Das in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts (Fassung A) entstandene Spielmannsepos bewegt sich vor dem historischen Hintergrund der Hegemoniekämpfe zwischen Staufern und Welfen und umfaßt die Themenbereiche „Reichsgeschichte“, „der vorbildliche ritterliche Held“ sowie den Orientbereich und die dort vermuteten „seltsamen“ Geschöpfe. Das Epos thematisiert zum einen den Konflikt zwischen Partikular- und Zentralgewalt, was auch den Grund für die Reise des Herzogs nach Jerusalem liefert,und gleichzeitig auch der Bezeichnung „Staatsroman“ seine Legitimation erteilt. Zum anderen wird der Krieg gegen die Heiden unter dem Zeichen des Kreuzes dargestellt, verknüpft mit Elementen der aventiure.
Auf der strukturellen Ebene fällt auf, daß die Orientreise des Herzogs eingebettet ist in eine Vorgeschichte, die den bereits angesprochenen Konflikt darstellt, und eine Nachgeschichte, die die Rückkehr des Herzogs und die Wiederherstellung der durch den Konflikt gestörten Ordnung zum Thema hat. Dazwischen liegt die Reise des Herzogs, die ihn über verschiedene Stationen bis nach Jerusalem führt und seinen Bewährungsweg als Ritter und Herrscher darstellt.
Betrachtet man die einzelnen Stationen dieses Bewährungsweges genauer, so wird deutlich, daß jede dieser Stationen Besonderheiten aufweist, die wiederum auf eine spezifische Bedeutung innerhalb des gesamten Textes hinweisen. So ist beispielsweise Arimaspi die Station, in der Herzog Ernst am längsten verweilt und sich in dieser Zeit als ordentlicher Herrscher (mit eigenem Herzogtum, dem einheimischen Fürsten gleichgestellt) und Verteidiger seines Landes und Volkes in ruhmreichen Kämpfen gegen die Feinde desselben bewährt (die Kämpfe gegen die Platthufe, die Langohren, die Kraniche von Prechami und die Giganten).
Die Besonderheit der ersten Station, Grippia, liegt demgegenüber in der Tatsache, daß sie zweimal besucht wird und dadurch vermutet werden kann, daß diese beiden Besuche unter verschiedenen Vorzeichen - Kreuzzug und aventiure - zu sehen sind. Dies umso mehr, als bereits der Prolog darauf hinweist, denn dort ist die Rede vom „guoten knehte“ und vom „hohen muot“, von „fremden rîchen“ und davon, daß diese edle, ritterliche Gesinnung nur der verstehen und nachempfinden kann, der sich selbst der Herausforderung stellt, nämlich ad venturam, dem, was kommt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Analyse der Grippia-Episode
- Einteilung
- Exkurs: Christentum und Kreuzzug.
- Die Gottesunmittelbarkeit des Herzogs
- Die Ankunft in Grippia
- Der erste Besuch Grippias
- Furcht und Faszination
- Versuchung und Integrität
- Der zweite Besuch der Stadt
- Ruhepause auf dem Schiff.
- Herzog Ernst und Graf Wetzel
- Ritterliche Wertbegriffe
- Heidnische Klugheit und Geschicklichkeit.
- Das Erscheinen der Kranichschnäbler.
- Die indische Prinzessin...
- Exkurs: Die Figuren der mittelalterlichen Dichtung
- Der Kampf mit den Kranichschnäblern..
- Der Kampf vor der Stadt..
- Die Abfahrt
- Zusammenfassung.
- Schlussbemerkung.........
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit untersucht die Grippia-Episode im Herzog Ernst B, einem Spielmannsepos aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Der Fokus liegt auf der Analyse der beiden Besuche des Herzogs in Grippia und der Bedeutung dieser Episode innerhalb des gesamten Werks. Dabei wird die Frage gestellt, inwiefern die beiden Besuche durch die Aspekte Kreuzzug und Aventiure geprägt sind.
- Die Rolle der Grippia-Episode im Gesamtkontext des Werks
- Die spezifischen Merkmale der beiden Besuche in Grippia
- Die Bedeutung des Kreuzzugs und der Aventiure für die Episode
- Die Darstellung der Heiden in der Grippia-Episode
- Die Bewährung des Herzogs Ernst als Ritter und Herrscher
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung skizziert den historischen und literarischen Kontext des Herzog Ernst B und beleuchtet die Bedeutung des Epos als „Staatsroman“ und „Kreuzzugsepos“. Es wird die Reise des Herzogs nach Jerusalem als Bewährungsweg dargestellt, wobei jede Station, insbesondere Grippia, spezifische Merkmale und Bedeutung erhält.
Die Analyse der Grippia-Episode beginnt mit einer Einteilung in fünf Sinnabschnitte: Ankunft, erster und zweiter Besuch der Stadt, Kampf mit den Heiden, Abfahrt. Im Exkurs wird der Zusammenhang von Christentum und Kreuzzug erläutert. Der erste Besuch Grippias wird im Hinblick auf Furcht und Faszination sowie Versuchung und Integrität beleuchtet. Der zweite Besuch behandelt die Ruhepause auf dem Schiff, die Begegnung des Herzogs mit Graf Wetzel, die Darstellung ritterlicher Wertbegriffe, heidnische Klugheit und Geschicklichkeit, das Erscheinen der Kranichschnäbler, die indische Prinzessin und den Kampf mit den Kranichschnäblern. Der Kampf vor der Stadt und die Abfahrt von Grippia bilden den Abschluss der Episode.
Schlüsselwörter
Die vorliegende Arbeit widmet sich der Analyse der Grippia-Episode im Herzog Ernst B, einem Spielmannsepos aus dem 12. Jahrhundert. Der Fokus liegt auf den Aspekten Kreuzzug, Aventiure, Ritterlichkeit, heidnische Kultur und die Darstellung des Herzogs Ernst als vorbildlicher Herrscher.
- Arbeit zitieren
- Magister Artium Clarissa Höschel (Autor:in), 2001, Analyse der Grippia-Episode im Herzog Ernst B (V.2177-3882), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/63665