1. Freiheit und Determination: Einführung
Dies ist die Geschichte eines schwierigen Problems, ein Problem, dass viele Menschengeschlechter vor und wohl auch weitere Generationen nach uns beschäftigen wird. Es geht um die Frage, ob der Mensch in seinem Handeln und Denken frei ist; oder ob die ganze Welt und damit auch der Mensch durch äußere (kausale?) Ursachen determiniert werden, wie nicht erst seit dem Erfolg der Gravitationstheorie von Isaac Newton von einigen Gelehrten behauptet wurde. Neben dem physikalischen Determinismus nennt Richard Taylor auch einen ethischen, logischen, psychologischen und theologischen Determinismus , den ich um einen neurobiologischen erweitern würde. Ebenso gibt es Verfechter für die Freiheit. Die Auseinandersetzung zwischen Deterministen und Freiheitstheoretikern existiert schon seit der antiken Philosophie und ficht sich seitdem durch die gesamte Geistes- und Naturgeschichte. Der - islamischetheologische Determinismus soll uns an dieser Stelle interessieren. Wie geht der Islam mit der Frage nach Freiheit und Vorherbestimmung um? Viele nehmen ja meist an, der Islam sei von einem Fatalismus geprägt.
Während der Ausarbeitung meines Referates zur islamischen Eschatologie bin ich auf einen eklatanten Widerspruch gestoßen: Wie kann ein im wahrsten Sinne des Wortes allmächtiger Gott, der das Weltgeschehen lenkt und waltet wie es ihm in den Sinn kommt, gerecht sein? Denn der Koran lässt Allah als den absolut Mächtigen und Transzendenten auftreten, der Himmel und Erde erschaffen hat, und vor dem alle Wesen nur Staub sind. Wie das Verhältnis von Mensch und Gott aussieht und was der Mensch aus islamischer Sicht ist, werde ich im Abschnitt 2.1 zeigen. Um dem Leser die Schwierigkeit der Gerechtigkeit Gottes zu verdeutlichen, ist im Abschnitt 2.2 eine kleine Einleitung in die islamische Eschatologie enthalten. Wir werden dort sehen, dass Allah die Menschen am Jüngsten Tag nach ihrem Glauben und ihren Taten richtet. Und darin liegt auch das Problem: Wenn Allāh die Menschen nach ihren guten oder schlechten Werken beurteilt und sie damit für alle Ewigkeit in das Paradies oder in die Hölle eingehen lässt, er aber gleichzeitig seit undenklichen Zeiten die Taten der Menschen vorausbestimmt hat (determiniert hat), ist der Mensch dann im Endeffekt für seine Taten überhaupt verantwortlich? [...]
Inhaltsverzeichnis
- Freiheit und Determination: Einführung
- Der Mensch, der Tod und das Ende der Welt
- Islamische Anthropologie
- Eschatologie im Islam
- Freiheit und Vorherbestimmung im Islam
- Die Grundlagen: Der Koran und die Tradition
- Der Koran
- Die Tradition
- Theologische Lehren
- „Es gibt keine Freiheit!“ – Lehren zur Determination
- „Der Mensch ist verantwortlich!“ – Freiheit im Islam
- Ein Mittelweg? Die Ash`ariten
- Die Grundlagen: Der Koran und die Tradition
- Exkurs: Allwissenheit und Freiheit
- Schlussbemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht das Spannungsfeld zwischen menschlicher Freiheit und göttlicher Vorherbestimmung im Islam. Sie analysiert, wie der Islam mit dem Problem der göttlichen Allmacht und Gerechtigkeit angesichts der menschlichen Verantwortung umgeht. Die Arbeit beleuchtet dabei die verschiedenen theologischen Positionen und deren Interpretationen des Korans und der Tradition.
- Menschliche Freiheit vs. göttliche Vorherbestimmung im Islam
- Die Rolle des Korans und der Tradition in der Debatte
- Verschiedene theologische Positionen (Determinismus, Freiheit, Mittelweg)
- Das Problem der göttlichen Gerechtigkeit und Allmacht
- Islamische Anthropologie und Eschatologie im Kontext der Thematik
Zusammenfassung der Kapitel
Freiheit und Determination: Einführung: Diese Einleitung stellt die zentrale Problematik der Arbeit vor: den Konflikt zwischen Determinismus und Freiheit. Sie skizziert verschiedene Formen des Determinismus (physikalisch, ethisch, logisch, psychologisch, theologisch, neurobiologisch) und verweist auf die lange Geschichte dieser Debatte in Philosophie und Theologie. Der Fokus liegt auf dem theologischen Determinismus im Islam und der Frage nach der Vereinbarkeit von göttlicher Allmacht mit menschlicher Verantwortung. Die Einleitung führt das zentrale Problem ein: Wie kann ein allmächtiger Gott, der das Geschehen lenkt, gerecht sein, wenn er gleichzeitig das Handeln der Menschen vorherbestimmt?
Der Mensch, der Tod und das Ende der Welt: Dieser Abschnitt beginnt mit der islamischen Anthropologie, die den Menschen als Geschöpf vor Gott definiert und im Gegensatz zum Christentum eine Teilhabe an der Göttlichkeit ausschließt. Die anschliessende kurze Einleitung in die islamische Eschatologie beschreibt das göttliche Gericht am Jüngsten Tag, bei dem die Menschen nach ihren Taten beurteilt werden. Dieser Abschnitt verdeutlicht den Kernkonflikt: Wie kann Gott gerecht richten, wenn er bereits die Taten der Menschen vorherbestimmt hat?
Freiheit und Vorherbestimmung im Islam: Dieses Kapitel untersucht die Grundlagen der Debatte über Freiheit und Vorherbestimmung im Islam, basierend auf dem Koran und der islamischen Tradition. Es werden verschiedene theologische Lehren präsentiert, die entweder einen konsequenten Determinismus vertreten oder die menschliche Freiheit betonen. Besonders wird auf die Ash'ariten eingegangen, die oft als Vertreter eines "Mittelwegs" gesehen werden. Der Abschnitt analysiert die unterschiedlichen Interpretationen der heiligen Schriften und deren Auswirkungen auf das Verständnis von freiem Willen und göttlicher Vorsehung.
Schlüsselwörter
Islamische Theologie, Freiheit, Vorherbestimmung, Determinismus, Koran, Tradition, Ash'ariten, Gerechtigkeit Gottes, Allmacht Gottes, Eschatologie, Anthropologie, Verantwortung.
Häufig gestellte Fragen zu: Freiheit und Vorherbestimmung im Islam
Was ist der Gegenstand der vorliegenden Arbeit?
Die Arbeit untersucht das Spannungsfeld zwischen menschlicher Freiheit und göttlicher Vorherbestimmung im Islam. Sie analysiert, wie der Islam mit dem Problem der göttlichen Allmacht und Gerechtigkeit angesichts der menschlichen Verantwortung umgeht und beleuchtet verschiedene theologische Positionen und deren Interpretationen des Korans und der Tradition.
Welche Themen werden im Detail behandelt?
Die Arbeit behandelt die menschliche Freiheit im Gegensatz zur göttlichen Vorherbestimmung, die Rolle des Korans und der Tradition in dieser Debatte, verschiedene theologische Positionen (Determinismus, Freiheit, Mittelweg), das Problem der göttlichen Gerechtigkeit und Allmacht sowie die islamische Anthropologie und Eschatologie im Kontext dieser Thematik.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit und worum geht es in ihnen?
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung in die Problematik von Freiheit und Determination. Es folgt ein Abschnitt zur islamischen Anthropologie und Eschatologie, der den Kontext für die Diskussion von Freiheit und Vorherbestimmung schafft. Das Kernstück bildet das Kapitel über Freiheit und Vorherbestimmung im Islam selbst, das die Grundlagen der Debatte im Koran und der Tradition, verschiedene theologische Lehren und insbesondere die Position der Ash'ariten beleuchtet. Ein Exkurs widmet sich dem Thema Allwissenheit und Freiheit. Die Arbeit schließt mit einer Schlussbemerkung.
Welche theologischen Positionen werden diskutiert?
Die Arbeit präsentiert verschiedene theologische Lehren, die entweder einen konsequenten Determinismus vertreten oder die menschliche Freiheit betonen. Besonderes Augenmerk liegt auf den Ash'ariten, die oft als Vertreter eines "Mittelwegs" zwischen absolutem Determinismus und uneingeschränkter Freiheit gesehen werden.
Welche Rolle spielen der Koran und die Tradition?
Der Koran und die islamische Tradition bilden die Grundlage der Debatte über Freiheit und Vorherbestimmung. Die Arbeit analysiert die unterschiedlichen Interpretationen der heiligen Schriften und deren Auswirkungen auf das Verständnis von freiem Willen und göttlicher Vorsehung.
Wie wird das Problem der göttlichen Gerechtigkeit und Allmacht behandelt?
Die Arbeit thematisiert den zentralen Konflikt, wie ein allmächtiger Gott, der das Geschehen lenkt, gerecht sein kann, wenn er gleichzeitig das Handeln der Menschen vorherbestimmt. Dieser Konflikt wird im Kontext der islamischen Anthropologie und Eschatologie, insbesondere im Hinblick auf das göttliche Gericht am Jüngsten Tag, diskutiert.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren den Inhalt?
Schlüsselwörter sind: Islamische Theologie, Freiheit, Vorherbestimmung, Determinismus, Koran, Tradition, Ash'ariten, Gerechtigkeit Gottes, Allmacht Gottes, Eschatologie, Anthropologie, Verantwortung.
- Arbeit zitieren
- Christian Albrecht (Autor:in), 2006, 'Allah führt irre, wen Er will, und wen Er will, den bringt Er auf den geraden Weg' - Determinismus, Freiheit und Eschatologie im Islam, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/65231