Als das Pariser Goethe-Institut im April 1981 zu einer Debatte über Text und Interpretation einlud, trafen die verschiedenen Denkrichtungen der Dekonstruktion und der Hermeneutik zum ersten Mal direkt aufeinander. Deren Hauptvertreter Jacques Derrida und Hans-Georg Gadamer sollten dabei ihre Auffassungen von Text und Interpretation vorstellen und in einen Dialog miteinander treten. Der Verlauf dieser Debatte war jedoch unbefriedigend, da es zu keiner rechten Verständigung kam. Die Gründe für dieses Missverstehen liegen in den unterschiedlichen Konzeptionen des Verstehensprozesses selber.
Ein Ziel dieser Seminararbeit ist es daher, die wesentlichen Unterschiede der beiden Denkansätze anhand der Pariser Debatte herauszuarbeiten. Der Schwerpunkt wird dabei auf Gadamers Verstehensbegriff liegen, dessen Position aber später gegen Derridas dekonstruktivistischen Ansatz abgegrenzt werden soll. Aus dieser Konstellation ergibt sich die zentrale Fragestellung dieser Arbeit: Wie sieht der konkrete Verstehensbegriff Gadamers aus und wie kann er gegen die Position Derridas abgegrenzt werden? Wo sind Gemeinsamkeiten und wo bestehen unüberbrückbare Differenzen?
Gadamers Verstehenskonzeption soll hauptsächlich anhand seines Pariser Vortrags Text und Interpretation erläutert werden. Als Vertiefung werden jedoch zusätzlich auch weitere von ihm verfasste Texte herangezogen. Die Grundlagen seiner ‚Universalhermeneutik’ schrieb Gadamer 1960 in seinem Hauptwerk Wahrheit und Methode nieder. Dieses wurde zunächst verstärkt in religiösen Kreisen gelesen, schaffte dennoch bald auch den Durchbruch in der Philosophie und brachte Gadamer schließlich die Reputation als wichtigster Vertreter der Hermeneutik der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts ein. Diese erste umfangreiche Ausformulierung seines eigenen Denkens war die groß angelegte Skizzierung einer philosophischen Hermeneutik. Den Schwerpunkt legte Gadamer, um den Titel zu erklären, mehr auf Wahrheit als auf Methode und bezog sich in weiten Teilen auf die Theorien seines ehemaligen Lehrers Martin Heidegger.
Vor diesem Hintergrund erscheint es wichtig, zunächst kurz auf Heidegger einzugehen, da auch Derrida für seine Dekonstruktion beansprucht, in der Nachfolge Heideggers zu stehen. Das erste Kapitel widmet sich folglich den Grundlagen Gadamers Hermeneutik mit Bezug auf Heideggers Existenzialphilosophie.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Gadamer und Derrida in der Nachfolge Heideggers
- Gadamers Konzeption des Verstehensbegriffs in, Text und Interpretation'
- Derridas Kritikpunkte an der hermeneutischen Position:,Guter Wille zur Macht' oder,Macht des Guten Willens'?
- Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Seminararbeit zielt darauf ab, die zentralen Unterschiede zwischen Gadamers hermeneutischer und Derridas dekonstruktivistischer Position im Hinblick auf den Verstehensprozess anhand der Pariser Debatte über Text und Interpretation herauszuarbeiten. Dabei liegt der Schwerpunkt auf Gadamers Verstehensbegriff, der im Kontext von Derridas Dekonstruktion beleuchtet werden soll.
- Analyse von Gadamers Verstehensbegriff im Kontext seiner „Universalhermeneutik“
- Gegenüberstellung von Gadamers und Derridas Positionen im Hinblick auf Text und Interpretation
- Untersuchung der Gemeinsamkeiten und Differenzen zwischen Hermeneutik und Dekonstruktion
- Bewertung der Ergebnisse der Pariser Debatte und die Gründe für das fehlende Verstehen
Zusammenfassung der Kapitel
- Das erste Kapitel beleuchtet die Grundlagen von Gadamers Hermeneutik im Kontext von Heideggers Existenzialphilosophie.
- Das zweite Kapitel analysiert Gadamers Verstehensbegriff anhand seines Pariser Vortrags „Text und Interpretation“ und beschreibt den Ablauf des Verstehensprozesses zwischen Leser und Text.
- Das dritte Kapitel setzt sich mit Derridas Kritik an Gadamers hermeneutischer Position auseinander und verdeutlicht die Unterschiede zwischen beiden Denkansätzen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Schlüsselbegriffe Hermeneutik, Dekonstruktion, Verstehen, Text und Interpretation, sowie auf die relevanten Theorien von Hans-Georg Gadamer und Jacques Derrida im Kontext der Pariser Debatte über Text und Interpretation.
- Quote paper
- Tobias Herbst (Author), 2006, Die unwahrscheinliche Debatte - Gadamers Verstehensbegriff in Abgrenzung zu Derridas Position der Dekonstruktion, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64414