„Gemächlich schwebt die Zeit hin über die Länder und über die Geschlechter, und wenn sie auch Städte zertritt und Wälder zerstampft und neue Städte und Wälder hinwirft mit gleichgültiger Gebärde, so vermag sie doch dem heimatlichen Boden niemals seine Lieblichkeit zu rauben oder seine Rauheit, kurz jene Gestalt und jenes Antlitz, womit die Heimat ihren Sohn erfüllt, indem sie ihn gleichsam als ihr Eigentum in Anspruch nimmt und ihm auf den Weg seines Lebens nur diese Worte zur Mitgift wählt: Aus meinem Ton bist du gemacht.“ Mit diesen Worten beginnt Jakob Wassermann eines seiner frühen Werke „Die Juden von Zirndorf“, welches bei den Kritikern seiner Zeit besonders wegen seines historischen Vorspiels Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Dennoch erntete er sowohl von jüdischer als auch von deutschnationaler Seite Kritik: Einerseits soll er „bei der Aufarbeitung jüdischer Thematik“ versagt haben, andererseits bezeichneten rechtsgesinnte Kritiker sein Werk als typisch jüdisch und somit undeutsch. Obwohl zu dieser Zeit der Nationalsozialismus und die deutschnationale Einstellung in der Bevölkerung um sich zu greifen begann, war Jakob Wassermann einer der großen berühmten Autoren im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts.
Die vorliegende Hausarbeit wird sich mit Figuren-Parallelen zwischen dem Vorspiel und dem Hauptteil dieses - zu seiner Zeit umstrittenen - Werkes befassen, wobei sie jedoch auch auf Personen des Romans eingehen wird, welche kein entsprechendes Pendant zwischen Vorspiel und Hauptteil bilden, da diese Wassermanns Darstellung des Verfalls einer Gesellschaft in je einer eigenen Facette verdeutlichen. JOERIS drückt dies so aus: „Was die Gestaltung der Figuren im Roman Die Juden von Zirndorf angeht, so fungieren diese als Ideenträger ihres >Schöpfers< Jakob Wassermann. Insofern haben sie Bild- und Symbolcharakter […].
Nach einer kurzen Inhaltszusammenfassung werden einzelne Personengruppen aus Vorspiel und Hauptteil vorgestellt und interpretiert werden, um Rückschlüsse in Bezug auf Entsprechungen und deren Symbolhaftigkeit ziehen zu können.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Inhalt
- Personelle Verbindungselemente zwischen dem Vorspiel und dem Hauptteil
- Verbindungen zwischen Sabbatai Zewi und Agathon
- Verbindungen zwischen Stefan Gudstikker und Thomas Peter Hummel
- Verbindungen zwischen Rahel Knöcker und Monika Olifat
- Verbindungen zwischen Enoch Geyer und Maier Knöcker
- Verbindungen zwischen Joelsohn und Gedalja
- Einzelne „typisch jüdische“ Gestalten
- Baron Löwengard - der Typus des überassimilierten Juden
- Nieberding - ein Vertreter des modernen dekadenten Judentums
- Der Lehrer Bojesen – das Sprachrohr der Dekadenztheorie im Roman
- Fazit und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit beschäftigt sich mit den Figuren-Parallelen zwischen dem Vorspiel und dem Hauptteil von Jakob Wassermanns „Die Juden von Zirndorf“. Sie untersucht, inwiefern Figuren des Romans sich entsprechen und welche Symbolik diese Entsprechungen tragen. Darüber hinaus werden Figuren betrachtet, die kein Pendant im Vorspiel haben, und deren Rolle im Kontext der Darstellung des Verfalls einer Gesellschaft beleuchtet.
- Figur-Parallelen zwischen Vorspiel und Hauptteil
- Symbole und Metaphern in den Figuren
- Darstellung des Verfalls der jüdischen Gesellschaft
- Wassermanns Kritik an der Assimilation und Dekadenz des Judentums
- Religiöse und soziale Konflikte im 19. Jahrhundert
Zusammenfassung der Kapitel
Das Vorspiel schildert die desolate Lebenslage der Fürther Juden im 17. Jahrhundert. Die Nachricht von Sabbatai Zewi, dem selbsternannten Erlöser, löst einen messianischen Rausch aus, der die Juden zu einem Aufbruch nach Zion bewegt. Der Zug wird jedoch überfallen und die Juden müssen nach schweren Verlusten und der Enttäuschung über Sabbatais Übertritt zum Islam nach Zirndorf zurückkehren. Die Geschichte von Rahel Knöcker, einer jungen Jüdin, die von einem christlichen Liebhaber schwanger wird, wird eingeführt. Ihr Vater sieht in der Schwangerschaft ein Zeichen der Prophezeiung Sabbatai Zewis und rettet sie so vor dem Verstoß aus der jüdischen Gesellschaft.
Der Hauptteil beginnt im Jahr 1885 und schildert die Lebensgeschichte des armen Juden Agathon Geyer. Er wird als vermenschlichter Christus und „Messias der Moderne“ dargestellt, der Trost und Freude in das Leben seiner Mitmenschen bringt. Der Roman beleuchtet verschiedene Lebensgeschichten jüdischer Figuren und die Konflikte, denen sie in der Gesellschaft begegnen.
Schlüsselwörter
Die vorliegende Hausarbeit behandelt die Themen „Die Juden von Zirndorf“, Jakob Wassermann, Figuren-Parallelen, Vorspiel und Hauptteil, Symbolismus, Messianismus, Judentum, Assimilation, Dekadenz, soziale Konflikte, 19. Jahrhundert.
- Citar trabajo
- Kira Stiehr (Autor), 2006, Die Juden von Zirndorf - Personale Entsprechungen zwischen dem Vorspiel und dem Hauptteil, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64024