Das Prinzip der Tauschgerechtigkeit als wirtschaftsethisches Prinzip


Hausarbeit, 2002

22 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Einleitung

In der vorliegenden Arbeit möchte ich mich mit dem Prinzip der Tauschgerechtigkeit befassen. Als Vorlage dient mir der Text von Otfried Höffe „Gerechtigkeit als Tausch? Ein ökonomisches Prinzip für die Ethik“[1]

Dabei soll untersucht werden, inwieweit das von Höffe vorgestellte Prinzip der Tauschgerechtigkeit geeignet zum Lösen wirtschaftsethischer Fragen ist. Ziel dieser Arbeit ist es dabei nicht, den Text Höffes zu erläutern, interpretieren und kommentieren, sondern basierend auf der Idee der Tausch- gerechtigkeit unter Zuhilfenahme von Höffes Text eine eigene Argumentation zu erarbeiten. Es wird durchaus Höffes Weg in seiner Struktur begleitend dargestellt, um aufzuzeigen, wo Parallelen und wo Verschiedenheiten in der Argumentation bestehen.

Die Untersuchung der Tauschgerechtigkeit besteht im Wesentlichen aus zwei Schritten. Zuerst muss geklärt werden, mit welcher Berechtigung das Prinzip der Tauschgerechtigkeit für geeignet gehalten werden kann, Lösungsansätze für normative Fragen zu entwickeln. Für Tausch und Gerechtigkeit muss das auf zwei verschiedenen Ebenen geschehen. Da Gerechtigkeit bereits ein moralischer Begriff ist, gilt es, mögliche Alternativen auszuschließen oder zumindest Gerechtigkei t als das plausiblere, geeignetere Prinzip zu begründen. Tausch ist eher ein ökonomisches denn ein moralisches Prinzip; an dieser Stelle muss gezeigt werden, wie dennoch durch das Prinzip Tausch eine normative Regelung gefunden werden kann. Das zu zeigen, wird Kern des ersten Hauptabschnitts sein.

Im zweiten Teil geht es darum, zu klären, wie mögliche Lösungsansätze durch die Tausch- gerechtigkeit gerechtfertigt werden, bzw. wie durch das genannte Prinzip neue Ansätze gefunden wer-den können. Dabei soll zunächst der politische Tausch anhand des Hobbesschen Modells des Gesell-schaftsvertrags erörtert werden, um zu zeigen, dass das Prinzip Tauschgerechtigkeit seine ethische

Anwendung findet. Des weiteren möchte ich mich einer Frage widmen, die Höffe nicht bearbeitet hat, nämlich welche direkten Konsequenzen sich aus dem politischen Tausch für den ökonomischen

ergeben können.

Unabhängig davon soll Tauschgerechtigkeit anhand exemplarischer Probleme erörtert werden. Dabei müssen die Probleme unterschieden werden: Zum einen müssen wirtschafts-ethische Fragen grundsätzlicher, theoretischer Art untersucht werden, also Probleme, die im ökonomischen System per se sind – dem widmet sich Höffe, und an seinem Text sollen entsprechende Fragen auch bearbeitet werden. Zum anderen möchte ich auch einen Blick auf die realen, praktischen Probleme werfen und prüfen, ob Höffe dafür Lösungsansätze bietet bzw. ob aus der Tauschgerechtigkeit Ansätze herausgearbeitet werden können.

Anschließend erfolgt eine Bewertung, zunächst jedoch komme ich zu dem ersten Teil, der Frage, inwieweit Tauschgerechtigkeit ein ethisches Prinzip sein kann.

Überlegungen zu Tausch und Gerechtigkeit

In der Frage, ob Gerechtigkeit ein sinnvolles Prinzip zum Erstellen von Wirtschaftsnormen ist, beginnt Höffe mit einem potentiellen Alternativprinzip, um zu zeigen, dass Gerechtigkeit ohne Alternativen ist. Dieses alternative Prinzip benennt er mit Solidarität bzw. Brüderlichkeit, das eine in Bezug auf das Verhältnis des christlichen Abendlandes zur dritten Welt, das andere als Ideal der französischen Revo-lution. An dieser Stelle möchte ich kurz betrachten, ob genannte Beispiele tatsächlich so beispielhaft sind.

Die These, dass das christliche Abendland sich solidarisch mit der dritten Welt zeigt, halte ich dabei für äußerst fragwürdig in Anbetracht des historischen Hintergrunds. Die derzeitige Solidarität u.a. in Form von Entwicklungshilfe basiert auf einer historischen Schuld, die sie nicht ansatzweise zu tilgen vermag, geschweige denn, dass die 1.Welt ernsthaft dazu bereit wäre. Führt man sich das Verhältnis der 1.Welt zur 3.Welt in der Vergangenheit vor Augen, fallen einem spontan die Stichworte `Kolonial-isierung, Versklavung, Zwangsmissionierung, Annexion, Vertreibung, Ausbeutung und Völkermord` ein - es stellt sich unweigerlich die Frage, ob die realen Probleme der Wirtschaftsethik letztendlich überhaupt auf wirtschaftsspezifischen Fragen beruhen.[2]

Ähnlich gestaltet es sich bei der Brüderlichkeit. Dieses Prinzip ging, wiederum historisch betrachtet, anno 1789 nicht von den Mächtigen aus, sondern von denen, die sich an der Macht im Staate beteiligen wollten. Man kann dem zu Gute halten, dass zu der Zeit durchaus Arme und einfache Arbeiter dieses Prinzip mit den Intellektuellen und wohlhabenden Bürgern teilten; allerdings war es auch damit vorbei, nachdem die Revolution erfolgreich war, denn das Bürgertum sann in erster Linie darauf, die politische Macht für sich zu gewinnen, für das einfache Volk hingegen änderte sich zu-nächst nichts Entscheidendes.

Man kann an dieser Stelle getrost die Wirkung beider Prinzipien für empirisch widerlegt erklären, denn wenn schon in den Beispielen gezeigt wird, dass Solidarität dort nicht funktioniert hatte, zeigt es sich als äußerst fragwürdig, ob Solidarität überhaupt eine ethische Grundlage sein kann – nebst dieses Rückblicks ist es aber auch interessant, Solidarität und Brüderlichkeit einmal theore-tisch zu betrachten.

Die genannten alternativen Prinzipien setzen Freiwilligkeit voraus, denn erzwungene Solidarität ist keine Solidarität, da für die moralische Bewertung der Wille des Handelns und nicht das äußere Handeln entscheidend ist.

Freiwilligkeit bedeutet also, dass ein Mensch nicht dazu verpflichtet werden kann, etwas freiwillig zu tun – das wäre absurd. Bei moralischem Handeln wird aber grundsätzlich zwischen richtig und falsch unterschieden, so dass ein Mensch dazu verpflichtet ist, falsches Handeln zu unter-lassen; dass ein Mensch, der nicht freiwillig handelt, nicht notwendigerweise falsch handeln muss, erklärt sich wie folgt:

Es kann normativ zwischen drei Verhaltensweisen unterschieden werden: Erstens gibt es das Fehlverhalten, bei dem der Mensch den eigenen Vorteil sucht und in der Handlungsweise anderen schadet. Dieses Verhalten ist illegitim und wird geächtet. Des weiteren kann der Mensch Fehlverhal-ten vermeiden, dabei seinen Vorteil suchen, sich Bemühen, seine Ziele zu verwirklichen, ohne jedoch damit anderen zu schaden. Solch Verhalten wird anerkannt. Zuletzt kann der Mensch sich durch be-sonders gute Taten hervortun, indem er anderen hilft, was eventuell sogar zu seinem eigenen Nachteil (z.B. finanziell bei Spenden) gereichen könnte. So etwas wird ausdrücklich honoriert. In erster Linie kann der Mensch intuitiv zwischen diesen Verhaltensweisen unterscheiden, Aufgabe der Ethik ist es, Normen zu formulieren, die der Intuition entsprechen.

Wenn der Mensch moralisch dazu verpflichtet wäre, solidarisch zu handeln, dann hieße das – einmal unabhängig von der Absurdität an sich betrachtet – dass jegliches Handeln, das diesen Maßstäben nicht entspräche, falsch sein müsste. Das wiederum widerspricht unser Intuition (s.o.).

Da es aber primäre Aufgabe der Ethik ist, zwischen richtig und falsch zu unterscheiden, wir also eine verbindliche Moral brauchen, um falsches Handeln als falsch kennzeichnen zu können, kann der Maßstab für richtiges Handeln vorerst nur darin bestehen, nicht falsch zu handeln. Dieses Prinzip heißt Gerechtigkeit .

Neben der theoretischen Grundlage der Auslegung von Gerechtigkeit gibt es auch praktische Gründe dafür, denn der Begriff der Verbindlichkeit impliziert nicht zuletzt auch den Begriff der Rechtsverbindlichkeit. Mit dem Recht soll schließlich das äußere Handeln auf seine normative Legitimität überprüft werden, weshalb das Recht möglichst nahe an den normativen Grundlagen formuliert sein muss. Da Zuwiderhandlungen allerdings sanktioniert werden sollen, muss beachtet werden, dass auch nur solche Handlungen sanktioniert werden und nicht nicht-freiwilliges Handeln.

Schließlich gibt es noch einen ökonomischen Grund: Es muss schließlich bedacht werden, dass ein grundlegendes, unethisches Prinzip in der Ökonomie darin besteht, dass Menschen etwas leisten und damit in Wettbewerb miteinander treten. Wettbewerb entsteht durch Konkurrenz, also einem gänzlich unsolidarischen Akt; durch Konkurrenz jedoch wird besondere Leistung, und damit Entwicklung und Fortschritt erst begründet. Sollte also Solidarität zur Maxime erhoben werden, wäre Wettbewerb und damit Wirtschaft nicht möglich. In der Sache an sich kann Solidarität also gar nicht ein wirtschaftsethisches Prinzip sein.

Nachdem also Gerechtigkeit als das Prinzip erkannt wurde, auf dessen Grundlage eine Wirtschafts-ethik formuliert werden soll, stellt sich die Frage, wie Gerechtigkeit verstanden werden kann.

Höffe unterscheidet zwischen Verteilungsgerechtigkeit und Tauschgerechtigkeit. Bei der Verteil-ungsgerechtigkeit wiederum kann unterscheiden werden zwischen folgenden Grundsätzen: „Jedem nach seinen Leistungen“(Wirtschaftsliberalismus), „Jedem nach seinen gesetzlichen Rechten“ (Rechtsstaat), „Jedem nach seinen Verdiensten“(Aristokratie – ähnlich dem Wirtschaftsliberalismus) und „Jedem nach seinen Bedürfnissen“(Sozialismus)[3].

Beim Prinzip der Tauschgerechtigkeit hingegen, so Höffe, gebe es keine unterschiedlichen Auffassungen. Tausch ist zunächst der triviale Akt des Gebens und Nehmens, bei dem die Gerechtig-keit in der Gleichwertigkeit des Getauschten beruht. Die Eindeutigkeit im Verständnis eines gerechten Tausches mag ein Vorteil sein, da sie von jedem nachvollziehbar ist. Jedoch ist sie auch insofern prob-lematisch, da angesichts der Trivialität des Tauschprinzips die Frage gestellt werden muss, welcher Mensch denn überhaupt an einem ungerechten Tausch teilnimmt, wenn dieser Tausch für ihn einen Nachteil bedeutet, wieweit es also dann überhaupt noch einer Ethik bedarf (darauf wird später noch ausführlicher eingegangen). Zweifelsohne ist der Tausch aber ein Prinzip der Ökonomie schlechthin, somit ist es vorstellbar, ökonomische Probleme auf ökonomische Weise zu lösen.

Höffe beschreibt die Verteilungsgerechtigkeit als paternalistisches Prinzip, bei dem also das zu Verteilende von oben kommt und von oben verteilt wird. Beim Tausch hingegen wird alles erarbeitet, um dann brüderlich getauscht zu werden.

Das kann auch anders interpretiert werden. Wenn statt Verteilungsgerechtigkeit Aufteilungsgerechtig-keit gesagt werden würde, könnte bereits deutlich werden, das Güter auch unter sich verteilt bzw. aufgeteilt werden können, eine paternalistische Hierarchie also nicht zwingend notwendig ist. Des weiteren ist es auch vorstellbar, das gemeinschaftlich Erarbeitetes verteilt wird, was gerade in einer Ökonomie, in der heutzutage das meiste gemeinsam geleistet wird, nicht ohne Belang ist. Zugleich befasst sich die Verteilungsgerechtigkeit mit einer Frage, die mittels Tausch nicht erklärt werden kann. Denn auch beim Tausch muss sich alles erst erarbeitet werden, aber woher die Produktionsmittel, vor allem Landbesitz, Bodenschätze etc., also gegebene Ressourcen, die nicht erarbeitet werden können, kommen, und vor allem, in welchem Umfang sie von wem genutzt werden dürfen, das kann durch eine Tauschgerechtigkeit nicht ermittelt werden; die Verteilungsgerechtigkeit hingegen bietet einige Ansätze, wie das, das wie „das Manna vom Himmel“[4] gefallen ist, nämlich die Natur, genutzt werden kann.

Zunächst bleibt festzuhalten, dass es keine sachlichen Argumente gibt, die in signifikanter Form die Tausch- oder Verteilungsgerechtigkeit zum Lösen wirtschaftsethischer Probleme prädestiniert. Letztlich muss geprüft werden, in welcher Form die beiden Prinzipien zum Erstellen sinnvoller Normen beitragen können. In diesem Fall wird verstärkt das Augenmerk auf die Tauschgerechtigkeit gelegt.

Da es bereits exemplarische Schriften gibt, in denen dargelegt wird, wie die Tauschgerechtigkeit in politischen Dimensionen funktioniert, soll zunächst besagter politischer Tausch näher angesehen werden, um dann zu prüfen, ob dies eine geeignete Vorlage für die Ökonomie ist.

[...]


[1] in Lenk, Hans/Maring, Matthias(Hrsg.):Wirtschaft und Ethik, Stuttgart 1992, S.119-133

[2] Auch in Hinblick auf derzeitige aktuelle Fragen, ob. z.B. Manager persönlich für Bilanzfälschung haften sollen, kann man durchaus zur These kommen, das der Grund aller ökonomischen Probleme im Nicht-Einhalten grundlegender moralischer Normen besteht.

[3] Höffe: S. 120f.

[4] Höffe: S. 121

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Das Prinzip der Tauschgerechtigkeit als wirtschaftsethisches Prinzip
Hochschule
Universität Hamburg
Veranstaltung
Seminar Wirtschaftsethik
Note
1,3
Autor
Jahr
2002
Seiten
22
Katalognummer
V63496
ISBN (eBook)
9783638565417
ISBN (Buch)
9783656796039
Dateigröße
509 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Hausarbeit über das Prinzip Tauschgerechtigkeit bei Otfried Höffe
Schlagworte
Prinzip, Tauschgerechtigkeit, Prinzip, Seminar, Wirtschaftsethik
Arbeit zitieren
Niklaus Jung (Autor:in), 2002, Das Prinzip der Tauschgerechtigkeit als wirtschaftsethisches Prinzip, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/63496

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