Nach wie vor wird die rechtsextremistische Szene in Deutschland von Männern dominiert, dennoch hat die Beteiligung von Frauen und Mädchen in den vergangen Jahren zugenommen. Im Bereich der organisierten rechtsextremen Gruppierungen, Kameradschaften und Cliquen wird der derzeitige Frauenanteil auf bis zu 30% geschätzt. Statistisch belegt ist dagegen die Beteiligung von Frauen und Mädchen an Gewalttaten mit rechtsextremistischer Motivation. Diese lag seit 1980 unter 5%. Seit geraumer Zeit wird in diesem Bereich eine Steigerung von bis zu 10% verzeichnet. Ebenfalls zugenommen in den letzten Jahren hat der Frauenanteil in rechtextremistischen Parteien. Mitte der 90er Jahre betrug der Anteil von Frauen im Durchschnitt 14%, während im Jahre 2001 fast 20% weibliche Mitglieder in rechtsextremen Parteien zu verzeichnen waren. (Vgl. Grumke / Wagner: 2002: 87ff)
Betrachtet man das Alter der in der rechtsextremistischen Szene aktiven Frauen, so stellt sich heraus, dass sie im Durchschnitt jünger sind als Männer. Nach einer Studie von 1997 sind fast 50% der Frauen unterhalb der Volljährigkeitsgrenze. Bei der Untersuchung der Herkunft von Frauen, die im Zusammenhang mit Gewalttaten auffällig wurden, ergab sich eine überraschend gleiche Verteilung in West- und Ostdeutschland. Zu bedenken ist jedoch, dass im Osten ein weitaus geringerer Teil der Bevölkerung ansässig ist und somit der Anteil insgesamt höher als im Westen ist. (Vgl. Wahl: 2001: 27ff) Trotz des Ansteigens rechtsextremer Orientierungen bei Frauen und Mädchen in der Bundesrepublik gibt es bis heute relativ wenig Studien und Publikationen, in denen Rechtsextremismus geschlechtsspezifisch untersucht wird. Nur wenige Studien setzen sich damit auseinander, wie und warum rechtsextremistische Orientierungen bei Mädchen und Frauen zunehmend an Bedeutung gewinnen. Das Essay beschäftigt sich mit diesen Fragen. Es will über die Entstehungsursachen von rechtsextremistischen Einstellungen bei Frauen und Mädchen Auskunft geben. Hierbei werden mehrere Erklärungsansätze dargestellt, die versuchen dem Phänomen des ansteigenden Frauenanteils in der rechtsextremistischen Szene auf den Grund gehen.
Eine Untersuchung von Ursula Birsl (1994: 188) ergab, dass weibliche Jugendliche mit niedrigem Schulabschluss und aus der sozialen Schicht der Facharbeiter oder Arbeiterfamilien stammen häufiger zum Rechtsextremismus neigen als Mädchen und Frauen mit höher qualifizierten Schulabschlüssen und aus Familien leitender Angestellter.
Inhaltsverzeichnis
- Frauen und Rechtsextremismus
- Die Entstehung rechtsextremistischer Einstellungen bei Frauen
- Handlungsspielraum
- Lebensgestaltungsspielraum
- Spielraum zur Verwirklichung von Aspirationen
- Spielraum zur sozialen Partizipation
- Spielraum zur politischen Partizipation
- Ursachen rechtsextremistischer Orientierungen bei Frauen
- Doppelte Vergesellschaftung und Konfliktlagen
- Die Rolle der Immigrations- und Asylpolitik
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Essay untersucht die Gründe, warum Frauen und Mädchen immer häufiger rechtsextremistische Einstellungen annehmen. Er analysiert verschiedene Erklärungsansätze, die versuchen, das Phänomen des zunehmenden Frauenanteils in der rechtsextremistischen Szene zu erklären.
- Soziale und ökonomische Ursachen für rechtsextremistische Einstellungen bei Frauen
- Der Einfluss von Geschlechterrollen und Familienplanung auf die Orientierung zum Rechtsextremismus
- Die Rolle von Immigration und Asylpolitik als Katalysator für rechtsextreme Orientierungen
- Der Einfluss individueller Lebensentwürfe und Biografien auf rechtsextremistische Orientierungen
- Die Bedeutung von sozialen und politischen Teilhabemöglichkeiten für die Vermeidung rechtsextremistischer Einstellungen
Zusammenfassung der Kapitel
- Das erste Kapitel beleuchtet das Phänomen des zunehmenden Frauenanteils in der rechtsextremistischen Szene und führt in die Thematik des Essays ein. Es werden statistische Daten zu Frauen und Mädchen in rechtsextremen Gruppen und Parteien vorgestellt.
- Das zweite Kapitel untersucht die Entstehung rechtsextremistischer Einstellungen bei Frauen und Mädchen anhand der Studie von Ursula Birsl. Sie identifiziert fünf Handlungsspielräume, die die Orientierung zum Rechtsextremismus bei Frauen beeinflussen: Handlungsspielraum, Lebensgestaltungsspielraum, Spielraum zur Verwirklichung von Aspirationen, Spielraum zur sozialen Partizipation und Spielraum zur politischen Partizipation.
- Im dritten Kapitel wird der Erklärungsansatz von Birgit Meyer beleuchtet, der die Ursachen rechtsextremistischer Einstellungen in den sozialen und ökonomischen Umwälzungen der letzten Jahrzehnte sieht. Insbesondere die Angst vor Arbeitslosigkeit und die Unkalkulierbarkeit der Lebensgestaltung spielen in diesem Zusammenhang eine Rolle.
- Das vierte Kapitel stellt den Erklärungsansatz von Renate Bitzan vor, die die These der Arbeitslosigkeit als Ursache rechtsextremistischer Orientierungen in Frage stellt. Sie argumentiert, dass die „doppelte Vergesellschaftung“ von Frauen, die sich im Beruf und in der Familie verwirklichen wollen, zu Konflikten führt, die auf Fremde projiziert werden und so rechtsextremes Gedankengut fördern.
- Das fünfte Kapitel befasst sich mit der Rolle der Immigrations- und Asylpolitik als Motiv für den Eintritt von Frauen in rechtsextremistische Parteien. Christine Holzkamp zeigt in ihrer Untersuchung, dass die politische Forderung nach einer restriktiven Immigrationspolitik bei Frauen mit persönlichen Lebenssituationen und beruflichen Erfahrungen verbunden ist.
Schlüsselwörter
Rechtsextremismus, Frauen, Mädchen, Einstellungen, Orientierungen, soziale Ursachen, ökonomische Ursachen, Geschlechterrollen, Familie, Arbeitslosigkeit, Desorientierung, Immigrationspolitik, Asylpolitik, politische Partizipation, soziale Teilhabe, Lebensentwürfe.
- Citation du texte
- Melanie Lüdtke (Auteur), 2004, Frauen und Rechtsextremismus - Warum immer mehr Frauen rechtsextremistische Einstellungen annehmen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64912