Lebenserwartung und Geschlecht


Dossier / Travail de Séminaire, 2006

21 Pages, Note: 2,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Lebenserwartung und Geschlecht: Ein neoklassisches Wachstumsmodell
2.1 Annahmen
2.2 Ergebnisse
2.3 Fazit und kritische Würdigung: Zielkonflikte, Stärken und Schwächen

3 Darstellung der Sichtweise anderer Autoren
3.1 Neumayer und Plümper
3.2 Ehrlich und Chuma
3.3 Fei, Wanner und Cotter

4 Vergleich mit anderen Ländern
4.1 Ergebnisse in anderen OECD-Ländern
4.2 Ergebnisse in Nicht-OECD-Ländern

5 Praxisrelevanz und Bedeutung
5.1 Auswirkungen auf den deutschen Rentenversicherungsmarkt
5.2 Auswirkungen auf das Gesundheitswesen

6 Fazit und Schlussfolgerung

Literaturverzeichnis

Versicherung

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Lebenserwartung USA 1948-2003

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Die Lebenserwartung ist neben dem realen Bruttoinlandsprodukt pro Kopf und der Alphabeti- sierungsquote eine der wichtigsten Maßzahlen für den Lebensstandard.1 Unter der mittleren Lebenserwartung versteht man, dass ausgehend von einem bestimmten Alter festgestellt wird, wie viele Jahre die Gesamtheit der Personen dieses Alters im Durch- schnitt noch leben. Geteilt durch den Ausgangsbestand erhält man die mittlere Lebenserwar- tung, die als Durchschnittswert diesem Alter zugerechnet wird. Die Lebenserwartung drückt den Anteil aus, den der Einzelne an den allgemeinen Sterblichkeitsbedingungen seines Alters und seiner Epoche hat. Die Sterbetafelnberechnungen der letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass die mittlere Lebenserwartung zunimmt, bei Frauen größer ist als bei Männern.2 Im Folgenden drückt die Lebenserwartung stets die Lebenserwartung bei der Geburt aus. Ziel dieser Arbeit ist es die unterschiedliche Lebenserwartung von Männern und Frauen in einem ökonomischen Kontext darzustellen. Erst wird der Ausgangsartikel von Leung et al. „An Economic Analysis of Life Expectancy by Gender with Application to the United States” dargestellt und kritisch betrachtet. Dieser Aufsatz liefert eine ökonomische Erklärung für den Geschlechterunterschied in der Lebenserwartung anhand eines neoklassischen Wachstums- modells. In Anlehnung an diese Publikation, wird die Sichtweise anderer Autoren aufgeführt. Weiterhin folgt ein Vergleich mit anderen Ländern, hier wird vor allem zwischen Mitgliedern der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD) und nicht OECD- Ländern unterschieden.

Zentrale Einflussgrößen auf die Lebenserwartung und deren geschlechtsspezifischen Unter- schiede sind Einkommen, medizinischer Fortschritt und der sozioökonomischer Status der Frau.

Der abschließende Teil dieser Arbeit besteht aus der Praxisrelevanz der Thematik, hierbei wird vor allen Dingen auf die Bedeutung einer ansteigenden Lebenserwartung für die deutschen Sozialsysteme eingegangen.

2 Lebenserwartung und Geschlecht: Ein neoklassisches Wachstumsmodell

Ausgangspunkt dieser Arbeit ist der Aufsatz von Leung et al. „An Economic Analysis of Life Expectancy by Gender with Application to the United States“.

US-amerikanische Frauen hatten stets eine höhere Lebenserwartung als Männer, doch unter- liegt der Geschlechterunterschied in der Lebenserwartung (engl. „life expectancy gap“) ge- wissen Schwankungen. Von 1948 bis 1975 stieg die Lücke von 5,3 Jahren auf 7,8 Jahren an. Ab 1979 begann diese Lücke zu schmelzen und erreichte im Jahre 1998 5,8 Jahre.3 Abbildung 1 stellt den Verlauf der unterschiedlichen Lebenserwartung der Geschlechter graphisch dar.

In den letzten beiden Dekaden stieg die Lebenserwartung der Männer deutlich stärker als die der Frauen. Dies hat vor allen Dingen biologische Erklärungen. So wurden in den 1970er Jahren in der Behandlung von typischen Männerkrankheiten, wie beispielsweise kardiovaskulären Erkrankungen erhebliche Fortschritte erzielt. Gleichzeitig ging die Zahl der männlichen Raucher zurück und die der weiblichen nahm zu.4

Im Folgenden wird auf diese Aspekte nicht weiter eingegangen, vielmehr besteht das Ziel dieser Arbeit darin, eine ökonomische Erklärung für die unterschiedliche Lebenserwartung der Geschlechter zu liefern.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Lebenserwartung USA 1948-2003.5

Quelle: National Center for Health Statistics (NCHS), National Vital Statistics Report, United States Life Tables, Nov. 10, 2004

Der Fokus liegt auf zwei bedeutenden Fragen:

- Warum leben Frauen länger als Männer?
- Wie erklärt sich der Anstieg und Abfall des Geschlechterunterschiedes in der Lebenserwartung von 1948 bis heute?

Parallel zur Verringerung des Geschlechterunterschiedes in der Lebenserwartung in den späten 1970er Jahren, war ein starker Anstieg der Vollzeitstellen für Frauen und der Übergang von typischen Männerberufen auf Frauen zu verzeichnen.6

Das Modell von Leung et al. wird zeigen, dass beide Geschlechter einen gesundheitlichen Nutzen aus steigendem Wirtschaftswachstum und dem damit verbundenen Anstieg der Real- löhne gezogen haben. Interessanterweise haben die Männer davon in den letzten Jahrzehnten stärker profitiert.

2.1 Annahmen

Es wird eine Volkswirtschaft mit überlappenden Generationen betrachtet. Jede Generation besteht aus einer Menge von identischen Haushalten, jeder Haushalt besteht aus einem Mann und einer Frau. Mann und Frau leben maximal 3 Perioden und der Tod tritt sicher zum Ende des letzten Lebensabschnittes ein. In den ersten beiden Perioden besteht kein Sterblichkeitsrisiko, es ist aber möglich noch vor Eintritt ins Rentenalter zu sterben.7

Zur Vereinfachung wird davon ausgegangen, dass Konsum nur in der dritten Periode stattfin- det. Junge Paare geben einen Teil ihres Gehaltes für ihre Gesundheit aus und sparen den Rest für ihre Rente, sie gebären Kinder (äquivalent zur Anzahl der Geschlechter) und verbringen Zeit mit deren Erziehung.8 Die Überlebenswahrscheinlichkeit steigt mit den Investitionen in den Gesundheitszustand. Diese Investitionen bestehen entweder aus der Anschaffung gesund- heitsförderlicher Güter, wie beispielsweise Medikamente, medizinische Versorgung, gesunder vitaminreicher Ernährung usw. oder aus Zeitaufwendungen, die sich ebenfalls positiv auf das gesundheitliche Wohlbefinden auswirken (Bsp.: Erholung, sportliche Aktivitäten, Urlaub, Wellness, usw.).

Mann und Frau beginnen im ersten Lebensabschnitt mit einem identischen Gesundheitszu- stand H . Der Gesundheitszustand kann durch Investitionen in gesundheitsförderliche Güter

M und durch Zeitaufwendungen z verbessert werden. Ag ist der sogenannte „Gesundheitspro- duktionstechnologieparameter“ (engl. „health production technology parameter“), wobei g für das jeweilige Geschlecht steht (m für männlich und f für weiblich). Zum Ende des zweiten Lebensabschnittes stellt sich der Gesundheitszustand folgendermaßen dar:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zur Vereinfachung wir davon ausgegangen, dass nur die Frau für die Kindererziehung zuständig ist. Die Kindererziehung ist mit Zeitaufwand verbunden, der durch v Einheiten pro Kind ausgedrückt wird.9

Weiterhin wird davon ausgegangen, dass das Paar sich absolut altruistisch untereinander ver- hält, und es kein Motiv für Hinterlassenschaften an ihre Nachkommen gibt.10 Leung et al. folgen der Annahme von Galor und Weil, dass Männer dem Arbeitsmarkt physi- sche und mentale Arbeitskraft, wohingegen Frauen aufgrund ihrer schlechteren physischen Voraussetzungen nur ihre geistige Arbeitskraft anbieten können.11 Daraus resultiert, dass Männer im Durchschnitt mehr Einkommen erzielen können als Frauen. Dies spricht wieder- um für die alleinige Kindererziehung durch die Frau, da diese geringere Opportunitätskosten als der Mann zu verzeichnen hat.

2.2 Ergebnisse

1. „Das Verhältnis der Investitionen in Gesundheitsgüter zu der in Gesundheit investierten Zeit ist für Männer höher als für Frauen. Dieses Verhältnis wird annähernd gleich, wenn die Gehälter von Männern und Frauen konvergieren.“12

Ein Haushalt verteilt mehr Gesundheitsgüter pro Gesundheitszeiteinheit für den Ehemann, als für die Ehefrau. Der Grund liegt darin, dass Frauen ein geringeres Einkommen erzielen. Da die Einkünfte der Frauen niedriger sind als die der Männer, sind ihre Opportunitätskosten geringer. Somit sind Freizeit und in Gesundheit investierte Zeit für sie günstiger als für den Mann und werden stärker beansprucht. Wenn Mann und Frau dasselbe Einkommensniveau erzielen, wird das Paar gleichviel Zeitaufwand für Gesundheitsinvestitionen betreiben.

Damit diese Einkommenslücke geschlossen werden kann, ist ein Anstieg der Entlohnungen für geistige Tätigkeiten erforderlich.

Sollte dies tatsächlich der Fall sein, sind zwei Szenarien denkbar:

Im ersten Fall steigen die zeitlichen Gesundheitsinvestitionen für Männer und Frauen gleichermaßen. Im zweiten Fall nimmt lediglich der auf Gesundheit verwendete Zeitaufwand für Männer zu, während der der Frauen abnimmt.

Welches Szenario wahrscheinlicher ist, hängt von der relativen Stärke der Substitutions- und Einkommenseffekte ab. Der Substitutionseffekt verleitet dazu, mehr Zeit für Arbeit und weni- ger Zeit für Gesundheit und Freizeit zu verwenden. Der Einkommenseffekt bewirkt das ge- naue Gegenteil.

Es gibt genügend Anzeichen dafür, dass bei den Männern der Einkommenseffekt meist den Substitutionseffekt dominiert, während für Frauen das Gegenteil der Fall ist. Diese Annahme wird durch die Beobachtungen der beiden letzten Dekaden in den USA bestätigt. Dort konnte nämlich eine geringe Abnahme des männlichen Arbeitsangebotes und eine starke Zunahme des weiblichen Arbeitsangebotes beobachtet werden.13

2. „Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen dem Geschlechterunterschied in der Lebenserwartung und dem Geschlechterunterschied im Einkommen. Bei einer steigenden Entlohnung für geistige Arbeit werden die unterschiedlichen Lebenserwartungen von Männern und Frauen konvergieren.“14

Wenn Männer und Frauen das gleiche Einkommensniveau erreichen, ist die Lücke in der un- terschiedlichen Lebenserwartung der Geschlechter einzig und alleine von dem so genannten „Gesundheitstechnologieparameter“ Ag abhängig. Beispielsweise würde eine Verbesserung in der Brustkrebsbehandlung (Ansteigen von Af ), die Lebenserwartung bei Frauen verlängern und somit die Lücke weiter vergrößern. Es wäre auch möglich, dass sich die Lücke weiter verkleinern würde, wenn Am ansteigen würde, beispielsweise durch Fortschritte bei der Behandlung von Prostatakrebs.

Da Männer bei der Geburt eine niedrigere Lebenserwartung haben als Frauen, führte eine steigende Entlohnung für geistige Tätigkeiten mit den Jahren zu einem stärkeren Anstieg der Lebenserwartung für Männer relativ zu dem der Frauen. Dies entspricht den in den USA em- pirisch ermittelten Daten der letzten beiden Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts. Die Lebenser- wartung der Männer verzeichnete ein Wachstum von 0,29 % pro Jahr, während die der Frauen nur um 0,1. % pro Jahr anstieg. In dieser Zeit schrumpfte auch der Geschlechterunterschied im Einkommen.15

3. „Bei einem ausreichend großen Geschlechterunterschied im Einkommen wird wenig in die Gesundheit der Männer investiert.“16

Ein großer Geschlechterunterschied im Einkommen setzt eine niedrige Entlohnung für geisti- ge Tätigkeiten voraus. Demzufolge ist die für die Gesundheit aufgewandte Zeit für Frauen günstiger und für Männer umso kostspieliger. Die Konsequenz daraus ist, dass bei ausrei- chend großen Gehaltslücken keine zeitlichen Gesundheitsinvestitionen für den Mann getätigt werden.17

4. „Werden keine Gesundheitsinvestitionen für Männer getätigt, erweitert sich die ge- schlechtsspezifische Gesundheitslücke. Ebenso, wenn die Gehälter von Männern und Frauen konvergieren, vorausgesetzt die Einkommenselastizität der Nachfrage ist ausreichend klein.“18

Es liegt auf der Hand, dass bei geringen bis nicht vorhandenen Investitionen in die Gesund- heit der Männer, der Geschlechterunterschied in der Gesundheitsausstattung anwächst. Folg- lich steigt auch der Geschlechterunterschied in der Lebenserwartung weiter an. Vor den 1970er Jahren verzeichnete in den USA der Geschlechterunterschied in der Lebenserwartung einen fortwährenden Anstieg, obwohl Frauen von den ansteigenden Gehältern für geistige Tätigkeiten profitierten.

Dies steht im Gegensatz zu Ergebnis 2. Dafür gibt es folgende Erklärungen, die indes an mehreren Bedingungen geknüpft sind: Entweder dominiert der Einkommenseffekt bei steigender Entlohnung für geistige Arbeit den Substitutionseffekt für Frauen oder aber der Substitutionseffekt dominiert den Einkommenseffekt bei einer schwachen Einkommenselastizität der Nachfrage nach Gesundheitsgütern.19

[...]


1 vgl. Mankiw, 2004, S. 555.

2 vgl. Gabler Wirtschaftslexikon, 2004, S. 1870-71.

3 vgl. Leung et al., 2004, S. 737-759.

4 vgl. Waldron, 1976, S. 334-362.

5 vgl. National Center for Health Statistics (NCHS) , 2004.

6 vgl. Leung et al., 2004, S. 737-759.

7 vgl. Leung et al., 2004, S. 737-759.

8 vgl. Leung et al., 2004, S. 741.

9 vgl. Leung et al., 2004, S. 741.

10 vgl. Leung et al., 2004, S. 742.

11 vgl. Galor und Weil, 1996, S. 374-387.

12 Leung et al., 2004, S. 745.

13 vgl. Leung et al., 2004, S. 737-759.

14 Leung et al, 2004, S. 748.

15 vgl. Leung et al, 2004, S. 737-759.

16 Leung et al., 2004, S. 749.

17 vgl. Leung et al., 2004, S. 749.

18 Leung et al., 2004, S. 749.

19 vgl. Leung et al., 2004, S. 737-759.

Fin de l'extrait de 21 pages

Résumé des informations

Titre
Lebenserwartung und Geschlecht
Université
RWTH Aachen University  (Allgemeine Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaft)
Cours
Leben und Tod aus Sicht der Ökonomik
Note
2,3
Auteur
Année
2006
Pages
21
N° de catalogue
V65242
ISBN (ebook)
9783638578608
ISBN (Livre)
9783638767682
Taille d'un fichier
448 KB
Langue
allemand
Mots clés
Lebenserwartung, Geschlecht, ökonomisch
Citation du texte
Ronny Thyssen (Auteur), 2006, Lebenserwartung und Geschlecht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/65242

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