Die Gebote der Medien - Eine Untersuchung und ein Vergleich verschiedener journalistischer Leitlinien in Deutschland und Großbritannien


Tesis (Bachelor), 2006

99 Páginas, Calificación: 1,5


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Freiwillige Selbstkontrolle der Presse
2.1 Der Begriff der freiwilligen Selbstkontrolle
2.2 Der Deutsche Pressrat
2.2.1 Historischer Überblick
(a) Die Entstehung und erste Phase (1956 – 1981)
(b) Die Pause (1981 – 1985)
(c) Der neue Deutsche Presserat (ab 1985)
2.2.2 Die Beschwerdearbeit
(a) Die Beschwerdeordnung
(b) Statistiken
(c) Beispielfälle
2.2.3 Die Publizistischen Grundsätze (Pressekodex)
(a) Entstehung und Geschichte
(b) Inhaltliche Aspekte
(c) Verbindlichkeit
2.2.4 Zusammenfassung zum Deutschen Presserat
2.3 Die Press Complaints Commission
2.3.1 Historischer Überblick
(a) General Council of the Press (1953 – 1963)
(b) The Press Council (1963 – 1991)
(c) The Press Complaints Commission (ab 1991)
2.3.2 Die Beschwerdearbeit
(a) Die Beschwerdeordnung
(b) Statistiken
(c) Beispielfälle
2.3.3 The Code of Practice
(a) Entstehung und Geschichte
(b) Inhaltliche Aspekte
(c) Verbindlichkeit
2.3.4 Zusammenfassung zur Press Complaints Commission
2.4 Vergleich: Presse-Selbstkontrolle in Deutschland und Großbritannien
2.4.1 Der Deutsche Presserat und die Press Complaints Commission
2.4.2 Die Publizistischen Grundsätze (Pressekodex) und der Code of Practice

3. Exkurs: Das Ethical Journalism Guidebook der New York Times

4. Leitlinien zu Fernsehproduktionen
4.1 Die Programmleitlinien des WDR
4.1.1 Hintergrund
4.1.2 Inhaltliche Aspekte
4.1.3 Einschätzung
4.2 BBC Editorial Guidelines
4.2.1 Hintergrund
4.2.2 Inhaltliche Aspekte
4.2.3 Einschätzung
4.3 Vergleich: Programmleitlinien des WDR und BBC Editorial Guidelines

5. Ausblick: Ein europäischer Medienrat?

6. Fazit

Quellenverzeichnis

Anhang
Anlage I – Der Pressekodex des Deutschen Presserates
Anlage IIThe Code of Practice der Press Complaints Commission

1. Einleitung

Medien sind allgegenwärtig und aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Viele Menschen verlassen sich täglich darauf, dass ihr Inhalt der Wahrheit entspricht. Die Medien tragen maßgeblich zur Meinungsbildung der Bürger bei. Wir erwarten eine faire, wahrheitsgemäße und unabhängige Berichterstattung.

Die Presse- und Rundfunkfreiheit ist ein wichtiges Gut in einer Demokratie; sie braucht aber auch Grenzen. Gesetze schaffen Grenzen, dürfen aber nicht zu weit gehen, um diese Freiheit nicht zu beschneiden. Um dennoch einem Missbrauch vorzubeugen, bedarf es zusätzlicher Regeln.

Doch wie sehen diese Regeln aus, welchen Einfluss haben sie und erzielen sie tatsächlich die gewünschte Wirkung? Das Thema verliert nicht an Aktualität, denn immer wieder wird öffentlich diskutiert ob Presse und Fernsehen nicht wieder einmal zu weit gegangen sind. So auch beispielsweise die Diskussion über die Mohamed-Karikaturen in einer dänischen Zeitung, die Affäre um vom Journalisten Michael Born gefälschte Fernsehberichte, oder allgemein die Frage, ob die Berichterstattung über die Vogelgrippe nur Panik schürt. Um solche Fälle zu vermeiden gibt es in den meisten Ländern Regeln und Leitlinien außerhalb des Gesetzes, die Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit sind.

Doch journalistische Leitlinien und Kodizes brauchen ein Organ, welches sie regelmäßig überarbeitet und über ihre Einhaltung wacht. Die freiwillige Selbstkontrolle der Presse ist eine solche Einrichtung. Verglichen werden soll in dieser Arbeit der Deutsche Presserat mit dem britischen Gegenstück, der Press Complaints Commission. Großbritannien ist in zweierlei Hinsicht ein geeignetes Vergleichsobjekt: Der britische Presserat galt nicht nur für die Bildung des Deutschen Presserates, sondern auch international, als Vorbild. Trotzdem hat er erst nach über 40 Jahren Bestehen einen Verhaltenskodex aufgestellt. Zudem weist Großbritannien einen sehr weit verbreiteten, populären und aggressiven Boulevardjournalismus auf.

Es gibt aber auch journalistische Leitlinien von Medienunternehmen. Hier sollen die Programmleitlinien des WDR und die BBC Editorial Guidelines untersucht und verglichen werden. Interessant dabei ist vor allem, dass sie medienübergreifend gelten. Außerdem ist der WDR die größte deutsche Rundfunkanstalt und die BBC genießt weltweit ein hohes Ansehen, vor allem, was die Qualität ihrer Produktionen betrifft. Ein kurzer Blick soll auch auf das Ethical Journalism Guidebook der New York Times geworfen werden, denn die Gray Lady ist eine einfluss- und traditionsreiche Zeitung und ihre Berichterstattung gilt als umfassend und gründlich.

Es gibt keine aktuellen Veröffentlichungen, die die freiwillige Presse-Selbstkontrolle in Deutschland und Großbritannien vergleichen. Da sowohl die Leitlinien der BBC, als auch die Programmleitlinien des WDR relativ neu sind, gibt es dazu noch keine Untersuchungen.

Es soll gezeigt werden, dass es durchaus sinnvoll ist Leitlinien für Medienschaffende zu erstellen, damit sie sich bei ihrer Arbeit daran orientieren können um ethisch richtig zu handeln. Für Medienkonsumenten sind solche Regeln wichtig, damit sicher gestellt wird, dass ihr Recht auf Information gewahrt bleibt und sie sich auf die Richtigkeit der Inhalte verlassen können. Betroffene hingegen werden in ihren Persönlichkeitsrechten geschützt.

Was nun die beste Alternative ist, allgemein formulierte, kurze Regeln wie im deutschen Pressekodex, oder eine detaillierte Ausführung wie in den BBC Editorial Guidelines, dies kann und soll diese Arbeit nicht beurteilen. Aber sie soll dem Leser einen Einblick verschaffen und verschiedene Arten von ethischen Grundsätzen für Journalisten beleuchten.

2. Freiwillige Selbstkontrolle der Presse

2.1 Der Begriff der freiwilligen Selbstkontrolle

Bisher gibt es keine klare Definition des Begriffs der freiwilligen Selbstkontrolle, auch nicht von staatlicher Seite. In der Literatur lässt sich jedoch eine Erklärung finden, die, wie der Begriff schon sagt, drei Elemente für die Erfüllung voraussetzt: Das Element der Freiwilligkeit, der Selbst kontrolle und der Kontrolle.[1]

Die Freiwilligkeit ist auch dann gegeben, wenn die Selbstkontrollorgane aufgrund politischen Drucks entstanden sind, z. B., um Gesetze zu verhindern, die die Pressefreiheit einschränken könnten, wie das in Deutschland, und noch deutlicher, in Großbritannien der Fall war. Die Motive für die Entstehung der Selbstkontrolle spielen also für den Aspekt der Freiwilligkeit keine Rolle. Sie können aber sehr wohl Auskunft über die Einstellung der Presse gegenüber ihrer Arbeit in der Selbstkontrollinstanz geben und gewähren somit einen Ausblick auf die Erfolgsaussichten dieser Einrichtung.[2]

Wichtig für den Aspekt der Freiwilligkeit ist nur, dass die Selbstkontrollinstanz „weder bezüglich ihrer Errichtung noch ihrer Arbeitsweise auf Gesetz“[3] beruht. Organisation und Struktur der Einrichtung werden also nicht hoheitlich geregelt.

Der Selbst bezug der Kontrolltätigkeit ist dann gegeben, wenn die Kontrollierenden gleichzeitig die Kontrollierten sind.[4] Das schließt jedoch nicht aus, dass außer Branchenvertretern auch branchenfremde Mitwirkende beteiligt sind. Oft wird eine solche Konstellation von den Kontrolleinrichtungen sogar bevorzugt, „um einen breiteren Konsens für die Entscheidungen zu gewährleisten und so die Akzeptanz ihrer Maßnahmen in der Öffentlichkeit zu erhöhen“[5].

Das Element der Kontrolle beinhaltet den Aspekt der Aufsicht und Überwachung. Dazu gehört auch aktive Steuerung von Verhaltenweisen, die Aufstellung eines Kontrollmaßstabs (z. B. eines Verhaltenskodex), und die damit verbundene Disziplinierung im Falle eines Verstoßes.[6] „Damit scheiden Organisationen, denen nur die berufsständische Interessenvertretung nach außen obliegt, aus der Betrachtung aus.“[7]

2.2 Der Deutsche Pressrat

2.2.1 Historischer Überblick

(a) Die Entstehung und erste Phase (1956 – 1981)

Die Pläne der damaligen Bundesregierung ein Bundespressegesetz zu verabschieden, haben dazu geführt, dass der Deutsche Presserat gegründet wurde.[8]

Der Entwurf des Bundesinnenministeriums zum Gesetz über das Pressewesen sah u.a. Presseausschüsse als Aufsichtsinstanzen vor, die Presseangelegenheiten erörtern und über diese wachen sollten.[9]

Natürlich sollte die Presse weiterhin unabhängig bleiben. Dennoch stieß der Entwurf bei den Journalisten- und Verlegerverbänden auf eine derartige Ablehnung, dass er schon zwei Monate nach Veröffentlichung zu Fall gebracht wurde.[10]

Um weitere Vorhaben des Gesetzgebers, eine gesetzlich geregelte Presse-Selbstkontrolle einzurichten, zu verhindern, begann man über Alternativen nachzudenken.

Die Interessenverbände hofften, dass eine freiwillige Selbstkontrolle weitere Gesetzte zum Thema Presserecht, und somit die befürchtete Einschränkung der Pressefreiheit, erfolgreich abwenden würde.

Die ausschlaggebende Initiative, zurückzuführen auf den Pressewissenschaftler Dr. Alfred Frankenfeld, kam schließlich am 21. Mai 1953 von der Berufsvereinigung Hamburger Journalisten[11]. Die Organisation schlug dem geschäftsführenden Vorstand des Deutschen Journalistenverbandes vor, „in Verhandlungen mit den Verlegerverbänden die Errichtung eines Deutschen Presserates zu empfehlen“[12].

Schließlich konnten sich der Deutsche Journalistenverband (DJV) und der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e.V. (BDZV) einigen.

Am 20. November 1956 im Bergischen Hof in Bonn gründeten fünf Journalisten und fünf Verleger den Deutschen Presserat.

Bei einem Empfang beim Bundespräsidenten Theodor Heuss wurde der Deutsche Presserat mit seinen Aufgaben vorgestellt.

Diese wurden in einem Kommuniqué veröffentlicht und lauteten wie folgt:

„a) Schutz der Pressefreiheit, Sicherung des unbehinderten Zugangs zu den Nachrichtenquellen;
b) Feststellen und Beseitigen von Mißständen im Pressewesen;
c) Beobachtung der strukturellen Entwicklung der deutschen Presse und Abwehr von freiheitsgefährdenden Konzern- und Monopolbildungen;
d) Vertretung der deutschen Presse gegenüber Regierung, Parlament und Öffentlichkeit und bei Gesetzesvorlagen, die Leben und Aufgaben der Presse angehen.“[13]

In seinem ersten Tätigkeitsbericht beschrieb der Presserat seine eigene Gründung als „Wagnis“[14], was Jürgen Bermes folgendermaßen begründet: „Zum einen war ungewiß, inwieweit die Branche die Arbeit des Presserates respektieren würde; zum anderen sollten die Ratsmitglieder auch völlig unabhängig von den beteiligten Verbänden ihre Entscheidungen treffen.“[15]

Letzteres scheint auf den ersten Blick recht unglaubwürdig, da die Verbände doch diejenigen sind, die die Ratsmitglieder entsenden.

Zudem besitzt der Deutsche Presserat keinerlei Exekutivbefugnis. Er kann nur an die Moral der Presse appellieren.

Das machte es den Presseratsmitgliedern natürlich nicht leichter, sich den Respekt der Presselandschaft zu erkämpfen.

Noch als die Verhandlungen zwischen dem DJV und dem BDZV zur Gründung des Presserates liefen, signalisierte der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) bereits Interesse an einer Beteiligung. Doch zunächst wollte man „das Novum Presserat [...] in der Praxis auf seine Funktionsfähigkeit hin erproben“[16].

Allerdings stieß der VDZ in seinem Vorhaben auch später zunächst auf Widerstand, vor allem beim BDZV. Der Verband argumentierte, eine Erweiterung auf 20 Mitglieder stelle eine Behinderung der Arbeitsfähigkeit des Selbstkontrollorgans dar. Er zog es vor sich auf die Tagespresse zu konzentrieren.[17]

Viele Zeitschriften waren, was ihren Inhalt betrifft, umstritten. Sie gerieten in die Kritik sowohl von Seiten der Kirche, als auch vom Staat. Sie wurden von Bundesinnenminister Gerhard Schröder getadelt, das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften nicht in genügendem Maße zu berücksichtigen.

Aus Angst vor härteren Konsequenzen seitens des Staates hatten neun Verlage bereits ein Selbstkontrollorgan gegründet – die Selbstkontrolle der Illustrierten (SdI).[18]

Schließlich überwog jedoch der Anspruch des Presserates, für die gesamte Branche zuständig zu sein und dadurch auch sein Ansehen zu steigern. Somit wurde der VDZ im Herbst 1957 in den Deutschen Presserat aufgenommen.

Es wurden fünf Zeitschriftenverleger und fünf Zeitschriftenjournalisten entsandt. Die Mitgliederzahl des Presserates hat sich also auf 20 verdoppelt.

Am 11. Dezember 1958 verabschiedete der Deutsche Presserat seine Geschäftsordnung, die zum 1. Januar 1959 in Kraft trat.[19]

Im Jahre 1960 trat als vierter, und bisher letzter Berufsverband die Industriegewerkschaft Druck und Papier mit der ihr angehörigen Deutschen Journalisten-Union (dju)[20] dem Presserat bei.[21]

Somit war der DJV nicht mehr der einzige Verband in der Presse-Selbstkontrolle, der die Journalisten vertrat.

Bis zum Ende der 60er Jahre war der Deutsche Presserat wenig damit beschäftigt, tatsächlich Missstände im Pressewesen aufzuzeigen und zu beseitigen. Er fungierte mehr als „brancheneigene[r] Wächter über die Pressefreiheit“[22]. Der Presserat setzte sich in Fragen von Gesetzesänderungen für die Presse ein und hat auf diesem Gebiet auch Erfolge zu verbuchen.

Beispielhaft hierfür war die Diskussion um das sogenannte Lex Soraya. Anlass zu diesem Gesetzesentwurf, der den Ehrenschutz von ausländischen Staatsoberhäuptern verstärken sollte, war ein Artikel des stern vom 19. April 1958, in dem in herabwürdigender Weise über die Scheidung des Schah von Persien von seiner Frau Soraya berichtet wurde. Der Artikel hatte eine Beschwerde der Iranischen Botschaft zu Folge.[23] „Denn die Quintessenz des Artikels lief auf die Infragestellung der politischen Legitimation des persischen Staatsoberhauptes hinaus.“[24]

Daraufhin reagierte die Bundesregierung mit einem Gesetzesentwurf, der als Lex Soraya bekannt wurde. „Nach dieser Vorschrift sollte mit Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft werden, wer öffentlich das Privat- und Familienleben eines ausländischen Staatsoberhauptes in herabwürdigender Weise darstellt. Voraussetzung: Die Darstellung mußte geeignet sein, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik zu stören.“[25]

Der Deutsche Presserat verurteilte zwar den Bericht, lehnte aber gleichzeitig den Gesetzesentwurf entschieden ab.

Der Herausgeber des stern, Henri Nannen, verklagte den Presserat wegen der Kritik, die das Selbstkontrollorgan gegen die Zeitschrift gerichtet hatte. Außerdem forderte er eine Untersuchung der Tätigkeit des Presserates. Er argumentierte der Presserat habe sich verfassungswidrige Vollmachten angeeignet und maße sich Zensurrecht an[26]. Die Klage vor dem Oberlandesgericht Hamburg wurde in vollem Umfang abgewiesen. In der Begründung hieß es u.a.: „Die Organisationsform und die Zielsetzung des Deutschen Presserates sei durch Art. 9 GG gewährleistet. Nach Absatz 3 dieses Artikels sei das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, für jedermann und alle Berufe gewährleistet.“[27] Somit hat der Deutsche Presserat die Legitimation seiner Arbeit von einem hohen Gericht offiziell bestätigt bekommen.

Der Entwurf Lex Soraya ist nicht Gesetz geworden. „Den Erfolg schrieb sich der Deutsche Presserat zu. Er trete eben nicht nur für die Interessen der Presse ein, sondern verweise gleichzeitig Herausgeber und Redakteure energisch auf ihre Pflicht zu journalistischem und politischen Anstand.“[28]

In den 70er Jahren wurden einige organisatorische Änderungen vorgenommen. Am 16. März 1972 verabschiedete der Deutsche Presserat eine Beschwerdeordnung, die ihm „größeres Gewicht im Rahmen des Selbstkontrollorgans einräumte“[29]. Da die Zahl von Beschwerden gegen verschiedene Presseveröffentlichungen wuchs, erleichterte die neue Beschwerdeordnung ein zügiges Vorankommen in deren Behandlung.

Dazu gehörte auch ein siebenköpfiger Beschwerdeausschuss, der 1976 auf zehn Mitglieder erweitert wurde.

Trotz der Möglichkeit für jedermann, sich beim Presserat über einzelne Publikationen zu beschweren, machten in den seltensten Fällen Privatpersonen davon Gebrauch. Es wandten sich hauptsächlich Politiker, staatliche Stellen, Kirchen und Verbände an den Presserat.[30]

Aber die Presse zollte den ausgesprochenen öffentlichen Rügen nur wenig Respekt: „Sie druckte – von Ausnahmen abgesehen – weder die Rügen noch sonstige Entscheidungen und Empfehlungen ab.“[31]

So war auch der Bekanntheitsgrad des Deutschen Presserates in der Öffentlichkeit nicht groß, was wiederum Beschwerden von privater Seite seltener machte.

Bisher gab es nur „allgemeingültige Resolutionen, Richtlinien und Empfehlungen des Deutschen Presserates[32]. Daraus wurden die Publizistischen Grundsätze (Pressekodex) formuliert. Diese überreichte der Presserat am 12. Dezember 1973 in West-Berlin dem Bundespräsidenten Gustav W. Heinemann.[33]

Der Deutsche Presserat, der bisher eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gewesen war, gab sich eine Satzung und wurde am 30. Juni 1976 ins Bonner Vereinsregister eingetragen.[34]

Streitigkeiten über Entscheidungen zwischen Verlegern und Journalisten, Konkurrenzkämpfe unter den Verbänden und in erster Linie die Tatsache, dass die Presse die öffentlichen Rügen ignorierte und nur äußerst selten abdruckte, führten schließlich dazu, dass sich der Deutsche Presserat 1981, noch vor seinem

25-jährigen Jubiläum, vorläufig auflöste.

(b) Die Pause (1981 – 1985)

Die Voraussetzung für die Wiederaufnahme der Arbeit des Deutschen Presserates war die Sicherstellung des Rügenabdrucks. Die Trägerverbände sollten die Verlage dazu bewegen, eine Erklärung abzugeben, in der sie sich dazu verpflichteten, im Falle einer vom Presserat ausgesprochenen öffentlichen Rüge, diese auch abzudrucken.[35]

Doch viele Publikationen äußerten Bedenken diesbezüglich. So zum Beispiel Die Zeit, die als eine der Ersten auf die Aufforderung des Rügenabdrucks reagierte. Man äußerte Bedenken, was die Arbeitsweise des Presserates anging, und wollte diese erst abwarten[36] – was aber in einen Teufelskreis führte, denn ohne Verpflichtungserklärung hätte es keinen Presserat gegeben.

Auch wollte keine Zeitung mit ihrer Erklärung zum Rügenabdruck alleine dastehen. Man war der Ansicht, es wäre schnell der Eindruck entstanden, sie sei die Einzige, die gegen die berufsethischen Grundsätze verstoße, weil andere Zeitungen diesen Umstand nicht öffentlich machten.

Doch schließlich stellte man am 15. November 1984 fest, dass sich bei den Zeitungen eine Erklärungsquote von 90 Prozent, gemessen an der Auflage[37] ergab.

Darin waren aber auch zeitlich befristete Verpflichtungen enthalten (meist auf ein Jahr), wie zum Beispiel die vom Axel Springer Verlag.

Ihre Unterschrift verweigerten u.a.: Gruner + Jahr, Die Zeit, tz, Münchener Merkur, die aktuelle und Gong.[38]

Die Verbände gaben sich mit den bisher eingereichten Verpflichtungen zum Rügenabdruck zufrieden.

Am 25. Februar 1985 gründeten die vier Trägerverbände BDZV, VDZ, DJV, und IG Druck und Papier/dju den Trägerverein des Deutschen Presserates. Eine neue Satzung sowie eine Geschäfts- und Beschwerdeordnung wurden verfasst.[39]

(c) Der neue Deutsche Presserat (ab 1985)

Der neue Deutsche Presserat ist nun ein Gremium, welches vom Trägerverein des Deutschen Presserates e.V. gebildet wird. Die Trägerverbände entsenden je zwei Vertreter, die den Verein bilden.

Die Verbände, und nicht der Trägerverein, schlagen die mittlerweile 28 Mitglieder[40] für das Gremium des Presserates vor. Diese dürfen jedoch nicht gegen den Willen der Mitglieder des Trägervereins gewählt werden.

Der Trägerverein schlägt Kandidaten für das Amt des Sprechers und seines Stellvertreters vor, welche dann vom Presserat für ein Jahr gewählt werden.

Ebenfalls vom Trägerverein werden die Ausschüsse und deren Mitglieder sowie der Geschäftsführer bestimmt. Auch Stellungnahmen zur Medienpolitik sind von nun an die Aufgaben des Trägervereins.

„Die neue Konstruktion der Presse-Selbstkontrolle soll den Presserat von organisatorischen Aufgaben befreien. [...] Der Presserat konzentriert sich auf die Beschwerdearbeit [...].“[41]

Die Aufgaben des Deutschen Pressrates lauten folgendermaßen:

- „Missstände im Pressewesen festzustellen und auf deren Beseitigung hinzuwirken
- Entwicklungen entgegenzutreten, die die freie Information und Meinungsbildung des Bürgers gefährden könnten
- für den unbehinderten Zugang zu Nachrichtenquellen einzutreten
- Empfehlungen und Richtlinien für die publizistische Arbeit herauszugeben sowie
- Beschwerden über redaktionelle Veröffentlichungen in Zeitungen, Zeitschriften, Pressediensten oder Online-Diensten[42] sowie journalistische Verhaltensweisen zu prüfen und in begründeten Fällen Hinweise, Missbilligungen und Rügen auszusprechen.“[43]

Die Mitglieder arbeiten ehrenamtlich und treten, wie schon zuvor, alle 3 Monate zusammen. Von einem Viertel der Mitglieder kann eine außerordentliche Sitzung einberufen werden. Die Sitzungen sind in der Regel nichtöffentlich. Die Öffentlichkeit kann nur dann zugelassen werden, wenn es sich um Beratungen handelt, denen keine Beschwerde zugrunde liegt.

Die Finanzierung des Presserates stützt sich auf zwei Säulen. Ein Teil sind die Mitgliedsbeiträge der Verbände und der zweite Teil ist der Zuschuss des Bundes für die Beschwerdetätigkeit, auf der Grundlage des Gesetzes zur Gewährleistung der Unabhängigkeit des vom Deutschen Presserat eingesetzten Beschwerdeausschusses vom 18. August 1976.

In Folge dessen wurden aber auch Stimmen laut, die die weitere Unabhängigkeit der Einrichtung in Frage stellten. Diese können aber als weitgehend unbegründet abgetan werden, da der Pressrat durch das Gesetz lediglich der Kontrolle des Bundesrechnungshofes unterliegt, der die Bücher prüft. Der Bundestag hat keinerlei Einfluss auf die Arbeit des Rates. Diesen Status hatten bis dahin nur das Kanzleramt, das Bundespresseamt und das Auswärtige Amt.[44]

Der Bundeszuschuss soll nicht mehr als 49% der Gesamteinnahmen des Deutschen Presserates ausmachen.[45] Im Jahr 2003 belief sich der Zuschuss auf 183.000 €.[46]

In der zweiten Phase seines Wirkens kann der Deutsche Presserat mehr als zuvor von sich behaupten, „Ansprechpartner für jeden Mediennutzer zu sein, der sich durch eine Presseveröffentlichung verletzt fühlt oder glaubt, Mißstände in der Presse entdeckt zu haben“[47].

2.2.2 Die Beschwerdearbeit

(a) Die Beschwerdeordnung

Die neue Beschwerdeordnung des Deutschen Presserates wurde am 25. Februar 1985 beschlossen[48]. Darin wird dem Presserat die Möglichkeit eingeräumt, Beschwerden von sich aus aufzugreifen.[49] Doch der Beschwerdeausschuss hat von diesem Recht noch keinen Gebrauch gemacht, da man vermeiden will, dass dem Ausschuss Willkür vorgeworfen wird. Denn um diesem Vorwurf zu entgehen, müssten die Mitglieder systematisch und flächendeckend die Pressepublikationen durchforsten und nach Fehlern suchen.[50] Es gibt verschiedene Ansichten zu der Frage, ob der Beschwerdeausschuss diese Möglichkeit nutzen sollte. Einerseits wird in der Literatur die Meinung vertreten, dass er sich dadurch in die Position einer Überwachungsbehörde bringen würde[51], andererseits wird behauptet der Verzicht auf diese Möglichkeit beschränke den Kontrollbereich erheblich[52].

Der Beschwerdeausschuss ist in zwei Kammern aufgeteilt. Jede Kammer hat sechs Mitglieder mit je vier Stellvertretern. Der Beschwerdeausschuss Redaktionsdatenschutz hat 7 Mitglieder und 3 Stellvertreter. Im Plenum sitzen je 7 Vertreter der vier Trägerverbände.

Nach § 1 Abs. 1 der BO kann jeder mit einer Beschwerde über Veröffentlichungen oder Vorgänge sowie Verletzungen des Datenschutzes im Rahmen einer Recherche oder Veröffentlichung an den Deutschen Presserat herantreten.

Behandelt werden die Beschwerden vom Beschwerdeausschuss, für Verletzungen des Rechts auf Datenschutz gibt es den Beschwerdeausschuss Redaktionsdatenschutz. Wenn zwei Mitglieder des Beschwerdeausschusses das verlangen, wird eine Beschwerde an das Plenum des Deutschen Presserats weitergereicht. Das Plenum ist des weiteren für alle Beschwerden von grundsätzlicher Bedeutung zuständig[53] und kann jede Beschwerde an sich nehmen. Die Beschwerden müssen schriftlich eingereicht werden mit dem betreffenden Artikel im Original oder als Kopie. Der Beschwerdegrund ist anzugeben.[54] Die Vorprüfung der Beschwerden wird vom Geschäftsführer durchgeführt. Sollte der Presserat für den Fall offensichtlich nicht zuständig sein oder die Beschwerde unbegründet sein, so wird sie nicht an den Beschwerdeausschuss weitergereicht.[55]

Ist die Beschwerde nicht offensichtlich unbegründet, wird nach § 6 der BO der Versuch einer Vermittlung zwischen Beschwerdeführer und Beschwerdegegner unternommen. Hat keine ausreichende Wiedergutmachung stattgefunden, wird das Verfahren fortgeführt. Es folgt eine mündliche Beratung, zu der Zeugen geladen werden können. Es gibt folgende Möglichkeiten der Entscheidungen nach § 12: (1) Eine Beschwerde kann als unzulässig verworfen oder als unbegründet zurückgewiesen werden. (2) Eine Beschwerde kann eingestellt werden, soweit sich der Sachverhalt nicht aufklären lässt. (3) Ist eine Beschwerde begründet, kann 1. ein Hinweis 2. eine Missbilligung 3. eine Rüge ausgesprochen werden.

Die Behandlung von Beschwerden, deren Entscheidung den Ausgang eines anhängigen Gerichtsverfahrens beeinflussen könnte, kann ausgesetzt werden. Denn der Presserat möchte keinesfalls als Gutachter in Gerichtsverfahren fungieren.[56]

Wird eine öffentliche Rüge ausgesprochen, so muss das betroffene Publikationsorgan diese abdrucken. Sollte der Abdruck jedoch dem Betroffenen schaden, können auch nicht-öffentliche Rügen ausgesprochen werden.[57]

(b) Statistiken

Vor seiner Neugründung im Jahre 1985 hat der Deutsche Presserat keine ausführliche Statistik über die eingegangen und entschiedenen Beschwerden geführt. Es wurde nur oberflächlich in den Jahresberichten über die Eingänge Buch geführt. Außerdem gehörte die Beschwerdearbeit nicht vordergründig zur Arbeit des Presserates.

Deshalb soll hier ein Blick auf die aktuelleren Statistiken des neuen Deutschen Presserates geworfen werden.

Die Anzahl der ausgesprochenen Rügen ist seit 1987 stetig angestiegen. Waren es in dem Jahr noch 8 Rügen, verzeichnete man 1993 schon 19 (davon 14 öffentliche[58] ). In den 90er Jahren schwankt die Zahl zwischen 10 und 19[59]. Spitzenreiter in der Geschichte des Presserates ist bisher das Jahr 2002 mit 701 Eingaben[60] und 42 ausgesprochenen Rügen.

Mit Abstand die meisten ausgesprochenen Rügen sind gegen die Zeitung BILD zu verzeichnen. So hat die BILD seit dem Bestehen des neuen Deutschen Presserates bis heute, mit Ausnahme der Jahre 1989, 1990 und 1998, jedes Jahr mindestens eine Rüge bekommen. War es 1988 und 1991 nur je eine Rüge, kam es in den Jahren 2001[61] und 2004 zu je zwölf ausgesprochenen Rügen.[62]

Keine andere Zeitung oder Zeitschrift taucht in der Liste der vom Deutschen Presserat ausgesprochenen Rügen so häufig auf.

Über den Abdruck der öffentlichen Rügen steht nur eine Statistik von den Jahren 1986, 1987, 2003 und 2004 zur Verfügung.

So wurde 1986 nur eine von vier Rügen abgedruckt, 1987 schon vier von sechs.[63]

Im Jahr 2003 wurden 20 öffentliche Rügen ausgesprochen. Davon druckten nur die Zeitschriften Glamour sowie die Neue Revue diese nicht ab.[64]

Gleich 27 öffentliche Rügen beschloss der Deutsche Presserat im Jahr 2004, davon wurden elf nicht abgedruckt.[65] Sechs davon druckte die Zeitung BILD nicht ab. Außerdem verweigerten den Abdruck das Wirtschaftsforum, die Landpost, Unicum, Economy Tribune und Mein Geld.[66]

Die Zahl der Eingaben und Beschwerden beim Presserat hat eine steigende Tendenz, wie diese Grafik zeigt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: www.presserat.de

Diese Tatsache deutet darauf hin, dass der Presserat in der Öffentlichkeit weitaus bekannter ist, als noch beispielsweise in den 70er Jahren.

Ein großer Prozentsatz der behandelten Beschwerden wird als unbegründet verworfen. Nur einige Beschwerden ziehen eine Rüge nach sich:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(öff. Rügen = 25, weiter im Uhrzeigersinn)

Quelle: www.presserat.de

(c) Beispielfälle

Ein Thema, welches den Presserat in den 60er und 70er Jahren häufig beschäftigte, war die Berichterstattung über Fluchtbewegungen aus Ostberlin und der DDR. Am 30. Januar 1962 wurde die gleichnamige Resolution verabschiedet. Der Presserat appellierte an die Presse, sich bei der Fluchtberichterstattung in Zurückhaltung zu üben. „Jeder Veröffentlichung über einen Fluchtweg folgten erfahrungsgemäß Maßnahmen der Ostberliner Regierung. Bestehende Fluchtmöglichkeiten würden so beseitigt. Außerdem bringe jeder Hinweis, der den Machthabern in der Zone die Feststellung der Identität der Geflüchteten ermögliche, schwere Gefahren für die zurückgebliebenen Angehörigen mit sich.“[67] Doch noch im selben Jahr beschwerte sich der Berliner Senat über Berichte von Fluchtaktionen in vier Zeitungen. Am 4. Juli 1962 wurde eine zweite Resolution zum Thema verabschiedet. Diese zeigte zumindest in Regierungskreisen Wirkung: „Der Berliner Senat nahm [...] von seinem Vorhaben Abstand, mit einem Sonder-Pressegesetz den Mißständen bei der Fluchtberichterstattung Herr zu werden.“[68]

Die nächste Mahnung sprach der Deutsche Presserat schon im Februar 1963 aus, ohne jedoch die betreffenden Publikationen zu nennen. Es wurde weiterhin keine Rüge ausgesprochen.

Im Oktober 1964 veröffentlichte der stern einen Artikel mit der Überschrift Die Flucht der 57, in dem alle Einzelheiten der Flucht durch einen Tunnel, der „mit Hilfe einer Finanzspritze der CDU-Berlin gebaut worden“[69] war, geschildert wurden. Diese Veröffentlichung hatte erneut eine Beschwerde des Berliner Senats beim Deutschen Presserat zur Folge. Die Zeitschrift erntete scharfe Kritik vom Presserat.

„Das Selbstkontrollorgan appellierte ein weiteres Mal an die ‚äußerste Zurückhaltung’ von Presse und, das war neu, auch Rundfunk.“[70]

Es folgten jedoch weitere Berichte über Fluchtaktionen aus der Sowjetzone und weitere Ermahnungen des Presserates. Die wiederholt ausgesprochenen Resolutionen wurden in vielen Fällen nicht beachtet. Diese Tatsache führte jedoch nicht dazu, dass eine Rüge ausgesprochen wurde.

„Am Beispiel Fluchtberichterstattung zeigen sich die Grenzen der Wirksamkeit des Deutschen Presserates sehr deutlich.“[71]

Ein besonders dramatisches Ereignis, welches wiederum den Presserat auf den Plan rief, war das Geiseldrama von Gladbeck im August 1988, welches ganze 54 Stunden dauerte. Diesem lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Zwei Täter wollten eine Bank ausrauben, was jedoch missglückte. Daraufhin nahmen sie Geiseln und erzwangen Lösegeld sowie ein Fluchtfahrzeug. Die Gangster flohen und sowohl Polizei als auch Medienvertreter nahmen die Verfolgung auf. Die Journalisten gingen äußerst skrupellos vor.

„Auf der Jagd nach den aktuellsten und sensationellsten Informationen schreckten einige Journalisten nicht davor zurück, Polizeiwagen abzudrängen“[72], und gingen sogar „eine Art von Komplizenschaft mit den Geiselnehmern“[73] ein. In der Kölner Innenstadt wurde das Verbrecherauto von Reportern umringt, die die Insassen interviewten.

„In der Domstadt boten einige Journalisten den Verbrechern sogar ihre Hilfe an. Der stellvertretende Chefredakteur der Boulevardzeitung Express stieg in ihr Auto und lotste sie aus der Innenstadt.“[74]

Immer wieder kamen die Journalisten der Polizei bei dem Versuch, die Geiselnehmer zu überwältigen, in die Quere.

Natürlich blieb die Stellungnahme des Presserates zu diesem Fall nicht aus.

„Interviews mit Geiselnehmern während des Geschehens darf es nicht geben. Es ist nicht Aufgabe von Journalisten, eigenmächtige Vermittlungsversuche zu unternehmen [...] Auch eine verschärfte Medienkonkurrenz entbindet nicht von diesen Grundsätzen“[75], formulierte das Gremium.

In seiner Erklärung bezog sich der Presserat nicht nur auf die Presse, sondern auf die Medien allgemein. „Stillschweigend erklärte sich damit die Presse-Selbstkontrolle ebenfalls für die elektronischen Medien zuständig, was Fragen der Berufsethik betrifft, [und] hielt es [...] offenbar für erforderlich, über seinen Zuständigkeitsbereich hinauszugehen.“[76]

Anschließend wurde diskutiert, ob ein generelles Verbot von Interviews mit Geiselnehmern sinnvoll wäre, und ob solche Interviews in manchen Fällen nicht sogar hilfreich für die Polizei seien. Doch diesmal war die Aussage deutlich: Der Presserat empfahl nicht, sondern hatte ein Verbot ausgesprochen. Auf der Jagd nach Sensationen dürfte das die Journalisten, vor allem die der Boulevardpresse, jedoch wenig interessieren.

Zu den aktuellen Fällen[77], in denen Rügen vom Presserat ausgesprochen worden sind, gehört eine Bildveröffentlichung in der Münchener Abendzeitung. Im Rahmen der Berichterstattung über die Pisa-Studie veröffentlichte die Zeitung das Foto einer Grundschulklasse aus dem Jahr 2002. „Das Bild war damals zu einem anderen Zweck aufgenommen worden und jetzt ohne Rücksprache mit der Schule als Symbolfoto erneut publiziert worden.“[78] Laut Presserat verstößt diese Veröffentlichung gegen die Richtlinie 2.2 des Pressekodex und stellt eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der abgebildeten Kinder nach Ziffer 8 dar[79].

Gegen das Trennungsgebot von redaktionellem Teil und Werbung hat die Ostsee-Zeitung in ihrem Bericht über das Angebot eines Fertighausbauers verstoßen. In dem Artikel wurden Unternehmensleistungen vorgestellt und die Telefonnummer abgedruckt sowie darauf hingewiesen, dass man für einen geringen Betrag eine Nacht in dem Musterhaus verbringen könnte.

Die Beschwerdekammer hat entschieden, dass es sich in diesem Fall um Schleichwerbung handelt und das einen Verstoß der Richtlinie 7.2 der Pressekodex darstellt.

Eine Schlagzeile der BILD vom 30. November 2005 sorgte für Aufsehen und hatte viele Beschwerden beim Deutschen Presserat zur Folge. In der Ausgabe titelte die Boulevardzeitung im Falle der entführten Susanne Osthoff mit der Schlagzeile „Wird sie geköpft?“. Das Gremium entschied jedoch, dass die Fragestellung auch in dieser Form presseethisch vertretbar sei, da Susanne Osthoff aufgrund der zurückliegenden Ermordungen mehrerer Entführter im Irak zum Zeitpunkt der Veröffentlichung eindeutig in Lebensgefahr schwebte.[80] Auch die Wahl des Wortes „geköpft“ sei gerechtfertigt, da es bereits Fälle von Enthauptungen von Entführten im Irak gegeben hat.

[...]


[1] Vgl. Wiedemann, Verena: Freiwillige Selbstkontrolle der Presse. Eine länderübergreifende Untersuchung. Verlag Bertelsmann Stiftung, Gütersloh 1992, S. 19; Münch, Henning: Der Schutz des Einzelnen vor Presseveröffentlichungen durch den Deutschen Presserat und die britische Press Complaints Commission. Dissertation an der Universität Konstanz, Juristische Fakultät, 2001, S. 144; Gottzmann, Nicole: Möglichkeiten und Grenzen der freiwilligen Selbstkontrolle in der Presse und der Werbung. Der Deutsche Presserat und der Deutsche Werberat. Verlag C.H. Beck, München 2005, S. 11 ff.

[2] Vgl. Wiedemann, S. 19

[3] Münch, S. 144

[4] Vgl. Gottzmann, S. 12

[5] Gottzmann, S. 13

[6] Vgl. Münch, S. 145

[7] Wiedemann, S. 23

[8] Vgl. Deutscher Presserat: Jahrbuch 2004. UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz 2004, S. 319

[9] Vgl. Musialek, Horst: Press Council und Deutscher Presserat – Form und Funktion der Presseselbstkontrolle in Großbritannien und der Bundesrepublik Deutschland. Inaugural-Dissertation zur Erlangung der juristischen Doktorwürde. Marburg 1980, S. 146

[10] Vgl. Bermes, Jürgen: Der Streit um die Presse-Selbstkontrolle: Der Deutsche Presserat. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 1991, S. 89f.

[11] Der Deutsche Journalistenverband (DJV) ist der Dachverband der Berufsvereinigung Hamburger

Journalisten.

[12] Bermes, S. 95. Zitat aus: Frankenfeld, Alfred: Der Deutsche Presserat 1956-1970. Ursprung,

Funktion, Effizienz. In: Hansjürgen Koschwitz/Günter Pötter (Hrsg.), Konstanz 1973, S. 282.

[13] Musialek, S. 150. Zitat aus : Deutscher Presserat : Tätigkeitsbericht 1956-1959, Bad Godesberg

1960, S. 28

[14] Vgl. Bermes, S. 101

[15] Bermes, S. 101f.

[16] Fischer, Heinz-Dietrich/Breuer, Klaus Detlef R./Wolter, Hans-Wolfgang: Die Presseräte der Welt.

Struktur, Finanzbasis und Spruchpraxis von Medien-Selbstkontrolleinrichtungen im internationalen

Vergleich. Schriftenreihe des Zeitungs-Verlags und Zeitschriften-Verlag, Bonn-Bad Godesberg 1976, S. 114

[17] Bermes, S. 104

[18] Vgl. ebd. S 104f.

[19] Vgl. Deutscher Presserat: Jahrbuch 2004. S. 319

[20] Heute dju in ver.di.

[21] Ebd.

[22] Bermes, S. 190

[23] Vgl. Musialek, S. 162f.

[24] Bermes, S. 116

[25] Musialek, S. 164

[26] Vgl. Bermes, S. 116

[27] Musialek, S. 165

[28] Ebd.

[29] Bermes, S. 193

[30] Vgl. Musialek, S. 177f.

[31] Bermes, S. 254

[32] Ebd. S. 206

[33] Vgl. Deutscher Presserat: Jahrbuch 2004, S. 320

[34] Vgl. Bermes, S. 201

[35] Vgl. Bermes, S. 359

[36] Vgl. ebd. S. 360

[37] Vgl. ebd. S. 361

[38] Vgl. ebd. S. 362

[39] Vgl. Deutscher Presserat: Jahrbuch 2004, S. 320

[40] Im Jahr 2004 wurde die Zahl der Mitglieder von 20 auf 28 erhöht; vgl. Deutscher Presserat: Jahrbuch 2005, UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz 2005, S.43 f.

[41] Bermes, S. 393

[42] In der Fassung von 1985 ist der Zusatz „Online-Dienste“ natürlich nicht enthalten, ansonsten ist der Wortlaut so gut wie identisch.

[43] Deutscher Presserat: Jahrbuch 2004, S. 242

[44] Vgl. Bermes, S. 197

[45] Vgl. http://www.presserat.de/Finanzierung_des_Press.225.0.html (20.05.06)

[46] Vgl. http://www.presserat.de/Gesetz_zur_Gewaehrleis.224.0.html (20.05.06)

[47] Deutscher Presserat: Schwarzweißbuch. Spruchpraxis Deutscher Presserat 1990-1995, Band 2. Druckerei Plump oHG, Rheinbreitbach 1996, S. 5

[48] Hier wird die Beschwerdeordnung des Deutschen Presserates, beschlossen am 25.02.1985, i. d. F. vom 21.09.2004 behandelt; aus: http://www.presserat.de/Beschwerdeordnung.beschwerdeordnung.0.html (17.05.06)

[49] Vgl. § 1 Abs. 2 BO

[50] Vgl. Gottzmann, S. 125 f.

[51] Vgl. ebd. S. 125

[52] Vgl. Eisermann, Jessica: Selbstkontrolle in den Medien: Der Deutsche Presserat und seine Möglichkeiten. Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gGmbH, Berlin 1993, S. 10

[53] Vgl. § 3 Abs. 1 BO

[54] Vgl. § 4 Abs. 1 BO

[55] Vgl. § 5 BO

[56] Vgl. Wiedemann, S. 185

[57] Vgl. § 15 BO

[58] Vgl. Deutscher Presserat: Schwarzweißbuch, S. 473

[59] Vgl. Deutscher Presserat: Jahrbuch 2004, S. 313ff.

[60] Unter Eingaben sind alle eingegangenen Beschwerdeschreiben gefasst; Beschwerden sind die Eingaben, die nach Vorprüfung an den Beschwerdeausschuss gegeben werden.

[61] Davon zwei an BILD ONLINE.

[62] Vgl. Deutscher Presserat: Jahrbuch 2005, S. 316 ff.

[63] Vgl. Bermes, S. 406

[64] Vgl. Deutscher Presserat: Jahrbuch 2004, S. 312

[65] Vgl. Deutscher Presserat: Jahrbuch 2005, S. 314

[66] Ebd.

[67] Musialek, S. 213

[68] Bermes, S. 181

[69] Ebd.

[70] Ebd. S. 182

[71] Musialek, S. 218

[72] Bermes, S. 422

[73] Ebd.

[74] Ebd.

[75] Erklärung des Deutschen Presserates zur Berichterstattung über die Geiselnahme von Gladbeck

und Bremen. In: Bermes, S. 423

[76] Bermes, S. 424

[77] Aus der ersten Sitzung der Beschwerdekammer 2 des Presserates am 14.03.2006 in Bonn, aus: http://www.presserat.de/Pressemitteilung_anzei.pm+M52e17e69aba.0.html (18.05.06).

[78] Ebd.

[79] Auf den Pressekodex soll weiter unten noch näher eingegangen werden.

[80] Vgl. http://www.presserat.de/Pressemitteilung_anzei.pm+M52e17e69aba.0.html (18.05.06)

Final del extracto de 99 páginas

Detalles

Título
Die Gebote der Medien - Eine Untersuchung und ein Vergleich verschiedener journalistischer Leitlinien in Deutschland und Großbritannien
Universidad
University of Applied Sciences Mittweida
Calificación
1,5
Autor
Año
2006
Páginas
99
No. de catálogo
V64058
ISBN (Ebook)
9783638569590
ISBN (Libro)
9783640861408
Tamaño de fichero
889 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Gebote, Medien, Eine, Untersuchung, Vergleich, Leitlinien, Deutschland, Großbritannien
Citar trabajo
Bachelor of Arts Dagmar Bona (Autor), 2006, Die Gebote der Medien - Eine Untersuchung und ein Vergleich verschiedener journalistischer Leitlinien in Deutschland und Großbritannien, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64058

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