Organisierte Kriminalität. Eine ökonomische Analyse


Diplomarbeit, 2005

104 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung und Abgrenzung

2. Die Organisierte Kriminalität
2.1. Begriffsbestimmung und -verständnis
2.2. Die Organisierte Kriminalität als illegales Unternehmen?–Das „enterprise model“ von Smith
2.3. Die formale Unternehmenseigenschaft
2.4. Abgrenzung zum Terrorismus
2.5. Umfang wesentlicher Tätigkeitsfelder der Organisierten Kriminalität

3. Auswirkungen der Organisierten Kriminalität auf die legale Wirtschaft und ihr Gefahrenpotenzial
3.1. Beeinträchtigungen des Wettbewerbs und des marktwirtschaftlichen Systems
3.2. Gefahren für die Demokratie und Schäden für die Allgemeinheit

4. Generelle Konsequenzen der Illegalität für die Organisierte Kriminalität

5. Spezielle Konsequenzen der Illegalität und Anpassungsstrategien der Organisierten Kriminalität
5.1. Personal
5.1.1. Informationsreduzierung und ökonomische Anreize
5.1.2. Disziplinierung durch Androhung und Einsatz von Gewalt
5.1.3. Generelle Mitarbeiterreduzierung und nicht-ökonomische Faktoren
5.2. Zulieferer
5.2.1. Vertragsbeziehungen und deren Durchsetzung
5.2.2. Ein heuristisches Modell der vertikalen Integration
5.2.2. Vor- und Nachteile der vertikalen Integration
5.3. Endkunden
5.4. Konkurrenten
5.4.1. Monopolbestrebungen einer illegalen Unternehmung
5.4.2. Gewalteinsatz in einem oligopolistischen Markt
5.4.3. Gewalteinsatz unter polypolistischen Marktbedingungen
5.5. Finanzierung und Investition
5.5.1. Beschränkungen bei der Kapitalbeschaffung
5.5.2. Die Geldwäsche zur Legalisierung illegaler Einkünfte
5.6. Regulierung
5.6.1. Risikominimierung durch Korruption
5.6.2. Korruption als Risikofaktor

6. Fazit und Ausblick

Anhang

Literaturverzeichnis

Gesetzesverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Ausgewählte Tätigkeitsfelder der OK

Abbildung 2: Das Spektrum ökonomischer Aktivitäten nach Smith

Abbildung 3: Potenzielle Akteure und Interaktionspartner der illegalen Unternehmung auf dem Drogenmarkt

Abbildung 4: Größe des globalen illegalen Drogenmarktes in Mrd. US-$ (2003)

Abbildung 5: Größe des globalen illegalen Drogenmarktes auf Produzentenebene nach Substanzen (in Mrd. US-$; 2003)

Abbildung 6: Größe des globalen illegalen Drogenmarktes auf Großhändlerebene nach Substanzen (in Mrd. US-$; 2003)

Abbildung 7: Größe des globalen illegalen Drogenmarktes auf Einzelhändlerebene nach Substanzen (in Mrd. US-$; 2003)

Abbildung 8: Schätzung der Einnahmen und Ausgaben im kolumbianischen Drogengeschäft

Abbildung 9: Schätzung der weltweiten Ströme gewaschener Gelder in Mrd. US-$ pro Jahr

Abbildung 10: Schattenwirtschaft und illegale Ökonomie in Deutschland in Prozent des Bruttosozialprodukts (1996-2001)

Abbildung 11: Schattenwirtschaft und illegale Ökonomie in Deutschland in Mrd. € (1996-2001)

Abbildung 12: Illegale Ökonomie in Italien, Deutschland, Großbritannien und Frankreich in Prozent des Bruttosozialprodukts

Abbildung 13: Das Gefangenendilemma - Loyalität vs. Opportunismus

Abbildung 14: Exkurs zur Entstehung von Unternehmen nach Ronald H. Coase

Abbildung 15: Transaktions- und Produktionskostenvergleich von externem Marktbezug und interner Erstellung

Abbildung 16: Auswirkung steigender Erwartung opportunistischen Verhaltens auf das Ausmaß eines effizienten Fremdbezugs über den Markt

Abbildung 17: 3-Phasen-Modell der Geldwäsche

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Konstitutive Elemente der Organisierten Kriminalität in der wissenschaftlichen Literatur

Tabelle 2: Abgrenzung von räuberischer und marktbasierender Kriminalität

Tabelle 3: Ausgewählte Wettbewerbsvorteile der Organisierten Kriminalität

Tabelle 4: Die größten Ziele gewaschener Gelder

Tabelle 5: Die größten Ursprungsländer gewaschener Gelder

Tabelle 6: Langfristige Gefahren der Organisierten Kriminalität für die Gesellschaft

Tabelle 7: Koordinations- und Motivationskosten bei marktlicher bzw. hierarchischer Koordination

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung und Abgrenzung

Das Phänomen der „Organisierten Kriminalität“ (OK)[1] ist ein äußerst umstrittenes Thema. Bei genauerer Betrachtung, erweist sich die Diskussion zunächst vor allem politischer Natur. Der Term OK übt insbesondere auf Politiker eine ungemeine Anziehungskraft aus, da durch dessen Erwähnung, Stimmen und Ressourcen für die Strafverfolgung gewonnen werden können. Die Bezugnahme auf den Begriff erlaubt es ebenso, die Unterstützung der Öffentlichkeit für vielfältige Kampagnen und Strategien zur Strafverfolgung zu sichern.

Über diese politische Diskussion hinaus, sind auch die Medien durch die dramatisierende Darstellung der Gefahren der OK beteiligt, wie schließlich auch Forscher im Streit um die adäquate Definition der OK engagiert sind (Beare/Naylor 1999, Kapitel 1 und Kapitel 1.1).

Der Fakt, dass sich so viele Gruppen mit dem Definieren, Beschreiben und Analysieren beschäftigt haben, kann auch tw. erklären, weshalb so viele unterschiedliche Auffassungen und Vorstellungen bezüglich der OK existieren. Erschwert wird die Forschung dabei vor allem durch die Vielfalt der OK und ihrer Aktivitäten. Aber auch die der Illegalität geschuldete Geheimhaltung obstruiert die Auseinandersetzung mit der OK und gestaltet die Datensammlung schwierig. Da die Strafverfolgungsbehörden zudem ihre gewonnenen Erkenntnisse nur sehr restriktiv zur Verfügung stellen und diese dann tw. schon verzerrt sind (Potter 1994, S. 28), erschwert dies die Erforschung des Problems zusätzlich (Edelhertz 1987, S. 2; Reuter 1987, 169ff.).[2] Entsprechend ist empirische Literatur nur spärlich vorhanden. Auch Soziologen und Kriminologen, die das Forschungsgebiet der OK gewissermaßen für sich beansprucht und das Verständnis für das Phänomen der OK geprägt haben, können relativ wenig empirische Forschungsbefunde vorweisen. Für ein besseres Verständnis der OK sollte jedoch eine interdisziplinäre Betrachtung erfolgen (Beare/Naylor 1999, Kapitel 1.2; Reuter 1987, S. 169). Die ökonomischen Beiträge zur OK sind dabei allerdings bisher unterrepräsentiert (Garoupa 2004).[3] Daher soll die vorliegende Arbeit einen sachlichen Beitrag zu dem in der Öffentlichkeit häufig überzeichnet dargestellten Phänomen der OK liefern.[4]

Um die OK aus ökonomischer Sicht analysieren zu können, ist zunächst ein Begriffsverständnis des Terms zu thematisieren. Dabei werden einige, in den Definitionen der Literatur als wesentlich für die OK erachtete, Charakteristika aufgezeigt.

Es werden sich daraus erste Indizien für eine unternehmerische Perspektive ergeben. Es wird daher zu erarbeiten sein, ob diesbezüglich eine theoretische Fundierung besteht und ob sich die Adaption des Unternehmensbegriffs auf die OK rechtfertigen lässt. Dies erscheint insbesondere deshalb angezeigt, da die OK im Allgemeinen als Anbieter illegaler Güter und Dienstleistungen für die Öffentlichkeit angesehen wird (Kapitel 2.2. und 2.3.).

Im Anschluss wird eine explizite Abgrenzung zum Terrorismus vorgenommen, da beide Akteure in der Literatur tw. als gemeinsamer Nexus betrachtet werden und die Grenzziehung zunehmend verschwommener erscheint. In diesem Unterpunkt soll daher nochmals die in dieser Arbeit zugrunde liegende Fokussierung auf die OK herausgestellt werden.

In Punkt 2.5. wird der Umfang wesentlicher Tätigkeitsfelder quantifiziert, während in Kapitel 3. mögliche Gefahren und Beeinträchtigungen durch die OK dargestellt werden. Damit soll explizit das beträchtliche Gefahrenpotenzial der OK aufgezeigt werden.

Im Hauptteil der Arbeit sollen in Kapitel 4. zunächst die generellen Konsequenzen skizziert werden, während in Kapitel 5. die speziellen Konsequenzen der Illegalität und die Reaktionen und Maßnahmen der OK hierauf dargestellt werden. Es ist anzunehmen, dass die Illegalität dabei Auswirkungen auf die Struktur der OK und ihrer Beziehungen mit ihren Umweltsystemen hat. Deshalb stellt sich die Frage, welche potenziellen Maßnahmen die OK folglich bei der Ausgestaltung der Beziehungen zu ihren Angestellten ergreifen wird. Nachdem Kapitel 5.1. diesem Aspekt nachgeht, wird im Anschluss daran auf die externen Vertragspartner der OK eingegangen und die mögliche Relevanz der vertikalen Integration betrachtet. Aber auch die Interaktionen zwischen der OK und ihren Endkunden werden durch die Illegalität beeinflusst und in Kapitel 5.3. näher beleuchtet. In Kapitel 5.4. wird die Frage zu klären sein, welche Konsequenzen sich aus der Illegalität für das Verhältnis der OK zu ihren Konkurrenten ergeben. Hier, wie auch mit variierender Gewichtung in den vorausgehenden Unterpunkten des 5. Kapitels, wird insbesondere zu klären sein, welche Rolle die Möglichkeit der Gewaltandrohung und - nutzung spielt, da sich diese als ein wesentlicher Unterschied zu legalen Märkten darstellt. Weiterhin soll der Frage nachgegangen werden, wie die OK ihr potenzielles Wachstum finanziert. Die Arbeit wird dazu die Folgen der Illegalität in Bezug auf die Nutzung eines externen Kapitalmarktes herausstellen und in diesem Zusammenhang auf das Instrument der Geldwäsche genauer eingehen. Welche Restriktionen ergeben sich in Bezug auf den externen Kapitalmarkt? Ist sie auf ihn im gleichen Maße angewiesen wie ein legales Unternehmen? In Kapitel 5.6. sollen schließlich auch die Beziehungen zur Strafverfolgung betrachtet werden. Hier wird der Frage nachgegangen, in welchem Umfang sich Korruption als Mittel zur Bestandssicherung der OK darstellt und inwiefern große, kapitalstarke Unternehmen in diesem Kontext möglicherweise Vorteile genießen können. Den Abschluss bilden ein Fazit sowie ein kurzer Ausblick.

2. Die Organisierte Kriminalität

2.1. Begriffsbestimmung und -verständnis

Wie erwähnt, erweist es sich aufgrund der vielfältigen Formen von kriminellen Akteuren und Organisationen als schwierig, einen Konsens zu finden was „Organisierte Kriminalität“ darstellt (Dickson-Gilmore 2003, S. 8; UNODC 2002, S. 4).[5] Entsprechend hat sich auch bisher in der Literatur keine einheitliche, präzise und wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Definition durchgesetzt (Bongard 2001, S. 12; Liddick 1999, S. 31).[6] Je nach Interessenlage und Untersuchungsgegenstand der Autoren existieren verschiedene Begriffsbestimmungen des Terms Organisierte Kriminalität (Barthelmess 2002, S. 28 FN 3; Bongard 2001, S. 12). Zur Erarbeitung einer adäquaten Arbeitsdefinition erachten es Lyman und Potter daher für zweckmäßig, einige Charakteristika oder Attribute zu verwenden, um das Phänomen Organisierte Kriminalität zu beschreiben (2004, S. 7). In einer von Hagan (1983) durchgeführten und von Albanese (2005) erweiterten Literaturanalyse der verschiedenen Beschreibungen wurden diesbezüglich 11 Elemente aufgezeigt, die von den jeweiligen Forschern in ihren Definitionen zur OK verwendet wurden. Demzufolge scheint bei den 16 Autoren eine große Einigkeit darüber zu bestehen, dass die OK eine kontinuierliche, hierarchische Unternehmung darstellt, die rational agiert, um durch illegale Aktivitäten Gewinne zu erzielen. Dabei strebt sie ein Monopol auf den jeweiligen Märkten an, insbesondere auf solchen wo eine ausgeprägte Nachfrage nach illegalen Güter und Dienstleistungen besteht. Zur Sicherung ihres Fortbestehens bedient sie sich zum einen der Drohung bzw. der Ausübung von Gewalt und zum anderen nutzt sie die Korruption, um für ihre Existenz einen gewissen Grad an Sicherheit vor der Strafverfolgung zu gewährleisten. Weniger Konsens herrscht dagegen bei der Frage, ob sich die OK durch eine exklusive Mitgliedschaft auszeichnet und ideologische Gründe hinter ihren Tätigkeiten stehen. Auch bei der Klärung, inwieweit die OK durch einen Kodex der Geheimhaltung charakterisierbar ist und sie zur Durchführung ihrer Aktivitäten eine umfangreiche Planung und Spezialisierung benötigt und nutzt, besteht weniger Übereinstimmung (Albanese 2005, S. 9f.; siehe Tabelle 1 im Anhang).

Die einheitliche Verwendung des Begriffs Unternehmung und die Absicht Gewinne zu erzielen, sind indes Indizien für die Betrachtung der OK als ökonomisch getriebene Organisation. Diese unternehmerische Perspektive in Bezug zum Terminus der OK ist auch zunehmend in den offiziellen Definitionen der Strafverfolgungsbehörden vorzufinden. Dabei liegt der Sichtweise der OK als gewinnorientierte Organisation letztlich der Umstand zugrunde, dass die Tätigkeiten derartiger krimineller Organisationen zum Großteil mit marktgetriebenen Verbrechen assoziiert werden. Hieraus ergibt sich auch die Abgrenzung zu „predatory crimes“ wie Einbruch, (bewaffnetem) Raubüberfall oder Diebstahl. Auf diese rechtswidrige und unfreiwillige Umverteilung von Ressourcen (Naylor 2000, S. 5; Fiorentini/Peltzmann 1995, S. 3) zielt typischerweise die gewöhnliche Kriminalität. Zudem strebt letztere im Gegensatz zur OK im Allgemeinen kein Monopol auf dem jeweiligen Markt an und setzt ebenso wenig Gewalt und/oder Korruption zur Erreichung dieser Monopolstellung ein (Naylor 2002, S. 15; Carter 1997, S. 137f.). Während auch „predatory crimes“ zu einem gewissen Grad eine Organisation zur Begehung des Verbrechens erfordern, ist diese Zusammenarbeit eher einmaliger Natur. Die Taten der gewöhnlichen Kriminalität sind dementsprechend als weniger kontinuierlich anzusehen. Die OK zeichnet sich hingegen eher durch einen längerfristigen Horizont aus, mit einer auf dauerhaften Gewinn ausgerichteten Organisation und Struktur (Naylor 2002, S. 15; Maltz 1985, S. 27f.).[7]

Zur Profiterzielung werden kriminelle Organisationen dabei in nahezu jedem lukrativen Bereich tätig, insbesondere aber in der Bereitstellung illegaler Güter und Dienstleistungen. Da diese auf legalen Märkten nicht angeboten werden, bedient die OK diese unbefriedigte Nachfrage auf illegalen Märkten (Lyman/Potter 2004, S. 170; Siska 1999, S. 19). Derartige marktbasierende Tätigkeiten umfassen bspw. den Drogen, Organ-, Menschen-, sowie den illegalen Waffenhandel (Naylor 2002, S. 15; Werner 1996, S. 21-28). Auch die Erbringung illegaler Dienstleistungen wie der illegale Glücksspielbetrieb, die Bereitstellung illegaler Kredite zu Wucherzinsen, Prostitution, Erpressung oder die Gewährung von „Schutz“ als eine Form der Erpressung wird von kriminellen Organisationen betrieben.[8] Diese „Schutzgewährung“ wird dabei nicht zwingend nur auf illegale Organisationen beschränkt, sondern kann sich auch auf legale Unternehmen erstrecken. Die Infiltration der legalen Wirtschaft durch diese Form der Erpressung geschieht dabei nicht nur zur Erzielung von Gewinnen, sondern dient ebenfalls zur Verschleierung ihrer Einkünfte und zur Geldwäsche[9]. Die Nutzung von Frontgesellschaften und im Eigentum der OK stehender legaler Unternehmen durch illegale Organisationen ist ein weiteres Indiz für deren Betätigung im legalen Sektor (Lyman/Potter 2004, S. 10f.; Bongard 2001, S. 115-118).[10]

Anhand der aufgezeigten Attribute und der starken ökonomischen Komponente in Form der auf Gewinnerzielung ausgerichteten diversen Aktivitäten auf illegalen und legalen Märkten, stellt sich die Frage, inwieweit man aus ökonomischer Perspektive bei der OK tatsächlich von einem illegalen Unternehmen sprechen kann.

2.2. Die Organisierte Kriminalität als illegales Unternehmen?-Das „enterprise model“ von Smith

Als bedeutender Vertreter der unternehmerischen Sichtweise, welche die OK im Wesentlichen als illegales Unternehmen auffasst und als solches charakterisiert, kann Dwight C. Smith (1980, 1978, 1971) gesehen werden (Standing 2003, S. 66). In seiner „spectrum-based theory of enterprise“ geht er zunächst von einem Kontinuum unternehmerischer Aktivitäten aus. Eine als „saintly“ angesehene Tätigkeit stellt dabei einen Extrempunkt dieses Spektrums dar, wo die legale Unternehmung, von Smith als „paragon“ bezeichnet, einzuordnen ist. Die am anderen Ende angesiedelte „sündige“ unternehmerische Aktivität wird demnach von der illegalen Unternehmung, dem „pirate“ ausgeübt. Zwischen diesen Polen sind die „pariah“ positioniert (siehe Abbildung 2 im Anhang). Das sind Unternehmen die Güter oder Dienstleistungen anbieten, welche als moralisch anrüchig angesehen werden. Als Folge gesellschaftlicher Werte bewegen sie sich demnach in der Grauzone zwischen Legalität und Illegalität. Da sich diese Einstellungen ändern können, kann das Ansehen und der Status dieser Unternehmen im Verlauf und entsprechend ihr Platz auf dem Spektrum variieren (Kopp 1999, S. 39 FN 38; Smith 1980, S. 371, 382f.). So ist bspw. der legale Status eines Produkts nicht unveränderlich. Während der Prohibition in den USA war Alkohol verboten, wogegen dies heute (in Amerika) nicht mehr zutrifft (Kopp 1999, S. 15). Smith (1980, S. 371) zufolge stellt die Legalität daher einen willkürlichen Punkt im wirtschaftspolitischen Umfeld dar, welcher verschoben werden kann, wenn neue Gesetze erlassen werden. Er geht weiterhin von der grundsätzlichen Wesensgleichheit legaler und illegaler Unternehmen aus, die sich nur aufgrund des Kriteriums der Legalität auf den entgegengesetzten Enden dieses Spektrums unternehmerischer Aktivitäten befinden (Smith 1980, 1978). Für den Autor sind ein „Kredithai“ mit einer Bank, ein Drogenschmuggler mit einem Großhändler und ein Hehler mit einem Einzelhändler aufgrund der Ähnlichkeit in den Betätigungsfeldern durchaus vergleichbar (Smith 1980, S. 370ff.; 1978, S. 164). Letztlich wird für Smith die illegale Unternehmung zur Profiterzielung, als Antwort auf die latente gesetzeswidrige Nachfrage, lediglich in Bereichen tätig die gewöhnlich geächtet sind und stellt daher nur die Erweiterung legaler Marktaktivitäten dar. Zudem streben illegale Unternehmen wie ihre legalen Gegenstücke ebenfalls nach Marktanteilen und deren Ausweitung (Smith 1978, S. 164).[11]

Die auf diesem Kontinuum ökonomischer Aktivitäten existierenden legalen und illegalen Unternehmen sind infolge dieses Spektrums sehr ähnlich und reagieren deshalb auf die gleichen ökonomischen und organisatorischen Grundsätze. Diese Ähnlichkeit erlaubt es, die zur Analyse legaler Unternehmen entwickelten Theorien auch bei der Untersuchung illegaler Unternehmungen anzuwenden (Smith 1994, 1980, 1971).

Die Möglichkeit, die OK mit wirtschaftswissenschaftlichen Instrumentarien zu analysieren, kann dabei als positiver Aspekt des Modells von Smith aufgefasst werden. Ein weiterer Vorteil dieser Theorie ist, dass sie die ökonomische Perspektive in den Mittelpunkt rückt (Liddick 1999, S. 233). Denn die Marktkräfte haben nicht nur die legalen ökonomischen Aktivitäten angeregt und gefördert, sondern auch die illegalen. Des Weiteren hat er herausgestellt, dass die Entscheidung zur Grenzziehung zwischen legal und illegal letztlich politischer Natur ist. Die Bedürfnisse der Nachfrager ändern sich, wie im Fall der amerikanischen Alkoholprohibition, aufgrund des Verbotes jedoch nicht grundlegend. Vielmehr hat das Verbot zur Entstehung illegaler Märkte geführt und die Bedingungen für die Bildung krimineller Organisationen geschaffen (Schloenhardt 1999, S. 207f.; Kelly 1987, S. 26f.). Ein weiterer Vorteil, der hier, um den ökonomischen Fokus zu bewahren nicht weiter ausgeführt wird, liegt im Loslösen von der in der amerikanischen Diskussion zur OK als „alien conspiracy theory“ bezeichneten Sichtweise (Kelly 1987, S. 26f.; Smith 1980).[12]

Zuweilen wird jedoch insbesondere von Soziologen die Kritik geübt, das Unternehmensmodell könne nicht auf die OK angewendet werden. Zum einen würde auf die OK eine starre Sichtweise als ein Unternehmen nicht zutreffen, da sie sich nicht durch fest definierte Organisationsgrenzen auszeichnet. Zum anderen wird die formelle Unternehmenseigenschaft der OK bezweifelt und ihr abgesprochen. Daher sei eine Charakterisierung als Unternehmung nicht statthaft (Liddick 1999, S. 231ff.). Inwieweit diese Kritik gerechtfertigt ist, wird bei der Betrachtung der formalen Unternehmenseigenschaft im nächsten Unterpunkt zu klären sein.

2.3. Die formale Unternehmenseigenschaft

Die formale Unternehmenseigenschaft der OK haben verschiedene Autoren wie Bongard (2001, S. 35-49) oder Müller (1992, S. 41-50) herausgearbeitet und verifiziert.[13] So besteht bezüglich ihres primären Ziels der Gewinnmaximierung zunächst grundsätzlich kein Unterschied zwischen legalen und illegalen Unternehmen. Beide versuchen Profite zu erwirtschaften, indem sie einen bestimmten Bedarf nach Gütern und Dienstleistungen bedienen (Schloenhardt 1999, S. 206). Müller (1992, S. 38) weist in diesem Zusammenhang auf die Markt- und Nachfrageorientierung der OK hin. Sie nutzt Marktchancen und investiert in neue Technologien und Arbeitskräfte, um ihren Profit zu maximieren (Naylor 2002, S. 19; Schloenhardt 1999, S. 206.). Wie ein legales Unternehmen diversifiziert auch die kriminelle Organisation ihre Investitionen (Carter 1997, S. 140), wird zur Gewinnerhöhung in neuen Gebieten und Produktmärkten tätig (Bongard 2001, S. 41) und trägt wirtschaftliche Risiken (Altenkirch 2002, S. 5). Des Weiteren kann die OK als eine durch den Unternehmer in wirtschaftlicher Autonomie geführte Wirtschaftseinheit angesehen werden (Grochla 1984,
S. 546ff.; Gutenberg 1983, S. 507f.). Die Führer der OK präsentieren sich dabei sowohl als Eigentümer als auch gleichzeitig als Geschäftsführer der von ihnen geleiteten Organisation (Bongard 2001, S. 36).

Zusammenfassend kann man die OK demzufolge aus ökonomischer Sicht als rationalen Anbieter illegaler Güter und Dienstleistungen auffassen, die gewöhnlich in einem illegalen Bereich tätig wird. Diese Illegalität hat zwar Auswirkungen auf Umfang, Ausmaß und Ablauf der Aktivitäten und verändert die Bedingungen unter welchen die Transaktionen ablaufen, verhindert aber nicht die Ausnutzung von Marktchancen, die sich in selbigem ergeben (Schloenhardt 1999, S. 206ff.; Turvani 1997, S. 129).

Auch wenn illegale Unternehmen dazu tendieren ihre legalen Äquivalente zu imitieren und augenfällige Gemeinsamkeiten bestehen, existieren einige Unterschiede (Bongard 2001, S. 42).[14]

Zunächst muss angemerkt werden, dass auch bei legalen Unternehmen die Gewinnmaximierung nicht als einziges Ziel anzusehen ist. Vielmehr vollzieht sich dessen Erreichung ebenso unter „Nebenbedingungen“, welche nicht nur monetäre Ziele umfassen. Gleichermaßen können das Streben nach Prestige, wirtschaftlicher Macht oder dem „Überleben“ als additionale nicht-monetäre Ziele identifiziert werden (Naylor 2002, S. 19; Wöhe 2002, S. 44f.). Die OK verfolgt letztlich die gleichen Ziele wie jeder rationale Akteur in einem Marktsystem nach Gewinnmaximierung, Macht und Einfluss sowie Risikominimierung (Lupsha 1996, S. 34). Da die OK kontinuierlich dem Risiko der Strafverfolgung ausgesetzt ist, versucht sie ihr „Überleben“ neben dem Profitstreben durch eine stärkere Akzentuierung auf dem Ziel der Risikominimierung zu gewährleisten (Naylor 2002, S. 19; Wöhe 2002, S. 44f.).

Dem Umstand der Illegalität geschuldet, unterliegen illegale Unternehmen nicht bestimmten Restriktionen, denen sich legale Unternehmen gegenübersehen. Sie operieren bei ihren Tätigkeiten und ihrer Entscheidungsfindung außerhalb der städtischen bzw. staatlichen Bürokratie sowie jenseits von gerichtlichen Beschränkungen wie Gesetzen und - verordnungen, welche legale Unternehmen bei ihrer Geschäftstätigkeit beachten müssen. Sie umgehen Steuer- oder Sozialversicherungszahlungen, wie auch andere staatliche Abgaben (Besozzi 2001, S. 114) und müssen ebenso wenig Geschäftsbücher führen oder Rechenschaftsberichte erstellen (Haller 1997, S. 55; Potter 1994, S. 126). Lupsha (1996, S. 35) sieht darin einen Wettbewerbsvorteil. Das Fehlen schriftlicher Geschäftsunterlagen ist dabei vor dem Hintergrund der Strafverfolgung zu sehen, da die illegale Unternehmung im Sinne der Risikominimierung daran interessiert ist, möglichst wenige Beweise ihrer Tätigkeit zu hinterlassen (von Lampe 1999, S. 215; Potter 1994, S. 165f.). Bezüglich der Angestellten unterliegen sie keinen Arbeitsbeschränkungen oder gewerkschaftlichem Einfluss, was sich ebenfalls als Wettbewerbsvorteil hinsichtlich ihrer organisatorischen Flexibilität erweisen kann (Zaitch 2002, S. 526ff.; Lupsha 1996, S. 35). Des Weiteren unterliegen sie keiner Produkthaftung und haben im Allgemeinen geringere Kapitalkosten.[15] Die komparativen Vorzüge gelten insbesondere aufgrund der Illegalität. Selbige verursacht allerdings ebenfalls geschäftsspezifische Nachteile, wie die infolge des notwendigen Risikomanagements anfallenden Aufwendungen (Besozzi 2001, S. 114-118) - bspw. für Geldwäsche und Korruption. Sparten- und einzelfallabhängig kompensieren sich daher partiell die Vor- und Nachteile der in die Illegalität spezialisierten Anbieter. Auf legalen Märkten würden die durch Investitionen in die Illegalität erlangten komparativen Vorteile jedoch generell an Wert verlieren (Bongard 2001, S. 152f.; Hartwig/Pies 1995, S. 134). Ohne die existierenden rechtlichen Beschränkungen ist daher nicht anzunehmen, dass illegale Unternehmen in einem Wettbewerb bestehen würden (Schelling 1967, S. 74).[16]

Bei ihrer unternehmerischen Tätigkeit kann sich die OK weiterhin zusätzlicher Mittel bedienen (Altenkirch 2002, S. 5). Dies ist zum einen die Androhung oder Anwendung von Gewalt und zum anderen die Korruption.

Wie bei der Begriffsbestimmung gezeigt, werden beide Merkmale für das illegale Unternehmen als konstituierend angesehen. Dabei kann die Zahlung an Politiker, Regierungs- oder Polizeibeamte aus Sicht der illegalen Unternehmung als eine normale Geschäftsaufwendung für eine Leistung gesehen werden. Durch diese Ausgaben versucht das illegale Unternehmen seine Tätigkeiten vor der Strafverfolgung abzuschirmen und somit sein Risiko zu minimieren (Godson/Williams 2001, S. 326; Haller 1990, S. 209). Diese Korrumpierung der Strafverfolgung und Politiker kann man letzten Endes als Äquivalent zur Lobbyarbeit legaler Unternehmen zur Erzielung bestimmter Zugeständnisse seitens politischer Einflussträger sehen. Die Bestechung von Beamten ist somit sowohl ein Mittel illegaler wie auch legaler Unternehmen (Berdal 2002, S. 54f.; Naylor 2002, S. 30). Schließlich existieren ebenfalls legale Unternehmen, die sich zur Zielerreichung illegaler Mittel bedienen (Besozzi 1997, S. 33).[17]

Als „außer-wettbewerbliche Strategievariante“ der OK bezeichnet Bongard (2001, S. 40), neben dem Einsatz der Korruption, auch die Androhung oder den Einsatz von Gewalt. Beide kann man folglich als (illegale) Geschäftsmethoden im Wettbewerb mit legalen und anderen illegalen Unternehmen auffassen (Bongard 2001, S. 40; Posner 1998, S. 264). Bei Nutzung dieser Geschäftspraxis kann sich so ein Konkurrenzvorteil der OK ergeben (Bongard 2001, S. 40; Kern 1993, S. 8). Inwieweit Gewalt als Wettbewerbsvorteil (Lupsha 1996, S. 35) zur Profitmaximierung und Risikominimierung (Werner 1996, S. 16f.) Anwendung findet, ist einer näheren Betrachtung zu unterziehen. Liddick (1999, S. 37) schreibt diesbezüglich, dass einige empirische Forschungsergebnisse darauf hinweisen, dass der mit der OK assoziierte Umfang der Gewalt geringer ist, als gemeinhin angenommen (Anderson 1979, S. 103).

Der der Wettbewerbsgesellschaft innewohnenden Logik der Selbstverwirklichung - auch auf Kosten anderer (Roth 1993, S. 117) - folgt letztlich auch die OK als Ausdruck ihrer Gewinnerzielungsabsicht. Sie bedient sich dabei neben legaler auch illegaler Mittel (Werner 1996, S. 17). Schon Weber (1995, S. 166) hat diesbezüglich angemerkt, dass „[…]wo immer großkapitalistische Entwicklung sich je gefunden hat, im fernen Altertum sowohl wie in unseren Tagen, da hat es selbstverständlich jenen Typus von skrupellosem money-maker gegeben, welcher in der Exploitierung der römischen Provinzen ebenso wie in den Raubkolonien der italienischen Seestädte […], in den Plantagen der Sklavenhalter […] oder den ebenfalls weltumspannenden Spekulationen der »Imperialisten« der City sich auswirkt.“. Dabei erweist sich die Grenze zwischen „List“ und „Gewalt“ als fließend. Kriminelles Handeln kann somit zu einem Element des „wirtschaftlich orientierten Handeln[s]“ werden, ohne selbst im strengen Sinne die Kriterien des „Wirtschaftens“ nach Weber zu erfüllen (Werner 1996,
S. 17; Weber 1980, S. 31f.). In speziellen Fällen führt der ökonomische Austausch, mit genügend Eifer verfolgt, also nahe an die Grenze der Illegalität und manchmal darüber hinaus (Beare/Naylor 1999, Kapitel 1.7).

Abstrahiert man von moralischen und wirtschaftsrechtlichen Grundbedingungen, kann man die OK folglich durchaus als illegale Unternehmung auffassen (Altenkirch 2002, S. 5; Bongard 2001, S. 36f.), die sich bei ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit neben legaler zusätzlich auch illegaler Mittel bedient. Bongard (2001, S. 36f.) und Müller (1992, S. 42f.) sehen dementsprechend die Adaption des betriebswirtschaftlichen Unternehmensbegriffes als gerechtfertigt an.

In dieser Arbeit wird dem ökonomischen Ansatz gefolgt und die OK als illegales Unternehmen verstanden. Sie kann ferner, in Anlehnung an Schloenhardt (1999, S. 207) und Smith (1980, 1978) als illegale Entsprechung zur legalen Unternehmung betrachtet werden.[18]

Es gilt herauszustellen, dass nicht von „der Organisierten Kriminalität“ gesprochen werden kann, wie auch in der legalen Wirtschaft nicht von „der Unternehmung“ gesprochen werden kann (Müller 1992, S. 37). Schon anhand der vielfältigen Aktivitätsfelder lässt sich erkennen, dass es keine homogene Erscheinungsform der OK gibt (Altenkirch 2002, S. 6; von Lampe 1999, S. 223f.). Sie kann sich z.B. hinsichtlich ihres Zeithorizonts, ihrer Struktur (Carter 1997, S. 138) oder Kultur, wie auch in Bezug auf ihre Entstehung vor dem Hintergrund divergierender historischer oder sozialer Spezifika unterscheiden (Besozzi 2001, S. 95; 1997, S. 10, 31). Die verschiedenen Formen der OK ergeben sich nicht zuletzt auch aus den jeweiligen Gegebenheiten der (illegalen) Märkte (Bongard 2001, S. 35, 37 FN 155; Besozzi 1997, S. 10, 31).

So existieren auf einigen legalen Märkten große, diversifizierte Unternehmen die in zahlreichen Regional- und Produktmärkten aktiv sind und viele Funktionen in Bezug auf ihr Endprodukt integriert haben. Andere Märkte sind dagegen charakterisiert durch viele kleine Firmen, welche jeweils auf ein einziges Produkt spezialisiert sind (Reuter 1983, S. 109f.).

Auch die illegalen Märkte erweisen sich als sehr heterogen bzw. vielfältig und selbst innerhalb bestimmter Märkte existiert eine Vielzahl von Akteuren. Diese reichen dabei von Einzelunternehmern über lose „connections“, legalen und illegalen Unternehmen bis hin zu mafiösen Gruppierungen (Naylor 2002, S. 3, 262; Besozzi 1997, S. 31). Die OK als illegales Unternehmen variiert zudem, wie ihre legalen Gegenstücke, in ihrer Größe und kann demnach in Gestalt kleiner und großer Unternehmen auftreten (Williams/Godson 2002, S. 325).[19]

Wenn man also annimmt, dass es die verschiedensten Formen der OK in Bezug auf ihre Struktur gibt und sie auch aufgrund der zugrunde liegenden illegalen Märkte in ihrem Organisationsgrad variiert (Felsen/Kalaitzidis 2005, S. 6; Storbeck 2000, S. 180), kann auch der Kritikpunkt bezüglich der zu starren Sichtweise hinsichtlich ihrer Unternehmensgrenzen als nicht überzeugend zurückgewiesen werden. Wie in anderen Märkten auch, agieren die verschiedensten Akteure miteinander (Felsen/Kalaitzidis 2005, S. 6). Zudem muss nochmals betont werden, dass die Unternehmensgrenzen auch in der legalen Geschäftswelt, infolge hybrider Organisationsformen zunehmend verschwimmen. Als Extrembeispiel kann hier die virtuelle Unternehmung gelten (Picot et al. 2001, S. 289f., 392).[20] Unbenommen der Fälle in denen derartige Unternehmensstrukturen auch bei der OK auf illegalen Märkten vorkommen, wird in der vorliegenden Arbeit von solchen Phänomenen abstrahiert.

2.4. Abgrenzung zum Terrorismus

Da die vorliegende Arbeit auf die ökonomische Analyse der Organisierten Kriminalität als illegales Unternehmen fokussiert, blendet sie bei dieser Betrachtung terroristische Gruppen aus. Beide Akteure unterscheiden sich vor allem durch die zugrunde liegende Motivation ihrer Aktivitäten (Carter 1997, S. 142). Terroristische Gruppen sind in erster Linie politisch oder ideologisch motiviert (Dishman 2001, S. 44ff.; Schmid 1996, S. 66, 68f.). Auch wenn diese zunehmend profitorientierter handeln (Soiné 2005, S. 414), ist bei ihnen die Gewinnerzielung aus kriminellen Tätigkeiten nur als sekundäres Zwischenziel zur Refinanzierung ihrer terroristischen Aktivitäten anzusehen (Bongard 2001, S. 53). Während sie also durch terroristische Akte die Aufmerksamkeit der Medien suchen, agiert die OK im Allgemeinen weniger auffällig (Sanderson 2004, S. 55; Dishman 2001, S. 44ff.). Auch wenn die OK in bestimmten Ländern gewalttätige und terroristische Taktiken angewandt hat, ist dies neben dem Selbstschutz vor der Strafverfolgung hauptsächlich vor dem Hintergrund der Verfolgung ökonomischer Interessen zu verstehen (Berdal 2002, S. 8; Dishman 2001, S. 44ff.). Gemäß ihrer Ideologie bekämpfen terroristische Vereinigungen also den Staat (Schmid 1996, S. 67ff.), während die OK meist nicht ideologisch orientiert ist und eher vom System „profitiert“. Gerade durch die vom System auferlegten Regelungen und Verbote, ergibt sich ein Anreiz für die kriminellen Organisationen, unternehmerisch tätig zu werden. Da bestimmte Güter und Dienstleistungen verboten bzw. als rechtswidrig deklariert sind (Kopp 1999,
S. 38f.), wird die auf den legalen Märkten nicht (mehr) befriedigte Nachfrage durch illegale Unternehmen befriedigt (Schweer 2003, S. 33; Newman 2000, S. 37). Durch die Illegalität ergibt sich ein Preisaufschlag in Form eines „crime tariffs“ (Potter 1994, S. 125, 170). Dieser entspricht einer Risikoprämie für die illegale Tätigkeit und gewährleistet in Verbindung mit der Nachfrage damit u.a. die Profitabilität der OK (Potter 1994, S. 125, 170). Letztlich ist somit die Entstehung und Existenz (Newman 2000, S. 37) von illegalen Märkten erklärbar (Schweer 2003, S. 33; Arlacchi 2001, S. 7f.).[21]

Des Weiteren ist davon auszugehen, dass zwischen der OK und terroristischen Gruppierungen in vielen Fällen Verbindungen in Form von Zweckbündnissen (Soiné 2005, S. 417) existieren und diese in bestimmten Ländern ausgeprägter sind (Shelley 2002, S. 87ff.), was letztlich auch die Grenzziehung zwischen beiden Akteuren schwieriger gestaltet und diese daher tw. verschwommen erscheint (Berdal 2002, S. 7f.; Jamieson 2001, S. 379). Allerdings werden diese offensichtlich vorhandenen Beziehungen (Lilley 2003, S. 139f.) kontrovers diskutiert (Dandurand/Chin 2004; Préfontaine /Dandurand 2004).[22]

2.5. Umfang wesentlicher Tätigkeitsfelder der Organisierten Kriminalität

Die Schätzung der Gewinne von kriminellen Organisationen, der von ihnen gewaschenen Gelder und der Größe der Märkte ist aufgrund der klandestinen Natur schwierig (Godson/Williams 2001, S. 327; IMF 2001, S. 10).[23] Nichtsdestotrotz sollen die im Folgenden präsentierten Zahlen eine Vorstellung über die Größe der Märkte vermitteln, in denen die OK als ein Akteur tätig ist.

Als eines der profitabelsten Geschäftsfelder der OK erweist sich dabei der Drogenmarkt (Shelley et al. 2003, S. 147). Die UNODC hatte 1995 den weltweiten Umsatz der illegalen Drogenindustrie auf 400 Milliarden US-$ geschätzt (UNODC 1998, S. 3, 51f.).[24] In ihrem aktuellen Report ist eine neue Schätzung für das Jahr 2003 vorgenommen worden, nach der der Drogenmarkt auf 321,6 Milliarden US-$ auf der Kleinhandelsebene beziffert wird. Auf Produktionsebene geht die Schätzung von 12,8 Milliarden US-$ und auf der Großhandelsebene von 94 Milliarden US-$ aus (UNODC 2005, S. 127). Mit 113 Milliarden US-$ im Kleinhandel ist Cannabis weltweit die umsatzstärkste Droge (UNODC 2005, S. 127).[25] Eine Schätzung der jährlichen Nettogewinne aus dem Kokainhandel, am Beispiel Kolumbiens als größter Kokainlieferant, hat Echeverry (2004) vorgenommen. Auf Basis von Annahmen über die Größe der Anbauflächen im Jahr 2000 wurden dabei jährliche Bruttoeinnahmen von 5,4 Milliarden US-$ angenommen. Unter Berücksichtigung von Kosten wie für die Produktion, Geldwäsche oder den Transport ergaben sich danach aus dem Drogenhandel in 2000 für kolumbianische Drogenhändler Nettogewinne in Höhe von 1,9 Milliarden US-$. Dies entsprach 2,3% des kolumbianischen BIPs in 2000 (Echeverry 2004, S. 5ff.; siehe Abbildung 8 im Anhang).

Ein weiterer Bereich, in dem die OK aktiv ist, stellt der Menschenhandel dar. Hier werden die Erlöse pro Jahr auf 9,5 Milliarden US-$ beziffert. Damit ist dieses Geschäftsfeld zu einer der lukrativsten kriminellen Aktivitäten avanciert. 600.000 bis 800.000 Personen fallen dem internationalen Menschenhandel jährlich zum Opfer, von denen 80% weiblich und bis zu 50% minderjährig sind. Wiederum 70% der Frauen werden zur sexuellen und wirtschaftlichen (Kern 1993, S. 6) Ausbeutung „gehandelt“ (Department of State 2005, S. 13f., 19; 2004, S. 6, 23).

Weitere Märkte sind der illegale Handel mit menschlichem Material und Körperteilen, für welchen Truong (2003, S. 54) einen Wert von mehr als einer Milliarde US-$ pro Jahr veranschlagt. Das zunehmende Geschäft des illegalen Handels mit (geschützten) Pflanzen und Tieren hat ein geschätztes Handelsvolumen von jährlich 10-20 Milliarden US-$ (Shelley 2000, S. 50; Webster 1997). Im Rahmen der Umweltkriminalität erweist sich die illegale Giftmüll- und Sonderabfallentsorgung mit geschätzten jährlichen Einnahmen in Höhe von 10-12 Milliarden US-$ insbesondere in den USA als weiteres Betätigungsfeld der OK (NIC 2000, S. 42; Shelley 1998, S. 81f.).

Schließlich ist auch noch der illegale Waffenhandel zu nennen.[26] In einer Studie von 2002 wurde der staatlich autorisierte Kleinwaffenhandel auf vier Milliarden US-$ geschätzt, während der illegale Umsatz auf nicht mehr als eine Milliarde US-$ beziffert wurde (SAS 2002, Kapitel 3). Besozzi (2001, S. 46) zufolge sind Kleinwaffen für 55% des gesamten globalen Waffenumsatzes auf dem Schwarzmarkt verantwortlich. Nimmt man nun als Bezugsgröße eine Milliarde US-$ als Umsatz im illegalen Kleinwaffenhandel und rechnet dies hoch, so ist für den weltweiten illegalen Waffenhandel eine Zahl von rund 1,82 Milliarden US-$ pro Jahr ermittelbar. Die größten Profite ergaben sich dabei zwar im Kleinwaffenbereich, jedoch birgt insbesondere der Handel mit Nuklearmaterial sowie biologischen und chemischen Waffen ein nicht zu vernachlässigendes Gefährdungspotenzial in sich (Shelley et al. 2003, S. 149).

Bezüglich der jährlich weltweit gewaschenen Gelder existieren verschiedene Schätzmethoden (Bongard 2001, S. 177ff.), weshalb die Zahlen entsprechend differieren. Baker (1999, S. 30) nimmt bspw. eine Spanne von 500-1.000 Milliarden US-$ jährlichem Geldwäschevolumen an. Bongard (2001, S. 180) leitet dagegen eine konsensfähige Spanne von 300-600 Milliarden US-$ an jährlich gewaschenen Geldern ab.[27]

Letztlich gilt es nochmals anzumerken, dass es sich hier nur um Schätzungen handelt. Diese wiederum erweisen sich, wie erwähnt, als äußerst schwierig (Werner 1996, S. 38). Beare und Naylor (1999, Kapitel 1.5) kritisieren bspw. die von einigen offiziellen Stellen bevorzugte Schätzung des globalen Geldwäschevolumens anhand einer „rule of thumb“ (Porteous 1998, S. 18). Nach dieser Faustregel entsprechen die in einem Land jährlich gewaschenen Gelder durchschnittlich 2% des BIPs des entsprechenden Landes. Damit wird der Ansicht des IMF gefolgt, der das globale jährliche Geldwäschevolumen auf ungefähr 2% des globalen BIPs schätzt (Porteous 1998, S. 18; o.V. 1996, S. 1).[28]

Auch wenn die Zahlen lediglich geschätzt sind und Schwierigkeiten bei der Datenerhebung bestehen, vermitteln sie doch eine ungefähre Dimension der betrachteten Märkte. Die angenommenen Umsätze und die auf illegalen Märkten durch illegale Aktivitäten erzielten Einnahmen stellen demnach nicht zu vernachlässigende Größen dar.

Es wurde schon angedeutet, dass die OK nur ein Akteur auf den illegalen Märkten ist. Sie und ihre Aktivitäten sind somit nur ein Teil der illegalen Ökonomie.[29]

Die Schätzungen über die Größe der Untergrundökonomie in den jeweiligen Ländern weisen dabei große Spannen auf. Für Italien wird bspw. eine Bandbreite von 10-33% des BIPs angenommen. In Deutschland geht man von 2-11% des BIPs aus, während für Großbritannien und die USA Schätzungen in der Größenordnung von 1-15% respektive 4-33% des BIPs vorliegen (Quirk 1997, S. 8).[30] Der Anteil illegaler ökonomischer Aktivitäten am BIP ist dementsprechend geringer. Für Italien, Holland und Großbritannien geht Kopp (2004,
S. 38) ausgehend von drei Studien zu den jeweiligen Ländern von einem Anteil krimineller Aktivitäten am BIP von weniger als 1% aus.[31] Der der OK zuschreibbare Anteil ist somit noch geringer. Will man die Bedeutung der OK in ihrem ganzen Ausmaß betrachten, kann eine reine quantitative Messung des Anteils am BIP aber nicht die von ihr ausgehende potenzielle Bedrohung angemessen einfangen (Kopp 2004, S. 38f.). Dies würde zu kurz greifen und es erscheint angebrachter, ihren Einfluss auf die legale Wirtschaft einer näheren Betrachtung zu unterziehen. Einige von der OK ausgehende Störungen und destabilisierende Effekte (Kopp 2004, S. 38) werden daher im folgenden Kapitel dargestellt.

3. Auswirkungen der Organisierten Kriminalität auf die legale Wirtschaft und ihr Gefahrenpotenzial

3.1. Beeinträchtigungen des Wettbewerbs und des marktwirtschaftlichen Systems

Neben dem Ausmaß und Anteil der kriminellen Ökonomie am BIP erscheint eine Betrachtung der möglichen in der legalen Wirtschaft entstehenden Verzerrungen angebracht, deren Quelle kriminelle Organisationen sein können. Die Darstellung der Auswirkungen gibt zudem mehr Aufschluss über den Schaden, den sie in der legalen Wirtschaft durch deren Penetration anrichten können (Kopp 2004, S. 39).

Zunächst ergeben sich grundsätzliche Störungen des Wettbewerbs. Infolge der (Quer-)
Subventionierung der von der OK beeinflussten oder beherrschten legalen Unternehmen (Werner 1996, S. 91) durch die in illegalen Aktivitäten erzielbaren signifikanten Gewinnspannen, ist es den kriminellen Organisationen möglich, die Preise selektiv und nach Opportunität temporär oder dauerhaft zu senken. Die legalen Mitbewerber werden entsprechend mit dem Versuch der Anpassung reagieren. Durch die im Vergleich zu den Produktionskosten zu niedrigen Preise vermögen die legalen Unternehmen diesem Preisdruck nicht lange standzuhalten. Im Zuge dieses ruinösen Wettbewerbs kann die Existenz legaler Unternehmen gefährdet sein. Als Folge sehen sie sich gezwungen, aus dem Markt auszuscheiden oder werden von den mit der OK verbundenen legalen Unternehmen übernommen. Global gesehen läuft diese Technik, aufgrund der (Quer-)Subventionierung, auf eine Art Preisdumping hinaus. Sobald die Konkurrenz eliminiert ist, kann die kriminelle Unternehmung einen dominierenden Einfluss auf die jeweilige Industrie ausüben (Kopp 2004, S. 39f.; Bongard 2001, S. 154f.).[32] Neben dieser Methode kann sich auch die erwähnte Bereitschaft zum Einsatz von Einschüchterung und Gewalt als Kapazität erweisen, um legale Unternehmer aus dem Markt zu verdrängen (Godson/Williams 2001, S. 326f.; Bongard 2001, S. 155).

Auch bei der Problematik der Realisierung und der Art der Erfüllung von Verträgen können sich Beeinflussungen ergeben. Bei legalen Unternehmen wird angenommen, dass sie das Gesetz respektieren. Damit ist der Grad, zu welchem sie das Gesetz brechen können, für alle mehr oder weniger gleich. Ausgenommen sind dabei allerdings die mit der OK assoziierten Unternehmen. Diese profitieren von der Unterstützung einer illegalen Unternehmung und können sich bei der Kontrakterfüllung illegal rekrutierter und unterbezahlter Arbeiter (z.B. Schwarzarbeiter im Bausektor) bedienen. Neben der Schädigung der Allgemeinheit durch entgangene Sozialversicherungsbeiträge und Steuerzahlungen, sehen sich ehrliche Unternehmen benachteiligt und können somit in den Konkurs getrieben werden. Ähnlich verhält es sich bei der Eintreibung von Verbindlichkeiten eines Lieferanten durch die Unternehmung. Sie kann entsprechend integer agieren oder sich der OK bedienen (Kopp 2004, S. 40; Bongard 2001, S. 155f.). Durch die Gefahr einer Sog- oder Ansteckungswirkung besteht die Möglichkeit, dass sich letztlich auch ehrbare Unternehmen im Zuge des verschärften Wettbewerbs veranlasst oder genötigt sehen, auf illegale Methoden zurückzugreifen (Werner 1996, S. 81). Sind ehrliche Unternehmen dagegen nicht gewillt, unlautere Mittel einzusetzen, könnten sie langfristig aus den Märkten verdrängt werden. Zumindest wird der Anreiz zur wirtschaftlichen Tätigkeit auf Märkten durch das nicht regelkonforme Verhalten der OK und der mit ihr assoziierten Unternehmen und der damit nicht (mehr) gegebenen Chancengleichheit erheblich gemindert. Die OK entfaltet letztlich eine Art Abschreckungswirkung, in deren Folge Markteintritte oder Investitionen unterbleiben können (Bongard 2001, S. 157f., 51). Generell variiert die Fähigkeit des Rückgriffs auf kriminelle Organisationen, z.B. für den Fall eines unbefriedigt erfüllten Vertrages in Abhängigkeit von der Disposition des Unternehmens (Kopp 2004, S. 40).

Unerwünschte Verzerrungen des Wettbewerbs können sich ebenfalls bei der Ausnutzung von Profitchancen ergeben. Bei sich neu ergebenden Gelegenheiten der Gewinnerzielung kann die OK diese direkt nutzen. Oder sie kann den Zugang zur Exploration dieser Profitopportunitäten verkaufen. Damit ist bspw. der Prozess der Vergabe von Mietverträgen im Zuge der Entstehung eines Gewerbegebietes durch Korrumpierung der zur Vergabe Berechtigten als nicht (mehr) fair und gerecht anzusehen. Folglich wird der freie Transfer von Ressourcen in einen entstehenden oder wachsenden Bereich durch die Existenz der OK eingeschränkt und behindert (Kopp 2004, S. 40; Anderson 1995, S. 35).

Ein weiterer hier zu nennender Einfluss, den die OK haben kann, ist bei der Gewährung öffentlicher Fördermittel oder Aufträge festzustellen. Wenn die illegale Unternehmung über genügend legale Mittelsmänner, wie Unternehmen oder korrumpierte gewählte Funktionäre verfügt, wird sie über diese versuchen, sich öffentliche Förderhilfen im Besonderen gemeinschaftliche Fördermittel -z.B. der Europäischen Union- anzueignen. Je weiter entfernt dabei die Quelle der Zahlung und folglich die Prüfung der Mittelverwendung vom zu unterstützenden Territorium ist, umso mehr besteht die Möglichkeit sich dieser Gelder zu bemächtigen. Als Beispiel sind die vielen Fälle „verloren gegangener“ Agrarsubventionen zu nennen (Kopp 2004, S. 40f.). Neben dem Subventionsbetrug ist die korrumpierende Einwirkung bei der öffentlichen Auftragsvergabe eine weitere Möglichkeit des Einflusses der OK. Durch ihre Aktivitäten verändert sie letztlich auch die Wettbewerbsbedingungen der Ausschreibungen (Morosini 2000, S. 223; Werner 1996, S. 27, 80f., 96).

Negative Effekte können sich zudem aus dem Umstand ergeben, dass die OK ihre Investitionen auf bestimmte Bereiche wie z.B. den Immobiliensektor konzentriert. Dies geschieht in erster Linie im Hinblick auf die Verfolgung ihrer profitorientierten Ziele. Der zur Verfügung stehende Grund und Boden als auch die Gebäude dienen zur Durchführung einer Vielzahl von illegalen und legalen Tätigkeiten, wie des Anbaus, der Produktion und des Handels von Drogen oder der Herstellung anderer Schmuggelware sowie deren Vertrieb. Aber auch im Rahmen der illegalen Prostitution, des illegalen Glücksspielbetriebs oder dem Fälschen können die erworbenen Aktiva genutzt werden (Schneider 2004b, S. 99; Kopp 2004, S. 40).

Dabei versucht die OK die für die Kreditvergabe zuständigen betreuenden und überwachenden Systeme durch Korruption dahingehend zu beeinflussen, größere Summen von Krediten für den anvisierten Sektor zu erhalten. Aber auch die Fälschung von Zahlen und Dokumenten wird zum betrügerischen Erhalt von Hypothekarkrediten angewandt, wobei in diesem Zusammenhang Buchhalter zur Falsifizierung korrumpiert werden. Die gefälschten Informationen in Verbindung mit der massiven Nachfrage nach den fraglichen Aktiva führen zu Preisverzerrungen in Form von Preissteigerungen (Bartlett 2002, S. 18) und zur Setzung falscher (Knappheits-)Signale. Dies kann wiederum weitere interessierte Investoren generieren. Durch das Auftreten der OK und der Praktik der Korruption wird die Informationsfunktion des Preissystems somit gestört. In der Folge kann das Vertrauen in derartige Mechanismen empfindlich erschüttert und letztlich ebenfalls die Entstehung bzw. das Wachstum von Spekulationsblasen begünstigt werden (Kopp 2004, S. 40; Schneider 2004b, S. 99ff.).

Neben der direkten Ausnutzung von Immobilien zur Profiterzielung ergibt sich eine weitere Nachfrage zum Zweck der Geldwäsche. Immobilien stellen im Rahmen dieser Aktivitäten ein attraktives Mittel zum Waschen der durch die illegalen Geschäftstätigkeiten erzielten Geldmittel dar. Die gewaschenen Gelder können dann wiederum für „sterile“ Investments wie Immobilien, die generell weniger zusätzliche Produktivität für die weitere Wirtschaft generieren, genutzt werden. Durch die Nutzung legaler Unternehmen als Geldwäscheeinrichtung, werden überdies produktive Unternehmen in „sterile“ Investments transformiert und es kann somit letztlich eine Produktivitätsreduzierung der gesamten Wirtschaft eintreten. In der Konsequenz besteht somit die Gefahr der Erosion des wirtschaftlichen Wachstums (Schneider 2004b, S. 101, 105f.; Bartlett 2002, S. 17ff.).

Bei der Allokation von Ressourcen durch den Marktmechanismus und den Wettbewerb spielt das Banken- und Finanzsystem im marktwirtschaftlichen System eine wesentliche Rolle. Durch dessen Missbrauch in Form der Geldwäsche, kann die legale Wirtschaft penetriert und für die beschriebenen Zwecke fruchtbar gemacht werden. Die Korruption erfolgt dabei jedoch nicht zwangsläufig über die unter dem Einfluss der OK stehenden Unternehmen, da die Herkunft der Bestechungsgelder nicht legalisiert sein muss (Werner 1996, S. 80f.).

Durch die Nutzung des Finanzsektors ergibt sich schließlich eine Gefahr für die Integrität finanzieller und kommerzieller Institutionen. Die sukzessive Erosion des Vertrauens in das Finanzsystem wird dabei zum einen durch die Einbindung von korrumpierten Bankangestellten zur Begehung verschiedener Arten von Betrug und Täuschung vorangetrieben, z.B. bei der erwähnten Kreditvergabe. Zum anderen erweist sich auch die Involvierung von angeworbenen Bankpersonal in die Geldwäsche als abträglich für das Vertrauen in den Finanzsektor (Godson/Williams 2001, S. 326, 328).

Der Missbrauch des Finanzsystems kann neben der Reputation finanzieller Institutionen auch die des gesamten Landes schädigen. Folglich wird das Vertrauen von Investoren aus dem In- und Ausland unterminiert, deren Engagement gebremst und damit wiederum das Finanzsystem geschwächt (Bongard 2001, S. 204; IMF 2001, S. 8f.).

Neben dem angesprochenen Imageverlust ganzer Länder und finanzieller Institutionen, sowie deren Unterwanderung, können sich durch die Geldwäsche, wobei die OK als ein Initiator auftritt (Bongard 2001, S. 12, 53), zahlreiche Beeinträchtigungen und Auswirkungen ergeben. So sind zunächst ebenso die Lasten der Geldwäschebekämpfung zu berücksichtigen (Werner 1996, S. 85).

Des Weiteren können sich für Banken auch direkte Gefährdungen als Opfer der OK ergeben. Durch Geschäftsbeziehungen zu unter dem Einfluss der OK stehender Institutionen kann das Vertrauen im Interbankengeschäft durch betrügerische Fehlinformationen beeinträchtigt werden. Durch eine zunehmende Unterwanderung legaler Unternehmen durch die OK besteht die Gefahr der Kreditausreichung an faktisch unsolide Unternehmen, zumal in diesem Fall die Transparenz infolge gefälschter oder manipulierter Zahlen und Bilanzen abnimmt. Auch die Informationsbereitschaft des Kunden wird aus Gründen der Verschleierung gering sein. Schließlich können den Banken durch vorsätzlichen Anlage- und Kreditbetrug hohe Schäden entstehen. Durch die Druckausübung auf Kreditinstitute und der Krediterpressung durch die OK, können diese ausgereichten Gelder Scheinfirmen zur Verfügung gestellt werden, welche dazu bestimmt sind zu „verschwinden“ oder in Konkurs zu gehen. Für die ausstehenden Zahlungen müssen dann die Banken, Versicherungsunternehmen oder die Öffentlichkeit eintreten. Letztlich ist dies eine weitere Wettbewerbsstörung im Kreditmarkt, da sich die OK bei der Kreditausreichung illegaler Mittel bedient und damit eine bevorzugte Geldquelle hat (Kopp 2004, S. 40; Werner 1996, S. 85f.).

Neben Banken können auch andere legale Unternehmen Opfer der Erpressung durch die OK werden und Auswirkungen auf die Wirtschaft nach sich ziehen. So stellt die Zahlung einer Schutzsteuer eine zusätzliche Belastung für legale Unternehmen dar, die insbesondere junge Unternehmungen in ihrer Entwicklung behindern kann (Godson/Williams 2001, S. 327; Konrad/Skaperdas 1998).

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Tätigkeit der OK im Konnex mit der Geldwäsche den Wettbewerb und dessen Steuerungsfunktion beeinträchtigt. So kann z.B. die effiziente Allokation der Produktionsfaktoren nicht mehr gewährleistet sein. Die Verzerrung des Wettbewerbs wiederum hat negative Effekte auf die Verteilungsfunktion, welche durch eine „gerechte Einkommensverteilung eine Erhöhung der sozialen Wohlfahrt anstrebt.“ (Bongard 2001, S. 156). [33] Damit könnte das Vertrauen in die Marktkräfte und letztlich in das marktwirtschaftliche System auch aufgrund der möglichen Ausschaltung des Wettbewerbs durch Korruption und Gewalt unterminiert werden (Bongard 2001, S. 156ff., 51; Quirk 1997, S. 8). Auch das Vertrauen in den finanzwirtschaftlichen Sektor ist durch die OK gefährdet. Durch Missbrauch des Finanzsektors infolge von Korruption und Geldwäsche kann die effiziente Ressourcenallokation behindert werden, indem eine Schädigung der für das ökonomische Wachstum kritischen Institutionen erfolgt und das Vertrauen in selbige geschmälert wird. Dies ist insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung von Vertrauen in finanzielle Institutionen in den Entwicklungsländern als schwerwiegend anzusehen (Bartlett 2002,
S. 9ff.; IMF 2001, S. 8f.).[34]

3.2. Gefahren für die Demokratie und Schäden für die Allgemeinheit

Die OK kann durch ihre außerordentliche Kapitalkraft nicht nur potenziell negative Effekte auf das Wirtschaftsleben haben, sondern auch staatliche Instanzen auf allen Ebenen bedrohen. Durch Korruption kann sie sich dabei vielfältige Einflussmöglichkeiten in Justiz, Politik oder Verwaltung verschaffen, um so ihre Aktivitäten vor der Strafverfolgung zu schützen. Dies kann in letzter Instanz die Demokratie gefährden, da die staatlichen Steuerungsinstanzen im Sinne der OK beeinflusst, ggf. neutralisiert und u.U. die Interessen der Bevölkerung denen der OK untergeordnet werden. Die Korruption kann insbesondere die wirtschaftliche Entwicklung in Entwicklungs- und Transformationsländern lähmen oder schwächen (Godson/Williams 2001, S. 326; Bongard 2001, S. 51ff.).[35] Durch den Einsatz der immensen aus den illegalen Aktivitäten stammenden Gelder sowie der Korrumpierung von Verwaltungssystemen und Amtsträgern besteht die Gefahr einer Akkumulation wirtschaftlicher und politischer Macht, die den demokratischen Rechtsstaat und die gesellschaftliche Ordnung schädigen kann (Lupsha 1996, S. 34f., 43f.; Werner 1996, S. 99f.).

Die Tätigkeiten der OK auf legalen Märkten haben weitere negative Effekte. Durch den erwähnten, irregulären Wettbewerb reduzieren die legalen Unternehmen ihr Angebot oder desinvestieren. Dadurch geht die Beschäftigung auf legalen Märkten, auch aufgrund etwaiger Konkurse oder Marktaustritte, zurück. Der Allgemeinheit entgehen damit Steuerzahlungen und Sozialversicherungsabgaben, da derartige Abgaben von der OK nicht abgeführt oder im Rahmen der Untergrundökonomie hinterzogen werden.[36] Die OK zieht überdies umfangreiche Ressourcen aus der legalen Wirtschaft ab, was den angesprochenen hemmenden Einfluss auf Sozialprodukt und Wachstum hat (Bongard 2001, S. 50, 197ff.).

Generell verursachen die Aktivitäten der OK auf legalen wie illegalen Märkten Belastungen für die Gesellschaft. Durch Strafverfolgung und -vollzug entstehen der Gesellschaft Kosten für die polizeilichen und justiziellen Tätigkeiten, die durch Steuerzahlungen refinanziert werden müssen. Bei einem verstärkten Auftreten der OK impliziert dies steigende Kosten für das Rechtssystem, die ggf. durch Steuererhöhungen refinanziert werden müssen (Bongard 2001, S. 50; Schulz 1972, S. 383f.). Weitere Gemeinkosten können nicht fass- und messbarer (nicht-pekuniärer) Natur sein (Hartwig/Pies 1995, S. 20). Hierunter sind Einbußen der Lebensqualität oder Einschränkungen der Zufriedenheit und des Sicherheitsgefühls der Bevölkerung zu subsumieren. Daraus resultieren ggf. (höhere) Kosten für Sicherheitssysteme und Wachdienste (Bongard 2001, S. 50; Hartwig/Pies 1995, S. 20). Derartige Kosten ergeben sich bspw. aus den mit dem Drogenhandel assoziierten „Folgeschäden“ in Form der Beschaffungskriminalität oder der auf illegalen Märkten auftretenden Gewalt (Braun et al. 2001,
S. 151ff.; Kaiser 1996, S. 174ff.). Derartige Gewalt verursacht demnach weitere negative externe Effekte, welche die Individuen in Form des angesprochenen geringeren Sicherheitsgefühls betreffen (Kopp 1999, S. 28; Hartwig/Pies 1995, S. 69).

Diese kurzen Ausführungen zeigen, dass eine nur anhand des Anteils der OK am BIP vorgenommene Beurteilung des Einflusses und Gefahrenpotenzials nicht ausreicht. Die Darstellung des Ausmaßes der OK ist insbesondere durch die qualitative Betrachtung der Auswirkungen zu ergänzen, um somit die potenziell von der OK ausgehende Gefahr (nicht zuletzt) für die legale Wirtschaft darzustellen (Kopp 2004, S. 43).[37]

4. Generelle Konsequenzen der Illegalität für die Organisierte Kriminalität

Es wurde herausgestellt, dass sich die illegale Unternehmung grundsätzlich wie jeder rationale Akteur verhält. Sie versucht Marktchancen, die sich aus ihrem Umfeld ergeben, zur Profiterzielung auszuschöpfen und bedient bei ihrer Tätigkeit auf illegalen Märkten die auf legalen Märkten nicht befriedigte Nachfrage (Schweer 2003, S. 34). Mit Ausnahme der durch die Gesetze auferlegten Illegalität, ist sie dabei den gleichen technologischen und ökologischen Rahmenbedingungen, Veränderungen und Kräften (Potter 1994, S. 153) ausgesetzt wie legale Unternehmen (Galeotti 2005, S. 4ff.; Müller 1992, S. 43). Die OK operiert letztlich lediglich in Bereichen die verboten sind (Smith 1978, S. 164). Der, wie Smith (1980) angemerkt hat, als Produkt der Gesetzgebung illegal gewordene Markt (Turvani 1997,
S. 127), funktioniert dabei grundsätzlich nach den gleichen Mechanismen wie ein legaler Markt. Es herrschen die Prinzipien von Angebot und Nachfrage (Passas 2001, S. 24) und auch die Organisation des illegalen Marktes wird größtenteils von ökonomischen Kräften determiniert (Arlacchi 2001, S. 7; Reuter 1983, S. 109, 113ff.).

Allerdings ergeben sich aufgrund der Illegalität einige Unterschiede, da sie das institutionelle Umfeld, in dem sich die OK bewegt, beeinflusst und die Art und Weise wie die Akteure agieren determiniert (Kopp 2004, S. 29; Smith 1980, S. 375). Für die OK als Unternehmen, welches im Wesentlichen auf illegalen Märkten tätig ist, ergeben sich hieraus eine Reihe von Beschränkungen, welche die Größe, die organisatorische Struktur und den Modus Operandi beeinflussen und determinieren (Lyman/Potter 2004, S. 80; Passas 2001, S. 24).

Als eine signifikante Konsequenz der Illegalität ist die fehlende Möglichkeit zu konstatieren, auf institutionelle Einrichtungen zurückzugreifen, derer sich legale Unternehmen bedienen können. Erstens besteht kein polizeilicher Schutz oder die Möglichkeit der Inanspruchnahme dessen (Schloenhardt 2002, S. 209; Kunz 1976, S. 102). Zweitens existieren auf illegalen Märkten gewöhnlich keine Einrichtungen, die im Geschäftsverkehr ggf. unterstützend zur Seite stehen. Als Beispiel wären hier die Handelskammern zu nennen, die bei der Vermittlung von Kontakten hilfreich sein können. Drittens ist der Rückgriff auf staatliche Institutionen wie Gerichte verwehrt, was zur Folge hat, dass Verträge auf illegalen Märkten nicht einklagbar sind (Schloenhardt 2002, S. 209; Reuter 1983, S. 114). Die auf legalen Märkten staatlich garantierten Eigentumsrechte sind auf illegalen Märkten, wie dem Drogenmarkt, nicht gegeben. Die Eigentumsrechte sind vielmehr nicht (Schloenhardt 2002, S. 209) oder schlecht geschützt und nicht durchsetzbar (Paoli 2002, S. 64; Pies 2001, S. 39). Die Illegalität der Transaktionen begünstigt damit opportunistisches Verhalten (Kopp 2004, S. 29). Daher gehen Braun et al. (2001, S. 150f.) und Kaiser (1996, S. 208) im Vergleich zu legalen Märkten hier von einer erhöhten Wahrscheinlichkeit des Vertragsbruchs oder Betruges aus.

Aufgrund der fehlenden Rechtssicherheit und der erwähnten stärkeren Betrugsanreize kommt es zu einer höheren Gewaltbereitschaft. Für den Fall auftretender gewaltsamer Auseinandersetzungen zwischen Anbietern kommen insbesondere Fragen des Aufbaus eines Gewalt- und Drohpotenzials, welches die „Markteintrittskosten“ etwaiger Konkurrenten erhöht, zum Tragen (Braun 2002, S. 162).

Das Fehlen kodifizierter Normen und eines formalen Sanktionsapparates zur Geltendmachung und Durchsetzung vertraglicher oder anders gearteter Rechtsansprüche (Pies 2001,
S. 39) erhöht mithin die Unsicherheit (Schweer 2003, S. 34).[38] Der Mangel an formalen, legalen vertraglichen Regelungen erweist sich zudem als Schwierigkeit bei der Steuerung der illegalen Unternehmung. Für die Unternehmensspitze werden die Koordinationsaufgaben mit zunehmender Unternehmensgröße immer umfangreicher und aufgrund der gestiegenen Komplexität erweist sich die Überwachung der Leistungen von Angestellten als kompliziert. Deren Kontrolle führt insbesondere im Falle großer zu überwachender Gebiete oder Angestelltenzahlen zu annahmegemäß größeren Transaktionskosten im Sinne höherer Koordinations- und Überwachungskosten (Southerland/Potter 1993, S. 257; Krüsselberg 1993, S. 53).[39]

[...]


[1] Die OK wird auch als kriminelle Organisation bezeichnet (Cesoni 1999, S. 157; Bögel 1994, S. 88).

[2] Zur umfassenden Darstellung der Forschungsprobleme vgl. Potter (1994, S. 27-44) und Reuter (1987, S. 171-178).

[3] Ökonomische Beiträge befassen sich insbesondere mit der Theorie der Kriminalität und der optimalen Strafverfolgung (Garoupa 2004). Vgl. bspw. Becker (1968), Ehrlich (1996, 1973), Stigler (1970) oder Polinsky und Shavell (1999). Die wirtschaftswissenschaftliche Auseinandersetzung mit der OK hat sich dabei vor allem im angelsächsischen Raum etabliert (Besozzi 1997, S. 27). Vgl. Reuter (1987, 1983, 1980), Anderson (1979) oder Schelling (1971, 1967).

[4] Auch wenn die eindeutige Gewichtung auf der wirtschaftswissenschaftlichen Betrachtung liegt, müssen soziologische und kriminologische Sichtweisen mit einbezogen werden, sofern dies zweckdienlich erscheint.

[5] Definitorische Probleme können sich aus dem Verständnis des Wortes „organisiert“ ergeben. So kann man zum einen auf den Akt des „Organisierens“ eines Verbrechens referieren, z.B. die Organisation eines Autodiebstahls. Zum anderen kann man den Term als eine Gruppe die organisiert ist, verstehen. In dieser Arbeit wird auf die zweite Bedeutung abgestellt (Maltz 1976, S. 339). Die Organisation eines Verbrechens differiert also erheblich von Organisierter Kriminalität im hier verwendeten Sinne (Reuter/Petrie 1999, S. 9).

[6] Für eine im europäischen Raum allgemein akzeptierte (halb-)offizielle Definition (Kinzig 2004, S. 57; Paoli 2002, S. 60) sei auf die RiStBV verwiesen (Anlage E, Nr. 2.1 abgedruckt in Meyer-Goßner (2004)). Diese wird hier jedoch nicht verwendet, da sie als zu weit und unbestimmt erachtet wird. So kann man unter ihr ebenso die Bandentätigkeit, wie auch die Wirtschaftskriminalität subsumieren, welche aber beide für die vorliegende Arbeit nicht von Relevanz sind. Zur Kritik an dieser Definition vgl. z.B. Kinzig (2004, S. 61-76) oder Schweer (2003, S. 26f.). Zur Abgrenzung der OK von den Begriffen Wirtschaftskriminalität und „white collar crime“ vgl. z.B. Bongard (2001, S. 14-17), Heißner (2001), Castan (1993) oder Sutherland (1961, 1940). Es gilt zu beachten, dass im Rahmen der Penetration legaler Märkte und der Verquickung mit legalen Unternehmen Tatbestände der Wirtschaftskriminalität verwirklicht werden. Beispielhaft sei hier die illegale Beschäftigung oder der Subventionsbetrug genannt (Castan 1993, S. 4707-4713).

[7] Vgl. zur Unterscheidung auch Tabelle 2 im Anhang.

[8] Für die Erpressung existiert dabei zunächst offensichtlich keine allgemeine Nachfrage. Wohl besteht aber aufgrund des fehlenden institutionellen Rechtsrahmens als Folge der Illegalität ein Interesse an einer Schutzinstanz für den Fall von Konflikten im kriminellen Milieu (Gambetta 1993). Im legalen Bereich kann ebenso der Schutz vor „unvorhergesehenen“ gewaltsamen Übergriffen krimineller Elemente nötig werden. Da die OK z.T. dieses Bedürfnis nach Schutz selbst erzeugt und diesen aber auch gleichzeitig vor (anderen) räuberischen Verbrechern & Erpressern gewährt, besteht letztlich ein gewisser Bedarf danach (Levi/Mcquire 2004, S. 400; Albanese 2002, S. 1f.). Dick (1998, S. 719) interpretiert daher die Erpressung als den Verkauf von der Vermeidung von Eigentums- oder Personenschäden. Es ist anzumerken, dass die Infiltration der legalen Wirtschaft im Rahmen der Erpressung räuberischerer Natur ist, als rein marktbasierte Tätigkeiten der OK (Albanese 2002, S. 2).

[9] Vgl. zur Geldwäsche insbesondere Kapitel 5.5.2. dieser Arbeit.

[10] Einen umfassenden Überblick über die verschiedenen Aktivitäten krimineller Organisationen findet man bei Potter und Lyman (2004, S. 170-216), Siska (1999, S. 13) oder Werner (1996, S. 19-28). Vgl. weiterhin
Abbildung 1 im Anhang.

[11] Von Albanese als „enterprise-model of organized crime“ etikettiert (1994, S. 84). Für weitere Modelle aus anderen Wissenschaftsdisziplinen vgl. Lyman und Potter (2004, S. 39-53), Williams und Godson (2002, S. 315-347) oder Liddick (1999, S. 191-214). Wie schon angedeutet, liegt der Grund divergierender Definitionen vor allem im Umstand begründet, dass verschiedene Autoren an der Erhellung des Phänomens OK involviert sind. Daher werden entsprechend auch verschiedene Erscheinungsformen unter den Term OK subsumiert.

[12] Diese geht davon aus, dass die illegalen Aktivitäten in Form der OK durch ethnische Gruppen von Immigranten ins Land gebracht wurden. Als Beispiel hierfür wurden die sizilianischen Immigranten genannt, die für die Entstehung der amerikanischen Cosa Nostra verantwortlich waren (Potter/Lyman 2004, S. 65f.; Kelly 1987, S. 13, 26). Diese insbesondere von den Strafverfolgungsbehörden und Offiziellen vertretene Perspektive fand bis zu den frühen 80er Jahren ihre Befürworter. Vgl. zu dieser Theorie, zu deren Ablösung und zur Kritik, Potter und Lyman (2004, S. 65f.), Paoli (2002, S. 53-59), Beare und Naylor (1999, Kapitel 2 und 2.1) und Kelly (1987, 13ff.) und die dort jeweilig verwiesenen Autoren.

[13] Für die ausführliche Darstellung vgl. genannte Autoren. Siehe zudem weitere Autoren wie Altenkirch (2002, S. 5-8), Siska (1999, S. 18-21) oder Werner (1996, S. 15-18, 90f.). Wie Müller in seiner Arbeit anmerkt, kann die Skizzierung der OK als Unternehmung, der systemimmanenten Diskretion geschuldet, nicht vollständig und exakt sein (1992, S. 43).

[14] Weitere Unterschiede, Konsequenzen und Restriktionen die sich insbesondere aus der Illegalität und der Tätigkeit in selbiger ergeben, werden bei der Analyse der OK in Kapitel 4. und 5. aufzuzeigen sein.

[15] Durch Geldwäsche illegal erzielter Einkommen und deren Investition im legalen Wirtschaftskreislauf kann es aufgrund der geringeren Finanzierungskosten der OK zu Benachteiligungen legaler Unternehmen kommen (crowding out) (Bongard 2001, S. 199; Gersemann 1996, S. 69). Vgl. weiterführend Kapitel 3.

[16] Pies (2001, S. 43) geht bspw. bei einem legalisierten Heroinmarkt davon aus, dass illegale Anbieter einem legalen Konkurrenzkampf nicht standhalten und aus dem Markt gedrängt werden würden.

[17] Lupsha (1996, S. 35) bezeichnet die Korruption mithin als Wettbewerbsvorteil ggü. den Unternehmen auf legalen Märkten. Dem ist vor allem dann zuzustimmen, wenn die illegale Unternehmung mit „ehrlichen“ Unternehmen konkurriert. Setzt die legale Unternehmung dagegen ebenfalls dieses unlautere Mittel ein, ist bezüglich der Korruption von einer Nivellierung der Unterschiede zwischen legalen und illegalen Unternehmen auszugehen. Für ausgewählte Wettbewerbsvorteile der OK vgl. Tabelle 3 im Anhang.

[18] Entsprechend werden in dieser Arbeit die Begriffe OK, kriminelle Organisation und illegale Unternehmung synonym verwendet. Ebenso werden die Begriffe Unternehmung und Unternehmen hier wie vielfach in der Literatur synonym benutzt (Hentze et al. 2001, S. 27).

[19] Schon innerhalb eines Landes existieren die verschiedensten kriminellen Organisationen (Cesoni 1999, S. 161; Kopp 1999, S. 7). Am Beispiel des Drogenmarktes erkennt man, dass die illegale Unternehmung dabei mit verschiedenen Partizipanten, unter anderem auch mit legalen Wirtschaftssubjekten bspw. im Rahmen der Geldwäsche interagieren kann (Schweer 2003, S. 29, 31f.; siehe Abbildung 3 im Anhang). Auch der Menschenhandel zeichnet sich durch diverse Typen von Akteuren aus (Di Nicola 2005, S. 185ff.).

[20] Die virtuelle Unternehmung ist dabei als eine flexible, nur zur Bewältigung von spezifischen Aufgabenstellungen gebildete Organisationsform zu verstehen, bei der eine problembezogene, dynamische Verknüpfung realer Ressourcen erfolgt (Picot 2001, S. 392).

[21] Es gilt zu beachten, dass sich terroristische Gruppierungen ebenso zur OK wandeln können und dies auch vice versa gilt (Dishman 2001, S. 47f.). Für eine Aufstellung der Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Terrorgruppen und der OK vgl. Schmid (1996, S. 66-69) oder Sanderson (2004, S. 53-56).

[22] Die weitergehende Auffassung von einem globalen Nexus von Terroristen und OK sieht Naylor (2002, S. 10f.) als eine Übertreibung und im schlimmsten Fall als eine politisch motivierte Vorstellung an. Als Vertreter der Ansicht der zunehmenden Verknüpfung und Konvergenzerscheinungen beider Gruppen vgl. Makarenko (2005, 2003) oder Shelley (2002).

[23] Für die generellen Schwierigkeiten bei der Datenerhebung und der Aussagekraft der Zahlen vgl. bspw. für den Drogenmarkt Reuter und Petrie (1999, S. 46ff.) oder Hartwig und Pies (1995; S. 1-34). Für den Menschenhandel sehr ausführlich siehe die verschiedenen Aufsätze in IOM (2005) und Di Nicola (2005, S. 195f.). Für die Geldwäsche vgl. IMF (2001, S. 10ff.) oder Bongard (2001, S. 176-182). Zum Anteil illegaler Aktivitäten und zur zusammenfassenden Darstellung von Schätzungen der illegalen und kriminellen Ökonomie in nationalen volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen dreier europäischer Länder vgl. Kopp (1999, S. 14-21).

[24] Bezüglich des jährlichen weltweiten Drogenumsatzes reichen die Schätzungen von 100 bis über 1000 Milliarden US-$. Neben den allgemeinen Schwierigkeiten der Schätzung, sind hier zudem die je nach Land und Region variierenden Preise auf der Verkaufsebene für diese Spanne verantwortlich (UNODC 1998, 51f.).

[25] Siehe auch Abbildung 4, Abbildung 5, Abbildung 6 und Abbildung 7 im Anhang.

[26] Hier ergibt sich bei der Schätzung des Marktvolumens die zusätzliche Schwierigkeit, dass die Unterscheidung zwischen legalem und illegalem Waffenhandel nicht immer eindeutig ist (Liddick 2004, S. 49).

[27] Eine von Walker (1998, S. 205ff.) in seinem Model geschätzte Gesamtsumme von 2.850 Milliarden US-$ stellt sicherlich einen Extremwert dar. In seinem Model erwies sich die USA sowohl als Hauptquelle wie auch als Hauptziel gewaschener Gelder (Walker 1998, S. 207f.; siehe Tabelle 4, Tabelle 5 und Abbildung 9 im Anhang).

[28] Naylor (2002, S. 8) merkt allgemein provokant an, dass letztlich niemand weiß, wie viel illegales Geld verdient, gespart, gewaschen, weltweit bewegt oder zwischen Kriminellen verteilt wird.

[29] Die auch verschiedentlich als Schattenwirtschaft, Untergrund- oder Parallelökonomie bezeichnete illegale Ökonomie kann entsprechend der Arten der involvierten Tätigkeiten in drei Typen unterteilt werden. Diese sind die nicht aufgezeichnete legale, die unbezahlte und die illegale ökonomische Aktivität. Letztere umfassen dabei z.B. den Drogen- und Menschenhandel oder Aktivitäten im Geschäft der Prostitution (Pozo 1996, S. 1-5). Kopp bezeichnet derartige Tätigkeiten als kriminelle Aktivitäten und fasst diese als kriminelle Ökonomie zusammen, die wiederum nur einen Subsektor der illegalen Ökonomie darstellt (1999, S. 13-17). Da sich die Begriffe illegale und kriminelle Aktivität hier als inhaltsgleich erweisen, werden beide synonym verwendet.

[30] Weitere Schätzungen gehen für Australien von einem Anteil der Untergrundökonomie am BIP von 4-12% und für Japan von 4-15% aus (Quirk 1997, S. 8). Es gilt zu beachten, dass Schneider für Deutschland von weit höheren Anteilen krimineller Aktivitäten ausgeht und die Begriffe Schattenwirtschaft und Untergrundökonomie explizit trennt (2004a, S. 98f., 110f.). Für eine Darstellung seiner Schätzung vgl. genannten Autor und Abbildung 10, Abbildung 11 und Abbildung 12 im Anhang.

[31] In bestimmten Volkswirtschaften kann dieser Prozentsatz höher sein. So gehen die Schätzungen des Anteils der Drogenindustrie am BIP für Bolivien von bis zu 30% aus. Für Kolumbien und Peru variieren die Zahlen zwischen 3-13% respektive 2-11% des BIPs (Besozzi 2001, S. 147f.).

[32] Als Beispiel hierfür werden das Gaststättengewerbe (Kopp 2004, S. 40) oder die Müllbeseitigung genannt (Godson/Williams 2001, S. 326f.).

[33] Einige Autoren gehen zudem von positiven Auswirkungen der illegalen Ökonomie aus. Demnach haben illegale Märkte einen positiven Einfluss auf die Beschäftigungslage bestimmter Länder. Die Drogenindustrie beschäftigt z.B. in Kolumbien, Peru und Bolivien 4% bzw. 2,4-4,5% bzw. 8,2-16,7% der erwerbstätigen Bevölkerung (Besozzi 2001, S. 146, 148f.). Für eine umfassende Darstellung der ökonomischen, ökologischen, sozialen und politischen Effekte der Drogenindustrie in den Andenländern vgl. Thoumi (2003, Kapitel 6).

[34] Da der Schwerpunkt der Arbeit nicht auf der vollständigen Darstellung aller verschiedenen Konsequenzen und Gefahren der OK liegt, werden hier nur einige Auswirkungen dargestellt. Siehe auch Tabelle 6 im Anhang. Vgl. z.B. ausführlich für makroökonomischer Konsequenzen der Geldwäsche wie dem Einfluss auf Zahlungsbilanz, Geldmenge, Wirtschaftswachstum, Aktien- und Wechselkurse oder Marktpreise Bongard (2001, S. 182-206), Werner (1996, S. 73-86) oder Quirk, P. (1996).

[35] Kopp (2004, S. 42) merkt an, dass es in Ländern, in denen der Staat besonders bürokratisch und ineffizient ist, denkbar erscheint, dass Korruption u.U. einen positiven Effekt haben kann. Es besteht zumindest die Möglichkeit, dass durch die Korruption der staatlichen Administration die Transaktionskosten gesenkt werden können und der Austausch gefördert wird. Die Konsequenzen für die Effizienz der Märkte könnten daher positiv sein. Allerdings sind dabei auch die negativen Effekte zu beachten, die als Folge der Regelbrechung entstehen (Kopp 2004, S. 42). Eine Beurteilung der Korruption ist Schmidt und Garschagen (1988, S. 568) zufolge von der konkreten Situation abhängig. Da die generelle Diskussion über positive oder negative Auswirkungen der Korruption bzw. deren Vor- bzw. Nachteiligkeit nicht Gegenstand der Arbeit ist, sei auf die Literatur verwiesen. Vgl. bspw. Dietz (2000), Nye (1967) und insbesondere die grundlegende Arbeit von Rose-Ackermann (1978).

[36] Für den Fall der Führung legaler Unternehmen durch die OK ist allerdings auch eine Abführung von Abgaben und Steuern in gewissem Maße vorstellbar. Die OK wird jedoch auch hier versuchen, diese Beträge zu minimieren (Bongard 2001, S. 156).

[37] In bestimmten Ländern ist der Einfluss der OK mithin ausgeprägter. Lilley (2003, S. 23) schreibt, dass zwischen 50 und 80% der russischen Banken unter der Kontrolle der OK stehen und letztere ungefähr 40% der privaten und 60% der staatlichen Unternehmen kontrolliert.

[38] Geschriebene Verträge als Institution des legalen Marktes sind nicht nur uneinklagbar, sondern wie in Kapitel 2.3. erläutert auch nicht erwünscht (Paul/White 1994, S. 109). Vgl. zudem für weitere aus der Illegalität resultierende Folgen, die in Kapitel 2.3. beschriebenen Unterschiede zu legalen Unternehmen.

[39] Transaktionskosten können in Markttransaktions- und Unternehmenstransaktionskosten, sowie politische Transaktionskosten untergliedert werden, wobei letztere in vorliegender Arbeit nicht betrachtet werden (Richter/Furubotn 1999, S. 49f.). Jost (2000, S. 185) unterscheidet die Transaktionskosten zudem nach Koordinations- und Motivationskosten und ordnet sie der marktlichen bzw. hierarchischen Koordination zu. Vgl. zur Klassifizierung der Transaktionskosten Tabelle 7 im Anhang.

Ende der Leseprobe aus 104 Seiten

Details

Titel
Organisierte Kriminalität. Eine ökonomische Analyse
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
104
Katalognummer
V65151
ISBN (eBook)
9783638577885
ISBN (Buch)
9783638710688
Dateigröße
2136 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Eine, Analyse, Kriminalität
Arbeit zitieren
Thomas Geyer (Autor:in), 2005, Organisierte Kriminalität. Eine ökonomische Analyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/65151

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