Die labyrinthische Bibliothek in Umberto Ecos "Der Name der Rose"


Dossier / Travail, 2006

13 Pages, Note: 2


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Bibliothek im Namen der Rose
2.1 Die Bibliothek als Labyrinth
2.1.1 Gefährliche Literatur
2.1.2 Verschleierung des Wissens
2.1.3 Der eigentliche Bibliothekar und Machthaber
über das Wissen

3. Die Motive des Autors
3.1 Ecos Negativmodell der Bibliothek
3.2 Vergleiche zu Jorge Luis Borges sowie zu seiner Erzählung
Die Bibliothek von Babel

4. Resümee

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit soll im Rahmen des Hauptseminars „Bibliotheken in der Literatur“ explizit auf die Bibliothek im Roman Der Name der Rose von Umberto Eco (Erstausgabe: 1980) eingehen und diese genauer untersuchen.

Es ist unübersehbar, dass der Bibliothek der Benediktinerabtei im nördlichen Apennin in diesem Roman, der eine Mischung aus Krimi und historischem Roman darstellt und im Jahre 1327 spielt, eine ganz zentrale Rolle zukommt:

William von Baskerville und sein Novize Adson von Melk werden darum gebeten einen seltsamen Todesfall aufzuklären. Die beiden beginnen mit ihren Recherchen, können jedoch auch weitere mysteriöse Todesfälle in der Abtei nicht verhindern. Bei ihren Ermittlungen stoßen sie immer wieder auf die reich ausgestattete aber verbotene und labyrinthische Klosterbibliothek, die offensichtlich etwas beherbergt, das im Verborgenen bleiben soll und für das jemand Morde begeht.

Wie und warum Umberto Eco diese Bibliothek so geheimnisumwoben, verwirrend, verboten und geradezu so negativ darstellt, soll im Folgenden näher dargelegt werden.

Zu diesem Zweck wird der Schwerpunkt im ersten Teil dieser Arbeit, der den Titel „Die Bibliothek im Namen der Rose“ trägt, vor allem deskriptiv auf die besondere Architektonik („Die Bibliothek als Labyrinth“), das geheimnisvolle Inventar sowie den Bibliothekar als Machthaber der Bibliothek gelegt.

Für den zweiten Teil der Hausarbeit wird auch Ecos autobiographisch gefärbter Essay Die Bibliothek herangezogen, um die Beweggründe des Autors – eine so benutzerunfreundliche Bibliothek zu erschaffen – ansatzweise interpretieren zu können. Ebenso wird untersucht, inwieweit sich Eco für seinen Roman von Jorge Luis Borges und dessen Erzählung Die Bibliothek von Babel inspirieren ließ. Demnach ist dieser Teil der vorliegenden Hausarbeit mit „Die Motive des Autors“ überschrieben.

2. Die Bibliothek im Namen der Rose

Schon zu Beginn der Erzählung wird das Aedificium, in dem sich im zweiten Geschoß die Klosterbibliothek befindet, als herausragend und gewaltig beschrieben: „Von allen anderen jedoch unterschied sich diese [Abtei] durch die Massigkeit ihres festungsartigen Aedificiums.“[1]

Doch nicht nur die Architektonik des Gebäudes imponiert, sondern vor allem die Tatsache „´[…], dass sie mehr Bücher als jede andere Bibliothek der Christenheit hat´“[2].

Ihr großes und wertvolles Inventar beeindruckt William von Baskerville stark und löst bei ihm reges Interesse aus:„`Ich wollte ohnehin schon seit langem – und das ist nicht der letzte Grund meines Besuches hier – Eure Bibliothek besichtigen, von der man bewundernd in allen Klöstern der Christenheit spricht.`“[3]

Doch Williams Unterfangen die Bibliothek zu besichtigen wird von Abt Abbo vehement abgeschmettert:

„Der Abt fuhr auf, tat fast einen Satz, und seine Züge verhärteten sich. `Ihr könnt Euch frei in der ganzen Abtei bewegen, wie ich gesagt habe. Nicht aber im Obergeschoß des Aedificiums, nicht in der Bibliothek!´“[4]

2.1 Die Bibliothek als Labyrinth

Für William und den Leser drängt sich hier nun die Frage auf, warum man eine solch wertvolle Bibliothek nicht besichtigen darf. In diesem Zusammenhang wird hier das erste Mal von einem „Labyrinth der Bücher“ gesprochen, indem nur eine Person das Geheimnis dieser Bibliothek/dieses Labyrinthes kennt:

„´Die Bibliothek ist nach einem Plan entstanden, der allen Beteiligten dunkel geblieben ist in all den Jahrhunderten, keiner der Mönche war und ist je befugt, ihn zu kennen. Allein der Bruder Bibliothekar weiß um das Geheimnis, er hat es von seinem Vorgänger erfahren und gibt es vor seinem Tode weiter an seinen Adlatus, damit, falls ein plötzlicher Tod ihn heimsucht, die Bruderschaft nicht dieses kostbaren Wissens beraubt wird. Doch beider Lippen sind versiegelt. Allein der Bibliothekar hat das Recht, sich im Labyrinth der Bücher zu bewegen, er allein weiß, wo die einzelnen Bände zu finden sind […]´“[5]

Aber Abt Abbo beruft sich hier nicht nur auf das Recht, das einzig und allein dem Bibliothekar zugesprochen wird, sich in der Bibliothek aufzuhalten, sondern ebenfalls auf die Tatsache, dass sich die Bibliothek selbst verteidige: „´Unergründlich wie die Wahrheit, die sie beherbergt, trügerisch wie die Lügen, die sie hütet, ist sie ein geistiges Labyrinth und zugleich ein irdisches. Kämt Ihr hinein, Ihr kämt nicht wieder heraus. ´“[6]

Dieser Sachverhalt ist den Brüdern der Abtei geläufig und hält Unwillkommene davon ab die Bibliothek zu betreten. Auch der alte Mönch Alinardus von Grottaferrata assoziiert mit der Bibliothek ein Labyrinth:

„`Hunc mundum tipice laberinthus denotat ille `, rezitierte der Greis versunken. `Intranti largus, redeunti sed nimis artus. Die Bibliothek ist ein großes Labyrinth, Zeichen des Labyrinthes der Welt. Trittst du ein, weißt du nicht, wie du wieder herauskommst. Man soll die Säulen des Herkules nicht antasten…`“[7]

Die hier von Umberto Eco dargestellte Bibliothek/Bücherwelt lässt sich allerdings nicht auf wahre Begebenheiten im Mittelalter zurückführen. So sagt Rolf Köhn, dass „[i]m »Namen der Rose« […] also nicht von einer wirklichen, geschichtlichen bezeugten, sondern von einer möglichen Bibliothek erzählt“[8] wird.

Weiter spricht Köhn von Paradoxien dieser imaginären Bibliothek[9]: Hier gibt es weder Türen, die verriegelt wären, und dennoch ist sie allein dem Bibliothekar zugänglich - „[d]as Verbot des Abtes ersetzt das Schloß!“[10].

Trotz des reichsten und wertvollsten Buchbestandes der damaligen Christenheit gibt es in der Abtei „´[…] jemanden, der nicht will, dass die Mönche selber entscheiden können, wohin sie gehen, was sie tun und welche Bücher sie lesen.´“[11] Dieser Tatbestand ist in sich widersprüchlich, denn „[…] Neugierde und Wissensdrang [werden] geweckt, aber nicht gestillt!“[12]

2.1.1 Gefährliche Literatur

Die Bibliothek wird folglich Besuchern verwehrt, weil sie Bücher enthält, die, da sie als „gefährlich“ eingestuft werden, nicht gelesen werden dürfen. Der Abt Abbo erklärt das wie folgt:

„`Die anderen Mönche […] haben nur Einsicht in das Verzeichnis der Bücher. Aber ein Verzeichnis besagt oft wenig, und allein der Bibliothekar kann aus der Signatur eines Buches und aus dem Grad seiner Unzugänglichkeit ersehen, welche Art von Geheimnis, von Wahrheit oder von Lüge es enthält. Er allein entscheidet, zuweilen nach Rücksprache mit mir, ob, wann und wie es dem Mönche, der es bestellt hat, auszuhändigen ist. Denn nicht alle Wahrheiten sind für alle Ohren bestimmt, nicht alle Lügen sind sofort als solche erkennbar für eine fromme Seele, […]. `“[13]

Der Bibliothekar fungiert in Eco´s Rosenroman demgemäß als Hüter des Wissens, der entscheiden kann, welche Lektüre für den Rezipienten angemessen erscheint und welche nicht.

Der amtliche Bibliothekar hier ist Malachias, jedoch zeigt sich im Nachstehenden noch, dass er nicht der wahre Hüter des Wissens ist; im Prinzip weiß er bis zu seinem Tod auch nicht, welche Geheimnisse er so beflissen bewacht.

Der Katalog der Bibliothek ist ein „voluminöse[r], mit einem goldenen Kettchen an [Malachias´] Tisch befestigte[r] Codex“[14], indem die Bücher „`nach der Reihenfolge ihres Erwerbs, ob durch Kauf oder Schenkung, das heißt nach dem Zeitpunkt ihres Eingangs in [die] Mauern`“[15] aufgeführt sind. Der Katalog enthält zwar Titel und Signatur der Lektüren, jedoch erweist es sich als ein Schwieriges die Signatur aufzuschlüsseln. So stößt auch der Erzähler Adson von Melk hier an seine Grenzen:

[...]


[1] Eco, Umberto: Der Name der Rose. Übers. von Burkhart Kroeber, 29.Aufl., München: dtv 2006. S. 40.

[2] Ebd. S. 52.

[3] Ebd. S. 52.

[4] Ebd. S. 52.

[5] Eco, Umberto: Der Name der Rose. Übers. von Burkhart Kroeber, 29. Aufl., München: dtv 2006. S. 55.

[6] Ebd. S. 56.

[7] Ebd. S. 210.

[8] Köhn, Rolf: »Unsere Bibliothek ist nicht wie die anderen…« Historisches, Anachronistisches und Fiktives in einer imaginären Bücherwelt. In: Kerner, Max (Hg.): »… eine finstere und fast unglaubliche Geschichte?«, S. 81-114, Darmstadt: Wiss. Buchges., 1988. S. 106.

[9] Vgl. ebd. S. 107.

[10] Ebd. S. 107.

[11] Eco, Umberto: Der Name der Rose. Übers. von Burkhart Kroeber, 29. Aufl., München: dtv 2006. S. 168.

[12] Köhn, Rolf: »Unsere Bibliothek ist nicht wie die anderen…« Historisches, Anachronistisches und Fiktives in einer imaginären Bücherwelt. In: Kerner, Max (Hg.): »… eine finstere und fast unglaubliche Geschichte?«, S. 81-114, Darmstadt: Wiss. Buchges., 1988. S. 107.

[13] Eco, Umberto: Der Name der Rose. Übers. von Burkhart Kroeber, 29. Aufl., München: dtv 2006. S. 55.

[14] Ebd. S. 103.

[15] Ebd. S. 106.

Fin de l'extrait de 13 pages

Résumé des informations

Titre
Die labyrinthische Bibliothek in Umberto Ecos "Der Name der Rose"
Université
University of Münster
Cours
Bibliotheken in der Weltliteratur
Note
2
Auteur
Année
2006
Pages
13
N° de catalogue
V64970
ISBN (ebook)
9783638576468
ISBN (Livre)
9783638753012
Taille d'un fichier
521 KB
Langue
allemand
Mots clés
Bibliothek, Umberto, Ecos, Name, Rose, Bibliotheken, Weltliteratur
Citation du texte
Vanessa Lichtsinn (Auteur), 2006, Die labyrinthische Bibliothek in Umberto Ecos "Der Name der Rose", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64970

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