Homosexualität im Nazi-Deutschland


Essay, 2004

11 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe

In der Bundesrepublik Deutschland basieren die Grundrechte, welche in der Verfassung festgehalten sind, auf der philosophischen Idee der Menschenrechte, d.h. dass jeder Mensch unveräußerliche Rechte besitzt. So sind nach Artikel 3 des Grundgesetzes (1) „Alle Menschen vor dem Gesetz gleich“. Im zweiten Absatz wird dieser Gleichheitsgedanke konkretisiert: (2) „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“.[1] Sowohl die Humanität der Menschenrechte als auch die Aufklärung durch die Medien haben dazu beigetragen, dass Homosexualität heutzutage nicht mehr als „widernatürlich“ oder „abnormal“ angesehen wird, sondern als die natürliche Neigung einer Frau oder eines Mannes zu einem gleichgeschlechtlichen Partner. Das sich dieser Gedanke erst seit wenigen Jahrzehnenten in den Köpfen der Gesellschaft manifestiert, zeigt sich sehr deutlich in der Historie.

Besonders homosexuelle Männer wurden lange Zeit verfolgt, ausgemerzt oder man versuchte sie umzuerziehen. Ihre Kriminalisierung geht bis in das frühe Mittelalter zurück. Im Nationalsozialismus fand die strafrechtliche Hetze und staatliche Diskriminierung Homosexueller ihren Höhepunkt. Bereits vor der Machtergreifung propagierte Hitler in Reichstagsdebatten seine Abneigung gegenüber gleichgeschlechtlichen Handlungen zwischen Männern. Mit dem Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 legte er den Grundstein für einen totalitären Staat. Von nun an wurde die Rassen- und Bevölkerungspolitik, auch bekannt als Blut- und Bodenpolitik, zu seinem primären Ziel. Homosexuelle, besonders Männer, wurden seitdem offiziell als Volksschädlinge und Staatsfeinde geahndet und strafrechtlich verfolgt.

Um den Anpassungsprozess an den totalitären Staat zu beschleunigen, wurden mit Beginn der Machtergreifung Reformen und neue Gesetze eingeführt. 1935 trat die Neufassung des Unzuchtsparagraphen § 175. StGB in Kraft. Demnach wurde „(1) Ein Mann, der mit einem anderen Unzucht treibt oder sich von ihm zur Unzucht missbrauchen lässt, [...] mit Gefängnis bestraft.“[2] Mit der Verschärfung des § 175 StGB wurde die Strafverfolgung homosexueller Männer und die Beweisführung bedeutend vereinfacht, denn die Neufassung stellte nun jedes Unzuchtstreiben zwischen Männern, welches das allgemeine Schamgefühl verletzt unter Strafe.[3]

Aus heutiger Sicht ergibt sich an dieser Stelle die Frage, warum die Nationalsozialisten männliche Gleichgeschlechtlichkeit unter Strafe setzten während weibliche Homosexualität nicht in den Unzuchtsparagraphen aufgenommen wurde. Dies lässt sich mit einem Blick auf das unterschiedliche Rollenverständnis von Mann und Frau zu dieser Zeit erklären.

In der Zeit des NS-Regimes gab es für Mann und Frau strikt getrennte Lebens- und Arbeitsbereiche. So war der Mann zuständig für die Erwerbsarbeit, die Öffentlichkeit und den Staat. Er spielte innerhalb der Gesellschaft eine bedeutende Rolle, besonders in Bezug auf seine Zeugungsfähigkeit. Einer die Hauptgründe warum männliche Homosexualität so stark bekämpft wurde, liegt in der Angst der Nationalsozialisten vor einer rückläufigen Geburtenrate. Homosexualität galt somit als eine Verweigerung gegenüber staatlicher Familienplanung und der Bevölkerungspolitik, da nur mit dieser laut Heinrich Himmler eine hohe Geburtenrate und somit „die Anwaltschaft auf die Weltmacht und Weltbeherrschung“ gesichert werden konnte. Während der NS-Zeit ging man sogar so weit, dass Ehe, Sexualität und Fortpflanzung nicht mehr als Privatsache angesehen, sondern zu einer Staatsangelegenheit wurden. Heinrich Himmler äußerte sich dazu wie folgt:

„Es gibt unter den Homosexuellen Leute, die stehen auf dem Standpunkt: was ich mache, geht niemanden etwas an, das ist meine Privatangelegenheit. Alle Dinge, die sich auf dem geschlechtlichen Sektor bewegen, sind jedoch keine Privatsache eines einzelnen sondern sie bedeuten das Leben und das Sterben des Volkes [...].“[4]

Der Staat an sich versuchte durch den Unzuchtsparagraphen und der daraus resultierenden Strafverfolgung Homosexueller das Volk zu schützen, um so das gesunde Sittlichkeitsgefühl der Mehrheit des Volkes zu wahren. In der nationalsozialistischen Propaganda wurden Homosexuelle als gefährlich, abnorm und krank dargestellt. Gleichgeschlechtliche Neigungen wurden auch mit dem Judentum in Verbindung gebracht. Was sich dadurch erklären lässt, dass ein damals sehr bekannter jüdischer Sexualforscher homosexuell orientiert war.

Nach nationalsozialistischer Auffassung war der Geschlechtstrieb in eine hetero- oder homosexuelle Richtung geprägt. Besonders bei Jugendlichen sah man deshalb die Gefahr, dass ein erstes homosexuelles Erlebnis zur Entfachung gleichgeschlechtlicher Sexualität führt und der Jugendliche womöglich heterosexuelle Kontakte zurückdrängt. Somit sei Homosexualität nicht nur durch seine Ansteckung gefährlich, sondern auch durch seine schnelle und massive Ausbreitung.[5]

[...]


[1] Artikel 3 GG ( http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/gg/art_3.html ), 03.08.2004

[2] Paragraph 175. (abgewickelt), S. 7

[3] ebd., S. 8 f

[4] Der Umgang der nationalsozialistischen Justiz mit Homosexuellen, S. 33 f

[5] ebd., S. 31 ff

Ende der Leseprobe aus 11 Seiten

Details

Titel
Homosexualität im Nazi-Deutschland
Hochschule
Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)  (Fakultät für Kulturgeschichte)
Veranstaltung
Seminar: Homosexualität in Geschichte und Religion
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
11
Katalognummer
V63810
ISBN (eBook)
9783638567633
ISBN (Buch)
9783656798149
Dateigröße
457 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Homosexualität, Nazi-Deutschland, Seminar, Homosexualität, Geschichte, Religion
Arbeit zitieren
Melanie Lüdtke (Autor:in), 2004, Homosexualität im Nazi-Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/63810

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