Bereits 1910 sprach Max Weber auf dem ersten deutschen Soziologentag in
Frankfurt von der immensen Bedeutung der Presse. In der Untersuchung des
gesamten Komplexes der Presse sah er eines der Gebiete, welchem die Soziologie
in Zukunft mehr Aufmerksamkeit zulassen kommen sollte. Außerdem wollte Weber in der „Enquete über das Zeitungswesen“ auch der Fragenachgehen, inwiefern der Journalismus es dem Einzelnen ermöglicht, öffentlich Einfluss zu nehmen, wie die „Haltung der Zeitung“ gesichert wird und welchen
Einfluss gesellschaftliche Akteure haben. Außerdem stellte er sich die Frage nach
dem Funktionieren des Sozialsystems Redaktion und der Rolle von „Kollektivismus
und Individualismus bei der Schaffung des Zeitungsinhalts“ .Das er für dieses Vorhaben kaum Unterstützung fand ist bedauerlich, insbesondere vor dem Hintergrund das noch 1975 darauf hingewiesen wurde, der politischen Kommunikation auf internationaler Ebene mehr Aufmerksamkeit zu
schenken . Mittlerweile wundern Forscher sich, warum es so lange dauerte, die komparative Forschung als notwendige und nützliche Erkenntnisstrategie der Kommunikationswissenschaft zu erkennen. In letzter Zeit aber rückt die komparative Forschung mehr ins Zentrum. Es war an der Zeit, denn politische, wirtschaftliche und soziale Veränderungen prägten die letzten Jahrzehnte und die Erforschung
nationenübergreifender medialer Entwicklungen und Folgen werden immer wichtiger, um die Wechselbeziehungen von Medien und Politik nachvollziehen zu können.
In der vorliegenden Arbeit werden in einem ersten Schritt die Funktionen der
Massenmedien – und damit des Journalismus in bezug auf den jeweiligen Typ des
politischen Systems untersucht. Im Folgenden werden Ansätze, die sich vor allem
mit Journalismus und politischem System auf globaler Ebene auseinandersetzen
(„most different systems“ Design) untersucht und diskutiert. Anschließend wird sich
das Augenmerk auf das „most similar systems“ Design richten, das heißt, es werden
ausschließlich pluralistische, freiheitliche Systeme innerhalb einer relativ homogenen
Weltregion untersucht. Dabei wird nicht ein bestimmter Ansatz herangezogen
werden, sondern es werden verschieden Ansätze verknüpft und Kategorien, die als
wichtig erscheinen, ergänzt. In der abschließenden Diskussion wird dann weniger auf
die Unterschiede westlicher Demokratien, sondern mehr auf die vermeintlichen
Angleichungsprozesse eingegangen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einführung
- 1.1 Aufbau und Ziele der Arbeit
- 1.2 Der Systembegriff
- 1.2.1 Das politische System
- 1.2.2 Das Mediensystem
- 2. Journalismus und politisches System
- 2.1 Qualitative Kriterien zur Bestimmung politischer Systeme
- 2.2 Qualitative Kriterien zur Bestimmung von Mediensystemen
- 2.3 Idealvorstellung vs. Realität
- 3. Unterschiede von Journalismus und politischem System: Global
- 3.1 Der normative Divergenz-Ansatz
- 3.2 Der analytische Kontingenz-Ansatz
- 3.3 Der empirische Konvergenz-Ansatz
- 3.4 Vier Dimensionen von Verbindungen
- 4. Unterschiede: Journalismus in westlichen Demokratien
- 4.1 Historisch-entwicklungsgeschichtliche Unterscheidungskriterien
- 4.1.1 Das Maß der Pressefreiheit
- 4.1.2 Zeitungsindustrie/Kommerzialisierung der Presse
- 4.1.3 Parteibildungsprozess/Politischer Parallelismus
- 4.1.4 Professionalisierung
- 4.2 Rollenverständnis, Berufsnormen, professionelle Orientierung
- 4.3 Rolle des Staates
- 4.4 Unterschiede bezüglich der Medien- und Meinungsvielfalt
- 5. Zusammenfassung
- 6. Diskussion
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit befasst sich mit dem Verhältnis von Journalismus und politischem System und untersucht die Unterschiede, die sich zwischen diesen beiden Bereichen ergeben. Dabei wird der Fokus sowohl auf globale Vergleiche als auch auf spezifische Unterschiede in westlichen Demokratien gelegt.
- Die Funktionsweise von Massenmedien und Journalismus im Kontext verschiedener politischer Systeme
- Die Untersuchung unterschiedlicher theoretischer Ansätze zur Analyse von Journalismus und politischem System, sowohl auf globaler als auch auf regionaler Ebene
- Die Analyse historischer Entwicklungen und Unterscheidungskriterien, die zu spezifischen Merkmalen des Journalismus in westlichen Demokratien geführt haben
- Die Rolle des Staates im Zusammenhang mit Journalismus und Medienvielfalt in westlichen Demokratien
- Die Diskussion von vermeintlichen Angleichungsprozessen im Bereich von Journalismus und Politik
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung in die Thematik und erläutert die Bedeutung des internationalen Vergleichs von Journalismus und politischen Systemen. Sie definiert den Systembegriff und behandelt das politische und das Mediensystem als Subsysteme. Im zweiten Kapitel werden qualitative Kriterien zur Bestimmung politischer und medialer Systeme vorgestellt. Anschließend werden verschiedene theoretische Ansätze zur Analyse der Beziehung zwischen Journalismus und politischem System auf globaler Ebene beleuchtet. Kapitel vier befasst sich mit den Unterschieden von Journalismus in westlichen Demokratien und analysiert historische Entwicklungen, Rollenverständnis, Berufsnormen und die Rolle des Staates. Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung und einer Diskussion über die vermeintlichen Angleichungsprozesse im Bereich von Journalismus und Politik.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Schlüsselbegriffen Journalismus, politisches System, internationale Vergleichende Journalismusforschung, Medienvielfalt, Pressefreiheit, Medienorganisationen, politischer Parallelismus, Professionalisierung, und die Rolle des Staates.
- Citation du texte
- Susanne Backe (Auteur), 2006, Journalismus und politisches System - wo liegen die Unterschiede?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/65368