Meine Arbeit hat die Erzählung Die Nächte der Tino von Bagdad von Else Lasker-Schüler zum Gegenstand, deren Erstausgabe 1907 erschien. Im Folgenden möchte ich aufzeigen, inwiefern der Topos „Körper“ die Erzählung sowohl auf formaler als auch auf inhaltlicher Ebene konstituiert. Körperliche Merkmale werden auffällig häufig eingesetzt – ich gehe der Frage nach, inwiefern dies zum einen den Text grundlegend prägt, zum anderen wie es zur Charakterisierung der Figuren, insbesondere der Dichterin Tino, und zur versuchten Selbstetablierung der Protagonistin beiträgt.
Als Grundlage für meine Argumentation benutze ich die Debatte über die Zeichenhaftigkeit von Körpern und Körperlichkeit von Zeichensystemen. Körper und Körperpartien werden von Else Lasker-Schüler semiotisch benutzt: Sie verweisen als Pars pro toto auf Personen und, noch wichtiger, auf deren Eigenschaften oder innere Verfasstheit. Die Körperteile werden hierbei wie ein Zeichensystem benutzt. Ein weiterer Aspekt im Kontext des Körper-Zeichen-Diskurses ist die Verwendung des Körpers als Schreibunterlage. Tätowierungen als Inschriften auf Lebewesen tauchen an mehreren Stellen des Romans auf, aber auch andere Zeichensetzungen, unter anderem an personifizierten Gegenständen, sind zu finden.
Darüber hinaus gibt es auch Ansätze, dass die Erzählung selbst körperhaft wird – Körperteile „gliedern“ hier die Kapitel der Erzählung und machen sie zu „Textkörpern“; Texte werden durch die sprachliche Beschwörung von Körperhaftigkeit zum Leben erweckt, sie tanzen.
Meine These, die ich in meiner Interpretation nachzuweisen versuche, lautet, dass die Protagonistin Tino durch Körperlichkeit und deren freies Ausleben ihre Existenz zu behaupten versucht. Ihr Ringen um ihren Körper und damit um ihre physische Existenz ist der Grundpuls der Erzählungen – wie und warum dieses scheitert, werde ich darlegen. Unberührt und unabhängig davon zeigt sich Tinos Dichtertum als metaphysische Existenzform, die auch ohne das Medium Körper weiterlebt und dem Roman am Ende gleichsam entschwebt.
Inhaltsverzeichnis
- Zur Thematik
- Körper und Schrift – Eine Hinführung
- Text als Körper: Tanzende und atmende Schrift in Else Lasker-Schülers ,,Die Nächte der Tino von Bagdad"
- Tanzende Körper und deren Beschwörung durch Schrift
- Geschmückte Körper und Textschmuck
- Gliedernde Körperglieder
- Beschriftete Körper
- Stirnzeichen
- Hieroglyphen in Haut
- Tiere als Zeichenträger
- Verschriftlichter Körper: Leib, Identität und der Spiegel als Metapher des Subjekts
- Lacan und der zerstückelte Körper in den Nächten
- Der Körper und die Gesellschaft
- Spiegelierende Körper und körperliche Auflösung
- Zusammenfassung und Schlussbemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert die Erzählung "Die Nächte der Tino von Bagdad" von Else Lasker-Schüler und untersucht, wie der Topos „Körper“ die Erzählung auf formaler und inhaltlicher Ebene prägt. Dabei wird insbesondere die semiotische Verwendung von Körpern und Körperteilen, ihre Funktion in der Figurencharakterisierung und der Einfluss auf die Selbst-Etablierung der Protagonistin beleuchtet.
- Die semiotische Verwendung von Körpern und Körperteilen in der Erzählung.
- Der Körper als Schreibunterlage und die Verwendung von Tätowierungen und anderen Zeichensetzungen.
- Die „Verkörperung der Erzählung“ durch die sprachliche Beschwörung von Körperlichkeit.
- Die Suche der Protagonistin Tino nach ihrer Identität und ihrer körperlichen Existenz.
- Die Bedeutung von Spiegel-Szenen in der Erzählung im Kontext der Theorie von Jacques Lacan.
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beleuchtet die Bedeutung des „Körpers“ in Else Lasker-Schülers Werk. Es wird die Beziehung zwischen Körper und Schrift im Kontext von Michel Foucaults Theorie über die Konstitution moderner Körperlichkeit erörtert.
Das zweite Kapitel geht auf die „Verkörperung der Erzählung“ ein. Es analysiert, wie Körper und Körperteile auf erzählerischer Ebene durch die Beschwörung des Körpers, durch Textschmuck und durch die Text-Gliederungsfunktion eine wichtige Rolle spielen.
Das dritte Kapitel untersucht die Verschriftlichung von Körpern in „Die Nächte der Tino von Bagdad“. Es beleuchtet, wie der Leib zum Zeichenträger wird und wie Tätowierungen und andere Zeichensetzungen in der Erzählung verwendet werden.
Das vierte Kapitel konzentriert sich auf die Bedeutung von Körpern und Körpergliedern auf Motivebene. Es analysiert die Identitätsproblematik der Protagonistin und die Frage nach der geschlechtlichen Identität. Die körperliche Auflösung der Protagonistin wird ebenfalls beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themen „Körper“, „Schrift“, „Identität“, „Geschlecht“, „Semiotik“, „Textkörper“, „Tätowierung“, „Spiegel“, „Jacques Lacan“, „Else Lasker-Schüler“, „Die Nächte der Tino von Bagdad“.
- Arbeit zitieren
- Karin Pfundstein (Autor:in), 2006, Der Körper in Else Lasker-Schülers "Die Nächte der Tino von Bagdad", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64029