Der Neomarxismus - Eine Auseinandersetzung aus christlich-konservativer Weltanschauung


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2004

18 Pages, Note: 2,5


Extrait


Inhalt

I. Einleitung
Philosophische Vorbemerkung zum Marxismus

II. „Neue Marschroute“ - Der Gramscistische Revisionismus
1. „Strategiekorrektur“
2. Gramscis Hegemoniekonzept

III. „Wegmakierung“ – Die Frankfurter Schule
1. Die Theorie
2. Jürgen Habermas
3. Die „68“-Revolution

IV. Die Folgen - Zur heutiger Situation
1. Exkurs: „political correctness“
2. Zusammenfassung

V. Fazit aus christlich-konservativer Weltanschauung

VI. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Obwohl der so genannte real existierende Sozialismus mit seinen Schrecken der Vergangenheit angehört und das sozialistische Lager im Moment wenig Bedeutung zu haben scheint, bleiben marxistische Ideen in unserer Gesellschaft in unterschiedlichen Bereichen gegenwärtig. Zwar wird man selten expressis verbis orthodoxe marxistische Positionen wahrnehmen, nicht zuletzt da sich auf dem Gebiet der Ökonomie der „Kapitalismus“[1] der kommunistischen „Planwirtschaft“ als überlegen erwiesen hat. Und obwohl die „soziale Frage“ des 19. Jahrhunderts in unseren heutigen Wohlfahrtsgesellschaften größtenteils gelöst ist, tritt der Marxismus in vielfacher, revidierter und auch verdeckter Form zu Tage. Die „Lehre“ von Marx ist heute keineswegs verschwunden. Sie hat sich vermischt mit anderen Ideen und Philosophien im so genannten Neomarxismus am Leben gehalten.

Diese Arbeit will die neomarxistische Theorie als solche und ihre Folgen für die Praxis beleuchten. In Bezugnahme auf die Situation in Westeuropa und insbesondere in Deutschland und Österreich soll aufgezeigt werden, dass neomarxistisches Gedankengut es heute (in Verquickung mit liberalen[2] Überzeugungen) zu einer kulturellen Hegemonie gebracht hat. Dieses wird dann aus christlich-konservativer Weltanschauung einer Beurteilung unterworfen.

Philosophische Vorbemerkung zum Marxismus

Zum Vorverständnis der folgenden Ausführungen sei erwähnt: der Marxismus[3] und die Weltanschauung der politischen Linken wurzelt in der Philosophie der Moderne. Die Philosophie der Aufklärung ist gekennzeichnet durch einen „Vernunftglauben“, d.h. einen verabsolutierten Rationalismus. Andere Quellen als die Vernunft des autonomen Subjekts, insbesondere eine Offenbarungsreligion, werden für die Erkenntnis der Wahrheit von der Aufklärung, in der Tradition des Deismus stehend, nicht herangezogen. Dadurch entsteht ein Zusammenhang zwischen dem „Vernunftglauben“ und einer Fortschrittsideologie: die Moderne vertritt die Auffassung, dass, wenn die Menschen von ihrer Vernunft nur (genügend) Gebrauch machen würden, der Fortschritt der Menschheit unaufhaltsam sei. Dieser „Fortschrittsglaube“ ist ein wesentliches Element der Philosophie G.W.F. Hegels, auf den Marx zurückgreift.

Mit dem „Vernunftglauben“ in Verbindung steht eine weitere wichtige Idee der angesprochenen Weltanschauung, die der Emanzipation. Vernunft verknüpft mit Freiheit soll zur Emanzipation führen. Dieses Konzept, von der „Frankfurter Schule“ aufgegriffen und weiterentwickelt, versteht sich als eine Befreiung von vermeintlichen Zwängen. Diese Auffassung hat ein Menschenbild zur Grundlage, das den Menschen als ein einzelenes Atom sieht. Dieser Mensch wird dabei nicht mehr als ein Gemeinschaftswesen erachtet, dass zu seiner Entfaltung der Gemeinschaft, etwa der Familie oder dem Volk, bedarf. Dieser Vorstellung wiederum liegt ein Bild vom Menschen zu Grunde, das ihn als „von Natur aus gut“ erachtet. Mit Jean-Jacques Rousseau wird die Ansicht vertreten, dass der Mensch nicht von Geburt an unvollkommen und begrenzt sei[4], sondern sozial bedingt, also erworben durch „falsche“ gesellschaftliche Verhältnisse und eine „falsche“ Erziehung, ein „falsches Bewusstsein“ habe. Daher könne der Mensch durch eine „richtige“ Politik wieder das werden, was er eigentlich von Natur aus sei: ein vollkommenes Wesen. Diesen Faden spinnt Karl Marx weiter und macht den „kapitalistischen Prozess“ und das Privateigentum für die Zerstörung des Guten im Menschen verantwortlich.

Im Kern geht es allen linken politischen Kräften in unterschiedlicher Betonung um der Ideale der Französischen Revolution „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“zu verwirklichen. Diese Prinzipien wurden und werden, abstrahiert von der (menschlichen) Wirklichkeit, ohne Beziehung zu einem überindividuellen, gar absoluten Wert gesehen. Die „Autorität des Gewordenen“, die überlieferte Tradition, soll abgschafft werden, um ein neues und utopisches Gesellschaftmodell umzusetzen. Der Versuch der Realisierung dieses Konzeptes hat die Ideologien des Anarchismus, Egalitarismus, Kommunismus, Liberalismus und Sozialismus hervorgebracht und in der Vergangenheit zu sehr blutigen Revolutionen[5] geführt

II. „Neue Marschroute“ - Der Gramscistische Revisionismus

Als um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert die antikapitalistische Theorie des Marxismus widerlegt wurde, gingen seine „Jünger“ daran sie zu revidieren. In Unterscheidung zu dem im Osten zu Herrschaft gelangten Leninismus, Maoismus und Stalinismus und auch um den geänderten „sozioökonomischen Verhältnissen“ des „Kapitalismus“ Rechnung tragen zu können, entwickelte sich im Westeuropa eine bestimmte Spielart des Neomarxismus. Dessen bedeutendste und wirkungsreichste Kernelemente, die Überzeugunen des Antonio Gramsci und der Frankfurter Schule, soll in dieser Arbeit beleuchtet werden. Neben diesen waren prominente Vertreter der Soziallist Eduard Bernstein, der ungarische Philosoph Georg Lukács, Rosa Luxenburg, die Austromarxisten Rudolf Hilferding, Otto Bauer, Karl Renner, sowie andere.

Ein prägender Theoretiker der frühen Stunde der Neomarxismus bzw. des „westlichen Maxismus“ war der Italiener Antonio Gramsci (1891-1937). Der von Benito Mussolini inhaftierte Kommunistenführer Gramsci erkannte, nachdem in Italien die Faschisten und nicht seine Marxisten an die Macht gekommen waren, dass „der Kampf um die kulturelle Hegemonie gewonnen werden müsse“[6]. Die späteren neomarxistischen „68er“ verstanden sich als Adepten von Gramsci.

1. „Strategiekorrektur“

Gramsci sah im Staat nicht den bloßen Zwangsapparat oder die Diktatur einer Klasse, sondern zuallererst die Aufrechterhaltung von Macht durch Erziehungswesen, Kirche, Medien und anderen Institutionen. Diese Machtverhältnisse galt es zu unterwandern, um den Kommunismus zu realisieren. Bestimmend für das politische Handeln ist daher nach Gramsci die Interpretation[7] der gesellschaftlichen Verhältnisse. Diese Auffassung Gramscis stellt eine entscheidende Änderung in der Ideengeschichte des Marxismus dar. Gramscis Ansicht nach ist die „Herrschaft über die Geister die eigentliche Wurzel der Herrschaft in der Welt“[8]. Also hat demnach nicht, wie Marx es sah, das materielle Sein das Bewusstsein, sondern „idealistisch“ das Bewusstsein das gesellschaftliche Sein gestaltet. Der Sozialismus ist seit Gramsci nicht mehr ein orthodoxes Lehrgebäude, das ausschließlich die „Doktrin der Staatswirtschaft zur Mutter“[9] hat. Gramsci entwickelte einen neuen Marxismus.

Für Gramsci ist weiters der Marxismus eine Philosophie der Praxis, die zwangläufig auf die Verwirklichung der menschlichen Freiheit hinsteuere. Er vertritt damit wie Marx die Auffassung, dass die Geschichte ehernen Naturgesetzen gehorche, die auf den Zusammenbruch des „kapitalistischen“ Systems hinsteuere und in einer kontinuierlichen Entwicklung in einer „Freiheit des Proletariats“ enden solle. Dieser Sozialismus soll, nach Gramsci jedoch, nicht mehr durch die Arbeiterklasse, sondern durch Intellektuelle, einer „Vorhut der Arbeiterklasse“ (oder „Avantgarde des Proletariats“) organisiert, kontrolliert und in zunehmendem Maß realisiert werden. Diese „kollektiven Intellektuellen“ haben die Aufgabe die marxistische Philosopie ins Alltagsbewusstsein zu „übersetzen“. Diese Vorstellung zieht sich wie ein roter Fader durch alle neomarxistischen Ideen.

2. Gramscis Hegemoniekonzept

Antonio Gramsci erarbeitete ein facettenreiches Konzept zum Verhältnis von politischer Macht und Hegemonie. Hegemonie versteht sich nach Gramsci als „ein Typus von Herrschaft, der im Wesentlichen auf der Fähigkeit basiert, eigene Interessen als gesellschaftliche Allgemeininteressen zu definieren und durchzusetzen“[10]. Die Orte der Auseinandersetzungen um Hegemonie bezeichnete Gramsci als Zivilgesellschaft. Seinen Überlegungen zur Folge sollen weltanschauliche Auffassungen durch „kollektive Intellektuelle“ im widerständischen und demokratischen Kampf eine kulturellen Hegemonie erreichen. Der Verlust der kulturellen Hegemonie untergräbt nach Gramsci die herrschende Macht, ihr Gewinn dagegen schafft erst die Möglichkeit zur politischen Herrschaft. Dabei reicht die kulturelle Hegemonie nach Gramsci bis in die Formen der Alltagskultur oder auch des Glaubens.[11]

III. „Wegmarkierung“ – Die Frankfurter Schule

Theodor Adorno, Max Horkheimer, Herbert Marcuse und auch Jürgen Habermas haben dem Marxismus nach Gramsci „neues Leben eingehaucht“[12]. Sie sind die Protagonisten der so genannten „Frankfurter Schule“. Der Kern ihres Neomarxismus ist die „kritische Theorie“ (oder auch „Kritische Gesellschaftstheorie“), die auch als radikalisierte und unorthodoxe Spielart des Marxismus angesehen werden kann. Ihr Anliegen ist eine ideologiekritische Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen und historischen Bedingungen der Theoriebildung. Die Vertreter dieser Schule versuchten, die politische Ökonomie von Marx mit den Erkenntnissen der Sozialwissenschaften und der Psychoanalyse zu einer Kritik der kapitalistischen Gesellschaft zu verbinden. Mit Kritik und Erkenntnis ist zugleich der Anspruch verbunden, die gesellschaftlichen Verhältnisse zu verändern.

Die „Frankfurter Schule“ geht auf das ursprünglich von Horkheimer und Adorno 1923 begründet Frankfurter Institut für Sozialforschung zurück. Es übersiedelte 1933 nach Genf, später nach Paris, Los Angeles und New York um 1950 in Frankfurt wieder gegründet zu werden. Ihr Hauptorgan war die „Zeitschrift für Sozialforschung“ und als Hauptwerk der Schule gilt die Essay-Sammlung „Dialektik der Aufklärung “. Sie leistete einen großen Beitrag zur Entnazifizierung und Umerziehung der Deutschen nach dem zweiten Weltkrieg. Sie war der wichtigste Ideengeber der „68-Bewegung“ und übt bis heute einen nicht unbeachtlichen Einfluss auf das Geistesleben Deutschlands, Europas und auch der USA aus. Der Marxismus der „Frankfurter Schule“ prägt die politische Linke und linke Intellektuelle bis heute.

1. Die Theorie

In der „Frankfurter Schule“ versammelten sich nun vor allem undogmatische Marxisten und scharfe Kapitalismuskritiker, die davon ausgingen, dass in der marxistischen Orthodoxie der kommunistischern Parteien oft nur noch eine beschränkte Auswahl der Ideen von Karl Marx aufgenommen wurden. Vor dem historischen Hintergrund des Scheiterns der Revolutionen der „Arbeiterbewegung“ nach dem Ersten Weltkrieg und des Aufstiegs des Nationalsozialismus in einer ökonomisch, technologisch und kulturell veränderten Nation begannen Adorno, Horkheimer und Marcuse die marxistischen Gedanken daraufhin zu untersuchen, inwiefern sie zur Analyse der neuen sozialen Verhältnisse geeignet seien, die zu Marx’ Lebzeiten noch nicht bestanden hatten.

[...]


[1] Anmerkung: Wird mit „Kapitalismus“ ein Wirtschaftssystem bezeichnet, das die grundlegende Rolle des Unternehmens, des Marktes, des Privateigentums und der daraus folgenden Verantwortung für die Produktionsmittel, der freien Kreativität des Menschen im Bereich der Wirtschaft anerkennt, dann ist diese Entwicklung positiv zu beurteilen. In diesem Zusammenhang wäre es passender einfach von „Markwirtschaft“ oder „freier Wirtschaft“ zu sprechen. Wird aber unter „Kapitalismus“ ein System verstanden, in dem die wirtschaftliche Freiheit nicht in eine feste Rechtsordnung eingebunden ist und sich die Beteiligten nicht in den Dienst höherer Werte stellen, wie u.a. die Bewahrung der Schöpfung, dem Einsatz für Arme oder einem Interessenausgleich zwischen Kapital und Arbeiter, dann ist dieser Begriff negativ zu verstehen.

Vgl.: Papst Johannes Paul II.: Enzyklika Centesimus Annus

[2] Eine liberale Weltanschauung hat wie jede linke, ein aufklärerisch-individualistisches Menschenbild zur Grundlage. Siehe: Philosophische Vorbemerkung zum Marxismus.

[3] Karl Marx selbst verstand seine Theorie nicht als Philosophie, sondern als „wissenschaftliche Weltanschauung“.

[4] Im Gegensatz zum christlichen Menschenbild der gefallenen Natur („Erbsünde“). Der deutsche Philosoph und Gegenspieler der „Frankfurter Schule“ Arnold Gehlen definiert den Menschen als ein „Mängelwesen“, das der Stütze der Institution bedarf.

[5] Die Französische Revolution führte mit 400.000 Todesopfern zum größten Massenmord in der Geschichte Frankreichs. Die Oktober Revolution und der Kommunismus als Kind der Französische Revolution brachten weltweit 80 Million Menschen um ihr Leben. Vgl.: Stéphane Courtois: Das Schwarzbuch des Kommunismus.

[6] Antonio Gramsci, in: Philosophie der Praxis, Seite 78.

Diese Überzeugung ist auch Kernbestand des Maoismus.

[7] Gramsci kehrt damit von Marx’ bekannten Leitsatz, „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an, sie zu verändern“, ab.

[8] Antonio Gramsci, in: Zur Politik, Geschichte und Kultur, Seite 34.

[9] Donoso Cortes, in: Der Abfall vom Abendland, Seite 62.

[10] Antonie Gramsci, in: Gefängnishefte 7, Seite 1583.

[11] Diese Konzepte Gramscis werden auch von der politischen Rechten aufgegriffen.

[12] Rolf Wiggershaus, in: Die Frankfurter Schule, Seite 42.

Fin de l'extrait de 18 pages

Résumé des informations

Titre
Der Neomarxismus - Eine Auseinandersetzung aus christlich-konservativer Weltanschauung
Université
University of Vienna  (Politikwissenschaft Wien)
Cours
Hegemonie und Gouvernementalität
Note
2,5
Auteur
Année
2004
Pages
18
N° de catalogue
V64072
ISBN (ebook)
9783638569699
ISBN (Livre)
9783638685054
Taille d'un fichier
558 KB
Langue
allemand
Annotations
Der Neomarxismus von Antonie Gramsci über die Frankfurter Schule zur Politischen Korrektheit. Mit einer Beurteilung aus christlich-konservativer Weltanschauung.
Mots clés
Neomarxismus, Weltanschauung, Christlich-konservativ
Citation du texte
Christian Machek (Auteur), 2004, Der Neomarxismus - Eine Auseinandersetzung aus christlich-konservativer Weltanschauung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64072

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