Eine TV-Generation? Die 68er-Bewegung und das Fernsehen


Dossier / Travail de Séminaire, 2006

26 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhalt

1 Einleitung

2 Grundlagen zur 68er-Protestbewegung
2.1 Ziele
2.2 Ablauf
2.3 Kulturtheorien

3 Fernsehen in den sechziger Jahren
3.1 Struktur
3.2 Programmausbau
3.3 Die Entdeckung der politischen Berichterstattung
3.4 Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Fernsehens
3.5 Stellung des Fernsehens in der Gesellschaft

4 Die 68er-Proteste als Medienereignis
4.1 Vom Ereignis zur Nachricht
4.1.1 Nachrichtenwerte
4.1.2 Weitere Einflussfaktoren
4.2 Die Studentenproteste im Medienfokus
4.3 Aktion und Person als Medienereignis
4.4 Konkurrierende Medien: Fernsehen und Buch
4.5 Darstellung und Wirkung der Proteste im Fernsehen
4.6 Erklärungsvarianten

5 Fazit

6 Abkürzungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

„Die 68er-Bewegung war eine TV-Bewegung“ (Steiner 1997:30). Diese Aussage gründet der Philosoph Uwe Steiner auf der Annahme, dass erst das Fernsehen den nationalen und sogar globalen Zusammenschluss der Protestierer ermöglicht hat. Die vorliegende Arbeit geht dieser Aussage nach und will das Verhältnis zwischen den Protestierern und dem Fernsehen ergründen. Sie analysiert dafür Untersuchungen der Fernsehberichterstattung über die Studentenbewegung und die Außerparlamentarischen Opposition (APO)[1] in den sechziger Jahren und geht dem Vorwurf einer Parteinahme seitens des Fernsehens nach.

Die Folgen haben neben ihrer historischen Bedeutung auch eine aktuelle Relevanz: Denn die während der Proteste produzierten Beiträge dienen heute als audiovisuelles Zeugnis der Geschehnisse. Sie prägten daher nicht nur die Wahrnehmung der Rezipienten in den Sechzigern, sondern tun dies noch heute, wenn die alten Beiträge in neuen Sendungen als Zeitdokumente zum Einsatz kommen. Außerdem gilt es einen weiteren Punkt nicht zu vergessen: Der Grundstein der heutigen Berichterstattung über Demonstrationen, Proteste und Bürgeranliegen liegt in dieser Zeit, denn „Protestereignisse [sind] sehr viel selbstverständlicher Gegenstand öffentlicher Berichterstattung geworden“ (Kraushaar 2001:346).

Die Forschung hat den Themenkomplex um die 68er-Protestierer und die Medien lange Zeit vernachlässigt. Einige Veröffentlichungen gab es zwar schon relativ zeitnah, wie die Analyse von Schulz (1969) zur Berichterstattung über den Schah-Besuch oder Kepplinger (1979) zur Gewaltdarstellung in Zeitungen zeigen. Allerdings fokussieren diese Beiträge nur die Berichterstattung in den Printmedien. Auch Sösemann (1999) vernachlässigt in seiner Übersichtsdarstellung zu den 68ern und den Massenmedien den Rundfunk. Erst Kraushaar (2001) differenziert bei seiner Analyse zwischen den einzelnen Mediengattungen und betrachtet sowohl Printprodukte als auch Hörfunk und Fernsehen. Erst in den letzten fünf Jahren erschien eine Reihe von Einzeluntersuchungen, deren inhaltlicher Fokus allein die Berichterstattung im Rundfunk thematisiert.[2]

Mit der vorliegenden Hausarbeit möchte ich den aktuellen Stand der Forschung zum Verhältnis der Protestierer zum Fernsehen zusammenfassen. Der zeitliche Rahmen orientiert sich dabei an der Regierungszeit der großen Koalition vom 01.12.1966 bis zum 28.09.1969, da die Protestbewegung in diesem Zeitraum den größten Einfluss auf das öffentliche Leben in der Bundesrepublik Deutschland hatte. Allerdings wird diese zeitliche Eingrenzung stellenweise durchbrochen, da entscheidende, aber nicht zwangsläufig spektakuläre Ereignisse bereits lange vorher passierten, deren Auswirkungen aber nicht sofort ersichtlich waren.[3]

Den Auftakt dieser Arbeit bereitet eine Übersicht der Ziele der Studentenbewegung sowie eine knappe Zusammenfassung der Ereignisse im Untersuchungszeitraum (Kapitel 2). Vor einer detaillierten Betrachtung der Fernsehberichterstattung folgt eine Zusammenfassung der strukturellen Bedingungen des Fernsehens zwischen 1960 und 1970 sowie zum Mediennutzungsverhalten (Kapitel 3). Danach soll eine Verbindung zwischen den Protestierern und dem Fernsehen erstellt werden (Kapitel 4), bei der es um die einzelnen Aspekte der Berichterstattung, ihrer Intensität und den dafür relevanten Gründen geht. Für die Einordnung der Berichterstattung und der Reaktionen möchte ich auf zwei Theorien aus der Kommunikationswissenschaft zurückgreifen: der Nachrichtenwerttheorie und dem Hostile-Media-Effect.

2 Grundlagen zur 68er-Protestbewegung

2.1 Ziele

Die Jahreszahl 1968 steht heute synonym für die Proteste der Außerparlamentarischen Opposition. Sie beschreibt einen mehrjährigen Zeitraum in den 60er Jahren, in dem vor allem die Jugend vieler westlicher Nationen gegen die Gesellschaft protestierte. In Deutschland vereinigten die Proteste drei Gruppierungen unter dem Dach der Außerparlamentarischen Opposition. Die Friedens- oder Ostermarschbewegung hatte ihre Wurzeln bereits in den 50er Jahren und protestierte gegen die Gründung der Bundeswehr und die Wiederbewaffnung Deutschlands. Die zweite Gruppe einte der Widerstand gegen die Notstandsgesetze. Mit ihnen sollte die Bundesregierung im Falle eines Ausnahmezustandes, ausgelöst etwa durch einen militärischen Angriff oder inneren Unruhen, demokratisch garantierte Grundrechte der Bürger aufheben können und damit die Handlungsfähigkeit des Staates sichern. Die dritte Gruppe der APO war die Studentenbewegung, auf die im Folgenden näher eingegangen werden soll, da ihre Aktionen die größte Öffentlichkeitswirkung hatten.

Größte Gruppierung innerhalb der Studentenbewegung war der „Sozialistische Deutsche Studentenbund“ (SDS). Neben ihm gab es noch weitere Gruppen, deren Zusammenhalt durch ähnliche Protestmotive gesichert war. „Nahziel der Schüler und Studenten war die Bildungsreform; ihr demokratisches Anliegen bestand in der Verhinderung der Notstandsgesetze, der Zurückdrängung alter und neuer Nazis und – gegenüber der großen Koalition aus CDU/CSU und SPD – in der Formulierung der außerparlamentarischen Opposition (APO); kulturell ging es ihnen darum, den „Mief“ der Adenauer-Zeit herauszulassen und den staatstreuen, arbeitsamen Spießbürger zu schockieren, dem Sicherheits- und Wohlstandsdenken die Forderung nach politischer wie individueller Freiheit entgegenzusetzen“ (Renner 2001:9). Zu diesen sechs Gründen kamen noch der Protest gegen den konservativen Springer-Verlag und als internationale Komponente der Widerstand gegen den Krieg der USA in Vietnam hinzu. Diese zumeist politisch motivierten Protestgründe sind vor dem Hintergrund kultureller Umwälzungen im Lebensstil der jungen Generation einzuordnen: Musik und Mode sind an dieser Stelle nur zwei Beispiele.

2.2 Ablauf

Der Höhepunkt der Protestbewegung liegt zweifelsohne in den Jahren 1967 bis 1968. „Die jungen Leute üben eine bis dahin ungekannte, erbarmungslose Kritik an dem Staat, in dem sie aufgewachsen sind“ (Uesseler 1998:9). Die Wurzeln aber lagen schon ein paar Jahre zurück und sind in den geplanten Veränderungen im Bildungswesen Anfang der Sechziger Jahre zu finden. Die universitäre Ausbildung sollte schneller ablaufen, gleichzeitig sollte die Zahl der Studenten drastisch steigen, die Zahl der Dozenten aber nahezu unverändert bleiben. Keine Änderungen waren dagegen am Organisationsprinzip der Universitäten mit nur sehr eingeschränkter studentischer Mitsprache geplant. Der Disput blieb lange Zeit auf die inneruniversitären Gremien beschränkt, bevor Frust über die Einflusslosigkeit und die o.g. Kritikpunkte immer größere Teile der Studentenschaft aktivierten.

Einer breiten Öffentlichkeit wurde das Konfliktpotenzial beim Besuch des kongolesischen Ministerpräsidenten Moise Tschombé in Berlin und den dabei stattfindenden Demonstrationen bewusst. Es kam zwischen den protestierenden Studenten und der Polizei zu Zusammenstößen, Tomaten trafen das Auto des Ministerpräsidenten. Auch der Krieg in Vietnam wurde zu einem immer stärkeren Protestmotiv, die Größe der Demonstrationen wuchs. Im Februar demonstrierten über 2000 Studenten in Berlin. Die Medien berichten mit großem Interesse über die Proteste, die Tendenz der Berichterstattung, vor allem in der Printpresse, war allerdings von Ablehnung geprägt.

Der Konflikt zwischen Protestierern und dem deutschen Staat nahm an Schärfe zu. Vom politischen System fühlten sich die Protestierer nicht ernst genommen, von den Professoren an den Universitäten nicht genügend unterstützt oder ebenfalls abgelehnt, da die Debatte um das Hochschulsystem in keinster Weise ausdiskutiert war. Die Proteste wurden fantasievoller und erreichten ihre erste Zäsur am 2.6.1967. Benno Ohnesorg wurde bei einer Demonstration gegen den Besuch des persischen Schahs in Berlin von einem Polizisten erschossen. Vor allem die Zeitungen des Springer-Konzerns sahen die Schuld am Tod bei den Protestierern selber. Innerhalb weniger Tage erfolgten Protestkundgebungen in vielen deutschten Städten mit mehr als 100.000 Teilnehmern, die größten seit Gründung der BRD (Uesseler 1998:256). Die Auseinandersetzungen dauerten in den nächsten Monaten an und gewannen mit dem Jahreswechsel 1967/68 an Intensität. Ein Anschlag am Gründonnerstag 1968 auf Rudi Dutschke, einer der Gallionsfiguren des SDS und „für viele die Personifizierung der Studentenrebellion“ (Kraushaar 1998:102), führte zu schweren Unruhen in vielen Städten über die Ostertage und zu Blockadeaktionen gegen den Springerkonzern. Proteste fanden zudem in vielen europäischen Städten statt. In München kam es zu zwei weiteren Todesfällen.

Die folgenden Proteste fokussierten in erster Linie eine Verhinderung der Notstandsgesetze. Bei einem Sternmarsch am 11.5.1968 schritten rund 80.000 Menschen auf die Hauptstadt Bonn zu. Doch konnten die Protestaktionen die Verabschiedung der Notstandsgesetze am 30.5.1968 nicht verhindern. In den folgenden Monaten zerfiel die Protestbewegung, der SDS als führende Gruppe zeigte „Spaltungs- und Auflösungstendenzen“ (Faulstich 1998:241), war auf seiner Delegiertenkonferenz im November 1968 handlungsunfähig und beschloss die Selbstauflösung im März 1970. Die Sympathisanten wechselten zu anderen Organisationen wie den Jusos oder der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), gründeten eigene Splittergruppen oder wurden in terroristischen Organisationen wie der RAF aktiv. Der Zeitraum einer einheitlichen Studentenbewegung war damit zu Ende.

[...]


[1] Im Folgenden werden diese beiden Begriffe synonym verwendet. Es gibt zwar Unterschiede, doch sind diese für die Ergebnisse dieser Arbeit nicht relevant.

[2] Vgl. dazu Eichler (2005), Göbel (2002), Lampe (2003), Lersch (2003).

[3] Vgl. dazu Lersch (2003:33): „So legen die vorhandenen Veröffentlichungen über 1968 nahe, zwischen der Phase der auch einer breiteren Öffentlichkeit durch die Massenmedien bekannt gemachten „Studentenunruhen“ zwischen Juni 1967 und November 1968 einerseits und dem Vorlauf sowie den nachhaltigen Auswirkungen auf allen möglichen Lebensgebieten bis weit in die 70er Jahre anderseits zu unterscheiden, wobei sich Voraussetzungen bzw. Folgewirkungen weniger spektakulär und nur selten an „großen“ Ereignissen festmachen lassen.“

Fin de l'extrait de 26 pages

Résumé des informations

Titre
Eine TV-Generation? Die 68er-Bewegung und das Fernsehen
Université
Dresden Technical University
Cours
Umbruch und Aufbruch: Die wilden 60er Jahre
Note
1,3
Auteur
Année
2006
Pages
26
N° de catalogue
V63709
ISBN (ebook)
9783638566902
ISBN (Livre)
9783640371907
Taille d'un fichier
515 KB
Langue
allemand
Mots clés
TV-Generation, Fernsehen, Umbruch, Aufbruch, 68er, Achtundsechziger, Studentenprotest
Citation du texte
Michael Ludwig (Auteur), 2006, Eine TV-Generation? Die 68er-Bewegung und das Fernsehen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/63709

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