, wird deutlich, dass bei steigendem Alter immer seltener Programme des KIKA geschaut werden. Dafür entfallen drei Viertel aller beliebten Sendungen auf die RTL-Programme. Werden die einzelnen Senderangebote in Genres wie Fiktion oder Sport aufgeteilt, zeigt sich, dass Kinder gerne fiktionale Inhalte sehen (50%).Zu den fiktionalen Programmen zählen vor allem Zeichentrickfilme. Sie sind in allen Altersgruppen das dominierende Genre. 15% bis 16% der Fernsehnutzungszeit entfallen auf Informations- und Unterhaltungsangebote, 4% auf Sportsendungen. Auch die Werbung nimmt mit 12% einen nicht unbedeutenden Teil der Zeit ein. (vgl. Feierabend/Klingler 2005: 176) Darüber hinaus identifizieren sich Kinder oft mit einem bestimmten Sender. Besonders bei älteren Kindern gehört dies „zum selbstverständlichen Repertoire der Medienkompetenz“ (vgl. Neumann 1993: S.38).

Die Motive zum Fernsehen sind vielfältig. Sie reichen vom „reinen Zeitvertreib“ über „Miterleben wollen“ bis hin zum „Annehmen bisher unbekannter Informationen“ (vgl. Feierabend/Klingler 2005: 163). Schon mit zwei Jahren richten Kinder ihre Aufmerksamkeit schnell auf den Fernseher. Dabei werden Augen und Ohren in besonderem Maße angesprochen. Das Fernsehen gilt als außerordentlich glaubwürdig, da es Kindern das Gefühl gibt, direkt am Geschehen beteiligt zu sein. Hinzu kommt, dass das Fernsehen Identifikationsmöglichkeiten bietet. Die Schauspieler, Figuren und ihr Handlungsumfeld werden zu Repräsentanten der eigenen Vorstellung. Besonders einsame Kinder entwickeln zu Fernsehfiguren soziale Beziehungen. Die Kinder nutzen die Fernsehprogramme, um in eine andere Welt einzutauchen und den alltäglichen Problemen und der Langeweile zu entkommen. Diese Vorteile kann kein anderes Medium aufweisen.

Durch den schnellen Wechsel von Bild und Ton erfahren die kleinen Zuschauer eine besondere Abwechslung. Diese Art der Unterhaltung lieben Kinder genauso wie Erwachsene. Unterhaltung muss dabei nicht immer lustig sein, auch spannende und traurige Sendungen werden von Kindern gerne gesehen. Unterhaltung meint also primär ein Spiel mit den Gefühlen. Auch für das Bedürfnis nach Orientierung in der Welt liefert das Fernsehen Informationen. Es befriedigt damit auch die kindliche Neugierde. Die kognitive Entwicklung wird angeregt, Kinder entdecken die Umwelt und so einen Teil der Wirklichkeit. (vgl. ebd.: 162ff.)

Die Bedeutung des Fernsehens steigt mit zunehmendem Alter der Kinder. Gründe dafür liegen in der zunehmenden Urbanisierung und dem daraus folgenden wachsenden Sicherheitsbedürfnis der Eltern, die den Kindern weniger Zeit außerhalb der Wohnung oder des eigenen Gartens erlauben. So verbringen Kinder mehr Zeit zu Hause und sehen mehr fern. Fernsehapparate sind schon für die Kleinsten jederzeit verfügbar, sie „müssen nur den Knopf drücken“. (vgl. ebd.: 165)

4.5 Bedeutung des Fernsehens für die kindliche Entwicklung

Während ihrer Entwicklung müssen Kinder verschiedene Aufgaben bewältigen. Sie sind von der Gesellschaft und den jeweiligen psychobiologischen Vorraussetzungen des Kindes festgelegt. Kinder müssen demnach ein männliches bzw. weibliches Rollenverhalten sowie grundlegende Kompetenzen im Lesen, Schreiben und Rechnen entwickeln. Seit Einführung des Fernsehens kommt eine weitere Entwicklungsaufgabe hinzu: die Aneignung von Fähigkeiten für den Umgang mit Medien, im Besonderem dem Fernsehen (vgl. Oerter/Montada 2002: 910).

Um die Fernsehinhalte zu verstehen, greifen Kinder auf dasselbe Symbolsystem wie beim Fantasiespiel zurück. Beim Fantasiespiel passt das Kind die Realität seinen Bedürfnissen an (vgl. ebd.: 910). Im Umkehrschluss bedeutet das: die Fernsehrealitäten werden auch den eigenen Bedürfnissen angepasst, um das Gesehene besser verstehen zu können. Allerdings kann beim Fernsehen die Fantasie nur im Rahmen der vorgegebenen Handlung genutzt werden. Hierin scheint der Grund für die Vorliebe von Zeichentrickfilmen bei Kindern zu liegen. Die Fantasiesymbole der Kinder werden angesprochen, die eigene Gestaltung der Szenen, wie beim Spiel, bleibt aber begrenzt. Um diese Grenzen zu überwinden, beziehen Kinder Fernsehinhalte in ihr Spiel ein. So können sie sich aktiver mit dem Gesehenen auseinandersetzen. Integriert das Fernsehen also von vornherein die kindlichen Bedürfnisse in seine Inhalte, hat es eine gute Chance, aktiv verarbeitet und dementsprechend erinnert zu werden, da es so den Fantasiewelten des kindlichen Spiels entspricht und die kindliche Entwicklung unterstützt. Dementsprechend ist das passende Programm für die Entwicklung des Kindes von großer Bedeutung. (vgl. ebd.: 162ff.)

4.6 Pädagogische Bedenken

Im Zusammenhang mit Fernsehen und Kindern, kindlicher Entwicklung und kindlichen Bedürfnissen kann die Betrachtung pädagogischer Bedenken nicht außen vor bleiben. Eine vollständige Diskussion und Auswertung der unterschiedlichen Perspektiven würde jedoch den Rahmen der vorliegenden Arbeit übersteigen. Dementsprechend werden die konträren Meinungen und Studien nur kurz umrissen, um einen Einblick in die Wissenschaft der Fernsehpädagogik zu gewähren. Darüber hinaus kann festgestellt werden, dass der Forschungsbedarf in diesem Bereich noch nicht gedeckt ist und somit an anderer Stelle dazu weitergearbeitet werden könnte.

Die Reihe an Aufsätzen zum negativen Einfluss des Fernsehens auf Entwicklung und Sozialisation von Kindern ist groß. Fernsehen soll aggressiv, gleichgültig und/oder dumm machen. KÜBLER dazu: „Bedenklich ist, wenn solche Behauptungen als wissenschaftlich eindeutig bewiesen ausgegeben werden, was sie aufgrund der Komplexität des Untersuchungsbereichs nicht sein können.“ (Kübler 2002: 175). Oft sind die Wirkungsstudien nur kurzfristig angelegt, so dass Veränderungen nicht erfasst werden. Die Faktoren, welche die jeweilige soziale Wirklichkeit des Kindes beeinflussen, sind so vielfältig, dass sie theoretisch nicht vollständig erfasst werden können. Die Wirkung des Fernsehens auf Kinder ist dementsprechend nicht pauschal zu bestimmen. Sowohl auf Seiten der Kinder wie auch beim Medium Fernsehen müssen Merkmale und Faktoren individuell betrachtet werden. Es empfiehlt sich also, entwicklungstheoretisch an die Frage der Medienwirkung bzw. Fernsehwirkung bei Kindern heranzugehen. Denn je nach Entwicklungsstand der Kinder zeigt sich eine andere Wirkung (vgl. ebd.: 176f.). Medien im Allgemeinen, und so auch das Fernsehen, gehören heute zum Leben und beeinflussen dieses zunehmend. Einige Thesen davon aus, dass das Fernsehen zur Sozialisation von Kindern und Jugendlichen beiträgt, indem es die Möglichkeit bietet, andere Lebensentwürfe auszuprobieren (vgl. ebd.: 80). Inwieweit man dem Fernsehen diese sozialen Funktionen zutraut, hängt davon ab, wie viel Selbständigkeit der jungen Generation bei der Verarbeitung der Inhalte zugetraut wird. Empirische Beweise für diese Theorie gibt es bisher nicht.

Auch die Entwicklungspsychologen OERTER und MONTADA meinen, die plakativen Kritiken entsprechen weder dem Umgang der Kinder mit ihrer Umwelt noch den empirischen Daten der Medienentwicklungspsychologie. Medien und ihre Angebote werden von Kindern nur dann beibehalten, wenn sie den psychischen Möglichkeiten und den kindlichen Bedürfnissen entsprechen. Medien bestimmen demnach das Erleben von Kindern in weit weniger großem Maße als oft behauptet wird. Vielmehr spielen die inneren Verstehensvoraussetzungen eine große Rolle. (vgl. Oerter Montada 2002: 921)

Studien aus den Jahren 2004 und 2005 belegen den Zusammenhang zwischen Fernsehkonsum und erreichtem Bildungsstatus im Erwachsenenalter. Wissenschaftler aus Neuseeland beobachteten über drei Jahrzehnte Kinder, deren Fernsehkonsum in der Kindheit und die Auswirkungen auf ihre Bildung. Sie stellten fest, dass die Kinder, die mehr als drei Stunden täglich vor dem Fernsehgerät verbrachten, später öfter keinen Schulabschluss erreichten. Im Gegensatz dazu hatten diejenigen mit einem geringen Fernsehkonsum in der Kindheit häufiger einen Universitätsabschluss – unabhängig von sozioökonomischen und intellektuellen Faktoren. Auch an der University of Washington konnte in einer Langzeitstudie festgestellt werden, dass häufiges Fernsehen in den ersten drei Lebensjahren negative Auswirkungen auf die Lese- und Rechenfähigkeit im Schulalter hat. Auch für gesundheitliche Schäden durch Übergewicht und Diabetes wird dort das Fernsehen mitverantwortlich gemacht. (vgl. o.V., www.medizinauskunft.de 2005)

Auch die Medien verstärken gegenseitig die Kritiken. Besonders das Fernsehen wird kritisiert, da es bei Kindern erfolgreicher ist als beispielsweise Zeitschriften oder das Radio (vgl. Nickel 1997: 221; o.V. 2002). Trotz weit verbreiteter und oft gerechtfertigter Kritik am Fernsehen ist aufgrund der beschriebenen Entwicklungsleistung von Kindern nicht von der Hand zu weisen, dass sie Medienkompetenz besitzen. So sind sich 82% der jungen Nutzer (ab dem Grundschulalter) bewusst, dass Fernsehen nicht der Wirklichkeit entspricht. Auch liegt die Fernsehzeit von Kindern in Deutschland weit unter der, anderer Bevölkerungsgruppen z.B. Rentnern (vgl. Nickel 1997: 221-226).

Nicht nur die Gefahren für Kinder durch das Fernsehen scheinen unendlich zu sein, auch die wissenschaftlichen Betrachtungen zu diesem Thema sind an Zahl, Gegensätzen und Widersprüchen kaum überschaubar. Aus diesem Grund wurde an dieser Stelle nur ein Überblick gegeben, der für den Themenkomplex sensibilisieren soll.

5 Fernsehwerbung für Kinder

5.1 Exkurs: Kindermarketing

An dieser Stelle soll ein Exkurs zum Kindermarketing gegeben werden, um das Thema „Fernsehwerbung für Kinder“ in den allgemeinen Marketingmix einordnen zu können. Denn Fernsehwerbung zählt neben der Anzeigenwerbung zu den klassischen Marketingformen.

Der Bereich des Kinder-Marketings ist ein in der Fachliteratur bis heute vernachlässigtes Gebiet. Obwohl die Produktvielfalt und damit das Werbeangebot für Kinder stetig zunimmt, gibt es wenige Handlungsanweisungen für Marketer, um diese komplexe Zielgruppe richtig zu bearbeiten. Nach OPALKA (2003) umfasst Kinder-Marketing „jede Art der Anstrengung eines Marketers, die Bedürfnisse der Zielgruppe Kinder zu erkennen, zu wecken und zu befriedigen, mit der Zielsetzung, die Kinder selbst zum Konsum anzuregen, ihre Einflussnahme auf Kaufentscheidungen Dritter herbeizuführen und die Bildung eine Zukunftsloyalität zu erreichen“ (Opalka 2003: 93). Werden Kinder mit den richtigen Instrumenten angesprochen, sind sie für Werbetreibende eine dankbare Zielgruppe, da ihr Erinnerungsvermögen und die Markenaffinität gegenüber erwachsenen Zielgruppen höher sind (vgl. Barlovic 2003: 51). Es darf dabei nicht außer Acht gelassen werden, dass Kindern Fernsehwerbung mehr Spaß bringt als Anzeigen in Kinderzeitschriften, auch wenn diese besser erinnert werden (vgl. ebd.: 87). Printwerbung muss, um die gewünschte Wirkung zu erreichen, sehr detailreich sein, denn Kinder wollen entdecken.

Das Wissen um die komplexen Alters- und Geschlechtsunterschiede bei Kindern ist ein Schlüssel zum Erfolg auf dem Kindermarkt (vgl. ebd.: 24). Neben den biologischen sind es die gesellschaftlichen Veränderungen, die den Kinder-Markt stärker als andere Märkte in Bewegung halten. Langfristige Marketingmaßnahmen sind kaum Erfolg versprechend (vgl. Opalka 2003: 98). Produktmanager sollten sich aus diesen Gründen auf ein Alterssegment beschränken und die jeweilige Lebenswelt der Kinder genau studieren, um sie dann zielgerichtet in alle Marketingaktivitäten zu integrieren. Kinder müssen dabei in den Kontexten angesprochen werden, in denen sie sich in ihrem Alltag bewegen (vgl. ebd.: 68). Es sollten Tätigkeiten aufgegriffen werden, die Kinder gerne machen (vgl. Mayer 1998: 160). Das situative Marketing erhält in diesem Zusammenhang eine bedeutende Rolle. So können Kinder zu Hause am besten über das Fernsehen oder Zeitschriften erreicht werden. In Geschäften spielt vor allem die Verpackung eine entscheidende Rolle bei der Produktauswahl, im Auto oder Schulbus ist das Radio das geeignete Medium, um Kinder anzusprechen. Auch Promotion-Aktionen mit kreativen Geschenken erfreuen Kinder (vgl. Opalka 2003: 69).

[...]


[1] Zum Zeitpunkt der Erfassung noch nicht auf Sendung.

Excerpt out of 143 pages

Details

Title
Fernsehwerbung für Kinder - Reflexion kindlicher Bedürfnisse?
College
University of the Arts Berlin
Grade
1,0
Author
Year
2006
Pages
143
Catalog Number
V62538
ISBN (eBook)
9783638557573
ISBN (Book)
9783656803164
File size
1066 KB
Language
German
Keywords
Fernsehwerbung, Kinder, Reflexion, Bedürfnisse
Quote paper
Stephanie Müller (Author), 2006, Fernsehwerbung für Kinder - Reflexion kindlicher Bedürfnisse?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62538

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