In der Bundesrepublik Deutschland basieren die Grundrechte, welche in der Verfassung festgehalten sind, auf der philosophischen Idee der Menschenrechte, d.h. dass jeder Mensch unveräußerliche Rechte besitzt. So sind nach Artikel 3 des Grundgesetzes (1) „Alle Menschen vor dem Gesetz gleich“. Im zweiten Absatz wird dieser Gleichheitsgedanke konkretisiert: (2) „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“. Sowohl die Humanität der Menschenrechte als auch die Aufklärung durch die Medien haben dazu beigetragen, dass Homosexualität heutzutage nicht mehr als „widernatürlich“ oder „abnormal“ angesehen wird, sondern als die natürliche Neigung einer Frau oder eines Mannes zu einem gleichgeschlechtlichen Partner. Das sich dieser Gedanke erst seit wenigen Jahrzehnenten in den Köpfen der Gesellschaft manifestiert, zeigt sich sehr deutlich in der Historie.
Besonders homosexuelle Männer wurden lange Zeit verfolgt, ausgemerzt oder man versuchte sie umzuerziehen. Ihre Kriminalisierung geht bis in das frühe Mittelalter zurück. Im Nationalsozialismus fand die strafrechtliche Hetze und staatliche Diskriminierung Homosexueller ihren Höhepunkt. Bereits vor der Machtergreifung propagierte Hitler in Reichstagsdebatten seine Abneigung gegenüber gleichgeschlechtlichen Handlungen zwischen Männern. Mit dem Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 legte er den Grundstein für einen totalitären Staat. Von nun an wurde die Rassen- und Bevölkerungspolitik, auch bekannt als Blut- und Bodenpolitik, zu seinem primären Ziel. Homosexuelle, besonders Männer, wurden seitdem offiziell als Volksschädlinge und Staatsfeinde geahndet und strafrechtlich verfolgt.
Um den Anpassungsprozess an den totalitären Staat zu beschleunigen, wurden mit Beginn der Machtergreifung Reformen und neue Gesetze eingeführt. 1935 trat die Neufassung des Unzuchtsparagraphen § 175. StGB in Kraft. Demnach wurde „(1) Ein Mann, der mit einem anderen Unzucht treibt oder sich von ihm zur Unzucht missbrauchen lässt, [...] mit Gefängnis bestraft.“
Inhaltsverzeichnis
- Homosexualität im Nazi-Deutschland
- Eine Frage des Geschlechts?
- Warum homosexuelle Frauen geduldet und homosexuelle Männer verfolgt wurden
- Die Kriminalisierung der Homosexualität im Nationalsozialismus
- Die Gleichstellung von Mann und Frau
- Die Bedeutung der Zeugungsfähigkeit für die Politik des NS-Regimes
- Die Gefahr der "Ansteckung" durch homosexuelle Männer
- Die Strafverfolgung männlicher Homosexueller
- Die Strafbarkeit weiblicher Homosexualität
- Die Frauenideologie im Nationalsozialismus
- Die soziale Ungefährlichkeit der Frau
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Essay untersucht die unterschiedliche Behandlung von Homosexualität im Nationalsozialismus, insbesondere den Gegensatz zwischen der Duldung homosexueller Frauen und der Verfolgung homosexueller Männer. Er analysiert die Hintergründe dieses Phänomens im Kontext der nationalsozialistischen Ideologie und Politik.
- Die Rolle der nationalsozialistischen Ideologie und Politik bei der Kriminalisierung der Homosexualität
- Die Bedeutung des Geschlechterrollenverständnisses für die unterschiedliche Behandlung von männlicher und weiblicher Homosexualität
- Die Auswirkungen des Unzuchtsparagraphen § 175 auf homosexuelle Männer
- Die Rolle der Frau im NS-Regime und die soziale Ungefährlichkeit der weiblichen Homosexualität
- Die Verbindung von Homosexualität und der Angst vor einer rückläufigen Geburtenrate
Zusammenfassung der Kapitel
- Der Essay beginnt mit einer kurzen Einordnung der Homosexualität in den Kontext der Menschenrechte und der heutigen Gesellschaft.
- Anschließend wird die historische Entwicklung der Kriminalisierung der Homosexualität beleuchtet, wobei der Fokus auf die nationalsozialistische Zeit gelegt wird.
- Das Kapitel beleuchtet die Neufassung des Unzuchtsparagraphen § 175 im Jahr 1935 und die damit verbundene Strafverfolgung homosexueller Männer.
- Im weiteren Verlauf wird die unterschiedliche Behandlung von männlicher und weiblicher Homosexualität im Nationalsozialismus analysiert, wobei die Rolle des Geschlechterrollenverständnisses und die nationalsozialistische Familienpolitik im Vordergrund stehen.
- Es wird die Angst vor einer rückläufigen Geburtenrate als ein entscheidender Faktor für die Verfolgung männlicher Homosexueller dargestellt.
- Die unterschiedliche Behandlung von männlicher und weiblicher Homosexualität wird mit der sozialen Ungefährlichkeit der Frau im Nationalsozialismus erklärt.
Schlüsselwörter
Homosexualität, Nationalsozialismus, Unzuchtsparagraphen § 175, Geschlechterrollen, Familienpolitik, Geburtenrate, Frauenideologie, soziale Ungefährlichkeit.
- Quote paper
- Melanie Lüdtke (Author), 2004, Homosexualität im Nazi-Deutschland, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/63810