Körper und Kommunikation - Die Funktionen des Körpers für die Kommunikation in Intimsystemen


Dossier / Travail de Séminaire, 2006

20 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhalt

1. Einleitung - der Körper zwischen Natur und Kultur

2. Die Funktionen des Körpers für Kommunikation
2.1. Der Körper als Adresse der Kommunikation
2.1.1 Die Einheit der Person im Kontext der Kommunikation
2.1.2. Die Vielheit der Person in der polykontexturalen Gesellschaft
2.1.3. Der Körper als Einheit der Person
2.2. Der Körper als Kommunikationsmedium
2.2.1. Der Körper als Thema der Kommunikation in Intimsystemen
2.2.2. Kommunikation und die Differenz von Information und Mitteilung
2.2.3. Das strukturelle Problem der Inkommunikabilität
2.2.4. Der Körper als Lösung des Problems der Inkommunikabilität

3. Resümee

4. Literatur

1. Einleitung - der Körper zwischen Natur und Kultur

Der Körper wird im Fremd- und Selbstverständnis der Soziologie gemeinhin nicht als genuiner Gegenstand dieser Disziplin ausgewiesen. Er repräsentiert gewissermaßen die Seite der Natur innerhalb der Unterscheidung von Natur und Kultur, die Sozialwissenschaften dagegen sehen sich in ihrem klassischen Selbstverständnis als Analyseinstrument der Kultur und asymmetrisieren diese Differenz auf die Seite der Kultur, wenn es um die Frage der Grundbestimmung menschlicher Existenz geht. Um innerhalb dieser Differenz anschlussfähig zu bleiben, muss die andere Seite der Unterscheidung stets als das ausgeschlossene Andere mitreflektiert werden. Dabei wird die Natur selbst in eine soziale Konstruktion transformiert, in dem auch der Körper als sozial konstruierte Tatsache aufgefasst wird, um innerhalb der Soziologie Resonanz zu erzeugen, man betrachte z.B. die Arbeiten von Judith Butler. Für die Soziologie kann es den Körper nur als soziale Tatsache und als Verkörperung sozialer Kräfte geben (vgl. Hahn 2000: 353), gleichzeitig ist er das Symbol für a-soziale Natur schlechthin. Somit verbleibt der Körper innerhalb der Soziologie auf eine eigentümliche Weise aus- und eingeschlossen.

In der vorliegenden Arbeit soll der Körper im Kontext der Kommunikation im Mittelpunkt stehen. Sie stellt sich die Frage nach den Funktionen, welche der Körper in der gesellschaftlichen Kommunikation erfüllt, und welchen Problemen die gesellschaftliche Relevanz des Körpers geschuldet ist. Insbesondere soll hier der Kontext der Interaktion unter der Bedingung anwesender Körper in den Blick genommen werden, speziell innerhalb des sozialen Systems der Intimität. Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass der Körper unter der Bedingung der Anwesenheit einerseits wie selbstverständlich als Einheit der Person fungiert, er andererseits aber als etwas der Psyche Äußerliches aufgefasst wird, dem ein eigenes Mitteilungsverhalten zugerechnet werden kann.

Aus theoretischer Perspektive wird hier mit dem Instrumentarium und den Begrifflichkeiten der Systemtheorie gearbeitet, da die Fragestellung als funktionale Analyse angelegt wird, innerhalb derer die Funktionen des Körpers für Kommunikation betrachtet werden, und da das Zustandekommen sozialer Systeme in Form der Anschlussfähigkeit von Kommunikationsofferten problematisiert wird.

2. Die Funktionen des Körpers für Kommunikation

2.1. Der Körper als Adresse der Kommunikation

2.1.1. Die Einheit der Person im Kontext der Kommunikation

Eine systemtheoretische Konzeptualisierung des Körpers muss zunächst von der strikten Trennung sozialer, psychischer und lebender Systeme ausgehen und die Mechanismen in den Blick nehmen, durch die ihre verschiedenen Operationen für einander relevant werden. Gesellschaft stellt sich aus der Sicht der soziologischen Systemtheorie als Einheit aller Kommunikationen bzw. als Summe beobachtbarer Mitteilungen dar (vgl. Luhmann 1987: 33). Sozialität ist nach Luhmann ein Aggregat von Beobachtungsschemata, mit denen über die Welt kommuniziert wird, in dem Informationen anhand einer Differenz seligiert und mitgeteilt werden, diese Differenz beobachtbar und damit verstanden wird. Insofern jede Information eine Selektion aus einem Horizont anderer Möglichkeiten ist, prozessiert Kommunikation Sinn, in dem in jedem Kommunikationsakt den Fokus auf ein Element dieses Verweisungshorizontes richtet, und diese Kommunikationsofferte wird verstanden, wenn sie für ein beobachtendes System einen Unterschied macht (vgl. Luhmann 1987: 93).

Da die ganze Welt nur in der Semantik dieser Codes verhandelbar ist, sind diese Systeme geschlossen und können Sinn nur in Form ihrer spezifischen Formatierung prozessieren. Was ein soziales System als Tatsache beschreibt, ist das Ergebnis einer Attribution von Codewerten nach den Regeln der jeweiligen Programmierung, und ist damit je nach beobachtendem System kontingent. Über Programme, die Vorschriften der Zuweisung von Codewerten, gewinnen soziale Systeme trotz ihrer operativen Geschlossenheit Offenheit, indem Ereignisse der Umwelt zum Thema von Kommunikation werden können (vgl. Luhmann 1987: 278). Werden die Ergebnisse anderer Systeme thematisiert, so realisiert sich das Verhältnis zwischen diesen Systemen als strukturelle Koppelung, so dass die Wahrscheinlichkeit erhöht wird, dass die Prozesse des beobachtenden Systems dauerhaft von den Ereignissen des beobachteten Systems beeinflusst werden. Als Reservoir von Themen ist die Umwelt konstitutiv für die Systembildung selbst. Während die systemische Geschlossenheit operativ nicht gebrochen werden kann, können Umweltereignisse diese Operationen irritieren und zum Thema von Kommunikation werden. Das gilt auch und vor allem für psychische Systeme, welche die Fähigkeit besitzen, über strukturelle Koppelungen Themen für soziale Systeme zu generieren. (Vgl. Luhmann 2000: 372ff).

Damit ein soziales System diese Lärmquelle des Bewusstseins als strukturiert beschreiben und zur Strukturbildung benutzen kann, behandelt es sie als Person, die als kompakte Einheit aufgefasst wird, an die Erwartungen gerichtet und Ursachen für zu verantwortende Handlungen zugeschrieben werden (vgl. Luhmann 1987: 155). Als solches Konstrukt der Kommunikation rechnen soziale Systeme Personen Mitteilungshandlungen zu und können so das Kommunikationsgeschehen als verursacht durch diese Personen beschreiben, so dass die Kommunikation sich selbst als Kette von Mitteilungen simplifiziert (vgl. Luhmann 1987: 227). Personen sind dann die Entitäten, die als Autoren von Kommunikation identifiziert werden. Bewährt sich ein solcher Attributionsmodus für eine Person, stabilisieren sich die an eine Person gerichtet Erwartungen, und sie wird zum Adressaten der Erwartungsbildung sozialer System. Personen sind dann Zielpunkte kommunikativer Erwartungen, und in dieser Form gewinnen Personen Einheit, Identität und Adressabilität. Dass keineswegs ausschließlich Menschen als Personen konstruiert werden, zeigt sich z.B. im religiösen Kontext anhand von Gebeten, in denen beispielsweise Götter als Mitteilungsinstanzen konstruiert werden.

Über das Konstrukt der Person bündeln soziale Systeme den durch die psychischen Systeme produzierten noise und behandeln ihn als Wirkung verantwortlicher und Handlungen verursachender Mitteilungsinstanzen. Insofern realisiert sich die Einheit und Identität psychischer Systeme aus der Perspektive sozialer Systeme in der Form der Person.

2.1.2. Die Vielheit der Person in der polykontexturalen Gesellschaft

Von der Person als Einheit zu sprechen mag plausibel sein, solange man nur ein einziges soziales System als Referenzpunkt betrachtet, das diese Einheit als solche nach eigenen Erwartungen konstruiert. Nun stellt sich die moderne Gesellschaft aber als funktional differenziert dar, in der jedes Funktionssystem auf der Basis eines eigenen Codes operiert und die Umwelt sozialer Tatsachen aus dem Repertoire ihrer eigenen Semantik konstruiert. Zusätzlich wird jedes System in der modernen Gesellschaft die Inklusion des Einzelnen auch in andere Systeme in Rechnung stellen, ohne aber aus der Art dieser Inklusionen Kriterien für die Berücksichtigung innerhalb des eigenen Systems ableiten zu können (vgl. Luhmann 1965: 84ff). Damit wird die Erfahrung der Modernität, die sich in der Kontingenz dieser Konstruktionen manifestiert, unübersehbar, insofern sich Tatsachen aus jeder Perspektive je unterschiedlich darstellen (vgl. Kneer/Nassehi 2000: 151). Dies gilt auch für Personen, die zwar von jedem System als Adressat benutzt werden, deren Modus der Adressierung von Erwartung in jedem Funktionssystem aber ein anderer ist (vgl. Tacke 2000: 293). So geht mit der funktional differenzierten Gesellschaft eine Differenzierung der Adressierungen einher, die sich oft auch in inkommensurablen Erwartungen an eine Person manifestiert und entsprechende Rollenkonflikte hervorruft, wenn sich aus unterschiedlichen Inklusionen unvereinbare Erwartungen ergeben. Die Differenzierung der Inklusions- /Exklusionsprofile, als das sich diese multiple Adressierung auch bezeichnen lässt, führt also zu divergierenden, häufig inkompatiblen Erwartungen, so dass sich diese Situation der Polykontexturalität auch innerhalb psychischer Systeme nicht mehr als stabile Identität beschreiben lässt (vgl. Fuchs 2003: 24). Da die Differenzierung der Adressen auch innerhalb des Bewusstseins wahrgenommen wird und hier als re-entry multipler Differenzen von Kommunikation und Bewusstsein erscheint (vgl. Fuchs 1997: 73), wird auch das Selbsterleben gespalten und mündet im polykontexturalen Bewusstsein, das „sich selbst nicht in der EINS verrechnen“ (Fuchs 1997: 74) kann. Daher spricht man im Zusammenhang von modernen Selbstbeschreibungen von multiplen, gar schizophrenen Persönlichkeiten.

Dieser Befund ist nun aber nicht nur ein in psychischen Systemen kursierendes Symptom, sondern als mitteilbares Erlebnis (und nur so) sozial anschlussfähig, z.B. als Klage über den Identitätsverlust des Individuums, und wird damit wieder zu einem sozial relevanten Tatbestand, den symptomatisch die im sozialpsychologischen Diskurs beobachtbare „Karriere des Konzeptes von der unterbrochenen Selbstreferenz des psychischen Systems, also die Karriere des psychologischen (nebulosen) Displacements“ (Fuchs 1997: 75) indiziert. Nur als sozial beschreibbare Tatsache ist der Befund des polykontexturalen Bewusstseins aber sozial bedeutsam und kann gesellschaftlich zum Problem werden. Das Problem besteht dann darin, einen einheitlichen Identifikationspunkt für kommunikative Erwartungsbildung zu produzieren, in Form dessen Personen sozial relevant werden können, und zwar als einheitliche Adressaten, deren multiple Inklusion zwar berücksichtigt werden muss, der aber als Mitteilungsinstanz gleichvoll als verantwortliches Handlungssubjekt behandelt werden kann. Die Frage ist also, inwiefern die Einheit der Person trotz der multiplen Inklusion der modernen Gesellschaft aufrechterhalten werden kann.

[...]

Fin de l'extrait de 20 pages

Résumé des informations

Titre
Körper und Kommunikation - Die Funktionen des Körpers für die Kommunikation in Intimsystemen
Université
LMU Munich  (Institut für Soziologie)
Cours
Liebe - Zur Kommunikation von Inkommunikabilität
Note
1,0
Auteur
Année
2006
Pages
20
N° de catalogue
V65285
ISBN (ebook)
9783638578899
ISBN (Livre)
9783656788607
Taille d'un fichier
446 KB
Langue
allemand
Mots clés
Körper, Kommunikation, Funktionen, Körpers, Kommunikation, Intimsystemen, Liebe, Kommunikation, Inkommunikabilität
Citation du texte
Manuel Wätjen (Auteur), 2006, Körper und Kommunikation - Die Funktionen des Körpers für die Kommunikation in Intimsystemen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/65285

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