Hospiz und Sterbebegleitung - Sterben als letzte Lebensphase in Würde


Dossier / Travail de Séminaire, 2006

22 Pages, Note: 2,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Sterben heute

3 Hospiz – was ist das
3.1. Der Hospiz-Gedanke
3.2. Die Hospizbewegung in Deutschland

4 Palliativmedizin als Voraussetzung für ein würdiges Sterben

5 Die verschiedenen Hospizangebote
5.1. Hospizinitiativen
5.2. Tageshospize
5.3. Das stationäre Hospiz
5.4. Der ambulante Hospizdienst

6 Die ehrenamtliche Arbeit im Hospizdienst
6.1 Der Gabentausch
6.2 Grenzprobleme von Nähe und Distanz in der ehrenamtlichen Hospizarbeit

7 Sterbebegleitung als Alternative zur aktiven Sterbehilfe?

8 Fazit und Ausblick

9 Literatur und Internetquellen

10 Anhang

1 Einleitung

„Der Tod scheint das Ereignis im Leben zu sein, auf welches wir uns am wenigsten vorbereiten – und dabei ist er das sicherste Ereignis in unserem Leben.“

(Autor unbekannt)

Heutzutage stellen Sterben und Tod in unserer Gesellschaft Tabuthemen dar. Jeder kann selbst diese Beobachtung machen, wenn er einmal diese Themen anspricht, gerade so, als seien sie etwas ganz Alltägliches. Dabei lassen sich nämlich sehr interessante Reaktionen beobachten. Menschen werden nervös, verziehen erschrocken das Gesicht, klopfen auf Holz, oder versuchen möglichst schnell ein anderes Thema zur Sprache zu bringen. Es scheint ein unheimliches Unbehagen auszulösen sich länger als nur unbedingt nötig mit dem „sichersten Ereignis in unserem Leben“ auseinander zu setzen. Welche Auswirkungen diese Einstellung zu Sterben und Tod auf deren Stellung in unserer Gesellschaft hat und welche Folgen dies für die Betreuung und Pflege von Menschen am Ende ihres Lebens mit sich bringt, ist Thema dieser Arbeit.

Dabei werden zunächst die heutigen Sterbeverhältnisse in Deutschland geschildert und dargestellt, wie sich hieraus die Notwendigkeit für alternative Versorgungssysteme wie die hospizliche Versorgung für Schwerstkranke und Sterbende ergibt. Im Anschluss wird, mit einem kurzen Abriss über dessen Entstehungsgeschichte, das Hospiz-Konzept vorgestellt, wobei insbesondere die Idee, welche hinter dem Begriff „Hospiz“ steckt, verdeutlicht wird. Gesondert wird auf die palliativmedizinische Versorgung eingegangen, welche zwar einen Bestandteil der Hospizarbeit darstellt, jedoch durch ihre unentbehrliche Wirkung besondere Aufmerksamkeit verdient. Im Folgenden werden die unterschiedlichen Formen von Hospizen beschrieben und deren heutige Verbreitung in Deutschland aufgezeigt. Daraufhin wird die ehrenamtliche Arbeit im Hospiz behandelt. Hierbei wird die Motivation einer solchen Tätigkeit nachzugehen untersucht und in diesem Zusammenhang auf die These des Gabentauschs von Marcel Mauss eingegangen. Außerdem werden die spezifischen Problemfelder der ehrenamtlichen Tätigkeit im Hospiz dargestellt.

Am Ende wird kurz in die aktuelle Diskussion von aktiver Sterbehilfe vs. Sterbebegleitung eingestiegen und herausgestellt, inwieweit Sterbebegleitung tatsächlich eine Alternative zur aktiven Sterbehilfe sein kann. Abgeschlossen wird diese Arbeit mit einem Ausblick auf die Zukunft der Sterbebegleitung in Deutschland.

2 Sterben heute

Der Zeitpunkt und die Form des Sterbens haben sich im Laufe der Menschheitsgeschichte entscheidend geändert. Hierbei wird auch oft von dem „Wandel von der unsicheren zur sicheren Lebenszeit“ (Imhof, 1996, S. 14) gesprochen. Im Laufe der letzten Jahrhunderte haben sich die ökologische und die physiologische Lebenserwartung aneinander angenähert (vgl. S. 12). Allein im Laufe der letzten 35 Jahre des 20. Jahrhunderts ist die durchschnittliche Lebenserwartung bei den Männern von 67,6 auf 75,1 Jahre und bei den Frauen von 73,5 auf 80,9 Jahre gestiegen (vg. BiB, 2004, S. 41).[1] Schaut man sich die fernere Lebenserwartung 60 jähriger Männer und Frauen heutzutage an, so liegt sie bei einer 60 jährigen Frau bei 24,08 Jahren und bei einem 60 jährigen Mann bei 20,5 Jahren. Auch in den letzten Jahren lässt sich weiterhin ein kontinuierlicher Anstieg der durchschnittlichen ferneren Lebenserwartung beobachten.[2] Nach einer Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes vom Jahr 2003 wird im Jahr 2050, die Hälfte der Bevölkerung älter als 48 Jahre und ein Drittel 60 Jahre oder älter sein.[3] Unsere Gesellschaft altert also und der Todeszeitpunkt wird immer weiter nach hinten verlagert. Wenn also das durchschnittliche Sterbealter immer weiter steigt, bedeutet dies zugleich, dass es gerade in Zukunft immer mehr Menschen geben wird, die am Ende ihres Lebens pflegebedürftig sein werden und daher der Hilfe anderer bedürfen.

Ein weiterer grundsätzlicher Wandel hat sich in den Todesursachen vollzogen. Diese sind heute mehrheitlich ganz andere als noch vor 100 Jahren. Wenn es früher hauptsächlich die Infektionskrankheiten waren denen die Menschen erlagen, so stirbt heute knapp die Hälfte der Menschen an Krankheiten des Kreislaufsystems und ca. ein Viertel an Bösartigen Neubildungen wie Krebserkrankungen der Atmungs- und Verdauungsorgane (vgl. BiB, 2004, S. 46). Durch die Entwicklung der Medizin haben sich die Letalitäten verändert und somit auch die Sorgen der Menschen an bestimmten Erkrankungen zu sterben.

Die Angst vor einem verfrühten Tod wird heute oftmals abgelöst, durch die Angst am Ende des Lebens entwürdigt zu werden. Viele Menschen fürchten sich davor, durch die moderne Apparatemedizin ungewollt Opfer einer künstlichen Lebensverlängerung zu werden (vgl. Honecker, 2001, S. 7). Noch essentieller ist die Angst davor, am Ende des Lebens einer unnötigen Leidensverlängerung ausgesetzt zu sein. „Die Lebenserwartung ist größer geworden, die Fähigkeit Leid zu ertragen, geringer“ (Klaschik, 2001, S. 38). Nicht zuletzt spielt auch die Angst vor Entmündigung im Zusammenhang mit dem eigenen Sterben eine große Rolle bei der Befürwortung von Sterbehilfe.

Die heutige Angst vor dem Sterben lässt sich zusammenfassen als die

- Angst vor Abhängigkeit
- Angst vor Isolation
- Angst vor Kontrollverlust
- Angst vor ungelebtem Leben
- Angst vor Schmerzen

(vgl. Podiumsgespräch, 1996, S. 45)[4]

Früher gab es die ars moriendi, welche die Menschen auf den Tod und das Sterben vorbereitete. Heute ist diese Art der Sterbevorbereitung verloren gegangen und eine nähere und intensivere Beschäftigung mit dem Tod bleibt einem Großteil der Menschen weitgehend erspart. Umso dramatischer ist es, wenn doch einmal jemand im näheren Umfeld stirbt oder man gar selbst die Diagnose einer unheilbaren Krankheit erhält. Es gibt keine Rituale mehr, die Verhaltensweisen aufzeigen, wie man mit solchen Krisensituationen umzugehen hat. In unserer Gesellschaft ist es auch immer mehr in den Hintergrund getreten, sich mit der eigenen Endlichkeit auseinanderzusetzen. Wie würde das auch zusammenpassen, mit der von den Medien angepriesenen Bekämpfung jeglicher Zeichen der Alterung, mit unserer „sonnengebräunten, dynamischen Macher-Gesellschaft mit Jugendideologie“ (S. 49)[5] und mit den Möglichkeiten der modernen Medizin? Die Heilserwartungen an die Wissenschaft und Medizin sind enorm und steigend, wohingegen die Akzeptanz von Krankheiten immer mehr abnimmt (vgl. Student, 1999, S. 33). So verbringen viele Menschen ihren letzten Lebensabschnitt damit, auch die letzte Therapiemöglichkeit auszuschöpfen und klammern ihre Hoffnungen bis zum letzten Atemzug an eine Heilung.

Das Sterben geschieht dabei hauptsächlich in der Institution Krankenhaus. Dort gehen heute viele Menschen den letzten Gang alleine. Oft fühlen sich Angehörige damit überfordert die Pflege von Schwerstkranken und Sterbenden zu übernehmen und mit der Veränderung der Familienstrukturen ist auch die Selbstverständlichkeit der Pflege von Angehörigen verlorengegangen. Durch die Institutionalisierung des Sterbens fühlen sich die Familieangehörigen von Sterbenden oftmals auch einfach nicht dafür zuständig oder unfähig die Fürsorge zu übernehmen (vgl. Gronemeyer, 2005, S. 211). Vor einem Jahrhundert noch starben gerade einmal 10% der Menschen in Deutschland in einem Krankenhaus (vgl. S. 210). Seitdem hat sich das Verhältnis umgedreht und eine große Diskrepanz lässt sich feststellen, wenn man bedenkt, dass 90% aller Menschen heute in Krankenhäusern und anderen Institutionen wie Alten- oder Pflegeheimen sterben, aber ebenso viele gerne zu Hause in ihrer vertrauten Umgebung sterben wollen. Wenn sich also ein Großteil der Menschen aus bestimmten Gründen nicht dazu in der Lage fühlt das häusliche Sterben zu ermöglichen, ein mindestens so großer Teil jedoch das häusliche Sterben wünscht, so entsteht daraus ein Defizit an Versorgungsangeboten für die letzte Phase im Leben.

Um dieses Defizit auszugleichen und dem kulturell verankerten Wunsch nach einem Sterben zu Hause entgegen zu kommen, hat sich die Hospizbewegung entwickelt. Auch wenn nicht alle Formen von Hospizen dem Wunsch zu Hause, in vertrauter Umgebung zu sterben nachkommen können, so ist es doch das eigentliche Ziel der Hospizarbeit das Sterben zu Hause in unserer heutigen Gesellschaft erneut möglich zu machen.

3 Hospiz – was ist das?

Bei einer Emnid-Umfrage aus dem Jahr 1999 kannte nur ein Viertel der deutschen Bevölkerung den Begriff „Hospiz“. Dennoch stellt dieser Begriff kein Novum dar. Ganz im Gegenteil, Hospize als Herbergen für Pilger, Bedürftige, Kranke und Sterbende gab es schon vor über 2000 Jahren. Hierbei ist es auch interessant und oft vergessen sich bewusst zu machen, dass sich die „Idee Krankenhaus“ aus der „Idee Hospiz“ entwickelt hat und nicht andersherum (vgl. Ludewig-Thaut, 2001, S. 29).

Auch heute sollen Hospize „eine Raststätte für schwerstkranke und sterbende Menschen“ (Podiumsdiskussion, 1996, S. 41)[6] sein. Vor allem aber stellt Hospiz eine Idee dar, einen Gedanken, der nicht unbedingt Institutionen braucht um verwirklicht zu werden. Es handelt sich hierbei um eine andere Einstellung zum Sterben, als sie in der Gesellschaft heute vorherrscht (S. 47)[7].

3.1 Der Hospiz-Gedanke

Hospiz ist wie erwähnt, ein Konzept, eine Haltung, eine Einstellung. So wird das Sterben nicht als Krankheit begriffen, sondern als eine Lebensphase - nämlich die Letzte. Das Sterben wird auch nicht mit dem Tod gleichgesetzt, sondern führt zu diesem hin und kann einen wichtigen Abschnitt im Leben darstellen. Das Leben wird also als eine natürliche Einheit von der Geburt bis zum Tod gesehen (vgl. Döring, 2002, S. 19). Daher ist es auch das Bestreben den Tod und das Sterben aus seiner Tabuzone herauszuholen und wieder in das normale Leben zu integrieren. Man könnte hier auch von einer Entdramatisierung des Sterbens sprechen, wobei der Tod einfach als das natürliche Ende eines jeden Lebens gesehen wird.

Der Hospiz-Gedanke geht davon aus, dass durch die Verdrängung der eigenen Endlichkeit und die Enthäuslichung des Sterbens, in unserer heutigen Gesellschaft, Menschen in ihrer letzten Lebensphase besonderer Unterstützung und Begleitung bedürfen. Dabei wird auch auf die religiösen und spirituellen Bedürfnisse der Sterbenden eingegangen und sie werden unabhängig von ihrer Weltanschauung begleitet. Die Wünsche Sterbender werden als individuell unterschiedlich angenommen und anerkannt. Dennoch lassen sich einige Grundtendenzen erkennen, welche aufgrund von Erfahrungen von Pflegekräften und Befragungen von Sterbenden als Grundbedürfnisse Sterbender angenommen werden können:

- Der Wunsch in der letzten Lebensphase nicht allein gelassen zu werden.
- Der Wunsch in einer vertrauten Umgebung, vorzugsweise zu Hause, sterben zu können.
- Der Wunsch bis zum Ende schmerzfrei und mit möglichst wenig körperlichen Beschwerden leben zu können.
- Der Wusch letzte Dinge zu regeln.
- Der Wunsch die Frage nach dem Sinn des Lebens und was nach dem Tod kommt stellen zu dürfen.

(vgl. Student, 1999, S. 23; Klaschik, 2001, S. 38)

Diese Wünsche werden respektiert und so weit wie möglich in die hospizliche Betreuung einbezogen und damit eine menschenwürdige Sterbebegleitung praktiziert. Die Würde des Menschen spielt also die zentrale Rolle in der Hospizarbeit. In der Sterbebegleitung wird versucht den Menschen bis zur letzten Stunde leben zu lassen und dessen sozialen Tod zu verhindern (vgl. Podiumsgespräch, 1996, S. 43)[8].

Außerdem wird davon ausgegangen, dass durch die Ermöglichung eines schmerzfreien und somit würdevollen Todes das Sterben als Abschiednehmen erfahren werden kann und so zu etwas Wertvollem wird. Hieraus resultiert auch eines der Gegenargumente zur aktiven Sterbehilfe (s. Kapitel 7).

[...]


[1] Die Daten beziehen sich auf das frühere Bundesgebiet. In den neuen Ländern liegt der Wert mit 73,5 Jahre für
Männer und 80,4 Jahren, im Jahr 2000, für Frauen etwas unter den westdeutschen Werten.

[2] Vgl. http://www.destatis.de/basis/d/bevoe/bevoetab3.php.

[3] Vgl. http://www.destatis.de/presse/deutsch/pm2003/p2300022.htm

[4] Teilnehmerin Petra Muschaweck-Kürten

[5] Teilnehmerin Renate Wiedemann

[6] Teilnehmerin Sr. Reginalda Kuss

[7] Teilnehmerin Petra Muschaweck-Kürten,

[8] Teilnehmerin Sr. Reginalda Kuss

Fin de l'extrait de 22 pages

Résumé des informations

Titre
Hospiz und Sterbebegleitung - Sterben als letzte Lebensphase in Würde
Université
University of Augsburg
Cours
Die gesellschaftliche Ordnung des Lebensendes - Sterben und Tod in kultursoziologischer Sicht
Note
2,3
Auteur
Année
2006
Pages
22
N° de catalogue
V64694
ISBN (ebook)
9783638574426
ISBN (Livre)
9783656776055
Taille d'un fichier
757 KB
Langue
allemand
Mots clés
Hospiz, Sterbebegleitung, Sterben, Lebensphase, Würde, Ordnung, Lebensendes, Sterben, Sicht
Citation du texte
Ines Weihing (Auteur), 2006, Hospiz und Sterbebegleitung - Sterben als letzte Lebensphase in Würde, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64694

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