Die phönizische Schrift - Ein Meilenstein in der Schriftgeschichte


Dossier / Travail de Séminaire, 2000

14 Pages, Note: 1,0


Extrait


Gliederung der Hausarbeit

1. Einleitung

2.1. Theorien zur Herkunft der nordsemitischen Schriften bzw. des ersten Konsonantenalphabets
2.2. Die feststehenden Annahmen und die wahrscheinlichste Variante
2.3. Die Eigenheiten der phönizischen Schrift
2.4. Ihre Bedeutung in der Schriftgeschichte

3. Die Komplettierung des Alphabets durch die Griechen

4. Zusammenfassung

5. Literaturliste

1. Einleitung:

Wenn der Europäer heutzutage sein Alphabet benutzt, um zu schreiben, dann ist dies eine der größten Selbstverständlichkeiten seines Alltagslebens, und wenn er gefragt wird, was Schreiben bedeutet, glaubt er genau zu wissen, was es eigentlich ist: Wörter mit Buchstaben wiedergeben.

„Diejenigen, die etwas über die Geschichte der Schrift gelesen haben, wissen, daß es eine ganze Reihe von Schreibarten gibt und gab, die verschieden sind von dem, was man eine Alphabetschrift nennt“.[1]

Mit diesen Worten beginnt Harald Haarmann sein Buch: Universalgeschichte der Schrift. Des Weiteren fährt er fort: „Die Ausbildung eines Alphabets war ein langwieriger und enorm komplizierter Prozess, der sich über viele Jahrhunderte hinzog. Die Verwendung des Alphabets, heute weltweit die verbreiteste Art zu schreiben, hat schon eine lange Tradition, die bis ins Altertum zurückreicht.“[2]

In der Tat ist es für jemanden, der tagtäglich mit „seinem“ Alphabet arbeitet und ganz selbstverständlich damit umgeht, da er es seit den ersten Tagen in der Schule so erlernt hat, komisch anzunehmen, daß es dieses logische alphabetische System wie man es kennt, nicht schon immer so gegeben hat. Aber wo kommt „unser“ Alphabet eigentlich her? Von wem und warum wurde es eigentlich entwickelt? Oder wurde es gar erfunden? Vielleicht stimmt aber sogar die Ansicht des weltberühmten Autors von „Das Dschungelbuch“ Rudyard Kipling, daß das Alphabet die Erfindung eines Kindes war und wie Andrew Robinson weiter ausführt: „Es wäre möglich, daß ein gescheites kanaanitisches Kind irgendwo in Nordsyrien von der Keilschrift die Nase voll hatte und nach dem Vorbild der einkonsonantigen Hieroglyphen neue Zeichen schuf, um die Konsonanten seiner semitischen Sprache zu schreiben.“[3] Um der Wahrheit zumindest etwas näher zu kommen, müssen wir wie Haarmann richtig feststellt ins 2. Jahrtausend vor Christus blicken und genau diese Betrachtung ist Gegenstand dieser Arbeit.

Ausgehend von einigen teils gewagten Theorien und Fantasien über die Herkunft des Alphabets zu den wahrscheinlichsten Theorien der Forschung, über die Eigenheiten und die Bedeutung der phönizischen Schrift bis hin zur Vollendung des kompletten Alphabets der Griechen soll der Bogen gespannt werden.

2.1 Theorien zur Herkunft der nordsemitischen Schriften bzw. des ersten Konsonantenalphabets

Die Herkunft der semitischen Schriften, in unserem speziellen Fall der nordsemitischen Schriften, steckt voller Rätsel und Geheimnisse. Da sie eine der ersten nachweisbaren Schriftsysteme sind, die auf ein Konsonantenalphabet zurückgreifen, war das Interesse am Ursprung des Alphabets schon seit dem Altertum riesig. Es gab und gibt eine Vielzahl von Annahmen und Theorien woher das Alphabet oder genauer das Konsonantenalphabet kommt, aber die meisten von ihnen blieben und sind bis heute strittig.

Abgesehen von manchen mythischen und religiösen Annahmen und Legenden, wobei dem Menschen meist durch die Güte der Götter die Schrift und die Sprache geschenkt worden seien, gab es schon seit der Antike durchaus Versuche, die Herkunft des Alphabets zumindest teilweise wissenschaftlich zu erklären.

Der griechische Geograph Strabo, er starb im Jahre 23 n. Chr., vertrat die Ansicht, daß die iberischen Turdetanier eine über 6000 Jahre alte (!) Schrift gehabt hätten.[4] Heute können wir mit gutem Grund davon ausgehen, daß diese turdetanische oder iberische Schrift nichts anderes als ein Ausläufer des phönizischen Konsonantenalphabets, also einer nordsemitischen Schrift, war[5]. Der Römer Plinius der Jüngere hielt die Assyrer für die Erfinder der Schrift und auch einige Gelehrte der neueren Zeit glaubten, daß die Schrift aus der neuassyrischen oder aus der altbabylonischen Keilschrift bzw. aus der sumerischen Bilderschrift hervorgegangen wären. Die zyprischen Silbenzeichen wurden als Quelle für das erste Konsonantenalphabet ebenso herangezogen wie die hethitischen Hieroglyphen.[6]

Schon in der Antike wurde von hervorragenden Autoren die Ansicht vom ägyptischen Ursprung des Konsonantenalphabets und der Schrift vertreten. Selbst Platon (427-347 v. Chr.) äußerte sich in diesem Sinne im Phaidros, einem seiner berühmtesten Dialoge. Auch der griechische Geschichtsschreiber Plutarch (46-119 n. Chr.) teilte diese Auffassung.[7] Sein Zeitgenosse Tacitus (ca. 55-ca. 120 n. Chr.) setzt sich ausführlicher mit dem Problem der Schriftvermittlung auseinander. „Als Erste stellten die Ägypter die Begriffe durch Figuren von Tieren dar; diese ältesten Denkmäler menschlicher Erinnerung sind noch in Steine eingeschnitten zu sehen, sie geben sich als Erfinder der Schrift aus ...“.[8] „Von ihnen sollen die Phöniker, weil sie das Meer beherrschten, die Schrift nach Griechenland gebracht und den Ruhm erlangt haben, als hätten sie erfunden, was sie nur übernommen hatten."[9]

Für Herodot (ca. 484-425 v. Chr.), den griechischen Historiker aus Halikarnassos, gab es keinen Zweifel, daß die Phönizier den Griechen die Schrift vermittelt hatten. Er nennt die griechischen Buchstaben nach ihrer phönizischen Herkunft „Phoinikéia grammata“. An anderer Stelle spricht er auch von „Kadméia grammata“, also von „kadmeischen Buchstaben“. Dies ist eine Anspielung auf den Mythos Kadmos,[10] einen phönizischen Königssohn, der angeblich die Schrift zu den Griechen gebracht haben soll. Herodot betrachtet demnach die Phönizier als die Schöpfer des Alphabets.[11]

Einen Hinweis auf die bereits in der Antike verschollenen Schriften finden wir bei dem griechischen Historiker Diodoros (ca. 80-29 v. Chr.). In seiner „Historischen Bibliothek“ überliefert er das Zeugnis kretischer Schriftsteller, wonach die Phönizier nicht die Schöpfer des Alphabets gewesen seien. Vielmehr hätten sie die „von den Musen, den Töchtern des Zeus, erfundene Schrift“, also die von den Kretern verwendete Schrift, übernommen, verändert und in ihrer phönizischen Gestalt als eigene Erfindung aus- und weitergegeben.[12] Laut Haarmann hat dieser Bericht Diodors insofern einen historischen Kern, als die Phönizier im Rahmen ihrer Überseekontakte ganz sicher Handelsbeziehungen mit dem minoischen und mykenischen Kreta unterhielten und ihnen zweifellos die dort verwendeten Schriften, insbesondere Linear A und Linear B, bekannt gewesen sind.[13]

Im Verlauf des 20. Jahrhunderts wurde die Vermutung geäußert, die phönizische Buchstabenschrift sei die geniale Schöpfung einer einzelnen Person gewesen.[14] Als zu Beginn des 20. Jahrhunderts in alten Kupferminen des Sinaiberges Inschriften in einer bis dahin unbekannten Schrift gefunden worden waren, bekam die Schriftforschung neuen Auftrieb. Diese Sinai-Schrift, aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts v. Chr. stammend, entwickelte sich zum Brennpunkt der Diskussion über den Ursprung des Alphabets. Der englische Ägyptologe A. H. Gardiner und sein deutscher Kollege K. Sethe glaubten mit dieser Schrift, den „missing-link“ zu den ägyptischen Hieroglyphen gefunden zu haben.[15] Der deutsche Schriftforscher Hans Jensen wendet gegen diese „Gardiner-Sethe-Hypothese" ein, dass eine große Reihe der phönizischen Schrift keine Ähnlichkeit mit den sinaitischen Zeichen besitzt. Für ihn scheint es plausibler zu sein, dass es sich bei der Sinai-Schrift um eine parallele semitische Entwicklung handelt.[16]

Anhand dieser Beispiele wird deutlich wie viele unterschiedliche und strittige Meinungen und Thesen zum Ursprung des Alphabets bis in unsere Zeit existieren. Was sind aber die heutzutage am wahrscheinlichsten bzw. was kann wirklich als sicher angenommen werden?

[...]


[1] Harald Haarmann, Universalgeschichte der Schrift, Frankfurt a./M. [u. a.], 1991 (2. Aufl.), S. 13.

[2] Ebd., S. 13.

[3] Andrew Robinson, Geschichte der Schrift, Stuttgart [u. a.], 1996 (4. Aufl.), S. 159.

[4] Karoly Földes-Papp, Vom Felsbild zum Alphabet, Stuttgart [u. a.], 1987, S. 101.

[5] Vgl. Haarmann, S. 419-423.

[6] Siehe Földes-Papp, S. 101.

[7] Siehe Földes-Papp, S. 101.

[8] Haarmann, S. 273 bzw. Tacitus, Annales XI, 14.

[9] Ebd., S. 273.

[10] Siehe Hans Jensen, Die Schrift in Vergangenheit und Gegenwart, Berlin 1969 (3. Aufl.), S. 441.

[11] Ebd., S. 271.

[12] Ebd., S. 273f.

[13] Siehe ebd., S. 274.

[14] Siehe Földes-Papp, S. 102 und 107f.

[15] Siehe Földes-Papp, S. 106 und Haarmann, S. 277f.

[16] Jensen, S. 251ff.

Fin de l'extrait de 14 pages

Résumé des informations

Titre
Die phönizische Schrift - Ein Meilenstein in der Schriftgeschichte
Université
Humboldt-University of Berlin  (Institut für Bibliothekswissenschaft)
Note
1,0
Auteur
Année
2000
Pages
14
N° de catalogue
V64981
ISBN (ebook)
9783638576567
ISBN (Livre)
9783638753548
Taille d'un fichier
507 KB
Langue
allemand
Annotations
Einzeiliger Zeilenabstand
Mots clés
Schrift, Meilenstein, Schriftgeschichte
Citation du texte
Magister Artium Falko Krause (Auteur), 2000, Die phönizische Schrift - Ein Meilenstein in der Schriftgeschichte, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64981

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