Es gibt nicht viele Themen, die nicht nur innerhalb der Jurisprudenz eine Vielzahl von Juristen unterschiedlichster Fachrichtungen beschäftigen, sondern auch in der Gesellschaft überaus konträr und emotional diskutiert werden. Der Streit um die generelle Zulässigkeit von Sterbehilfe ist ein solches Thema. Dabei ist die Kontroverse nicht speziell ein Phänomen unserer Zeit, auch wenn durch immer neuere medizinische Erkennt-nisse und Fortschritte das Problem teils noch verschärft wird, sondern beschäftigte bereits die Menschheit in der Antike. Weitere Brisanz erhält die Auseinandersetzung in Deutschland durch die Erfahrungen aus der Zeit des Nationalsozialismus und deren menschenverachtenden Eugenik-Programmen unter dem Deckmantel der Euthanasie. Dass die Einführung gesetzlicher Regelungen nicht zwangsläufig ein Tabu darstellt, zeigt sich in unseren Nachbarländern Belgien und den Niederlanden. Beide Staaten haben unlängst die Anwendung aktiver Sterbehilfe durch entsprechende Gesetze legalisiert. Es stellt sich demnach die Frage, ob und inwieweit eine solche Gesetzgebung mit dem unsrigen Menschenbild und unseren Werten vereinbar ist.
Aufgabe dieser Arbeit wird hierbei sein, die von manchen Wissenschaftlern und Teilen der Gesellschaft geforderte Einführung der aktiven Sterbehilfe in Deutschland im Hinblick auf die Verfassung und ihrer Grundrechtsgewährleistungen zu untersuchen. Schwerpunkte der Prüfung werden dabei die Würde des Menschen und das Recht auf Leben sein, welche beide Höchstwerte unserer Gesellschaft sind. Es sollen die Fragen beantwortet werden, ob die Situation de lege lata mit der Verfassung vereinbar ist und ob die Pflicht oder die Möglichkeit für den Gesetzgeber besteht, die aktive Sterbehilfe de lege ferenda zuzulassen.
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- A. Terminologische Abgrenzung
- I. Grundsätzliches zum Begriff Sterbehilfe
- II. Abgrenzung aktiver von passiver Sterbehilfe
- III. Abgrenzung indirekter von direkter Sterbehilfe
- IV. Selbsttötung und Teilnahme
- V. Zusammenfassung
- B. Konkretisierung der betroffenen Grundrechte
- I. Die Würde des Menschen, Art. 1 Abs. 1 GG
- 1. Entstehungsgeschichtliche/Historische Erfassung
- 2. Positive Erfassungsversuche
- a. Mitgift- und Werttheorien
- b. Leistungstheorie
- c. Kommunikationstheorie
- 3. Negative Erfassung, Nichtdefinition, Objektformel
- a. Schutz der körperliche Integrität
- b. Schutz der elementaren Lebensgrundlagen
- c. Schutz der personalen Identität und der persönlichen Ehre
- d. Schutz elementarer Rechtsgleichheit
- 4. Zusammenfassung
- II. Das Recht auf Leben, Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 GG
- 1. Schutzbereich
- a. Beginn und Ende menschlichen Lebens, personaler Schutzbereich
- b. Sachlicher Schutzbereich
- aa. Reichweite der staatlichen Schutzpflicht
- bb. Recht auf Leben, Recht zu sterben
- (1) Auslegung des Wortlautes und der Grammatik
- (2) Historische Auslegung
- (3) Systematische Auslegung
- (4) Teleologische Auslegung
- 2. Zusammenfassung
- III. Verhältnis der Menschenwürde zum Recht auf Leben
- C. Anwendung auf die Problematik der aktiven Sterbehilfe
- I. Die Selbsttötung
- 1. Rechtsnatur der Selbsttötung
- 2. Spezielle Zulässigkeit
- 3. Die Verhinderungspflicht Dritter
- 4. Die Beihilfe zur freiverantwortlichen Selbsttötung
- 5. Zusammenfassung
- II. Unterscheidung zwischen Selbst und Fremdtötung
- III. Die aktive Sterbehilfe
- 1. Verfassungsmäßigkeit des § 216 StGB
- a. Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG
- aa. Auslegung des Wortlauts
- bb. Historische Auslegung
- cc. Systematische Auslegung
- (1) Objektbehandlung
- (2) Objektive Werteordnung
- dd. Menschenwürdekonforme Auslegung
- ee. Zusammenfassung
- b. Eingriff
- c. Rechtfertigung
- aa. Verhältnismäßigkeitsprüfung
- (1) Legitimer Zweck
- (2) Eignung zur Zweckerreichung
- (3) Erforderlichkeit
- (4) Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne/Angemessenheit
- d. Ergebnis
- 2. Die Gebotenheit/Möglichkeit einer Gesetzesänderung
- a. Interessen und Rechte des Patienten
- b. Schutzpflicht des Staates
- aa. Dammbruchargument
- (1) Theoretische Betrachtung
- (2) Entwicklung in den Niederlanden
- bb. Grundrechtsschutz durch Verfahren
- c. Ergebnis
- 3. Zusammenfassung
- Rechtliche Einordnung und terminologische Abgrenzung der Sterbehilfe
- Analyse der Grundrechte, die im Zusammenhang mit der Sterbehilfe relevant sind, insbesondere die Würde des Menschen und das Recht auf Leben
- Bewertung der Verfassungsmäßigkeit des § 216 StGB im Hinblick auf die aktive Sterbehilfe
- Diskussion der Argumente für und gegen eine Gesetzesänderung im Bereich der Sterbehilfe
- Bewertung der rechtlichen und ethischen Implikationen der aktiven Sterbehilfe
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Studienarbeit analysiert die rechtliche Problematik der aktiven Sterbehilfe im Kontext des deutschen Grundgesetzes. Dabei werden die relevanten Grundrechte wie die Würde des Menschen und das Recht auf Leben im Detail untersucht und ihre Anwendung auf die Sterbehilfedebatte analysiert.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einführung führt in die Thematik der aktiven Sterbehilfe ein und grenzt den Begriff von anderen Formen der Sterbehilfe ab. Sie erläutert zudem die relevanten Grundrechte, die im weiteren Verlauf der Arbeit untersucht werden.
Das Kapitel "Terminologische Abgrenzung" bietet eine präzise Definition des Begriffs Sterbehilfe und unterscheidet verschiedene Formen der Sterbehilfe, wie passive, indirekte und direkte Sterbehilfe. Es wird zudem die Unterscheidung zwischen Selbsttötung und Teilnahme an der Selbsttötung getroffen.
Im Kapitel "Konkretisierung der betroffenen Grundrechte" werden die wichtigsten Grundrechte im Zusammenhang mit der Sterbehilfe, insbesondere die Würde des Menschen und das Recht auf Leben, näher beleuchtet. Dabei werden die verschiedenen Interpretationen und Auslegungen der genannten Grundrechte analysiert.
Das Kapitel "Anwendung auf die Problematik der aktiven Sterbehilfe" untersucht die rechtliche Situation der aktiven Sterbehilfe im Kontext des deutschen Rechts. Es analysiert die Verfassungsmäßigkeit des § 216 StGB und diskutiert die Argumente für und gegen eine Gesetzesänderung im Bereich der Sterbehilfe.
Schlüsselwörter
Aktive Sterbehilfe, Selbsttötung, Beihilfe, Würde des Menschen, Recht auf Leben, § 216 StGB, Verfassungsmäßigkeit, Gesetzesänderung, Grundrechte, bioethische Debatte, Patientenrechte, Rechtsethik, Sterbehilfedebatte
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- Stephan Höntsch (Author), 2006, Aktive Sterbehilfe als Verfassungsproblem, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/65384